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  • 12.03.2015 · IWW-Abrufnummer 144012

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 26.11.2014 – 9 K 55/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az.: 9 K 55/12
    Nichtzulassungsbeschwerde – BFH-Az.: 161/15

    Tatbestand
    Streitig ist der Erlass von Abgabenrückständen aus sachlichen Billigkeitsgründen.
    Über das Vermögen des Herrn X wurde am 2. Juni 1998 beim Amtsgericht G. das Konkursverfahren eröffnet. Das Verfahren ist bis heute nicht abgeschlossen. Im Rahmen des Konkursverfahrens wurde zunächst auf Antrag des X die Einstellung des Verfahrens gemäß § 202 Konkursordnung (KO) angestrebt. In diesem Zusammenhang gelang es dem Konkursschuldner die Gläubiger mit zivilrechtlichen Forderungen aus konkursfreiem Vermögen ganz oder zumindest teilweise zu befriedigen und eine entsprechende Löschung der angemeldeten Forderungen insoweit zu erwirken. Übrig blieben nur noch das beklagte Finanzamt und zwei weitere Steuergläubiger … mit Gesamtforderungen in Höhe von 752.023 €.
    Um diese Gläubiger zu befriedigen und deren Zustimmung zur Einstellung des Konkursverfahrens zu erhalten, forderte der damalige Konkursverwalter Y den Konkursschuldner X. auf, einen Massezuschuss auf ein Konkurssonderkonto zu leisten (vgl. Schreiben des Y vom 14. Februar 2002). Y bestätigte gegenüber der Z-GmbH, deren Geschäftsführer X war, mit Schreiben vom 13. März 2002 den Eingang eines Massezuschusses i.H.v. 766.938,00 € auf dem Konkurssonderkonto. Es soll sich dabei nach dem Vortrag des Klägers um eine Zahlung für den X aufgrund einer vorherigen Darlehensabrede gehandelt haben. Dieser Betrag sollte ausweislich des vorgenannten Schreibens zur Befriedigung der Gläubiger und Begleichung der Masseverbindlichkeiten eingesetzt werden.
    Im Anschluss an einen Erörterungstermin am 4. Juni 2002 und eine weitere Besprechung an Amtsstelle am 19. Juni 2002 kam es mit dem beklagten Finanzamt zu einer Vereinbarung dergestalt, dass das Finanzamt Säumniszuschläge i.H.v. 65.681,12 €, die auf die zur Konkurstabelle angemeldeten Steuerrückstände 1991 – 1998 entfielen, erlässt, wenn der Konkursschuldner X u.a. zuvor die auf den Zeitraum bis zur Konkurseröffnung entfallenden Steuerrückstände i.H.v. 728.264,40 € (vgl. im Einzelnen: Auflistungen in der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2012) begleicht.
    Mit Schreiben vom 10. März 2003 teilt Y dem X. schließlich mit, dass sämtliche wirtschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen zur Verfahrenseinstellung durch Vollbefriedigung der Gläubiger gemäß § 202 KO gegeben seien und entsprechende Anträge gestellt würden. Eine Einstellung des Konkursverfahrens wurde für Mitte 2003 in Aussicht gestellt.
    Am 1. Oktober 2003 erklärte Y gegenüber dem Amtsgericht G, dass die finanziellen Mittel für die Beendigung des Verfahrens nach § 202 KO vorhanden seien. Daraufhin wandte Y sich am 9. Februar 2004 an den Beklagten und bat um Erteilung der Zustimmung für die Einstellung des Verfahrens. Am 20. Februar 2004 übersandte der Beklagte ein unterschriebenes und mit Dienstsiegel versehendes Schriftstück an Y, in dem der Verzicht auf die angemeldeten Steuerforderungen von der Zahlung eines Betrages in Höhe von 728.264,40 € abhängig gemacht wurde.
    Eine Einstellung des Konkursverfahrens nach § 202 KO kam jedoch nicht zustande, da Y den vorstehenden Geldbetrag nicht an den Beklagten zahlte, sondern diesen mit den für die Befriedigung der übrigen Steuergläubiger vorgesehenen Geldern aus der Konkursmasse veruntreute.
