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  • · Fachbeitrag · Strafrecht

    Kein Abrechnungsbetrug bei der Delegation von Speziallaborleistungen

    von RA Benedikt Büchling, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    Für eine Einstellung gegen Geldauflage nach § 153a Abs. 1 StPO fehlt es schon am erforderlichen hinreichenden Tatverdacht, wenn ein niedergelassener Arzt „privatärztliche Speziallaborleistungen“ der Abschnitte M III GOÄ als eigene abrechnet (LG Düsseldorf 28.4.15, 1 AR 13/15, Beschluss).

     

    Sachverhalt

    Die niedergelassenen Ärzte sind Mitglieder in einer Apparategemeinschaft, die den Ärzten für Speziallaborleistungen die notwendigen Gerätschaften zur Verfügung stellte. Die Ärzte waren nicht bei allen Leistungsschritten im Labor persönlich anwesend, stellten ihren Patienten dennoch sämtliche Laborleistungen, konkret die „III-Speziallaborleistungen“gemäß § 4 Abs. 2 GOÄ in Rechnung. Die Staatsanwaltschaft warf den niedergelassen Ärzten vor, dass sie die jeweiligen Patienten in betrügerischer Weise geschädigt hätten, indem sie Laborleistungen als eigene abrechneten, obwohl sie nicht von ihnen selbst erbracht worden seien. Im konkreten Fall begehrte die Staatsanwaltschaft von der Strafkammer die Zustimmung zu einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 1 StPO gegen Geldauflage.

     

    Anmerkungen

    Voraussetzung für eine vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen Erbringung einer Geldauflage gemäß § 153a Abs. 1 StPO ist u.a. der hinreichende Verdacht der Begehung einer Straftat. Mutmaßliche Tathandlung ist die Geltendmachung der Vergütung für eine ärztliche Leistung, ohne dass die Beschuldigten gegenüber den Patienten auf den Sachverhalt hingewiesen hätten, dass nicht sie selbst, sondern ein nicht unter ihrer unmittelbaren Aufsicht und Leitung stehendes Labor die Leistung erbracht hat.

     

    Bewegt sich die Schuld des Beschuldigten höchstens im mittleren Bereich und kann das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch Erfüllung von Auflagen, wie z.B. einer Geldauflage, kompensiert werden, kann das Verfahren vorläufig nach § 153a Abs. 1 StPO eingestellt werden, wenn der Beschuldigte der ihnen vorgeworfenen Tat jedenfalls hinreichend verdächtig ist. Der hinreichende Tatverdacht ist dann gegeben, wenn die Verurteilung der Beschuldigten in einer Hauptverhandlung nach Aktenlage wahrscheinlich ist. Dies bedeutet, die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung muss über 50 % liegen. Vor Einstellung durch die Staatsanwaltschaft müssen das Strafgericht und der Beschuldigte dieser zustimmen. Diese Zustimmung verweigerte das Strafgericht, da es zu der Ansicht gelangte, dass schon kein hinreichender Tatverdacht für eine Betrugsstraftat vorliege.

     

    Die Strafkammer befasst sich sodann mit der Frage der Begehungsart, konkret, ob es sich bei der Tathandlung um ein aktives Tun oder ein Unterlassen handelte: In wertender Betrachtung ist danach zu fragen, wo der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt. Berücksichtigt man, dass einer Person, die der Auffassung ist, ihr stehe - bei unklarer Rechtslage - ein Zahlungsanspruch zu, nicht versagt werden kann, diesen - durch aktives Tun - geltend zu machen, liegt der Schwerpunkt einer eventuellen Vorwerfbarkeit in derartigen Fällen in dem Unterlassen der Offenbarung derjenigen Umstände, die den Bestand des geltend gemachten Anspruchs infrage stellen könnten. Auf der Grundlage der Ermittlungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschuldigten in der gesicherten Annahme vorgingen, sie seien berechtigt, die Laborleistungen als eigene abzurechnen.

     

    Wie die Frage, ob die berechneten laborärztlichen Leistungen unter Aufsicht der Beschuldigten nach ihrer fachlichen Weisung (§ 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ) vor dem Hintergrund der konkreten Ausgestaltung der Beziehung der Beschuldigten zu der Apparategemeinschaft zu beantworten ist, lässt sich nicht mit einer solchen Eindeutigkeit beantworten, die zu dem Schluss führt, dass die Beschuldigten bewusst einen materiell nicht bestehenden Anspruch erhoben haben.

     

    Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen eines Unterlassens ist auf Tatbestandsebene, dass den Beschuldigten eine Rechtspflicht zur Offenbarung i. S. von § 13 Abs. 1 StGB oblag. Eine solche Rechtspflicht folge weder aus dem Behandlungsvertrag noch aus einer berufsrechtlichen Hinweispflicht. Zwar könne ein Arzt dazu verpflichtet sein, den - privatärztlich behandelten - Patienten vor der Behandlung darauf hinzuweisen, dass die Behandlungskosten nicht oder nur unter gewissen Voraussetzungen oder nicht in voller Höhe von der Krankenversicherung oder einem anderen Träger erstattet werden. Eine solche Feststellung lasse sich dem Ermittlungsergebnis allerdings nicht entnehmen.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung des LG Düsseldorf ist begrüßenswert. Erst kürzlich entschied das LG Düsseldorf (9.10.15, 20 KLs32/14, Beschluss) vergleichbar. Die Tendenz in der Rechtsprechung lässt erkennen, dass die Gerichte die Anforderungen an die nach § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ zulässige Delegation von Speziallaborleistungen richtigerweise wegen der automatisierten Laborabläufe geringer als in anderen ärztlichen Delegationsfällen einstufen. Die Strafkammer gelangt folgerichtig zu dem Ergebnis, dass sich der unberechtigte Betrugsvorwurf aus einem Reflex aus unterschiedlichen Auffassungen über die Zulässigkeit der von den Ärzten gewählten Organisation ihrer Laborleistungen sowie deren Abrechnungen ergibt.

     

    Einen hinreichenden Tatverdacht für ein strafwürdiges Verhalten begründet die Delegation von Speziallaborleistungen - entgegen der Ansicht des Berufsverbandes deutscher Laborärzte e.V. - jedoch nicht. Man mag sich zivilrechtlich darüber streiten (können), ob und unter welchen Umständen delegierte Leistungen abrechnungsfähig sind. Vor die Strafgerichte gehören diese Streitigkeiten nicht. Es bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidungen in der Praxis Beachtung finden.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2016 | Seite 65 | ID 43844922

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