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  • 25.09.2009 | Gründungsberatung

    Praxiskauf oder Angestelltenverhältnis

    von Dipl.-Volksw. Dorit Willms, Köln

    Der Arzt in eigener Praxis ist heute nicht mehr das alleinige Leitbild für junge Mediziner. Das Anstellungsverhältnis ist für viele eine ernst zu nehmende Alternative. Doch wie soll der junge Arzt die vielen „Einerseits-Anderseits“ dieser Wahl werten und gewichten. Im Grunde genommen handelt es sich um einen Investitionsvergleich, der in diesem Beitrag anhand eines Musterfalles vorgestellt wird. Im Online-Service von PFB ist eine Excel-Datei hinterlegt, mit der die Berechnungen nachvollzogen werden können.  

    1. Der Praxiskauf als Investitionsentscheidung

    Jede Investitionsentscheidung ist zukunftsbezogen. Prognosen sind somit erforderlich. Vergangenheitswerte benötigt man lediglich als Basis für die Prognoserechnung. Dennoch ist es möglich, die Risiken im Einzelnen zu benennen und zu analysieren. Während das Einkommen im Angestelltenverhältnis weitgehend kalkulierbar ist, muss der Inhaber einer Praxis oder eines Praxisanteils mit ganz unterschiedlichen Risiken rechnen. Man kann sie in individuelle, in der Person des Arztes begründete und in allgemeine Risiken einteilen, die sich aus der demographischen und ökonomischen Entwicklung und den gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen ergeben.  

     

    Individuelle und allgemeine Risiken

    1. Individuelle Risiken  

    Die individuellen Risiken sind weitgehend beherrschbar durch vertragliche Regelungen und durch den Abschluss von Versicherungen. Zu den individuellen Risiken gehören beispielsweise:  

     

    • Berufsunfähigkeit aufgrund von Krankheiten oder Unfällen,
    • personalrechtliche oder mietrechtliche Auseinandersetzungen,
    • haftungsrechtliche Ansprüche von Patienten,
    • bei ärztlichen Kooperationen Konflikte mit den anderen Gesellschaftern,
    • vermögensrechtliche Auseinandersetzungen (z.B. bei einer Scheidung).

     

    2. Allgemeine Risiken  

    Wesentlich problematischer ist der Umgang mit den allgemeinen Risiken. Eine Absicherung ist kaum möglich. Ob sich der Kauf einer Praxis im Nachhinein als rentabel und damit als richtige Entscheidung erweisen wird, hängt nicht unwesentlich davon ab, inwieweit sich die allgemeinen Risiken realisieren. Je länger es dauert, bis sich die Rahmenbedingungen ändern, desto geringer ist die Gefahr einer Fehlinvestition.  

     

    2.1 Demographische und gesamtwirtschaftliche Risiken  

    Die zunehmende Alterung der Bevölkerung könnte zunächst aus der Sicht eines Arztes von Vorteil sein, da mit einem höheren Bedarf an medizinischer Versorgung gerechnet werden kann. Fraglich ist allerdings, ob der steigende Bedarf finanzierbar ist. Der Gesundheitsfonds, der zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassenversicherung eingerichtet worden ist, basiert auf dem Umlageverfahren. Beiträge und Steuermittel werden benötigt. Auch die Beihilfezahlungen für die Privatversicherten müssen aus den jeweiligen Haushaltsmitteln bezahlt werden. Geringe Wachstumsraten des Brutto­inlandsprodukts verbunden mit einer hohen Staatsverschuldung schränken den Finanzierungsspielraum für eine flächendeckende Gesundheitsversorgung erheblich ein.  

     

    Inflation bedeutet im Gegensatz dazu ceteris paribus kein Risiko beim Praxiskauf, weil sich der Kaufpreis mit den nominal steigenden Honoraren leichter finanzieren lässt.  

     

    2.2 Steuerliche Risiken  

    Ob sich der Kauf einer Praxis lohnt, hängt auch davon ab, wie stark der Praxisgewinn besteuert wird. Steigt die Belastung hoher Einkommen, sinkt der Vorteil der eigenen Praxis gegenüber der Angestelltentätigkeit.  