    Y musste schließlich sein Amt als Konkursverwalter niederlegen und ging selber in Insolvenz. Der mittlerweile als neuer Konkursverwalter über das Vermögen des X tätige Kläger meldete in diesem Insolvenzverfahren einen Betrag von insgesamt 824.166,31 € als Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zzgl. Zinsen zur Insolvenztabelle an. Festgestellt wurde schließlich ein Betrag von 754.706,72 €. Am 28. Oktober 2005 wurde gegen Y Haftbefehl erlassen. In 2007 verurteilte ihn das Landgericht H wegen Untreue mit Schäden in Millionenhöhe – betroffen waren auch Untreuehandlungen in anderen Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren - zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren.
    Der ungeklärte Verbleib der Gelder war Gegenstand von Ermittlungen u.a. mit dem Ziel von Schadensersatzforderungen auch gegenüber den beteiligten Banken. Laut Gläubigerversammlung vom 26. Mai 2010 war X jedoch mittlerweile nicht mehr zur Zahlung weiterer Vorschüsse zur Durchführung des Rechtsstreits gegen die C-AG bereit und strebte parallel zum laufenden Konkursverfahren nunmehr bei den verbleibenden Steuergläubigern einen Erlass der Forderungen an.
    Mit Schreiben vom 17. August 2010 beantragte X beim Beklagten einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen. Die Zahlung der Firma Z-GmbH sei als Zahlung im Sinne des § 224 AO zu Gunsten des Konkursgläubigers, des beklagten Finanzamts, zu berücksichtigen. X sei verpflichtet gewesen, an den Konkursverwalter und nicht direkt an den Konkursgläubiger zu zahlen. Es sei sachlich unbillig und mit der Zielsetzung des § 224 AO nicht zu vereinbaren, wenn die vom Konkursverwalter veruntreuten Gelder nicht auch als Zahlung zugunsten des Finanzamts angesehen würden, da X ein anderer Zahlungsweg nicht offen gestanden hätte. Zunächst wurde auch ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen angestrebt. Dieses Begehren ließ X später fallen, da die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht aufgedeckt werden sollten.
    Gleichwohl hatte der Erlassantrag keinen Erfolg (vgl. im Einzelnen ablehnender Bescheid vom 31. März 2011). Nach Auffassung des Beklagten lagen die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht vor. Insbesondere sei die Rolle eines untreuen Konkursverwalters nicht vergleichbar mit der eines untreuen Gerichtsvollziehers. X sei hinsichtlich der Veruntreuung durch den vormaligen Konkursverwalter auf Rechtsmittel im Konkursrecht zu verweisen.
    Hiergegen richtete sich der Einspruch des X vom 12. April 2011. Weitergehende Erlassgründe wurden im Einspruchsverfahren nicht vorgetragen. Mit Einspruchsbescheid vom 25. Januar 2012 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Sachliche Unbilligkeitsgründe seien nicht vorliegend. Nach § 224 Abs. 1 AO seien Zahlungen an die Finanzbehörde ausschließlich an die zuständige Kasse zu entrichten bzw. außerhalb des Kassenraumes an den Amtsträger, der dazu ermächtigt sei, zu übergeben. Die Zahlung der Firma Z-GmbH in Höhe von 766.938 € als sogenannte Massezuschuss an den vormaligen Konkursverwalter Y erfülle die Tatbestandsmerkmale des § 224 AO insoweit nicht. Eine Zahlung an die Finanzbehörde sei seinerzeit nicht erfolgt. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen sei nur gerechtfertigt, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers anzunehmen sei, dass er die im Erlassverfahren zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der begehrten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber in § 224 AO die konkrete Gefahrgestaltung eines untreuen Konkursverwalters nicht berücksichtigt habe, stelle im konkreten Sachverhalt aber keinen sachlichen Billigkeitsgrund dar. Die Überprüfung der Verwendung von Zahlungen an den Konkursverwalter im Speziellen und seine Amtsführung im Allgemeinen sei dem Konkursverfahren vorbehalten. Durch einen Antrag aus Erlass von Steuern aus Billigkeitsgründen ließen sich daher Einwendungen, die im Konkursverfahren vorzutragen seien, grundsätzlich weder nachholen noch wieder aufrollen. X sei auf Rechtsmittel im Konkursverfahren zu verweisen.
