· Fachbeitrag · Interview zur DWA in der Praxis
Die Wesentlichkeitsanalyse als perfekte Übung, um herauszufinden, was wirklich wichtig ist
Alexandra Buba im Interview mit Matthieu Alexandropoulos, CSR Senior Director bei Hager Group, Blieskastel
| Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse empfinden viele Unternehmen, die sich erstmals damit beschäftigen, als reines bürokratisches Monstrum. Diese Sichtweise versperrt aber den Blick darauf, dass sie als Instrument eigentlich Chancen für positive Veränderungen aufzeigen soll. Wie das wiederum gelingen kann, zeigt die saarländische Hager Group. Ihr Corporate Social Responsibility Senior Director, Matthieu Alexandropoulos, berichtet aus seiner Praxis. |
Frage: Herr Alexandropoulos, mit welchen Vorüberlegungen sind Sie an die doppelte Wesentlichkeitsanalyse herangegangen?
Antwort: Das gängige Vorurteil im Hinblick auf die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist ja, dass sie superkompliziert und dazu noch megabürokratisch ist. Dieses auch in den Medien gezeigte Bild verunsichert die Leute, sie haben keine Lust, die Sache überhaupt anzugehen. Als wir vor zwei Jahren damit begonnen haben, wollten wir das bewusst anders machen. Also sind wir positiv an die Sache herangegangen, haben sie als perfekte Übung betrachtet, um herauszufinden, was wirklich wichtig für uns ist.
Frage: Wie haben Sie das Thema anschließend umgesetzt?
Antwort: Der erste Schritt war, dass wir uns externe Expertinnen und Experten gesucht und mit diesen Interviews durchgeführt haben. Aus den Infos, die wir in den Gesprächen bekommen hatten, arbeiteten wir im zweiten Schritt die Themen heraus, die für uns am wichtigsten waren. Am kritischsten war es, den Scope der doppelten Wesentlichkeit zu definieren. Wir wollten auf pragmatische Weise Erkenntnisse aus unseren Geschäften gewinnen. Also haben wir das interne Fachwissen aus den verschiedenen Unternehmensbereichen zusammengebracht und gleichzeitig bei unseren Partnern und Kunden die für sie relevanten Nachhaltigkeitsthemen identifiziert.
Der Fokus lag dabei auf Themen, die sich sowohl erheblich auf die finanzielle Unternehmensleistung auswirken ‒ die sogenannte finanzielle Wesentlichkeit ‒ und die gleichzeitig große ökologische oder soziale Auswirkungen haben, also die sogenannten „Wesentlichkeit der Auswirkungen“. Mit einem strukturierten, aber flexiblen Ansatz haben wir sichergestellt, dass die Ergebnisse umsetzbar sind und mit unseren strategischen Prioritäten übereinstimmen.
Das Ergebnis dieses Prozesses waren die für Hager wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen: Dazu gehören Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Energie sowie Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft.
Frage: Wie haben Sie das gemacht?
Antwort: Wir haben sehr viel erklärt und klar gemacht, warum wir über diese Dinge reden: Weil sie Geschäftschancen sind und unsere gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen! Auf diese Weise haben wir es geschafft, auch das Board zu überzeugen. Aktuell sind wir dort zweimal pro Jahr, um unsere Fortschritte zu präsentieren und generell ein Update zu präsentieren.
Frage: Was war Ihr Hauptlearning in der Anfangszeit?
Antwort: Tatsächlich zu sehen, welch mächtiges Werkzeug die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist. Denn sie hilft nicht nur den jeweiligen Nachhaltigkeitsverantwortlichen ungemein dabei, sich zu fokussieren, sondern gibt auch ein Instrument an die Hand, mit dem sich das Board überzeugen lässt.
Frage: Welche Werkzeuge haben Sie eingesetzt?
Antwort: Mithilfe eines Beraters hat mein Team ein Tool entwickelt, das sicherstellt, dass wir die technischen Anforderungen der CSRD erfüllen. Gleichzeitig sind wir damit auch in der Lage, uns in die wichtigsten Themen zu vertiefen und die richtigen Stakeholder und Geschäftspartner anzusprechen. Das empfehle ich im Übrigen generell: Im Hinblick auf die Compliance sollten Unternehmen meiner Meinung nach auf externen Sachverstand zurückgreifen und sich kompetente Berater holen. Es hilft auch dabei, interne Expertise zu diesen Themen weiter aufzubauen. Das wird uns mittelfristig selbstständiger machen.
