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· Fachbeitrag · Alltagsprobleme

Wenn sich die Zahnprothese im Müll „versteckt“ ...

| Oft helfen Freunde oder Familienmitglieder einer erkrankten Person. Sie erledigen Einkäufe oder bringen Müll zur Abfalltonne. Dabei müssen Helfer nicht zwingend prüfen, ob sich im Müll wertvolle Gegenstände befinden, sagt das OLG Koblenz (13.4.21, 8 U 1596/20, Abruf-Nr. 222995 ). Wer seine Zahnprothese eingewickelt zwischen benutzte Papiertücher legt, handelt grob fahrlässig. |

 

1. Ausgangsfall: Besucherin entfernt Müll vom Nachttisch

Die Klägerin litt an einer Lungenentzündung und wurde von der Beklagten besucht. Dabei handelte es sich um die Lebensgefährtin des Sohnes der Klägerin. Diese entsorgte bei ihrem Besuch auch mehrere benutzte Papiertaschentücher, die sich auf dem Nachttisch befanden. Dabei bemerkte die Beklagte nicht, dass in einem der Tücher die Zahnprothese der Klägerin eingewickelt war. Sie warf sämtliche Taschentücher in den brennenden Ofen. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Kosten für die Zahnprothese in Höhe von 11.833,42 EUR. Das LG wies die Klage ab. Es nahm eine stillschweigend vereinbarte Haftungsprivilegierung an. In deren Folge hafte die Beklagte der Klägerin nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Beschädigung des Zahnersatzes. Auch die Berufung der Klägerin zum OLG blieb erfolglos.

 

2. OLG: Wer nicht eingreift, handelt grob fahrlässig

Selbst eine einfache Fahrlässigkeit könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden. Sie wusste nicht, dass sich unter den vielen benutzen Tüchern eine eingewickelte Prothese befand. Sie konnte oder musste dies auch nicht erkennen oder damit rechnen, als sie die Tücher entfernte. Es gab auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie beim Wegnehmen das Gewicht der Prothese in den Tüchern hätte bemerken müssen.

 

Darüber hinaus war die Klägerin hierbei sogar anwesend. Sie hätte also die Beklagte beim Wegräumen sofort auf die abgelegte Prothese hinweisen können. Angesichts der Lungenentzündung und der kontaminierten Taschentücher war es auch nicht unangemessen, dass die Beklagte aus hygienischen Gründen die Tücher in den Ofen gab. Wer Papiertaschentücher kranker Personen entfernt, versucht diese der Natur der Sache nach wenig zu berühren und möglichst schnell zu entfernen.

 

PRAXISTIPP | Zwar decken Haftpflichtversicherungen auch sog. Gefälligkeitsschäden ab (VK 16, Abruf-Nr. 43827107). Vorliegend lag jedoch nicht einmal eine einfache Fahrlässigkeit der Beklagten vor, sodass ein Versicherer nicht eintrittspflichtig ist. Die Klägerin trifft gem. § 254 Abs. 1 BGB ein ganz überwiegendes und den Anspruch ausschließendes Mitverschulden an der zerstörten Prothese.

 

Weiterführende Hinweise

  • Implantate sind nur sehr selten „Kassenleistung“, SR 21, 103
  • Zahnersatz: Ab sofort gibt es mehr Geld von den Krankenkassen, Abruf-Nr. 46900674
Quelle: Ausgabe 07 / 2021 | Seite 109 | ID 47456974