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  • 24.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143310

    Finanzgericht Niedersachsen: Beschluss vom 03.07.2014 – 5 K 40/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az.: 5 K 40/14

    Tatbestand

    Streitig ist der Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs aus berichtigten Rechnungen.

    Die Klägerin betreibt einen Großhandel mit Textilien. Mit Prüfungsanordnung vom 21. Januar 2013 fand bei der Klägerin in der Zeit vom 11. Februar 2013 bis zum 17. Mai 2013 eine Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2011 statt. Im Rahmen dieser Außenprüfung traf der Beklagte folgende Feststellungen (Tz. 28/29 des BP-Berichts vom 24. Mai 2013):

    • „Ein Vorsteuerabzug aus erteilten Gutschriften der Klägerin an ihre Handelsvertreter ist nicht möglich, da die Gutschriften keine ordnungsgemäßen Rechnungen im Sinne des § 15 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 4 UStG darstellen. Die Rechnungen enthalten weder in der Provisionsabrechnung noch in den Anlagen die Steuernummer oder die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des jeweiligen Gutschriftempfängers (Handelsvertreters). Es wird auch auf kein anderes Dokument verwiesen, aus dem sich die vorgenannten Angaben entnehmen lassen.

    • Gleiches gilt für den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Werbegestalters H. Auch aus diesen Beträgen ist kein Vorsteuerabzug zulässig.

    • Insgesamt ergeben sich damit folgende Änderungen:

    2008 2009 2010 2011
    Euro Euro Euro Euro
    Wert vor Prüfung 93.450,94 109.457,67 140.684,86 143.370,90
    Vorsteuer Handelsvertreter -32.111,75 -38.996,54 -50.326,40 -55.840,75
    Vorsteuer Werbege-stalter H. -1.496,54 -1.175,72 -1.180,47 -1.382,25
    Wert lt. Prüfung 59.842,65 69.285,41 89.177,99 86.147,90

    Die Klägerin berichtigte die Provisionsabrechnungen (Gutschriften) betreffend die Streitjahre 2009 bis 2011 gegenüber ihren Handelsvertretern noch während der Außenprüfung mit Datum vom 02. Mai 2013 dergestalt, dass die jeweilige Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Handelsvertreters in der Rechnung ergänzt wurde. Auch die Rechnungen des Werbegestalters H. für die Jahre 2009 bis 2011 wurden noch während der Außenprüfung unter demselben Datum entsprechend berichtigt.

    Ungeachtet dessen kürzte das Finanzamt die Vorsteuern entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung auf die o.g. Beträge mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht in den Streitjahren, sondern erst im Zeitpunkt der durchgeführten Rechnungsberichtigung (2013) vorlägen.

    Gegen die aufgrund der Außenprüfung geänderten Umsatzsteuerbescheide 2008 bis 2011 vom 02. Juli 2013 legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Juli 2013 Einspruch ein. Erst im Einspruchsverfahren wurde festgestellt, dass für 2008 noch keine Rechnungsberichtigungen erteilt worden waren. Mit Datum vom 11. Februar 2014 berichtigte die Klägerin dann gegenüber ihren Handelsvertretern die Provisionsabrechnungen (Gutschriften) auch für das Streitjahr 2008 dergestalt, dass die Abrechnungen um deren Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ergänzt wurden. Entsprechendes gilt für die das Streitjahr 2008 betreffenden Abrechnungen des Werbegestalters H. Kopien der Rechnungsberichtigungen vom 11. Februar 2014 wurden dem Beklagten noch im Einspruchsverfahren unter dem 24. Februar 2014 übersandt.

    Mit Einspruchsbescheid vom 03. März 2014 blieb der Beklagte bei seiner Rechtsauffassung, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug erst mit der Berichtigung der Rechnungen in 2013 bzw. 2014 erfüllt seien. Eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung (ex tunc) sei nicht möglich.

    Hiergegen richtet sich die unter dem 05. März 2014 erhobene Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, dass den erfolgten Rechnungsberichtigungen Wirkung für die Vergangenheit (Streitjahre 2008 bis 2011) zukomme, da diese vor der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsbescheid vom 03. März 2014) durchgeführt worden seien.

