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  • · Fachbeitrag · Es ist nicht alles Gold was glänzt

    Die EU-Taxonomie steht in der Kritik ‒ von vielen Seiten

    von Ursula Katthöfer, Wissenschaftsjournalistin, Bonn (textwiese.com)

    | Mithilfe der EU-Taxonomie sollen klima- und umweltfreundliche Kapitalanlagen einfach identifizierbar sein. Ziel dieses Klassifizierungsinstruments der Europäischen Kommission ist, grünes Wachstum zu fördern und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen (vgl. PN zu EU-Taxonomie). Doch das Öko-Label ist umstritten. |

    1. Kritik von der BaFin

    „Wir setzen uns für eine praxisorientierte und ambitionierte Sustainable Finance-Regulierung auf EU-Ebene ein, z. B. bei der Ausgestaltung der EU-Taxonomie durch technische Prüfkriterien“, so Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im BMF, im Jahr 2022 im BaFinJournal, dem Magazin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Deren Präsident Mark Branson bewertet die EU-Taxonomie jedoch alles andere als praxisnah. „Es gibt viel gut gemeinte Regulierung, die das Ziel verfehlt hat und uns teilweise in eine Sackgasse gebracht hat. Da müssen wir wieder raus“, sagte Branson dem Handelsblatt (www.iww.de/s10263) zufolge 2023 auf der Branchenkonferenz EUR Finance Week in Frankfurt. Der Chef der BaFin ist der Ansicht, dass die Kombination aus Umweltpolitik und Finanzmarktregulierung nicht gelungen sei. Für Unternehmen sei die Regulierung zu kompliziert, sie „kreiert vielmehr Geld für Beratungsunternehmen in diesem Bereich“. Derart deutliche Worte eines Bankenaufsehers sind ungewöhnlich.

    2. Kritik von Banken und Sparkassen

    Auch die Banken betrachten die EU-Taxonomie als nicht ausgereift. Sie müssen von diesem Jahr an die sogenannte Green Asset Ratio (GAR) angeben. Diese Kennzahl soll den Anteil der klimafreundlichen Bankgeschäfte messen, damit Anleger und Investoren sehen, in wie weit die Banken Kredite an nachhaltige Unternehmen vergeben. Einheitliche Standards sollen die Angebote vergleichbar machen und Greenwashing verhindern. Die EU beabsichtigt einen Wettbewerbsdruck: Je höher die GAR, desto grüner wirtschaftet die Bank.

     

    Der Bankenverband stellt dieser Methodik jedoch ein schlechtes Zeugnis aus: „Die Green Asset Ratio ist als Steuerungsgröße für die Transformation ungeeignet“, meint Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes (www.iww.de/s10264). Der Verband hatte eine Studie zum Taxonomieprofil der Industrie beauftragt. Da die Taxonomie nur 30 % der Wirtschaft ‒ es sind die besonders energieintensiven Branchen ‒ erfasse, seien die übrigen 70 % regulatorisch betrachtet nicht nachhaltig. Das führe zu sehr niedrigen GAR-Kennziffern. Herkenhoff: „Die Bilanzen der Banken spiegeln jedoch die gesamte Wirtschaft wider.“

     

    Laut Karolin Schriever, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, schießt die EU-Taxonomie „vollkommen über das Ziel hinaus“ (www.iww.de/s10265). Sie macht das Dilemma der Sparkassen an der Finanzierung von Windkraftanlagen deutlich. Diese dürften Kreditinstitute nur dann in der GAR ausweisen, wenn das kreditnehmende Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen muss. Das seien in der Regel große kapitalmarktorientierte Unternehmen (vgl. PN Nachhaltigkeitsbericht). Die meisten Windenergieprojekte kämen jedoch von kleineren Firmen, die dementsprechend nicht in die GAR-Berechnung einflössen.

    3. Widerstand gegen Atomkraft und Erdgas als grüne Energien

    Ungemach droht der Europäischen Kommission auch aus den Reihen der EU-Staaten. Österreich hat beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage gegen die Entscheidung eingereicht, Atomkraft und Erdgas unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltige Übergangstechnologien einzustufen. Laut Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) dürfe eine nachhaltige Energieform gemäß EU-Taxonomie nicht zu schweren Umweltproblemen führen. Das sei bei der Atomkraft nicht der Fall. Erdgas setze große Mengen des Treibhausgases CO2 frei. Luxemburg schloss sich der Klage an, Deutschland nicht. Auch Greenpeace, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der World Wide Fund For Nature (WWF) und weitere Umweltorganisationen reichten Klage ein. Sie werfen der EU-Kommission Greenwashing bei Atomkraft und Erdgas vor.

    4. Vorwürfe des Greenwashings bei Luft- und Schifffahrt

    Eine weitere Klage vor dem EuGH kündigen mehrere Umwelt- und Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) an, darunter Protect Our Winters Austria aus Österreich sowie Fossielvrij aus den Niederlanden (www.iww.de/s10266). Es geht dabei um den Flugverkehr und die Schifffahrt. Den NGOs zufolge kann die Finanzierung von Flugzeugen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, gemäß EU-Taxonomie als grünes Investment gelten, sofern sie zu geringem Anteil mit Sustainable Aviation Fuels (SAF) betankt werden können. Auch Kreuzfahrtschiffe, die mit Flüssigerdgas betrieben werden, würden als nachhaltig gelten. Die NGOs fürchten jahrzehntelange klimaschädliche Auswirkungen, da Schiffe und Flugzeuge eine Lebensdauer von bis zu 50 Jahren haben und Treibhausgase bis weit über das Jahr 2050, in dem Europa klimaneutral sein will, ausstoßen.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: ID 49884949

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