18.09.2013
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 01.02.2011 – 10 K 2378/08 Kg
Ein polnischer Staatsangehöriger, der mit seiner Familie in Polen lebt und teilweise polnische Familienleistungen bezieht
und nach der Bescheinigung „E 101” in Polen sozialversicherungspflichtig selbständig tätig ist, so dass er während seiner
inländischen unselbständigen Beschäftigung für einige Monate nicht der Versicherungspflicht unterliegt, hat gemäß Art. 14a
Nr. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 keinen Anspruch auf deutsches Kindergeld.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld für die Monate Mai bis Oktober 2007.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und Vater der am 14. Februar 1995 geborenen „A” sowie des am 26. Dezember 2000
geborenen „B”. Er lebt mit seiner Ehefrau und den Kindern in Polen.
Unter dem 14. März 2008 beantragte der Kläger – wie auch schon in den Jahren zuvor die Gewährung von Kindergeld für seine
Kinder. In dem Antrag gab er an, in der Zeit von Mai 2007 bis Oktober 2007 bei einem Betrieb in „C” unselbständig tätig gewesen
zu sein. Seine Ehefrau sei in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig
gewesen. Er habe für die Kinder in der Zeit von September 2006 bis August 2007 in Polen Kindergeld erhalten.
Im Zusammenhang mit einem früher gestellten Antrag auf Gewährung von Kindergeld hatte der Kläger einen Bewilligungsbescheid
des Bürgermeisters der Stadt „D” (Polen) vom 21. August 2006 vorgelegt, demzufolge seiner Ehefrau Kindergeld für die beiden
Kinder für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 31. August 2007 bewilligt worden war.
Der deutsche Arbeitgeber des Klägers, die „E”GbR, bescheinigte dem Kläger, dass dieser in der Zeit vom 30. Mai bis 6. Juli
2007 und vom 16. August bis 12. Oktober 2007 in dem Betrieb in „C” beschäftigt gewesen sei. Ein Versicherungspflichtverhältnis
zur Bundesanstalt für Arbeit habe nicht bestanden, weil die „Bescheinigung E 101” vorgelegen habe.
Dazu legte der Kläger die entsprechenden Lohnsteuerbescheinigungen vor. Danach hatte er während seines Aufenthalts in Deutschland
insgesamt 4.236,69 EUR brutto verdient.
Mit Bescheid vom 2. Mai 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Zur Begründung machte sie geltend, eine Berücksichtigung nach überstaatlichen Rechtsvorschriften könne nicht erfolgen, da
die Voraussetzungen dafür (beitragspflichtige Beschäftigung bzw. Bezug von Lohnersatzleistungen) nicht erfüllt seien. Nach
den vorliegenden Unterlagen sei der Kläger während seiner Beschäftigung in Deutschland nicht in Deutschland sozialversicherungspflichtig
gewesen und habe daher nicht den deutschen Rechtsvorschriften unterlegen.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 19. Mai 2008 Einspruch ein.
Zur Begründung machte er geltend, sein Kindergeldanspruch resultiere nicht aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit nach
dem Bundeskindergeldgesetz, sondern aus der unbeschränkten Steuerpflicht nach dem Einkommensteuergesetz –EStG.
Mit Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2008 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit der am 30. Juni 2008 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Ergänzend macht er geltend, aus Art. 73 VO (EWG) 1408/71 ergebe sich für ihn ein Anspruch auf Kindergeld.
Da im vorliegenden Fall die Familienleistungen in Polen nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhingen, bestimme sich
sein Anspruch nach Art. 10 Abs. 1 a VO 574/72 i.V.m. §§ 62 ff EStG. Dementsprechend bestehe sein Anspruch auf Kindergeld in
Deutschland als Beschäftigungsland in voller Höhe; ein etwaiger Anspruch auf vergleichbare Leistungen in Polen ruhe.
Dass er die Voraussetzungen des § 62 EStG erfülle, sei unstreitig.
Sein Anspruch nach § 62 ff. EStG sei auch nicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen, weil nach der VO 574/72
ein etwaiger Anspruch in Polen ruhe und insoweit der Ausschluss nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mangels Vorliegen einer
Kollision zweier Ansprüche tatbestandlich nicht zum Tragen komme.
Bei dem Formular E 101 handele es sich nicht um eine Entsendebescheinigung, sondern lediglich um einen Nachweis über die bestehende
Sozialversicherungspflicht in einem (anderen) EU-Mitgliedstaat. Er sei allein bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt
gewesen. Es habe lediglich aufgrund der Sozialversicherungspflicht in Polen keine solche in Deutschland bestanden.