    Gegen diese Einspruchsentscheidung richtet sich die vorliegende Klage, die der aktuelle Konkursverwalter als Kläger erhoben hat. Er verfolgt das Begehren des X aus dem Einspruchsverfahren weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor:
    Im vorliegenden Fall sei die durch den Konkursverwalter erhobene Klage zulässig. Der Kläger habe als Konkursverwalter ein eigenes Klagerecht. Es bestehe auch eine eigene Beschwer bei während des Konkursverfahrens gegen den Konkursschuldner ergangenen negativen Entscheidungen. Der Konkursgläubiger verliere mit der Konkurseröffnung sein Verwaltungs- oder Verfügungsrecht über die Konkursmasse. Eine Klageerhebung habe aber immer Auswirkungen auf die Konkursmasse. Dem Konkursschuldner hätte im Klageverfahren insoweit die Prozessführungsbefugnis gefehlt. Dies hätte zu einer schwebend unwirksamen Prozesshandlung geführt, die erst durch eine Genehmigung des Klägers gemäß § 185 BGB analog wirksam werde. Wenn dem Konkursverwalter somit die Befugnis zustehe, eine unzulässige Klage des Konkursschuldners zu genehmigen, könne es ihm nicht verwehrt werden, die Klage selbst zu führen. Sofern dem Kläger vorliegend die Prozessführungsbefugnis fehle, könne dies durch eine Genehmigung des Konkursschuldners X geheilt werden. Bezüglich der übrigen Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage wird auf den Schriftsatz vom 24. November 2014 Bezug genommen.
    Die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen seien im Streitfall gegeben. Hinsichtlich der Ermessensfehler der Beklagten führt der Kläger Folgendes aus: Der Beklagte habe ermessensfehlerhaft gehandelt, indem einerseits die Prüfung des Erlasses auf die vom Beklagten genannte Vorschrift des § 224 AO beschränkt worden sei und andererseits mit unzutreffenden Argumenten eine Verweisung auf eine vorrangige Prüfung im Konkursrecht erfolgt sei. Im Rahmen der Frage der sachlichen Billigkeit seien die Gebote der Gleichheit und des Vertrauensschutzes, die Grundsätze von Treu und Glauben und der Erfordernis der Zumutbarkeit ebenfalls zu berücksichtigen, wobei eine Abwägung der Interessen der öffentlichen Hand und der Steuerpflichtigen vorzunehmen sei. Der Beklagte gehe fehl in der Bewertung, die Behandlung von Zahlungen an den Konkursverwalter sei eine im Rahmen des Erlasses nach § 227 AO nicht zu bewertende Frage. Mit dem Antrag des Steuerpflichtigen auf Eröffnung des Konkursverfahrens und durch den insoweitigen Beschluss des Amtsgerichtes G sei die Vollstreckung der Steueransprüche des Beklagten unterbrochen und ins Konkursverfahren gezogen worden, wobei § 251 Abs. 2 AO die abschließende Verweisungsnorm auch zu Zeiten der Konkursordnung enthalte. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens vollziehe sich die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Schuldverhältnis gegen den Gemeinschuldner nach den Regeln des jeweils anzuwendenden Konkursverfahrens. Die Finanzbehörde sei daher verpflichtet, im Rahmen eines gestellten Antrags nach § 227 AO die geltenden Regelungen der Konkursordnung über die Verweisungsvorschrift in § 251 Abs. 2 AO zu berücksichtigen. Deshalb habe der Beklagte berücksichtigen müssen, dass die Verwaltungs- und Verfügungsrechte nach Eröffnung des Konkursverfahrens der Konkursverwalter ausübe. Dieser handele in Ausübung eines ihm übertragenen Amtes Kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen als Träger der den Gläubigern zugewiesenen Konkursmasse und nehme dort die Gesamtinteressen der Gläubiger wahr. Rechtsfolge daraus sei, dass eigene Verfügungen