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  • 09.08.2013

    Finanzgericht München: Urteil vom 20.02.2013 – 3 K 1620/12

    1. Eine sonstige Leistung gegen Entgelt „Verzichtsleistung”) liegt nicht vor, wenn der Erbringer einer entgeltlich vereinbarten
    Dienstleistung die Leistung im Interesse bzw. zu Gunsten des Leistungsempfängers unterlässt bzw. vorzeitig beendet und von
    diesem hierfür einen Geldbetrag erhält; das folgt aus dem Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer (gegen BFH-Rechtsprechung).


    2. Der Vorteil, den die zahlende von der anderen, auf die Vertragserfüllung Verzicht leistenden Partei erhält, besteht im
    Wesentlichen in der Befreiung von den Pflichten aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis bzw. von der Bindung an den ursprünglich
    abgeschlossenen Vertrag. Die Entlassung aus der Vertragsbindung als solche kann indes keine sonstige Leistung sein.


    3. Es fehlt an einem für die Umsatzsteuerbarkeit erforderlichen Leistungsaustausch, wenn der anlässlich einer vorzeitigen
    Vertragsbeendigung vereinbarte Vergleichsbetrag kein Entgelt, sondern eine Entschädigung darstellt, die auch ohne Abschluss
    des Vergleichs aufgrund Gesetzes geschuldet wäre.


    IM NAMEN DES VOLKES


    Urteil

    In der Streitsache


    hat der 3. Senat des Finanzgerichts München durch … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2013 für Recht erkannt:


    1. Der Umsatzsteuerbescheid für 2002 vom 17. November 2011 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 13. April 2012
    werden aufgehoben.


    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.


    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in
    Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit
    in derselben Höhe leistet.


    4. Die Revision wird zugelassen.


    Gründe

    I.

    Die Klägerin, eine GmbH, ist seit August 2008 Tochtergesellschaft der B-Holding GmbH, die als Arbeitsgemeinschaft gem. § 219
    Sozialgesetzbuch V im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung für ihre Gesellschafter, insbesondere Betriebskrankenkassen
    (BKK), IT-Dienstleistungen erbringt. Zu diesem Zweck betreibt die Klägerin ein Service-Zentrum und bietet den BKK Hard- und
    Softwarelösungen an, insbesondere Rechner und DV-Netzbetrieb sowie Softwareanwenderberatung.


    Die Klägerin erbrachte auf der Grundlage einer in 1998 abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarung (folgend: IT-Dienstleistungsvertrag)
    gegenüber ihrem Gesellschafter und Kunden, der B-BKK, Dienstleistungen der elektronischen Datenverarbeitung, insbesondere
    Netzwerkdienstleistungen und die sog. ISKV-Basisdienstleistung. Die Leistungen wurden nach § 5 IT-Dienstleistungsvertrag auf
    Selbstkostenbasis abgerechnet; die Gesamtvergütung betrug bis zum 31. Dezember 2001 ohne Netzkosten jährlich … DM. Der IT-Dienstleistungsvertrag
    wurde nach seinem § 9 ab dem 1. Januar 1999 zunächst für die Dauer von drei Jahren geschlossen. Er konnte unter Wahrung einer
    Kündigungsfrist von neun Monaten zum Jahresende, erstmals zum 31. Dezember 2001 gekündigt werden. Erfolgte keine Kündigung,
    verlängerte er sich um jeweils ein Jahr, wobei die Vergütung neu festzulegen war.


    Mit Schreiben vom 16. Oktober 2002 kündigte die B-BKK den IT-Dienstleistungsvertrag zum Ablauf des 31. Dezember 2003. Gleichzeitig
    erklärte sie, dass sie bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2002 keine Dienstleistungen, Nutzungen von Hard- und Software und
    sonstige Tätigkeiten oder Aufwendungen der Klägerin in Anspruch nehmen werde. Sie gehe davon aus, dass aufgrund der Abrechnung
    auf Selbstkostenbasis nach § 5 des IT-Dienstleistungsvertrags wegen der wegfallenden Inanspruchnahme nach dem 31. Dezember
    2002 keine abzurechnenden Kosten im Jahr 2003 entstehen werden, und bitte daher um die Erstellung einer Schlussrechnung unter
    Berücksichtigung aller durch die Nichtinanspruchnahme der Klägerin in 2003 ersparten Aufwendungen.