    Für die Streitjahre 2009 bis 2011 seien die Berichtigungen bereits während der Außenprüfung erfolgt. Das Streitjahr 2008 unterscheide sich nur insoweit, als die korrigierten Gutschriften bzw. Rechnungen erst im Rahmen des Einspruchsverfahrens aber noch vor Ergehen des Einspruchsbescheids und damit rechtzeitig vorgelegt worden seien.

    Der EuGH habe erstmals mit Urteil vom 15. Juli 2010 (Rs C-368/09 – Pannon Gép, DStR 2010, 1475) entschieden, dass in gewissen engen Grenzen eine Rechnungsberichtigung ex tunc möglich sei. Mit seiner neueren Entscheidung vom 08. Mai 2013 (Rs C-271/12 – Petroma Transports, BB 2013, 1365, Randnr. 34) habe der EuGH eine rückwirkende Rechnungsberichtigung für den Fall zugelassen, dass eine Berichtigung noch im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erfolgt sei.

    Die Klägerin beantragt,
    die geänderten Bescheide über Umsatzsteuer 2008 bis 2011 vom 2. Juli 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. März 2014 vollumfänglich aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Er verweist darauf, dass die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung nicht möglich sei. Er nimmt Bezug auf die Auffassung der Verwaltung in Abschn. 15.2 Abs. 5 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE). Danach kann der Vorsteuerabzug bei Rechnungsberichtigungen erst zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden, in dem die Berichtigungen erfolgten und diese dem Rechnungsempfänger übermittelt wurden. An dieser Beurteilung halte die Finanzverwaltung auch nach Ergehen der o.g. EuGH-Urteile (Rs C-368/09 und Rs C-271/12) fest (z.B. Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 03.03.2014 - S 7300-123-St 244, MwStR 2014, 107).

    Da die Klägerin die Rechnungen im Streitfall erst in 2013 bzw. 2014 berichtigt habe, seien die Vorsteuern auch erst in 2013 bzw. 2014 und nicht bereits in den Streitjahren 2008 – 2011 zu berücksichtigen.

    Gründe

    I. Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof

    Der Senat setzt das Verfahren nach § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 2 des EU-Arbeitsweisevertrages (AEUV) die im Tenor wiedergegebenen Fragen zur Vorabentscheidung vor

    II. Die maßgeblichen Vorschriften und Bestimmungen

    1. Vorschriften des nationalen Rechts

    a) Umsatzsteuergesetz (UStG)
    § 15 UStG - Vorsteuerabzug
    „(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

    1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;

    § 14 UStG - Ausstellung von Rechnungen

    (1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers auf elektronischem Weg zu übermitteln.

    2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

    1. führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;

    2. führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. …

    Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. …

    (3) …

    (4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

    1. den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,

    2. die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,

    3. …

    § 14c UStG - Unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis

    (1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

    (2) …

    § 17 UStG - Änderung der Bemessungsgrundlage

    (1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. … Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. …

    (2) …

    b) Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV): § 31 Abs. 5 - Angaben in der Rechnung



    (5) Eine Rechnung kann berichtigt werden, wenn

    a) sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a des Gesetzes enthält oder

    b) Angaben in der Rechnung unzutreffend sind.
    Es müssen nur die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden. Es gelten die gleichen Anforderungen an Form und Inhalt wie in § 14 des Gesetzes.

    c) Abgabenordnung: § 233a Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen

    (1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. …

    (2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. … Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

    (2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2)… beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten … ist.

    (3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um … die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung.

    (4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

    (5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; …. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge …

    § 367 Entscheidung über den Einspruch



    (2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.



    d) Finanzgerichtsordnung
    Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

    2. Vorschriften des Gemeinschaftsrechts (MwStSystRL)

    Art 63 - Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen

    Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird.

    Art 167 und 168 - Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug
    Art 167

    Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.

    Art 168

    Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

    a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder werden.

    b) …

    Art 178 – Einzelheiten der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug

    Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:

    a) für den Vorsteuerabzug nach Art. 168 Buchst. a in Bezug auf die Lieferungen von Gegenständen und dem Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß den Artikeln 220 bis 236 sowie 238, 239 und 240 ausgestellte Rechnung besitzen.

    b) …

    III. Zur Anrufung des EuGH

    1. Rechtslage nach nationalem Recht

    (1) Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind (Eingangsleistungen), als Vorsteuerbetrag abziehen.