des Gemeinschuldners unwirksam seien und ihre erfüllende Wirkung erst dadurch erlangten, dass sie durch den Konkursverwalter erfolgten. Dieses impliziere, dass der Konkursverwalter zuvor das bestehende Vermögen bzw. neu hinzutretendes Vermögen in Gewahrsam nehme und darüber verfügen könne. Die Konkursordnung gebe den zwingenden Weg des weiteren Ablaufs vor. Dieser durch die §§ 1 und 6 KO vorgezeichnete Weg sei daher auch im Rahmen des Erlassantrages nach § 227 AO zu berücksichtigen. Der Konkursverwalter habe alle Handlungen vorgenommen, um den Zweck der vorgenannten Regelung zu erreichen, nämlich die Sicherung des den Gläubigern als Haftungsmasse zugewiesenen Schuldnervermögens und die gleichmäßige Befriedigung aller Konkursgläubiger. Die letztendliche Nichterfüllung der Ansprüche des Beklagten sei allein auf ein strafbares Verhalten des Konkursverwalters zurückzuführen. Die Abwägung zwischen den Interessen des Beklagten und des X im Rahmen des § 227 AO müsse daher zugunsten des X ausfallen. Nach der gesetzlichen Konstellation treffe den Steuerpflichtigen bereits das Risiko der schuldhaften Nichtbefriedigung der Ansprüche durch den Konkursverwalter dadurch, dass durch die Leistung an den Konkursverwalter die Ansprüche noch nicht als erfüllt gelten würden. Dieser Umstand rechtfertige es jedoch gerade, den Steuerpflichtigen von der Verpflichtung zur doppelten Zahlung im Wege eines sachgerechten Erlasses zu befreien. Der Konkursverwalter werde im Gesamtgläubigerinteresse tätig und verwalte das Vermögen des Schuldners mit dem Ziel der Befriedigung sämtlicher Gläubigerforderungen. Auch die Vereinnahmung von neuen Schuldnervermögen folge daher diesem Zweck. Daher stehe der Konkursverwalter mehr auf Seiten der Gläubiger. Es sei daher nicht sachgerecht, das Verschulden des Konkursverwalters dem Steuerpflichtigen darüber zuzuweisen, dass er erneut zahlen müsse. Das Verhalten des Konkursverwalters sei für beide Parteien nicht vorhersehbar gewesen. Den Konkursschuldner belaste die vollständige Aufrechterhaltung der Ansprüche aber nachvollziehbar stärker als der Verzicht des Beklagten.
    Darüber hinaus habe die Rechtsprechung im Rahmen der Frage des Erlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen bereits entschieden, dass die Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis unbillig sein könne, wenn der Anspruch nur infolge eines entschuldbaren Verhaltens des Steuerpflichtigen entstanden sei. Damit vergleichbar sei der vorliegende Sachverhalt. Der Konkursschuldner habe alles getan, in dem er hinzugetretene Konkursmasse dem Konkursverwalter zur Verfügung gestellt habe, um die Ansprüche des Beklagten zu erfüllen. Sowohl zivilrechtlich (§ 362 BGB) als auch nach § 47 AO hätte der Steuerpflichtige durch Zahlung des Betrags mittels Überweisung an den Beklagten deren Steueranspruch zum Erlöschen bringen können. Die Rechtshandlung des Gemeinschuldners nach Konkurseröffnung sei lediglich nach § 7 KO gegenüber den Konkursgläubigern unwirksam und nach § 42 KO anfechtbar. Der Konkursverwalter hätte sehr wahrscheinlich eine solche Zahlung nach § 185 Abs. 2 BGB genehmigt, da die Rückforderung an ihn zwecks anschließender Wiederauszahlung an den Beklagten nur schwer zu argumentieren gewesen wäre. Infolge der eindeutigen Zahlungsaufforderung durch den Konkursverwalters Y im Schreiben vom 14. Februar 2002 sei der Betrag aber in entschuldbarer Weise auf das vom Konkursverwalter Y genannte Konto überwiesen worden. Es sei daher in entschuldbarer Weise nicht zum Erlöschen der Steueransprüche gekommen.