    Hintergrund der Kündigung war die im September 2002 beschlossene Fusion der B-BKK und der V-BKK zur D-BKK zum 1. Januar 2003,
    das damit verbundene Ausscheiden der B-BKK als Gesellschafter der Klägerin und die in diesem Zusammenhang getroffene Entscheidung,
    dass die D-BKK künftig nur noch das bisher von der V-BKK genutzte Rechenzentrum des Konkurrenzunternehmens der Klägerin, der
    I-GmbH, nutzen werde.


    Die Klägerin machte daraufhin gegenüber der B-BKK Vergütung, Aufwendungs- und Schadensersatz in Höhe von ca. … EUR geltend.
    Ihr sei durch die Entscheidung der D-BKK, die ISKV-Basisdienstleistung bei der I-GmbH zu beziehen, ein erheblicher Schaden
    entstanden, der vor allem daraus resultiere, dass die Klägerin bereits erhebliche Investitionen für die B-BKK getätigt habe.
    Sie habe im Mai 2002 aufgrund der begrenzten Rechnerressourcen eine neue Rechnergeneration (Solaris Technologie) einführen
    müssen. Dies sei auch mit der B-BKK besprochen und im guten Glauben durchgeführt worden, dass mit diesem Umstieg die beabsichtigte
    Vertragsverlängerung um weitere drei Jahre nur noch eine „Formsache” sein würde. In diesem Zusammenhang sei die Klägerin auch
    weitere Verpflichtungen für die B-BKK eingegangen (gemietete Leitungen, Leasingverträge, Wartungsverträge, Personaleinstellungen).


    Nach intensiven Verhandlungen und Überprüfung der bei Nichterbringung der Leistung bestehenden Einsparungsmöglichkeiten schlossen
    die Klägerin und die B-BKK am 20. Dezember 2002 eine „Vergleichsweise Vereinbarung” (folgend: Vergleich) mit im Wesentlichen
    folgendem Inhalt: Die gekündigten Verträge werden trotz der Kassenfusion mit der V-BKK hinsichtlich der Netzwerkdienstleistungen
    mit bestimmten Modifikationen wieder in Kraft gesetzt. Hinsichtlich der „übrigen Dienstleistungen” (d.h. insbesondere der
    ISKV-Basisdienstleistung) sind sich die Parteien im Wege gegenseitigen Nachgebens einig, dass die bestehenden Verträge mit
    Ablauf des 31. Dezember 2002 beendet sind. Des Weiteren sind sich die Parteien im Vergleichswege einig, dass die B-BKK (bzw.
    als Rechtsnachfolger die D-BKK) als „Vergütung für nicht erbrachte Leistung bzw. Schadensersatz” einen Vergleichsbetrag von
    … EUR (ohne MwSt) schuldet; in diesem Betrag sind etwa ersparte Aufwendungen und etwaiger getätigter oder unterlassener anderweitiger
    Erwerb bereits berücksichtigt. Der Vergleichsbetrag ist in zwei Raten von … EUR zum 1. Januar 2003 und … EUR zum 1. Januar
    2004 fällig.


    In Bezug auf die Mehrwertsteuer wurde folgende Steuerklausel vereinbart: In dem Vergleichsbetrag sei Mehrwertsteuer nicht
    enthalten. Die Parteien seien übereinstimmend der Auffassung, dass der Vergleichsbetrag infolge des Entfallens des Leistungsaustauschs
    nicht der Mehrwertsteuerpflicht unterliegt. (…)


    Die zum 1. Januar 2003 fällige erste Rate des Vergleichsbetrages wurde von der Klägerin weder in der Steuererklärung für 2002
    noch in der für 2003 der Umsatzsteuer unterworfen.


    Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) erfasste mit geändertem Bescheid vom 17. November 2011 die erste Rate des Vergleichsbetrags
    bei der Umsatzsteuer für 2002 und erhöhte die verbleibende Steuer auf … EUR.


    Der gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch blieb in der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2012 erfolglos. Hiergegen
    richtet sich die vorliegende Klage.


    II.

    Die Klage ist begründet.

    Das FA hat den Vergleichsbetrag zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen.

    1. …

    2. a) aa) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein
    Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Entsprechend unterliegen gem. Art. 2 Nr. 1 der
    im Streitjahr noch geltenden Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften
    der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die
    ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer.


