08.05.2012
Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 22.11.2011 – 4 K 1497/06
1. Werden sämtliche Gegenstände des Sachanlagevermögens eines Einzelunternehmens nach der Gründung einer KG durch den bisherigen  Einzelunternehmer in das Sonderbetriebsvermögen der KG überführt, unterliegt die denknotwendig zuvor erfolgte Entnahme in  das Privatvermögen gem. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG 1999 der Umsatzsteuer.  
2. Der als Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG maßgebende Einkaufspreis zzgl. der Nebenkosten für den entnommenen  Gegenstand ist der (übliche) Einkaufspreis zum Zeitpunkt der Entnahme, also der Preis in Gestalt der Wiederbeschaffungskosten.  Dieser umfasst im Falle der Anschaffung den Einkaufspreis des Gegenstandes abzüglich der bis zum Zeitpunkt des Umsatzes angefallenen  AfA zuzüglich erhaltener Fördermittel und gewährter Sonderabschreibungen.  
3. Durch die Änderung einer nicht fehlerhaften Bilanz nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG lassen sich tatsächliche Vorgänge wie die  Einlage oder auch Entnahme von Wirtschaftsgütern nicht rückgängig machen.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
 In dem Rechtsstreit  
 hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 4. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. November 2011 durch den  Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Görlitz, den Richter am Finanzgericht Keilig, die Richterin am Finanzgericht Kuhtz,  den ehrenamtlichen Richter … und den ehrenamtlichen Richter …  
 für Recht erkannt:  
 Die Klage wird abgewiesen.  
 Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.  
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig die Entnahme von Gegenständen aus dem Einzelunternehmen des Klägers.
Der Kläger hat ein Ingenieurbüro für technische Fachplanung im Bereich Maschinenbau betrieben und im Rahmen dieses Einzelunternehmens  eine Verseilmaschine entwickelt, die er von einem Fremdunternehmen laut Rechnung vom 30. März 2001 für 111.471,00 DM zzgl.  17.835,36 DM Umsatzsteuer fertigen, montieren und in Betrieb nehmen ließ.  
Per 30. April 2001 erstellte der Kläger eine Aufgabebilanz für sein Einzelunternehmen, worin er die Verseilmaschine mit 43.659,00  DM und Büroeinrichtung mit 5.418,00 DM bilanzierte.  
Zuvor hatte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau mit Vertrag vom 12. April 2001 die F. KG (KG) gegründet, deren Komplementär  er wurde. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2002 teilte er mit, dass sämtliche Gegenstände des Sachanlagevermögens seines Einzelunternehmens  im Rahmen einer für ihn erstellten Sonderbilanz als Sonderbetriebsvermögen bei der KG geführt würden. Die Bilanzierung bei  der KG erfolgte entsprechend.  
In der Folge gab der Kläger für 2001 eine nicht zustimmungsbedürftige Umsatzsteuererklärung ab, die am 30. Dezember 2002 beim  Beklagten einging und nach § 168 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich  stand. Die festgesetzte Umsatzsteuer betrug 456,10 DM (233,20 EUR).  
Im März 2005 führte der Beklagte bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch, die unter anderem Umsatzsteuer 2001 umfasste.
Die Betriebsprüfung sah in der Überführung der Wirtschaftsgüter in das Sonderbetriebsvermögen der KG beim Einzelunternehmen  steuerpflichtige Entnahmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen. Als Bemessungsgrundlage sah sie grundsätzlich  die Buchwerte der Gegenstände in der Aufgabebilanz des Einzelunternehmens an, erhöhte jedoch den Buchwert der Verseilmaschine  um einen enthaltenen Zuschuss aus dem „Europäischen Fond für regionale Entwicklung” in Höhe von 55.735,50 DM sowie in Anspruch  genommene Sonderabschreibung in Höhe von 11.147,00 DM. Als unentgeltliche Wertabgabe setzte die Betriebsprüfung insgesamt  115.960 DM (110.542 DM für die Verseilmaschine und 5.418 DM für Büroeinrichtung) an.  
In der Folge erhöhte der Beklagte mit streitgegenständlichem Änderungsbescheid vom 21. Juni 2005 die Umsatzsteuer um 9.486  EUR (16% aus 115.960 DM).  