    (2) Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach § 14 UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG), die alle in § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 9 UStG aufgelisteten Angaben zu enthalten hat.

    (3) Die Vorsteuerbeträge können erst in dem Besteuerungszeitraum abgezogen werden, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG insgesamt vorliegen (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteil vom 19. Juni 2013 - XI R 41/10, BStBl II 2014, 738).

    (4) Im deutschen Recht regelt § 31 Abs. 5 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) allgemein, dass eine Rechnung berichtigt werden kann, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Es müssen nur die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden. Dabei gelten die gleichen Anforderungen an Form und Inhalt wie in § 14 UStG. In den Sonderfällen des unrichtigen (§ 14c Abs. 1 UStG) oder unberechtigten Ausweises (§ 14c Abs. 2 UStG) von Umsatzsteuer ordnet das Gesetz an, dass § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden ist. Demnach wirkt die Berichtigung von Rechnungen nicht zurück, sondern für den Zeitraum, in welchem dem Leistungsempfänger die berichtigte Rechnung übermittelt wird bzw. dem Berichtigungsantrag nach Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens entsprochen wird.

    (5) Wird der Vorsteuerabzug wegen fehlender oder unzutreffender Rechnungsbestandteile versagt, kann die Abzugsberechtigung nach deutschem Recht durch Rechnungskorrektur im Zeitpunkt der Berichtigung hergestellt werden. Im Ergebnis bleibt das Umsatzsteueraufkommen für den Fiskus in diesem Fall gleich, jedoch können sich dennoch fiskalische Mehrergebnisse zu Lasten des Unternehmers ergeben. Wird der Vorsteuerabzug nämlich erst Jahre später versagt, z. B. im Rahmen einer Außenprüfung, führen Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO zu erheblichen finanziellen Belastungen.

    (6) Die Rechtsprechung des BFH ging bislang nicht davon aus, dass ein vollständiges Nachreichen von Rechnungen oder Rechnungskorrekturen auf den Besteuerungszeitraum der Leistungserbringung oder den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserteilung zurückwirken. Vielmehr soll der Vorsteuerabzug erst im Besteuerungszeitraum der Nachreichung bzw. Korrektur der Rechnung zulässig sein (z.B. BFH, Urteil vom 24. August 2006 - V R 16/05, BStBl. II 2007, 340; vom 31. Juli 2007 - V B 156/06, BFH/NV 2008, 416).

    (7) In einer neueren Entscheidung stellte der BFH klar, dass einer Erstrechnung keine Rückwirkung zukommen kann; ausdrücklich offen ließ der BFH allerdings, „ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine rückwirkende Rechnungsberichtigung nach dem „Pannon Gep“-Urteil und ggf. der „Petroma Transports“-Entscheidung möglich wäre” (Urteil vom 19. Juni 2013 - XI R 41/10, BStBl II 2014, 738).

    (8) Die Finanzverwaltung lehnt eine rückwirkende Rechnungskorrektur ab (Abschn. 15.2 Abs. 5 UStAE, wonach „ein Vorsteuerabzug erst zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden kann, in dem der Rechnungsaussteller die Rechnung berichtigt hat“).

    (9) Bei Anwendung der nationalen Rechtsgrundsätze wäre der Vorsteuerabzug aus den korrigierten Rechnungen erst für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sämtliche Rechnungsvoraussetzungen vorliegen. Dies wäre 2013 bzw. 2014, weil die Rechnungen erst während der Außenprüfung (Streitjahre 2009 bis 2011) bzw. im Einspruchsverfahren (Streitjahr 2008) um die bis dahin fehlende Steuer- bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden ergänzt wurden.

    (10) Die aufgrund der ursprünglichen (unvollständigen) Rechnungen von der Klägerin in den Streitjahren 2008 bis 2011 zu Unrecht gezogenen Vorsteuern wären nach § 233a AO zu verzinsen.

    2. Zur ersten Vorlagefrage

    (11) a) Zur Berichtigung von Rechnungen enthält die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) keine ausdrücklichen Regelungen.