Die Ausführungen der Beklagten zur Sozialversicherungspflicht in Polen seien irrelevant. Es gebe keinen Kindergeldanspruch
allein aufgrund einer bestehenden Sozialversicherungspflicht in einem EU-Mitgliedstaat. Denn der Anspruch nach Art. 10 Abs.
1 a VO Nr. 574/72 sei von einer Sozialversicherungspflicht in Deutschland nicht abhängig.
Es komme auch allein darauf an, ob er in Polen einen Anspruch auf Kindergeld gehabt habe, nicht darauf, ob ihm Kindergeld
tatsächlich gezahlt worden sei. Die pauschale Übernahme einer in Polen etwaig bezogenen vergleichbaren Leistung ohne entsprechende
Prüfung begründe einen Verfahrensverstoß.
Selbst wenn in Polen ein Anspruch auf vergleichbare Leistungen bestehe, wäre hier sog. Teilkindergeld zu zahlen.
Im Rahmen des Klageverfahrens hat der Kläger zudem den am 1. März 2007 zwischen ihm und der „F”GbR geschlossenen Arbeitsvertrag
vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Mai 2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2008 zu
verpflichten, ihm Kindergeld für „A” und „B” für die Monate Mai bis Oktober 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend macht sie geltend, der Kläger habe eine Entsendebescheinigung vorgelegt. Sie gehe davon aus, dass der Kläger für
einen polnischen Arbeitgeber in Deutschland tätig und daher in Polen sozialversicherungspflichtig sei. Da die hier anwendbaren
Regelungen der EU-VO dem deutschen EStG vorgingen, komme die Regelung des Art. 14 Nr. 1a VO (EWG) 1408/71 zur Anwendung. Dementsprechend
unterliege der Kläger allein den polnischen Rechtsvorschriften.
Darüber hinaus bestehe auch unter dem Aspekt der Sozialversicherungspflicht in Polen kein deutscher Kindergeldanspruch.
Schließlich sei der Anspruch des Klägers auf deutsches Kindergeld nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen, da für
die Kinder in Polen Leistungen gewährt würden, die dem Kindergeld vergleichbar seien.
Angesichts des vorliegenden Bewilligungsbescheides über polnische Familienleistungen sei davon auszugehen, dass die Familienleistungen
zu Recht bezogen worden seien. Es bestünden keine Zweifel, dass die polnischen Behörden fehlerhaft gehandelt hätten. Es sei
auch nicht Sache der Beklagten, amtliche Feststellungen anderer Behörden zu überprüfen.
Auf Nachfrage des Gerichts hat der deutsche Arbeitgeber des Klägers eine Kopie des vom Kläger vorgelegten Vordrucks E 101
überreicht. Danach war der Kläger in Polen als Selbstständiger sozialversicherungspflichtig.
Aus den seitens des Gerichts beigezogenen Unterlagen zur Einkommensteuerveranlagung 2007 ergibt sich, dass der Kläger beantragt
hat, als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt zu werden und er ausweislich der Bescheinigung „EU/ EWR” im Jahr
2007 in Polen keinerlei steuerpflichtige Einkünfte erzielt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der ablehnende Bescheid vom 2. Mai 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2008 ist rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, Kindergeld
festzusetzen.
Das Gericht geht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) davon aus, dass der Kläger für die Zeiträume
von Mai bis Oktober 2007, in denen er in Deutschland nichtselbständig tätig war, aufgrund der Regelungen der VO (EWG) 1408/71
nur nach polnischem und nicht nach deutschem Recht Anspruch auf Kindergeld hatte.
Ab dem Beitritt Polens zur EU am 1. Mai 2004 sind die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auf den Kläger anwendbar.
Zu diesen Vorschriften zählt die seit 1971 gültige VO (EWG) 1408/71. Diese Verordnung ist allerdings durch die Verordnung
(EG) 883/2004 vom 29. April 2004 – zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der Fassung der (Änderungs-) Verordnung
(EG) 988/2009 vom 16. September 2009 - aufgehoben worden, und zwar nach Art. 90 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 mit dem Beginn der
Anwendung der VO (EG) 883/2004. Nach Art. 91 Satz 1 VO (EG) 883/2004 tritt diese Verordnung am zwanzigsten Tag nach ihrer
Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft; sie gilt aber nach Art. 90 Satz 2 VO (EG) 883/2004 erst ab
dem Tag des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung. Die Durchführungsverordnung zur VO (EG) 883/2004 – die Verordnung
(EG) 987/2009 vom 16. September 2009 - trat nach ihrem Art. 97 am 10. Mai 2010 in Kraft. Damit hat die VO (EG) 883/2004 ebenfalls
erst Geltung ab dem 10. Mai 2010.
