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· Fachbeitrag · Berufskrankheit

Lärmschwerhörigkeit: Chronischer Lärm kann nicht zur Taubheit führen

| Selbst wenn ein Arbeitnehmer über viele Jahre berufsbedingten Lärmquellen ausgesetzt ist, kann dies allein nicht ursächlich dafür sein, dass er sein Gehör fast vollständig verliert. So entschied es das LSG Rheinland-Pfalz. |

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Der 62-jährige Kläger hatte als Kfz-Mechaniker und Schlosser gearbeitet und zuletzt Aufzüge und Fahrtreppen repariert. Dabei war er immer starkem Lärm ausgesetzt. Bereits 1993 und 2002/2003 wurde eine Lärmschwerhörigkeit (BK 2301) festgestellt, allerdings keine Rente gewährt. 2013 stellte der Kläger erneut einen Antrag. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits fast taub. Diesen Hörverlust führte er auf die Lärmeinwirkungen zurück. Unstreitig waren schon erstinstanzlich Lärmeinflüsse (einfahrende Züge, Werkzeuge/Maschinen) festgestellt worden, die einen Hörschaden entstehen lassen können. Das SG wies seine Klage auf Anerkennung der Berufskrankheit jedoch zurück, da nach gutachterlicher Einschätzung die Verschlechterung nicht wahrscheinlich auf seine Arbeit zurückzuführen sei.

 

Das LSG wies die Berufung zurück (30.7.19, L 3 U 116/16, Abruf-Nr. 214743). Die Beklagte hatte 1994 festgestellt, dass eine BK 2301 in Form einer Hochtoninnenohrschwerhörigkeit besteht. Die nun vorliegende mittel- bis hochgradige Innenohr-Schwerhörigkeit sei aber mit Wahrscheinlichkeit nicht Folge des berufsbedingten Lärms. Dies bestätigte auch ein beigezogenes Gutachten. Insgesamt führt berufliche Lärmeinwirkung meistens zu geringgradiger Schwerhörigkeit. Eine mittelgradige lärmbedingte Schwerhörigkeit ist ein seltener Einzelfall, eine hochgradige Innenohr-Schwerhörigkeit allein durch Lärmeinwirkung nahezu ausgeschlossen. Es besteht aus wissenschaftlicher Sicht Einigkeit darüber, dass chronischer Lärm nicht zur Taubheit führen kann (Schönberger/Mehrtens/Nalentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. S. 343 ff.; Königsteiner Empfehlung; vgl. www.iww.de/s3299). Zwar können Hörverluste im tiefen und mittleren Frequenzbereich ebenfalls lärmbedingt sein, wenn es jahrzehntelang Lärmeinwirkungen meist über 85 db(A) bzw. mit extrem hohen Schallpegeln gab. Aber diese Hörverluste bleiben dann leicht und erreichen selten 30 dB. Die allein als lärmbedingt festgestellte Hörminderung in den hohen Frequenzen ist hier an der Einschränkung des Gehörs nicht erheblich beteiligt und macht daher auch keine MdE von 20 Prozent aus.

 

Relevanz für die Praxis

Auch kurzzeitige Lärmeinwirkungen und besondere Lärm-Spitzenwerte können ins Gewicht fallen (SR 16, 98). Anwälte sollten insoweit auch wissen, dass sie in Nachprüfungsverfahren Gutachten einholen können (§ 44 SGB X).

 

Weiterführende Hinweise

  • Immer ein Problem: Arbeit mit schweren Maschinen nachweisen, SR 16, 187
  • Veraltete MdE-Werte: Vorschläge sind eben nur Vorschläge ..., SR 19, 209
Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 58 | ID 46347812