    (12) Nach § 167 MwStSystRL entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Nach Art. 63 MwStSystRL ist dies der Fall, sobald die Lieferung des Gegenstandes bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist. Demgegenüber ergibt sich aus Art. 178 Buchst. a MwStSystRL, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug an den Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung geknüpft ist. Ordnungsgemäß ist eine Rechnung, in der die in Art. 226 MwStSystRL (entspricht § 14 Abs. 4 UStG) aufgezählten Angaben enthalten sind.

    (13) b) Dementsprechend entschied der EuGH bereits auf Grundlage der vor der MwStSystRL geltenden „Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern“ mit Urteil vom 29. April 2004 (Rs C-152/02 - Terra Baubedarf-Handel, Slg. 2004, 5583), dass es nicht gegen den Verhältnismäßigkeits- und den Neutralitätsgrundsatz verstoße, wenn der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug erst für den Besteuerungszeitraum vornehmen kann, in dem er in den Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist.

    (14) Im Leitsatz des o.g. Urteils führt der EuGH aus:

    „Für den Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist Artikel 18 Absatz 2 Unterabsatz 1 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben ist, in dem die beiden nach dieser Bestimmung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, dass die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und dass der Steuerpflichtige die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann.

    In der Rechtssache „Terra Baubedarf Handel GmbH“ ging es nicht um eine Rechnungsberichtigung, sondern um einen erstmalig geltend gemachten Vorsteuerabzug.

    (15) c) In der Rechtssache „Pannon Gép“ hat der EuGH erstmals die grundsätzliche Korrekturmöglichkeit für eine Rechnung bestätigt (Urteil vom 15. Juli 2010 – Rs C-368/09, UR 2010, 693).

    Pannon Gép war ein Bauunternehmen, das einen Subunternehmer beauftragte. In dem Verfahren wiesen mehrere Eingangsrechnungen der Pannon Gép ein falsches Fertigstellungsdatum auf. Daraufhin versagte die ungarische Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen. Etwa ein Jahr später – nach Ausstellung der ursprünglich fehlerhaften Rechnungen – erklärte der Subunternehmer die entsprechenden Rechnungen für ungültig und erteilte neue korrigierte Rechnungen. Die ungarische Finanzverwaltung blieb weiterhin – auch nach der Korrektur – dabei, dass ein Vorsteuerabzug nicht zulässig sei. Sie begründete ihre Auffassung u.a. damit, bei den neuen Rechnungen sei keine fortlaufende Nummerierung sichergestellt worden.

    (16) Der EuGH stellte dazu fest: Die Mitgliedstaaten können die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht nach eigenem Gutdünken von der Erfüllung von Voraussetzungen betreffend den Inhalt der Rechnungen abhängig machen. Sie können nur die Angaben verlangen, die in Art. 226 MwStSystRL vorgesehen sind. Der Vorsteuerabzug kann hier also nicht von der Angabe bestimmter Rechnungsnummern abhängig gemacht werden.

    (17) Weiter führte der EuGH aus, dass eine Korrektur einer Rechnung bis zur Entscheidung der betreffenden Finanzbehörde über den Vorsteuerabzug möglich ist. Allerdings muss in diesen Fällen die Rechnung nicht nur dem Leistungsempfänger zugehen. Der Steuerpflichtige hat vielmehr die berichtigte Rechnung der betreffenden Finanzbehörde vor dem Erlass einer ablehnenden Entscheidung über den Vorsteuerabzug zuzuleiten.

    (18) Ausdrücklich stellt der EuGH in der Rechtssache „Pannon Gép“ (Randnr. 45) fest:

    „Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung oder Praxis entgegen, nach der die nationalen Behörden einem Steuerpflichtigen das Recht, den für ihm erbrachte Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerbetrag von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung absprechen, dass die ursprüngliche Rechnung, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Vorsteuerabzugs in seinem Besitz war, ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen habe und dass die später berichtigte Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien (...), wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen".