    Im Übrigen ergebe sich eine Bedürftigkeit für einen Erlass nach § 227 AO auch durch den Rechtsgedanken der §§ 47, 224 AO. Im Zeitpunkt der Begründung der Vorschriften habe der Gesetzgeber offensichtlich die vorliegende Fallkonstellation nicht vorhergesehen. Auch wenn der Konkursverwalter infolge seiner Stellung nicht mit der Person eines Gerichtsvollziehers vergleichbar sei, da letzterer ausdrücklich im Einzelnen Gläubigerinteresse werde, die Vollstreckung durchführe und daher auch Gelder in diesem Interesse vereinnahme, sei der Konkursverwalter dennoch im Gesamtgläubigerinteresse tätig und verwalte das Schuldnervermögen grundsätzlich mit dem Ziel der Befriedigung sämtlicher Gläubigerforderungen. Die Vereinnahmung von Beträgen folge – wenn auch nicht mit schuldbefreiender Wirkung – so doch in erster Linie im Gläubigerinteresse. Der Konkursverwalter stehe daher mehr auf Seiten der Gläubiger als auf Seiten des Schuldners. Stelle der Gemeinschuldner daher – wie es die Konkursordnung vorgesehen habe – dem Konkursverwalter zusätzliche Konkursmasse zur Verfügung, um die Interessen der Gläubiger zu befriedigen, sei dies durchaus mit der Zahlung an den Gerichtsvollzieher vergleichbar.
    Des Weiteren trägt der Kläger vor, der Konkursschuldner habe darauf vertraut, dass der Konkursverwalter Y entsprechend den Vorschriften der Konkursordnung den Massevorschuss verwalte und die Zahlung an diesen habe erfolgen müssen. Seine Anforderungen des Massezuschusses seien soweit eindeutig gewesen. Auch wenn der Steuerpflichtige/Konkursschuldner wirtschaftlich und in gewisser Weise rechtlich erfahren gewesen sei, sei ihm nicht bekannt gewesen, dass die Zahlung auch direkt an den Beklagten hätte erfolgen können. Auch der Beklagte sei offensichtlich davon ausgegangen, dass die Zahlung über den Konkursverwalter erfolge. Dem Steuerpflichtigen könne im Rahmen einer Gesamtschau unter keinem Gesichtspunkt vorgeworfen werden, pflichtwidrig die nicht erfolgte Tilgung der Steuerschulden verursacht zu haben.
    Der Steuerpflichtige/Konkursschuldner habe alle Handlungen vorgenommen, um die Sicherung des den Gläubigern als Haftungsmasse zugewiesenen Schuldnervermögens und die gleichmäßige Befriedigung aller Konkursgläubiger zu erreichen. Unter sachgerechter Abwägung der Interessen der Beteiligten im Konkursverfahren falle dieses Kriterium zu Gunsten des X aus. Nach der gesetzlichen Konstellation treffe den Steuerpflichtigen/Konkursschuldner bereits das Risiko der schuldhaften Nichtbefriedigung der Ansprüche durch den Konkursverwalter dadurch, dass durch die Leistung an den Konkursverwalter die Ansprüche noch nicht als erfüllt gelten. Dieser Umstand rechtfertige es jedoch gerade, den Steuerpflichtigen/Konkursschuldner von der sonstigen Verpflichtung zur doppelten Zahlung im Wege eines sachgerechten Erlasses zu befreien.
    Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 1. Oktober 2012, vom 15. Oktober 2013 und vom 7. Januar 2014 Bezug genommen.