     

    2.3 Risiken bei der vertragsärztlichen Versorgung  

    Zwar sind vor kurzem die Mittel für die ambulante Versorgung der gesetzlich Versicherten aufgestockt worden (PFB 09, 14, PFB 09, 96). Allerdings kann sich der einzelne Arzt nicht darauf verlassen, dass alle seine Leistungen aus dem „Honorartopf“ der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bezahlt werden können. Es empfiehlt sich ein Blick in die Honorarvereinbarungen der jeweiligen KV, bevor man sich zum Kauf einer Praxis entschließt. Denn dann weiß man, dass man bei überdurchschnittlichen Fallzahlen Abschläge in Kauf nehmen muss.  

     

    Auch wenn die gesamte Fachgruppe einer KV mehr Leistungen erbringt als geplant, werden die Honorare aller Ärzte dieser Fachgruppe durch eine Quotierung gekürzt. Der Erwerber einer Praxis kann sich somit nicht sicher sein, dass er mehr Geld erhält, wenn er mehr leistet.  

     

    Außerdem werden die politisch erwünschten ärztlichen Kooperationen (Gemeinschaftspraxen, MVZ) zulasten der Einzelpraxen begünstigt (derzeit mit einem Zuschlag von 10 % des Regelleistungsvolumens). Gefördert wird außerdem die integrierte Versorgung, sodass auch Krankenhäuser zunehmend ambulante Leistungen erbringen. Es ist nicht auszuschließen, dass auf diese Weise ein Konzentrationsprozess in Gang gesetzt wird, bei dem Einzelpraxen auf der Strecke bleiben. Wenn zudem noch die Zulassungsbeschränkungen aufgehoben werden, sinken die Chancen des Praxisinhabers, sich am Markt zu behaupten.  

     

    2.4 Risiken bei der privatärztlichen Versorgung  

    Zwar führt die Anfang 2009 eingeführte Versicherungspflicht dazu, dass ehemalige Mitglieder wieder aufgenommen werden müssen (zum Basistarif). Dies wird aber den Rückgang der Zahl der Privatversicherten nur vorübergehend aufhalten. Für Angestellte, die die gesetzliche Krankenversicherung verlassen wollen, ist der Zugang zur privaten Krankenversicherung erheblich erschwert worden. Mittlerweile liegt die Pflichtversicherungsgrenze bei 48.600 EUR Jahresarbeitsentgelt, wobei eine Wartezeit von drei Jahren einzuhalten ist. Überdies wird sich die Zahl der Privatversicherten wegen der demographischen Entwicklung vermindern.  

     

    Derzeit sind lt. dem „Rechenschaftsbericht der privaten Krankenversicherung“ rd. 8,6 Mio. Menschen in Deutschland privat versichert (ohne Zusatzversicherte); knapp 4,2 Mio. und somit etwa die Hälfte der Privatversicherten sind beihilfeberechtigte Beamte oder Pensionäre. Angesichts der immensen Staatsverschuldung erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass man sich in den nächsten Jahren staatlicherseits um eine kostengünstigere Gesundheitsversorgung der Beamten bemüht. Politisch steht die Forderung nach einer einheitlichen Bürgerversicherung noch immer im Raum (vgl. „Welt online“ vom 12.7.09: Ulla Schmidt prophezeit die Bürgerversicherung, in: www.welt.de).  

     

    2.5 Zusatzerlöse aus IGeL und Wellness-Leistungen  

    Manchmal versuchen niedergelassene Ärzte, die Risiken durch ein vielfältiges Leistungsangebot (IGeL, Teilnahme an Studien, Ernährungsberatung, Wellness-Angebote u.Ä.) zu begrenzen; nicht immer ist diese Strategie erfolgreich.  

     

    2. Szenarien unter Berücksichtigung der allgemeinen Risiken

    Ein Praxiswertgutachten kann bei der Kaufentscheidung hilfreich sein, vor allem wenn es eine Analyse der Praxis beinhaltet. Der Gutachtenwert kann den allgemeinen Risiken als einzelner Wert jedoch kaum Rechnung tragen, gleichgültig, auf welche Weise er ermittelt worden ist. Meist wird der Wert der Praxis unter der Annahme berechnet, dass die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen im Wesentlichen unverändert bleiben; dann werden die allgemeinen Risiken gar nicht beachtet. Bestenfalls wird ein Erwartungswert unter Berücksichtigung der allgemeinen Risiken berechnet. Aber auch dann ist das Ergebnis wenig hilfreich. Wenn sich die Rahmenbedingungen erheblich verschlechtern, dann erweist sich der Kauf der Praxis zum Gutachtenwert als Fehlinvestition, und es wird den Arzt kaum trösten, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios zum Zeitpunkt des Kaufs gering gewesen ist.  

     

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