    (19) d) In der Rechtssache „Petroma Transports“ hat der EuGH sich ebenfalls zur Frage der Rechnungskorrektur geäußert (Urteil vom 08. Mai 2013 – Rs C-271/12, BB 2013, 1365). In dem Verfahren lagen Rechnungen mit ungenauen Leistungsbeschreibungen vor. Der EuGH verneinte eine (rückwirkende) Rechnungskorrektur mit der Begründung, dass die notwendigen Informationen der Finanzverwaltung erst zur Verfügung gestellt wurden, nachdem diese bereits eine ablehnende Entscheidung über den Vorsteuerabzug erlassen hatte.

    (20) Hierzu führte der EuGH in der Rechtssache „Petroma Transports“ (Rdnrn. 34 und 35) folgendes aus:

    In der Tat verbietet das gemeinsame Mehrwertsteuersystem nicht, fehlerhafte Rechnungen zu berichtigen. Wenn alle für das Recht auf Vorsteuerabzug notwendigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, kann ihm dieses Recht daher grundsätzlich nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass die ursprüngliche Rechnung einen Fehler enthielt (vgl. in diesem Sinne Urteil Pannon Gép Centrum, Randnrn. 43 bis 45).

    Allerdings ist in Bezug auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens festzustellen, dass die notwendigen Informationen, mit denen die Rechnungen vervollständigt und in Ordnung gebracht werden sollten, vorgelegt wurden, nachdem die Steuerverwaltung ihre ablehnende Entscheidung über den Vorsteuerabzug erlassen hatte, so dass vor Erlass dieser Entscheidung die dieser Verwaltung zugeleiteten Rechnungen noch nicht berichtigt worden waren, damit diese die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sowie ihre Kontrolle sicherstellen konnte.

    (21) Hieraus folgt nach Auffassung des vorlegenden Senats, dass für den Fall, dass der Steuerpflichtige fehlerhafte Rechnungen berichtigen lässt und der Finanzbehörde ordnungsgemäße Rechnungen vorlegt, der Vorsteuerabzug nicht endgültig allein deshalb versagt werden darf, weil die ursprüngliche Rechnung einen Fehler enthielt.

    (22) e) Ob sich aus dieser Entscheidung (ggfs. im Zusammenspiel mit der o.g. Pannon Gép-Entscheidung) weitergehend eine Rückwirkung der Korrektur auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung ergibt, ist in der Rechtsprechung und dem Schrifttum umstritten.

    (23) aa) Mehrere Finanzgerichte gingen in der Folge davon aus, dass einer Rechnungsberichtigung auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils „Pannon Gép“ keine Rückwirkung zukomme (Niedersächsisches FG, Urteil vom 25. Oktober 2010 - 5 K 425/08, DStRE 2011, 1337, bestätigt durch BFH-Urteil vom 19. Juni 2013 - XI R 41/10, BFH/NV 2013, 2041, wobei der BFH die Rechtsfrage der rückwirkenden Rechnungsberichtigung aber ausdrücklich offenließ; Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 22. Februar 2011 - 5 V 5004/11, EFG 2011, 1295; Urteil des FG Köln vom 13. Juli 2011 - 2 K 2695/10, UStB 2012, 67 und Beschluss des FG Hamburg vom 06. Dezember 2011 - 2 V 149/11, DStRE 2013, 93.

    (24) Teile des Schrifttums haben sich dieser Auffassung angeschlossen (z.B. Huschens, UVR 2010, 333; Meurer, DStR 2010, 2442). Die Finanzverwaltung lehnt eine rückwirkende Rechnungskorrektur ebenfalls ab (BMF-Schreiben vom 16.03.2011 IV D 2 – S 7500/0:003; Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 03.03.2014, MwStR 2014, 107).

    (25) Als Begründung wird angeführt, dass mit dem Urteil „Pannon Gép“ das vorhergehende Urteil „Terra Baubedarf-Handel“ nicht in Zweifel gezogen werden sollte. Die Frage der Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen sei nicht Gegenstand der Vorlagefragen im Verfahren gewesen. Zudem werde das Urteil „Terra Baubedarf“ in der Entscheidung „Pannon Gép“ gar nicht erwähnt, was allerdings zu erwarten gewesen wäre, wenn der EuGH sich von seiner vorherigen Entscheidung „Terra Baubedarf“ hätte abgrenzen wollen (so insbesondere Meurer, DStR 2010, 2442).

