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· Fachbeitrag · Aufklärung

Haftungsrecht: Was, wenn der Patient den ausländischen Arzt nicht versteht?

von RAin, FAin MedR Rosemarie Bernauer, LL.M., Wienke & Becker, Köln

| Laut Bundesärztekammer liegt die Zahl der in Deutschland gemeldeten ausländischen Ärztinnen und Ärzte bei derzeit rund 55.000 (Stand: 31.12.18). Und obwohl nach der Bundesärzteordnung für die Erlangung der deutschen Approbation bzw. Berufserlaubnis neben den fachlichen Qualifikationen auch ausreichende Sprachkenntnisse nachgewiesen werden müssen, wird hierbei vielerorts ‒ sicherlich auch aufgrund des herrschenden Fachkräftemangels ‒ offenbar ein Auge zugedrückt oder darauf vertraut, dass sich die Sprachbarriere durch die tägliche Arbeit bald von selbst auflösen wird. Diese Hoffnung kann jedoch zu einem großen Haftungsrisiko werden! |

1. Aufklärung: Es gilt der Grundsatz der Verständlichkeit

Insbesondere im Hinblick auf die Risikoaufklärung ist es unumgänglich, dass sich Arzt und Patient verstehen. Die jahrzehntelang durch Rechtsprechung und zuletzt § 630e Abs. 2 Nr. 3 BGB (Patientenrechtegesetz) geformten Aufklärungsgrundsätze würden völlig ins Leere laufen, wenn schon rein tatsächlich eine Verständigung nicht möglich sein sollte. Zwar bieten Aufklärungsbögen eine gewisse Hilfestellung, jedoch ersetzen sie nicht das mündliche Aufklärungsgespräch. Auch muss es dem Arzt möglich sein zu erkennen, und durch Nachfrage zu überprüfen, ob der Patient Inhalt und Tragweite der Aufklärung verstanden hat. Dabei muss er sich auch am Alter und Intellekt des Patienten orientieren und die Aufklärung entsprechend anpassen. Dies kann nur gelingen, wenn der Arzt ausreichend gute Sprachkenntnisse hat und auch auf ungewöhnliche Nachfragen des Patienten reagieren kann. Dabei gilt wie immer bei der Aufklärung:

 

MERKE | Je gravierender und risikoreicher ein Eingriff ist, desto höher sind die Anforderungen an die Aufklärung und damit auch an die Sprachkenntnisse des Arztes. Es macht insofern einen Unterschied, ob es um eine Aufklärung in der Wundambulanz oder um die Aufklärung vor einem operativen Eingriff geht.

 

2. Arzt-Patienten-Gespräche sind anfällig für Missverständnisse

Nicht nur aufgrund der medizinischen Fachausdrücke, der Vielzahl an Informationen und der ‒ je nach Erkrankung ‒ bestehenden Anspannung oder Schmerzen, ist es häufig für Patienten nicht ganz leicht, den Ausführungen des Arztes vollständig zu folgen. Auch bewerten Patienten ihre eigenen Symptome möglicherweise anders als der Arzt oder halten es nicht für notwendig, sie zu erwähnen. Daher bergen Anamnese- und Aufklärungsgespräch ohnehin schon das Risiko, dass Informationen verloren gehen oder falsch aufgefasst werden. Es ist darum wichtig, dass keine zusätzlichen Schwierigkeiten dadurch entstehen, dass sich Arzt und Patient nicht verstehen.

3. Rechte des Patienten, wenn Kommunikation unmöglich ist

Kann keine Kommunikation mit einem ausländischen Patienten stattfinden, ist der Arzt grundsätzlich berechtigt, die Behandlung zu beenden bzw. zu verweigern, sofern kein Notfall vorliegt. Rechtlich stellt dies die Kündigung des Behandlungsvertrags dar, der gemäß § 627 Abs. 1 BGB jederzeit kündbar ist.

 

Das gleiche Recht hat aber auch der Patient, der seinen Arzt nicht verstehen kann. Bei stationärer Krankenhausbehandlung kann er den Chef- oder Oberarzt um die Behandlung durch einen anderen Arzt bitten und, sollte dies nicht ermöglicht werden und sollten keine medizinischen Gründe dagegensprechen, auch die Klinik wechseln. Bei Behandlung in der Praxis oder Krankenhausambulanz kann der Patient im Grunde einfach wieder gehen. Privatpatienten müssen aber ggf. einen Teil der Behandlungskosten übernehmen, soweit eine Behandlung schon erfolgt ist.

4. Hohes Haftungsrisiko bei Aufklärungsfehlern

Während der fremdsprachige Patient im Zweifelsfall dafür sorgen muss, dass er einen Übersetzer zur Behandlung mitbringt, kann selbstredend nicht von ihm erwartet werden, dass er auch einen Übersetzer braucht, um seinen Arzt zu verstehen.

 

Krankenhausträger und Chefärzte sollten daher auf die Deutschkenntnisse neu eingestellter oder einzustellender Ärzte genau achten und diese im Zweifelsfall die Patientenaufklärung zumindest am Anfang nicht alleine durchführen lassen. Behauptet der Patient in einem etwaigen Schadensfall nämlich später, er habe den Arzt nicht richtig verstehen können, muss das Krankenhaus den (schwer zu erbringenden) Beweis liefern, dass die Aufklärung tatsächlich verständlich war. Gelingt dies nicht, gilt der durchgeführte Eingriff mangels wirksamer Aufklärung und Einwilligung als rechtswidrig mit der Folge, dass dem Patienten Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche zustehen.

 

MERKE | Gerade im Hinblick auf die Aufklärung sind die Gerichte in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, ihre Rechtsprechung zu verschärfen und teilweise unrealistisch hohe Anforderungen an die Krankenhäuser zu stellen. Dies gilt insbesondere mit Rücksicht auf die Aufklärung ausländischer Patienten (vgl. OLG Köln 9.12.15, 5 U 184/14 ‒ Der Arzt muss sich laut diesem Urteil sogar vergewissern, dass der Angehörige des Patienten richtig übersetzt hat!). Ein Fall, in dem ein Patient den ausländischen Arzt nicht verstehen kann, dürfte daher ähnlich streng bewertet werden. Neben der Haftung des Arztes (Übernahmeverschulden) ist dabei immer auch an ein Organisationsverschulden des Krankenhauses bzw. Chefarztes zu denken, die geeignetes Personal einstellen und eine geregelte Organisation der Abläufe sicherstellen müssen.

 

 

Weiterführender Hinweis

  • Arztberichte in fremder Sprache? Übersetzung, bitte ...: SG Karlsruhe SR 20, 59
Quelle: Ausgabe 07 / 2020 | Seite 118 | ID 46655382