Frage: Die Hager Group bietet im Kerngeschäft von der Energieverteilung über die Leitungsführung bis zur intelligenten Gebäudesteuerung und Sicherheitstechnik eine Menge an, bei dem Nachhaltigkeit auch für den Außenstehenden sofort augenfällig wird. Wie weit sind Sie auf diesem Weg bereits gekommen?
Antwort: Wenn wir die Hauptpunkte im Hinblick auf den Dekarbonisierungspfad bei uns betrachten, dann haben wir hier drei zentrale Maßnahmen ergriffen. Zum Ersten ist das die Optimierung des Energiekonsums ganz allgemein. Der zweite Punkt ist der Switch hin zu erneuerbarer Energie. Seit 2021 haben wir unsere direkten Treibhausgasemissionen, Scope 1 und 2, um 14 % reduziert und sind so auf dem besten Weg, unser Reduktionsziel von 50 % bis 2030 zu erreichen. Diese Erfolge sind vor allem auf die Dekarbonisierungsaktivitäten in den einzelnen Werken zurückzuführen.
Die dritte wichtige Veränderung ist die Implementierung von Ökodesign-Prinzipien. So haben wir weitere Kollegen eingestellt, die sich damit beschäftigen, Konzepte zu entwickeln, wie wir Materialien beziehen, die einen geringeren ökologischen Fußabdruck haben. So reduziert Hager weiter die Treibhausgasemissionen in seinen Betrieben, stärkt die Umweltfreundlichkeit unserer Produkte und macht sie für bestimmte Kunden attraktiv Mit unseren eigenen Unternehmen Hager Energy, Eficia und Advizeo bieten wir unseren Kunden ebenfalls Lösungen zur Dekarbonisierung, für intelligentere Gebäude mit weniger Energieverbrauch und Emissionen an.
Frage: Wie geht der Prozess in der Gegenwart und Zukunft weiter?
Antwort: Wir haben die doppelte Wesentlichkeitsanalyse nun zum zweiten Mal durchgeführt und werden das auch dieses Jahr machen. Dabei geht es immer darum, die Ergebnisse und Entwicklungen mit Zahlen zu unterlegen, sie zu quantifizieren. Je präziser wir das tun, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir robuste Business Cases mit Nachhaltigkeitsfokus und damit wirksame Maßnahmen umsetzen. Im Jahr 2025 konzentrieren wir uns stark auf die Aspekte von Nachhaltigkeit, welche die rund 12.000 Mitarbeiter von Hager direkt betreffen.
Frage: Was würden Sie anderen Unternehmen empfehlen, die mit der Analyse der Wesentlichkeit beginnen?
Antwort: Sucht Euch erfahrene Nachhaltigkeitsexperten, die Euch helfen, die Wirkung Eurer Arbeit zu quantifizieren. Und fokussiert Euch auf die Themen, die wirklich relevant für die Firma sind. Mit zu vielen Themen wächst das Bürokratie-Risiko. Zur doppelten Wesentlichkeitsanalyse möchte ich noch einmal sagen: Sie ist wirklich fundamental und dringend notwendig. Seht sie nicht nur als Bürokratiemonster, sondern als Chance, die wirklich wichtigen Themen zu identifizieren und nach vorne zu bringen.
Wer diese Gelegenheit nutzt, stellt sein Unternehmen für die Zukunft robust auf und gewinnt außerdem in der Gegenwart die Möglichkeit, sich positiv von der Konkurrenz abzuheben.
Hager Group | Die Hager Group aus Blieskastel im Saarland ist ein großer Anbieter von Lösungen und Dienstleistungen für elektrotechnische Installationen in Wohn-, Industrie- und Gewerbeimmobilien. Das Kerngeschäft reicht von Energieverteilung über die Leitungsführung bis zur intelligenten Gebäudesteuerung und Sicherheitstechnik, die unter der Marke Hager vertrieben werden. Hager beschäftigt insgesamt rd. 12.000 Mitarbeitende.