    (26) bb) Andere wiederum verstehen die Entscheidung „Pannon Gép“ so, dass der EuGH eine rückwirkende Rechnungsberichtigung für den Fall zulassen wollte, dass dem Finanzamt vor Erlass des (ablehnenden) Steuerbescheids bereits die berichtigte Rechnung vorgelegen hat (FG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2012 - 8 K 2753/08, EFG 2013, 168, Revision – V R 32/12 – führte wegen Insolvenz des Klägers zur Rückverweisung an das FG; FG Nürnberg, Beschluss vom 07. Oktober 2010 - 2 V 802/2009, EFG 2011, 1113; FG Saarland, Beschluss vom 16. Februar 2010 - 2 V 1343/11, EFG 2012, 1115; Martin, BFH/PR 2010, 388; Sterzinger, UR 2010, 700; Wäger, DStR 2010, 1478; Wagner, UVR 2010, 311; Grune, AktStR 2013, 467f; Bunjes/Leonard, UStG, § 13 Rz. 9a).

    (27) Diese Gegenauffassung will mit den Urteilen „Pannon Gép“ und „Petroma Transports“ eine sich abzeichnende Differenzierung zwischen der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung und der fehlenden Rückwirkung bei erstmaliger Rechnungserteilung erkennen, die dazu führen könne, dass die bisherige Betriebsprüfungspraxis, durch Versagung des Vorsteuerabzugs bei Rechnungsmängeln für den Prüfungszeitraum zu einem nach § 233a AO zu verzinsenden Mehrergebnis zu kommen, das ihr gebührende Ende gefunden habe (so ausdrücklich Wäger, DStR, 2010, 1478).

    (28) Der BFH folgt dieser Gegenauffassung insofern, als er ebenfalls zwischen einer - in den Anwendungsbereich des Urteils „Terra Baubedarf-Handel“ fallenden – ex nunc wirkenden erstmaligen Rechnungserteilung und einer – in den Anwendungsbereich des Urteils „Pannon Gép“ fallenden – möglicherweise ex tunc wirkenden Rechnungsberichtigung unterscheidet (BFH-Urteil vom 19. Juni 2013 - XI R 41/10, BFH/NV 2013, 2041). Er ließ aber in dem Urteil (Rdnr. 41) ausdrücklich offen, „ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine solche umsatzsteuerrechtlich rückwirkend zu berücksichtigen ist”.

    (29) cc) Der vorlegende Senat hat Zweifel, ob die nationale Regelung, wonach eine rückwirkende Rechnungsberichtigung grundsätzlich ausgeschlossen ist, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Er neigt dazu, einer Rechnungsberichtigung unter bestimmten Umständen Rückwirkung zuzuerkennen. Dieser Bewertung stehen die Rechtsausführungen des EuGH in der Rechtssache „Terra Baubedarf-Handel“ nach Auffassung des Senats nicht entgegen. Die dort vom EuGH festgestellte ex nunc-Wirkung einer erstmaligen Rechnungserstellung dürfte jedenfalls für den – hier vorliegenden – Fall der Ergänzung einer unvollständigen Rechnung durch die EuGH Entscheidungen „Pannon Gép“ und „Petroma Transport“ insoweit relativiert sein, als der EuGH in einem solchen Fall im Ergebnis eine Rückwirkung – nach Auffassung des Senats – zulassen wollte.

    (30) Da die hier favorisierte Auslegung der genannten EuGH-Urteile angesichts des o.g. Meinungsstreits jedoch keineswegs zwingend und eindeutig ist, bittet das Gericht den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens um entsprechende Klarstellung (erste Vorlagefrage).

    3. Zur zweiten Vorlagefrage

    (31) Für den Fall, dass die erste Vorlagefrage bejaht wird, ist zu klären, welchen Anforderungen die erste Rechnung genügen muss, damit der Ergänzung dieser (ersten) Rechnung Rückwirkung zukommen kann.

    (32) In zwei Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz hat der BFH gefordert, dass das zunächst erteilte Dokument die an eine Rechnung zu stellenden folgenden Mindestanforderungen erfüllen muss: Bezeichnung des Rechnungsausstellers und des Leistungsempfängers, Beschreibung der Leistung, Angabe des Entgelts und der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer (BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 2012 - V B 82/11, BStBl II 2012, 809 und vom 10. Januar 2013 - XI B 33/12, BFH/NV 2013, 783).