Gemäß Art. 87 Abs. 1, 91 VO (EG) 988/2009 begründet die Verordnung zudem keinen Anspruch für den Zeitraum vor dem Beginn ihrer
Anwendung, also nicht vor Mai 2010. Damit ist vorliegend die VO (EWG) 1408/71 die maßgebliche gemeinschaftsrechtliche Vorschrift.
Die VO (EWG) 1408/71 führt nicht zu einem inländischen Kindergeldanspruch des Klägers.
Beim Kläger handelt es sich um einen Selbständigen i.S. von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71, der
den polnischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterliegt, weil er ausweislich des von ihm vorgelegten, gemäß Art.
11a VO (EWG) 574/72 ausgestellten Formulars „E 101” (Bescheinigung über die anzuwendenden Rechtsvorschriften) dort sozialversichert
ist. Der Kläger ging auch während des Streitzeitraums in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich Deutschland, einer nicht selbständigen
Beschäftigung nach. Damit handelt es sich aus Sicht der VO (EWG) 1408/71 um einen innerhalb der Gemeinschaft zugewanderten
Arbeitnehmer. Ein sog. reiner Inlandssachverhalt, d. h. ein Sachverhalt ohne jegliches grenzüberschreitendes Merkmal (Helmke
in Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Fach D, I. Kommentierung Europarecht, Art. 73 Rz. 5), ist folglich nicht gegeben.
Ob der Kläger der Regelung in Anhang I Teil I E (im Streitzeitraum: Anhang I Teil I D) nicht unterfällt, weil er in Deutschland
nicht gegen Arbeitslosigkeit pflichtversichert ist, kann dahinstehen. Denn selbst bei Nichtanwendbarkeit des Anhangs I Teil
I E ist damit keine Einschränkung des allgemeinen persönlichen Anwendungsbereichs der VO (EWG) 1408/71 verbunden, sondern
lediglich eine Einschränkung ihres persönlichen Anwendungsbereichs hinsichtlich der Familienleistungen. Zwar „verdrängt” die
Definition in Anhang I Teil I E die Definition in Art. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71, jedoch nicht mit Wirkung für die Bestimmung
der anzuwendenden Rechtsvorschriften (vgl. die Überschrift des Titels II), sondern nur für die Bestimmung des Personenkreises,
der Anspruch auf Familienleistungen hat (vgl. EuGH-Urteil vom 5. März 1998 in der Rechtssache C-194/96, Kulzer, Slg. I 1998,
895). Auch nach dem Einleitungssatz des Anhangs I Teil I E gilt die Definition ausdrücklich nur „für die Gewährung der Familienleistungen
gemäß Titel III Kapitel 7 der Verordnung”. Die Regelung in Anhang I Teil I E soll folglich nicht über die Anwendbarkeit eines
gesamten Sozialversicherungssystems eines Mitgliedstaats, d. h. über den gesamten sachlichen Anwendungsbereich der VO (EWG)
1408/71 i.S. ihres Art. 4 entscheiden, sondern nur über den persönlichen Anwendungsbereich hinsichtlich der Leistungsart „Familienleistung”
i.S. von Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71. Damit ist die Frage, welche Rechtsvorschriften nach den Art. 13 ff. VO
(EWG) 1408/71 anzuwenden sind, d. h. in die Zuständigkeit welches Mitgliedstaats der Sachverhalt fällt, vorrangig zu prüfen.
Der Kläger unterliegt gemäß Art. 14a Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften Polens über soziale Sicherheit
und damit nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71 auch den polnischen Vorschriften über Familienleistungen, zu denen
das Kindergeld bzw. eine vergleichbare ausländische Leistung gehört (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 13. August 2002 VIII
R 54/00, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BFH/NV 2002, 1581; VIII R 61/00, BFH/NV
2002, 1584, und VIII R 97/01, BFH/NV 2002, 1588).
Nach Art. 14a Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71, der eine von Art. 13 Abs. 2 Buch-stabe b VO (EWG) 1408/71 abweichende Regelung
trifft, unterliegt eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt und die eine
Arbeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ausführt, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates, sofern
die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet.