    Der Kläger beantragt,
    den Bescheid des Beklagten vom 31. März 2011 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 25. Januar 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Konkursschuldners vom 17. August 2010 auf Erlass unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Der Beklagte verweist zunächst auf seinen Einspruchsbescheid. Darüber hinaus trägt er zur Begründung des Klageabweisungsantrages Folgendes vor:
    Es sei nicht belegt, dass die vermeintlich anspruchsbegründende Zahlung aus dem Vermögen des Konkursschuldners stamme. Tatsächlich seien die Beträge aber offenbar zweckgebunden von der Z-GmbH, deren Geschäftsführer ebenfalls der Konkursschuldner gewesen sei, an den Konkursverwalter gezahlt worden. Zudem habe die GmbH später aus eigenem Recht eine Rücküberweisung eingefordert. Die GmbH sei später selbst in Insolvenz geraten. Es treffe im Übrigen nicht zu, dass der Konkursschuldner nur an den Konkursverwalter habe leisten dürfen. Der Schuldner habe aus seinem konkursfreien Vermögen Zahlungen geleistet. Es habe dem Schuldner freigestanden, unmittelbar an einzelne Gläubiger, also auch an das Finanzamt, zu zahlen. Unabhängig davon bestehe die behauptete Regelungslücke nicht. Der Konkursverwalter verwalte und verwerte die Konkursmasse. Insoweit hafte er bereits zivilrechtlich und konkursrechtlich. Warum ein Dritter hierfür zusätzlich im Wege des Forderungsverzichts einstehen sollte, sei nicht ersichtlich. Soweit der Verwalter darüber hinaus Obliegenheiten übernehme, hafte er selbstverständlich auch nach allgemeinen zivilrechtlichen Normen. Es obliege vielmehr dem neuen Konkursverwalter oder dem Konkursschuldner, entsprechende Ansprüche selber zu verfolgen. Aus den Ausführungen des Klägers sei nicht erkennbar, inwieweit die Einziehung des Abgabenanspruchs tatsächlich den Geboten der Gleichheit und des Vertrauensschutzes, den Grundsätzen von Treue und Glauben, dem Erfordernis der Zumutbarkeit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde. Ein Vertrauensschutz könne sich allenfalls unter dem Gesichtspunkt ergeben, wenn das Finanzamt ausschließlich auf eine Zahlung über den Konkursverwalter Mühl bestanden hätte. Dies sei vorliegend nicht gegeben.
    Bezüglich des weiteren Vorbringens des Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 19. November 2013 und 7. Februar 2013 Bezug genommen.
    Mit Schriftsatz vom 26. November 2014, der bei Gericht nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen ist, hat der Kläger einen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gestellt. Zur Begründung wird auf eine Entscheidung des BGH vom … verwiesen. Hier habe der BGH einer Klage gegen den Gläubigerausschluss wegen Schadenersatz stattgegeben. Der Gläubigerausschuss habe seine Kontroll- und Überwachungspflichten verletzt. Für den Fall, dass der Beklagte zum Gläubigerausschuss im vorliegenden Konkursverfahren gehört und damit ebenfalls pflichtwidrig gehandelt habe, sei dieser Aspekt zwingend in die Abwägung über eine Erlass einzubeziehen.
    Mit Schriftsatz vom 27. November 2014 hat der Kläger mitgeteilt, dass ein Gläubigerausschuss im vorliegenden Konkursverfahren nicht bestanden habe.
    Entscheidungsgründe
    1. Die Klage hat keinen Erfolg.
    a. Die Klage ist bereits unzulässig.
    Der Kläger ist schon nicht klagebefugt i.S.v. § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung –FGO-, denn ihm gegenüber ist kein ablehnender Verwaltungsakt ergangen. Zudem ist der Abschluss eines Vorverfahrens aus Sicht des Klägers nicht gegeben (§ 44 Abs. 1 FGO).
    Die verfahrensrechtliche Besonderheit des vorliegenden Streitfalls liegt darin, dass der klagende Konkursverwalter den Antrag auf Erlass nicht gestellt hat (sondern der Konkursschuldner selbst) und auch keine ablehnende Entscheidung erhalten hat.
    Grundsätzlich ist der Konkursschuldner berechtigt, einen Antrag auf Erlass von Steuerforderungen zu stellen, die nicht Masseverbindlichkeiten sind, also bis zum Beginn des Konkursverfahrens entstanden sind. Von der Rechtsprechung werden daneben auch dem Konkursverwalter insoweit ein Antragsrecht und eine Klagebefugnis zugebilligt (vgl. Roth, Insolvenzrecht, 2011, Rz. 3.202 und 3.322; BFH-Urteile vom 15. Juli 1992 II R 59/90, BStBl. II 1993, 613; vom 9. Juli 2003 V R 57/02, BStBl. II 2003, 901). Stehen die Steuerforderungen allerdings im Rang von Masseverbindlichkeiten, steht allein dem Konkursverwalter das Antragsrecht zu (vgl. Roth, Insolvenzrecht, 2011, Rz. 3.202 und 3.322).
    Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Konkursschuldner zulässigerweise einen Antrag auf Erlass nach Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt hat und dieser Antrag vom Beklagten auch zu Recht dem Konkursschuldner gegenüber beschieden wurde.