    (33) Damit knüpft der BFH an ein in jüngerer Vergangenheit ergangenes Urteil an, in dem zu entscheiden war, ob ein Rechnungsdokument, in dem bestimmte Merkmale (konkret: fortlaufende Rechnungsnummer und Zeitpunkt der Lieferung) gefehlt hatten, und das ergo nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte, dennoch die Rechtsfolge des § 14c UStG auslösen kann. Der BFH bejahte dies und definierte bestimmte Mindestmerkmale für eine Rechnung im Sinne des § 14c UStG (BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 39/09, BStBl II 2011, 734,), nämlich Rechnungsaussteller, den Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, den Steuerbetrag und das Entgelt.

    (34) Der vorlegende Senat hat sich dieser Auffassung des BFH angeschlossen und im Aussetzungsverfahren bereits entschieden, dass den hier streitigen Ergänzungen der Rechnungen (nachträgliche Aufnahme der Steuer- bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) Rückwirkung zukommt, weil die o.g. Mindestanforderungen an eine Rechnung (Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt und Steuerbetrag) erfüllt waren (Niedersächsisches FG, Beschluss vom 01. Oktober 2013 - 5 V 217/13, BB 2014, 102).

    (35) Bestärkt sieht sich der Senat in seiner Auffassung durch das Urteil des EuGH vom 27. September 2012 - C-587/10, Vogtländische Straßen-, Tief- und Rohrleistungsbau GmbH, DStR 2012, 2014). Der EuGH hat in dieser Entscheidung die Bedeutung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für die Frage der Annahme einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung relativiert. Wenn damit auch keine Aussage über die Bedeutung der Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für Zwecke der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs verbunden ist, entnimmt der Senat dieser Entscheidung dennoch die generelle Tendenz des EuGH, die Bedeutung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nicht überzubewerten (ebenso EuGH-Urteil vom 06. September 2012 - C-273/11, Mescek-Gabona Kft, DStR 2012, 1917). Das rechtfertigt die Annahme, dass deren erst nachträglich erfolgte Aufnahme in eine Rechnung lediglich rechnungsergänzenden Charakter hat und die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer insbesondere keine konstitutive Wirkung dergestalt entfaltet, dass deren nachträgliche Aufnahme lediglich ex nunc wirkt (ebenso FG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2012 - 8 K 2753/08, EFG 2013, 168).

    (36) Dieser – hier vertretenen – Ansicht wird entgegengehalten, dass die Angabe der Steuernummer eine der Rechnungsangaben sei, die „zumutbarerweise vom Leistungsempfänger geprüft werden könne“ (Hummel, BB 2014, 343; ähnlich Lohse, BB 2014, 860). Wenn der Leistungsempfänger dieser Prüfung nicht nachkomme, genieße er keinen Vertrauensschutz mit der Folge, dass nicht von einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden, weil berichtigungsfähigen Rechnung auszugehen sei (Hummel, BB 2014, 343). Bei Anwendung dieser Auffassung läge im Streitfall keine berichtigungsfähige Rechnung vor.

    (37) Da sich weder der MwStSystRL noch der Rechtsprechung des EuGH hinreichend klar und eindeutig entnehmen lässt, welche gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an eine - der Rückwirkung fähige – berichtigungsfähige Rechnung zu stellen sind, bittet das vorlegende Gericht den EuGH um entsprechende Klarstellung (zweite Vorlagefrage).

    4. Zur dritten Vorlagefrage

    (38) Wenn den im Streitfall vorgenommenen Ergänzungen der Rechnungen Rückwirkung zukommen kann, weil zuvor bereits berichtigungsfähige Rechnungen vorlagen, stellt sich zuletzt die Frage, ob die im Zeitpunkt der Außenprüfung bzw. des Einspruchsverfahrens vorgenommene Berichtigungen noch als rechtzeitig im Sinne der Rechtsprechung des EuGH anzusehen sind.