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Kläger Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er vor, die KG führe sämtliche wirtschaftliche Aktivitäten des Einzelunternehmens des Klägers fort, insbesondere  habe der Kläger auch das Sachanlagevermögen des Einzelunternehmens in die KG überführt. Dass dieses bei der KG zunächst als  Sonderbetriebsvermögen bilanziert worden sei, sei irrtümlich erfolgt. Zwischenzeitlich seien dem Beklagten aufgrund eines  Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 28. März 2005 während der Betriebsprüfung geänderte Gesamthandbilanzen der KG  für den Prüfungszeitraum übermittelt worden. In diesen ist das gesamte Anlagevermögen des bisherigen Einzelunternehmens nunmehr  als Gesamthandvermögen der KG ausgewiesen. Aufgrund des eindeutigen Beschlusses der Gesellschafter der KG vom 28. März 2005  seien die ursprünglichen Bilanzen falsch gewesen und hätten der Berichtigung bedurft. Eine Entnahme der Verseilmaschine sowie  des weiteren Sachanlagevermögens des früheren Einzelunternehmens und Überführung in das Privatvermögen des Klägers habe zu  keiner Zeit stattgefunden und sei auch niemals gewollt gewesen. Es habe sich um eine unentgeltliche Geschäftsveräußerung im  Ganzen gehandelt, die nicht steuerbar sei.  
Darüber hinaus bestehe die Unternehmereigenschaft so lange fort, bis alle Rechtsbeziehungen einschließlich des Rechtsverhältnisses  mit dem Finanzamt abgewickelt seien. Da die Rechtsbeziehung mit dem Finanzamt ausweislich der anhängigen Klage bis heute nicht  abgeschlossen sei, könne von einer Beendigung der Unternehmereigenschaft zum 30. April 2001 keine Rede sein. In der Folge  könne eine „zwangsweise” Überführung von Gegenständen des Anlagevermögens wegen einer Betriebsaufgabe (und Beendigung der  umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft) zum 30. April 2001 nicht gegeben sein.  
Schließlich habe sich die Technik der von dem Kläger entwickelten Verseilmaschine durch andere Entwicklungen in diesem Bereich  schon vor Fertigstellung des Prototyps als überholt erwiesen. Die tatsächliche Produktion und Fertigstellung des Prototyps  sei letztlich nur erfolgt, weil die Fertigungsaufträge bereits erteilt gewesen seien und nur so die erteilten Aufträge aus  den bereits bewilligten Fördermitteln hätten bezahlt werden können.  
Der Kläger beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 21. Juni 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 28. September 2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe die streitgegenständlichen Wirtschaftsgüter aus dem Einzelunternehmen entnommen, um sie in das Sonderbetriebsvermögen  der KG zu überführen. Sollte es sich um eine Geschäftsveräußerung gehandelt haben, seien einzelne Wirtschaftsgüter zurückbehalten  worden und läge insoweit ebenfalls eine einer Lieferung gleichgestellte Entnahme nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 Umsatzsteuergesetz  (UStG) vor.  
Die Steuerakte des Beklagten hat dem Gericht vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 21. Juni 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 28. September 2006 sind  rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).  
Der Beklagte hat zu Recht in der Überführung der Wirtschaftsgüter in das Sonderbetriebsvermögen der KG beim Einzelunternehmen  steuerpflichtige Entnahmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, gesehen. Diese Entnahmen sind nach § 3 Abs.  1b Nr. 1 UStG steuerbar.  
Durch Erstellung der Aufgabebilanz auf den 30. April 2001 hat der Kläger eindeutig und unmissverständlich die Betriebsaufgabe  zu diesem Zeitpunkt erklärt. Eine Betriebsaufgabe i. S. v. § 16 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) liegt vor, wenn der Steuerpflichtige  den Entschluss gefasst hat, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbstständigen Organismus des  Wirtschaftslebens aufzulösen, und wenn er in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem  einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußert oder in das Privatvermögen überführt (BFH-Urteil  vom 19. Mai 2005 – IV R 17/02, BStBl. II 2005, 637). In der Eröffnungsbilanz der KG wird das Sachanlagevermögen des Einzelunternehmens  als Sonderbetriebsvermögen geführt. Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen um Wirtschaftsgüter,  die im Eigentum eines Gesellschafters stehen und entweder in einem Zusammenhang mit dem Betrieb der Gesellschaft stehen oder  zumindest der Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft förderlich sind (vgl. BFH-Urteil vom 14. April 1988 – IV  R 271/84, BStBl II 1988, 667, m.w.N.). Denknotwendig muss bei dieser Sachlage das nunmehrige Sonderbetriebsvermögen der KG  zuvor in das Privatvermögen des Klägers (im Wege der Entnahme) überführt worden sein.  
Die Bemessungsgrundlage bestimmt § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG mit dem Einkaufspreis zzgl. der Nebenkosten für den entnommenen Gegenstand.  Der Einkaufspreis ist nicht der (historische) Einkaufspreis des Unternehmers, sondern der (übliche) Einkaufspreis zum Zeitpunkt  der Entnahme, also der Preis in Gestalt der Wiederbeschaffungskosten (Bunjes/Korn, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl.  2011, § 10 Rn. 79). Dabei ist allerdings, falls der Gegenstand – wie vorliegend – vom Unternehmer angeschafft worden ist,  auf den Restwert, mithin den Einkaufspreis des Gegenstandes abzüglich der bis zum Zeitpunkt des Umsatzes angefallenen Abschreibungen  für Abnutzung (AfA) abzustellen (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2001 – V R 106/98, BStBl. II 2002, 551).  