    Der Umstand, dass auch der Kläger als Konkursverwalter antragsbefugt gewesen wäre, ändert nichts daran, dass er selbst kein Vorverfahren durchgeführt hat und er auch nicht durch eine ablehnende Einspruchsentscheidung belastet ist. Das Vorverfahren des X kann auch nicht für ihn gelten. Denn der Konkursverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter des Konkursschuldners, sondern tritt lediglich als Vermögensverwalter in alle steuerlichen Rechte und Pflichten ein, allerdings nur insoweit, als seine Verwaltungs- und Verfügungsmacht reicht. Nicht Gegenstand der Verfügungsmacht sind allerdings die hier betroffenen Steuerforderungen, die Konkursforderungen sind (Roth, Insolvenzrecht, 2011, Rz. 3.202).
    Danach war die Klage mangels Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen bereits unzulässig.
    b. Die Klage ist darüber hinaus auch unbegründet.
    Das beklagte Finanzamt hat den vom Konkursschuldner beantragten Erlass der im Zeitraum 1991 bis 1998 entstandenen, streitbefangenen Steuerforderungen, ermessensfehlerfrei abgelehnt.
    aa. Die Finanzbehörden können nach § 227 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.
    Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Behörde, die gemäß § 102 FGO gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann. Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum aber so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Ist nur der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ermessensgerecht, kann das Gericht gemäß § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung zum Erlass aussprechen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 3. Juli 2014 III R 53/12, DB 2014, 2453; vom 26. August 2010 III R 80/07, BFH/NV 2011, 401; vom 16. November 2005 X R 28/04, BFH/NV 2006, 697; vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl. II 1997, 259).
    Sachlich unbillig ist die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis vor allem dann, wenn sie im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (BFH-Urteil vom 26. August 2010 III R 80/07, BFH/NV 2011, 401). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (BFH-Urteile vom 4. Juni 2014 I R 21/13, BFH/NV 2014, 1853; vom 21. Oktober 2009 I R 112/08, BFH/NV 2010, 606). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt daher keine Billigkeitsmaßnahme; die Billigkeitsprüfung darf nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen.
    bb. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze, denen der Senat folgt, hat der Beklagte den Erlass der streitbefangenen Steuerforderungen ermessensfehlerfrei abgelehnt; eine Billigkeitsmaßnahme ist vorliegend nicht geboten.
    Die hinsichtlich der Ermessensfehlerhaftigkeit der Erlassablehnung vorgebrachten Bedenken des Klägers teilt der Senat nicht.
    Im vorliegenden Einzelfall ist die wortlautgetreue Anwendung der §§ 224, 47 AO gerechtfertigt; sie widerspricht auch nicht den Wertungen des Gesetzes. Zivilrechtlich trägt der Schuldner gemäß § 270 BGB Gefahr und Kosten der Zahlung. Nur in Ausnahmefällen, in denen es unangemessen wäre, den Schuldner für Gefahren haften zu lassen, die der Gläubiger durch ein allein seiner Sphäre zuzurechnendes Verhalten erst geschaffen hat, geht nach dem Rechtsgedanken des § 270 Abs. 3 BGB und dem Grundsatz von Treu und Glauben die Gefahr des Verlustes bei der Geldübermittlung auf den Gläubiger über. Diese Grundsätze gelten auch für steuerliche Zahlungen (BFH-Urteil vom 8. Januar 1991 VII R 18/90. BStBl. II 1991, 442; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl. 2014, § 224 Rz. 4 m.w.N.). § 224 AO trifft insoweit durch die Bestimmung des Leistungsortes eine klare Regelung, welche Zahlungen in welcher Form als Zahlungen auf die Steuerschuld anerkannt werden und damit den Steueranspruch zum Erlöschen bringen. In allen anderen Fällen soll der Schuldner die Gefahr der Zahlung tragen. Anhaltspunkte dafür, dass das Finanzamt als Gläubiger die vorliegende Gefahr der Veruntreuung durch den Konkursverwalter durch ein allein seiner Sphäre zuzurechnendes Verhalten erst geschaffen hat, hat der Senat nicht.