    (39) Der EuGH hat in der Rechtssache „Petroma Transports“ (Urteil vom 08. Mai 2013 – Rs C-271/12, BB 2013, 1365, Rdnr. 34 und 35) hierzu folgendes entschieden:

    In der Tat verbietet das gemeinsame Mehrwertsteuersystem nicht, fehlerhafte Rechnungen zu berichtigen. Wenn alle für das Recht auf Vorsteuerabzug notwendigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, kann ihm dieses Recht daher grundsätzlich nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass die ursprüngliche Rechnung einen Fehler enthielt (vgl. in diesem Sinne Urteil Pannon Gép Centrum, Randnrn. 43 bis 45).

    Allerdings ist in Bezug auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens festzustellen, dass die notwendigen Informationen, mit denen die Rechnungen vervollständigt und in Ordnung gebracht werden sollten, vorgelegt wurden, nachdem die Steuerverwaltung ihre ablehnende Entscheidung über den Vorsteuerabzug erlassen hatte, so dass vor Erlass dieser Entscheidung die dieser Verwaltung zugeleiteten Rechnungen noch nicht berichtigt worden waren, damit diese die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sowie ihre Kontrolle sicherstellen konnte.

    (40) Was genau der EuGH unter dem Begriff „Zuleitung vor einer abschließenden Entscheidung der Behörde“ versteht, ist nicht mit letzter Sicherheit geklärt.

    (41) Das vorlegende Gericht geht davon aus, dass die noch während der Außenprüfung vorgenommene Ergänzung der Rechnungen und Zuleitung derselben an die Vertragspartner und den Beklagten betreffend die Streitjahre 2009-2011 jedenfalls rechtzeitig war, weil diese noch vor Erlass der ablehnenden Entscheidung des Finanzamts (Änderungsbescheide vom 02. Juli 2013) erfolgte.

    (42) Der Senat hat aber Zweifel, ob die erst während des Einspruchsverfahrens erfolgte entsprechende Rechnungsberichtigung für das Streitjahr 2008 noch rechtzeitig war und bittet den EuGH insoweit um Klarstellung (dritte Vorlagefrage).

    (43) Nach deutschem Verfahrensrecht ist die Einspruchsentscheidung der Zeitpunkt der letzten und abschließenden Entscheidung der Finanzbehörde. Bis zu diesem Zeitpunkt ist grundsätzlich eine vollumfängliche Überprüfung der Sach- und Rechtslage nach § 367 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) möglich. Vor diesem Hintergrund würde es in der Praxis zu unsachgemäßen Ergebnissen oder sogar zu Ungleichbehandlungen der Steuerpflichtigen führen, wenn man die Rechnungskorrektur bereits bei Erlass eines Änderungsbescheides versagen wollte (Slapio, BB 2014, 104; Sterzinger UR 13, 596 unter Bezugnahme auf Maunz, BC 10, 523; Bunjes/Leonard, UStG, § 13 Rz. 9b).

    5. Vorlagefragen

    Der Senat legt dem EuGH nach alledem folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

    a) Ist die vom EuGH in der Rechtssache „Terra Baubedarf-Handel“ (Urteil vom 29.04.2004 C-152/02, Slg. 2004, 5583) festgestellte ex nunc-Wirkung einer erstmaligen Rechnungserstellung für den – hier vorliegenden – Fall der Ergänzung einer unvollständigen Rechnung durch die EuGH Entscheidungen „Pannon Gép“ (Urteil vom 15.07.2010 C-368/09, UR 2010,693) und „Petroma Transport“ (Urteil vom 08.05.2013 C-271/12, BB 2013, 1365) insoweit relativiert, als der EuGH in einem solchen Fall im Ergebnis eine Rückwirkung zulassen wollte?

    b) Welche Mindestanforderungen sind an eine der Rückwirkung zugängliche berichtigungsfähige Rechnung zu stellen? Muss die ursprüngliche Rechnung bereits eine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten oder kann diese später ergänzt werden mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug aus der ursprünglichen Rechnung erhalten bleibt?

    c) Ist die Rechnungsberichtigung noch rechtzeitig, wenn sie erst im Rahmen eines Einspruchsverfahrens erfolgt, das sich gegen die abschließende Entscheidung (Änderungsbescheid) der Finanzbehörde richtet?

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