Darüber hinausgehende Überlegungen zu einem gegebenenfalls geringeren Marktwert aufgrund eingeschränkter oder gar weggefallener  Nutzungsmöglichkeit der hier vor allem in Rede stehenden Verseilmaschine als einzelangefertigtem Prototyp kommen vor dem Hintergrund  der eindeutigen gesetzlichen Bestimmung des Entnahmewertes als Wiederbeschaffungswert nicht in Betracht.  
Insoweit scheint es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte als Bemessungsgrundlage für die Verseilmaschine, die erst einen  Monat zuvor dem Kläger mit 111.471 DM in Rechnung gestellt worden war, 110.542 DM (Buchwert zzgl. erhaltener Fördermittel  und vorgenommener Sonderabschreibungen) und für die sonstigen Gegenstände (Büroeinrichtung) die Buchwerte angesetzt hat. Ebenso  hatte der Kläger in seiner Aufgabebilanz die in Rede stehenden Gegenstände zu Buchwerten bilanziert. Allein die Hinzusetzung  der Fördermittel und der Sonderabschreibung hatte er nicht vorgenommen. Letzteres ist aber unabdingbar, da beide als steuerpolitisch  motivierte, investitionsfördernde Lenkungsinstrumente den tatsächlichen Restwert – anders als die AfA – nicht zu beeinflussen  vermögen.  
Soweit der Kläger sich auf eine Bilanzberichtigung oder -änderung bei der KG beruft, kann er damit nicht durchdringen.
Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG) ist das Ersetzen eines fehlerhaften Bilanzansatzes von aktiven und passiven Wirtschaftsgütern  einschließlich Rückstellungen sowie Rechnungsabgrenzungsposten, dem Grunde oder der Höhe nach, durch den richtigen Ansatz.  Dass vorliegend die Bilanzierung in der Eröffnungsbilanz der KG falsch gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Augenscheinlich  ist diese Bilanzierung willentlich (und bilanzrechtlich zulässig) erfolgt, wie auch durch das klägerische Schreiben an den  Beklagten vom 27. Dezember 2002 dokumentiert. Zwar mag der Kläger sich über die steuerlichen Folgen, wie im Rahmen der Betriebsprüfung  festgestellt, nicht im Klaren gewesen sein. Insoweit wäre er jedoch einem stets unbeachtlichen Motivationsirrtum erlegen.  
Änderungen i.S. von § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht fehlerhafter Bilanzen sind zwar auch noch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt  mit dessen Zustimmung zulässig. Durch derartige Änderungen ist es möglich, Bewertungswahlrechte zu ändern, nachträglich eine  Bewertungsfreiheit auszuüben oder auf deren Ausübung zu verzichten. Tatsächliche Vorgänge wie die Einlage oder auch Entnahme  von Wirtschaftsgütern in ein bzw. aus einem Betriebsvermögen, können damit jedoch nicht rückgängig gemacht werden (vgl. auch  Schmidt/Heinicke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 29. Aufl., 2010, § 4 Rn. 750, m. w. N.).  
Auch der klägerische Verweis auf eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i. S. v. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG vermag  der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen.  
Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens  gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird,  wobei es nach der Rechtsprechung des BFH unschädlich ist, wenn einzelne Wirtschaftsgüter von der Übereignung oder Einbringung  ausgenommen werden (BFH-Urteil vom 04. Juli 2002 – V R 10/01, BStBl. II 2004, 662).  
Vorliegend ist aufgrund der tatsächlichen Durchführung und der gegenüber dem Beklagten abgegebenen Erklärungen in keiner Weise  erkennbar, dass das Einzelunternehmen des Klägers in die KG eingebracht worden sein könnte. Dies kann jedoch auch dahinstehen,  da selbst bei Vorliegen einer Geschäftsveräußerung i. S. v. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG für die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter  des Anlagevermögens (Verseilmaschine und Büroeinrichtung) die Entnahmebesteuerung durchzuführen gewesen wäre.  
Soweit der Kläger schließlich vorgetragen hat, dass die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft fortbestehe, so ist er darauf  zu verweisen, dass es für den Zeitpunkt der Entnahme der streitgegenständlichen Wirtschaftsgüter nicht auf das Ende der umsatzsteuerlichen  Unternehmereigenschaft ankommen kann, sondern sich dieser nach den tatsächlichen Gegebenheiten bestimmt.  
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.