Art. 14a Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 verlangt danach zunächst, dass der Betroffene „gewöhnlich” eine selbständige Tätigkeit
im Gebiet eines Mitgliedstaates ausübt. Das setzt voraus, dass die betreffende Person üblicherweise nennenswerte Tätigkeiten
in dem Mitgliedsstaat verrichtet, in dem sie wohnt (vgl. EuGH-Urteil vom 30. März 2000 in der Rechtssache C-178/97, Barry
Banks u.a., Slg. I 2000, 02005).
Zudem ist Art. 14a Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 nur anwendbar, wenn dieselbe Person im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates
eine „Arbeit”, d.h. eine bestimmte Aufgabe ausführt, deren Inhalt und Dauer im Voraus festgelegt sind und deren Nachweis durch
die Vorlage entsprechender Verträge möglich sein muss (vgl. EuGH-Urteil vom 30. März 2000 in der Rechtssache C-178/97, Barry
Banks u.a., Slg. I 2000, 02005; s. auch Beschluss Nr. 181 vom 13. Dezember 2000 zur Auslegung des Art. 14 Abs. 1, des Art.
14a Abs. 1 und 2 der Verordnung). Dabei erfasst der Begriff „Arbeit” in Art. 14a Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 jede –
im Lohn- oder Gehaltsverhältnis oder selbständig erbrachte – Arbeitsleistung.
Diese Voraussetzungen hat der Kläger im Streitzeitraum erfüllt.
Der Kläger war ausweislich der von ihm vorgelegten, gemäß Art. 11a VO (EWG) 574/72 ausgestellten Bescheinigung „E 101” u.a.
in den streitigen Monaten in Polen selbständig tätig. Zugleich führte er in der Bundesrepublik Deutschland eine Arbeit in
einem Lohn- und Gehaltsverhältnis aus, deren Dauer und Inhalt nach dem am 1. März 2007 geschlossenen Arbeitsvertrag von vornherein
auf die Zeiträume 29. Mai 2007 bis 6. Juli 2007 sowie 6. August 2007 bis 12. Oktober 2007 begrenzt war.
Die Dauer der vom Kläger jeweils tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen (30. Mai 2007 bis 6. Juli 2007 und 16. August 2007
bis 12. Oktober 2007) überschritt auch nicht den Zeitraum von zwölf Monaten.
Nach Ansicht des Gerichts sind die Regelungen der VO (EWG) 1408/71 auch abschließend d.h. dass deutsches Kindergeldrecht auch
nicht subsidiär anwendbar ist, wenn nach der VO (EWG) 1408/71 das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist.
Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) 1408/71 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur
eines Mitgliedstaats. Die Bestimmungen des Titels II der VO (EWG) 1408/71 bezwecken nach ständiger Rechtsprechung des EuGH,
dass die Betroffenen dem System der sozialen Sicherheit nur eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen, so dass die Kumulierung
anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden (Urteil
vom 10. Juli 1986 in der Rechtssache C - 60/85, Luijten, Slg. 1986, 2365). Davon ist auch das Bundesverfassungsgericht im
Beschluss vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 110, 412) ausgegangen.
Den §§ 62 ff. EStG ist nicht zu entnehmen, dass deutsches Kindergeldrecht auch dann anwendbar ist, wenn nach dem Wortlaut
der VO (EWG) 1408/71 die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats Anwendung finden. Ein Anwendungsbefehl zugunsten
des nationalen Rechts wäre aber zu erwarten, weil die VO (EWG) 1408/71 als überstaatliches Recht den nationalen Rechtsvorschriften
vorgeht und deren Anwendungsbereich begrenzt. Dass der Gesetzgeber von einem Anwendungsvorrang des überstaatlichen Rechts
ausgeht, zeigt § 1 Abs. 7 des Bundeserziehungsgeldgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 12. Oktober 2000. Durch diese Vorschrift
wurde die Anspruchsberechtigung von Ehegatten von EU-Bürgern mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland hinsichtlich
des Erziehungsgeldes für den Fall neu geregelt, dass nur der EU-Bürger in Deutschland erwerbstätig ist, nicht aber sein im
Wohnsitzstaat lebender Ehegatte. Der Gesetzgeber wollte damit als Reaktion auf das EuGH-Urteil vom 10. Oktober 1996 in den
Rechtssachen C-245/94 und C-312/94 (Hoever und Zachow, Slg. I 1996, 4895) das nationale Recht der Regelung der VO (EWG) 1408/71
anpassen (BT-Drucks. 14/3118, 10). Dieses bestimmt aus seiner Sicht darüber, ob und in welchem Umfang nationales Recht in
Zu- und Abwanderungsfällen anwendbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.