    Es ist für den Senat daher auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber – hätte er das streitentscheidende Problem der Zahlung einer Steuerzahlung an einen veruntreuenden Konkursverwalter gekannt – dieses im Sinne des vorliegenden Erlassbegehrens gelöst hätte. Es ist vielmehr kein vernünftiger Grund dafür erkennbar, warum der Gesetzgeber einzelnen Gläubigern wie des Finanzamts das Risiko eines untreuen Konkursverwalters in der Weise aufbürden sollte, dass dieser zur Vermeidung einer Doppelzahlung des Konkursschuldners die Zahlung an den Konkursverwalter als eine Zahlung an sich gelten lassen und damit auf seine Forderungen im Erlasswege verzichten muss. Das Finanzamt hat vielmehr keinerlei Kontroll- und Aufsichtsbefugnisse hinsichtlich der Tätigkeit des Konkursverwalters. Dieser steht auch nicht – auch nicht eher – auf Seiten des Finanzamts. Er ist – auch wenn die Gläubigerinteressen zu beachten sind - vielmehr ausschließlich gerichtlich eingesetzter Vermögensverwalter über die Konkursmasse des Konkursschuldners und diesbezüglich verfügungsbefugt. Diese Stellung hat aus Sicht des Senats zur Folge, dass der Konkursverwalter insoweit eher auf der Seite des Steuerpflichtigen/Konkursschuldners steht. Hiervon ist der Beklagte bei seiner Ermessensausübung daher auch zu Recht ausgegangen.
    Eine Verpflichtung zum Erlass ergibt sich auch nicht allein aus dem Umstand, dass X möglicherweise entschuldbar – wie behauptet über die Z-GmbH - an den Konkursverwalter Y gezahlt hat, ohne von der bestehenden Möglichkeit der Direktzahlung an das Finanzamt Gebrauch zu machen. Abgesehen davon, dass der Kläger diesen Aspekt des schuldlosen Verhaltens des Konkursschuldners erstmals im Klageverfahren vorgebracht hat und deshalb eine Berücksichtigung im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nicht erfolgen konnte, folgt hieraus nicht die Verpflichtung zum Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen. Es entspricht - wie bereits dargelegt - gerade den Wertungen des Gesetzgebers, den Schuldner nur in Ausnahmefällen von der Gefahr des Verlustes bei der Geldübermittlung zu entlasten, nämlich dann, wenn der Gläubiger durch ein allein seiner Sphäre zuzurechnendes Verhalten die Gefahr des Verlustes erst geschaffen hat. Eine solche Konstellation ist nach Überzeugung des Senats vorliegend nicht gegeben.
    Aus Sicht des Senats ist der Konkursschuldner damit zu Recht und ermessensfehlerfrei auf die konkurs- und zivilrechtlichen Ansprüche gegen den veruntreuenden Konkursverwalter Y verwiesen worden. Dass letztlich diese rechtlich bestehenden Ansprüche infolge der späteren Insolvenz des Konkursverwalters bislang nicht realisiert werden konnten, kann nicht zu Lasten des Steuergläubigers, des beklagten Finanzamtes, gehen.
    Nach alledem besteht weder ein Anspruch auf Erlass noch sind Ermessensfehler erkennbar, die eine Aufhebung der ablehnenden Erlassentscheidung und eine Verpflichtung zur Neubescheidung nach sich ziehen könnten.
    Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    3. Zur Klarstellung lehnt der Senat ab, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
    Der mit Schriftsatz vom 26. November 2014 gestellte Antrag wird zur Begründung auf eine Entscheidung des BGH vom … gestützt. Hiernach soll der Gläubigerausschuss seine Kontroll- und Überwachungspflichten verletzt haben. Für den Fall, dass der Beklagte zum Gläubigerausschuss im vorliegenden Konkursverfahren gehört und damit ebenfalls pflichtwidrig gehandelt habe, sei dieser Aspekt zwingend in die Abwägung über einen Erlass einzubeziehen.
    Abgesehen davon, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 27. November 2014 mitgeteilt hat, dass ein Gläubigerausschuss im vorliegenden Konkursverfahren nicht bestanden hat, und damit die Begründung des Antrags ins Leere geht, hätte der Urteil auch nicht bei der Ermessensausübung des Beklagten berücksichtigt werden können. Es ist vielmehr deutlich nach dem Zeitpunkt des letzten Verwaltungshandelns (Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2012) ergangen und konnte daher nicht mehr in die Ermessenserwägungen einfließen.

    Karrierechancen

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