    Für das Vorliegen einer entgeltlichen Leistung, die in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 77/388/EWG gem. § 1 Abs.
    1 Nr. 1 UStG steuerbar ist, gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der sich der Bundesfinanzhof
    (BFH) angeschlossen hat, Folgendes: Zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert muss ein unmittelbarer Zusammenhang
    bestehen, wobei die gezahlten Beträge die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung darstellen, die im Rahmen
    eines zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnisses, in dem gegenseitige Leistungen ausgetauscht
    werden, erbracht wurde (EuGH-Urteile vom 18. Juli 2007 C-277/05 Société thermale d'Eugénie-les-Bains, BFH/NV Beilage 2007,
    424, Rn. 19; vom 27. Oktober 2011 C-93/10, GFKL Financial Services, DStR 2011, 2093, Rn. 18 f.; BFH-Urteil vom 30. Juni 2010
    XI R 22/08, BStBl II 2010, 1084, Rn. 12, m.w.N.).


    Dabei bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, ob die Leistung des Unternehmers
    derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet (BFH-Urteil vom
    30. Juni 2010 XI R 22/08, BStBl II 2010, 1084, Rn. 13). Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem
    gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt grundsätzlich ein Leistungsaustausch vor (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008
    V R 38/06, BStBl II 2009, 749, Rn. 34).


    Es kommt nicht darauf an, ob die Zahlung zivilrechtlich als Schadensersatz bezeichnet wird (vgl. BFH-Urteile vom 17. Dezember
    2009 V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869, Rn. 17; vom 16. Januar 2003 V R 36/01, BFH/NV 2003, 667, Rn. 22). „Echte” Entschädigungs-
    oder Schadensersatzleistungen sind demgegenüber kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine
    Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlungsempfänger erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für
    den Schaden und seine Folgen einzustehen hat (BFH-Urteile vom 30. Juni 2010 XI R 22/08, BStBl II 2010, 1084, Rn. 14; vom 16.
    Januar 2003 V R 36/01, BFH/NV 2003, 667, Rn. 17).


    bb) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer
    Handlung oder eines Zustands bestehen (§ 3 Abs. 9 Sätze 1 und 2 UStG). Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung
    eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 Richtlinie 77/388/EWG ist. Diese Leistung kann u.a. bestehen in der Verpflichtung,
    eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden (Art. 6 Abs. 1 Gedankenstrich 2 Richtlinie 77/388/EWG).


    Nach der Rechtsprechung des EuGH, der der BFH folgt, muss der Leistungsempfänger identifizierbar sein. Er muss ferner einen
    Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (EuGH-Urteile vom 18. Dezember
    1997 C-384/95, Landboden-Agrardienste, UR 1998, 102; vom 29. Februar 1996 C-215/94, Mohr, HFR 1996, 294; BFH-Urteile vom 18.
    Dezember 2008 V R 38/06, BStBl II 2009, 749, Rn. 31; vom 6. Mai 2004 V R 40/02, BStBl II 2004, 854, Rn. 16; vom 11. April
    2002 V R 65/00, BStBl II 2002, 782, Rn. 29).


    cc) Der BFH nimmt eine sonstige Leistung gegen Entgelt „Verzichtsleistung”) auch dann an, wenn der Erbringer einer Leistung
    (es handelt sich in den entschiedenen Fällen ganz überwiegend um sonstige Leistungen, insbesondere Dauerleistungen wie Vermietung)
    die Leistung im Interesse bzw. zu Gunsten des Leistungsempfängers unterlässt bzw. beendet und von diesem hierfür einen Geldbetrag
    erhält. Die sonstige Leistung liege in dem Verzicht auf die Rechte aus dem Vertrag bzw. auf die weitere Vertragsdurchführung.
    Die zu diesem Zweck geschlossene Auflösungsvereinbarung gegen Abfindungszahlung spreche für einen Leistungsaustausch und gegen
    das Vorliegen von Schadensersatz, weil es sich um einen gegenseitigen Vertrag handele (BFH-Beschlüsse vom 26. März 1998 XI
    B 73/97, BFH/NV 1998, 1381; vom 29. Juli 2009 V B 156/08, BFH/NV 2010, 238; vom 23. Januar 2002 V B 161/01, BFH/NV 2002, 553;
    vom 19. Oktober 2010 V B 103/09, BFH/NV 2011, 327).


    Entsprechend hat der BFH entschieden hinsichtlich der Beendigung anwaltlicher Beratung und der Auflösung eines langfristigen
    Beratungsvertrags, zu der sich eine Anwaltssozietät in einer Auflösungsvereinbarung gegen Zahlung eines einmaligen Geldbetrags
    bereit erklärt hat. Die versprochene Leistung sei der Vorteil, den der Leistungsempfänger erhält. Bei Leistungen, zu deren
    Ausführung sich die Vertragsparteien in gegenseitigen Verträgen verpflichtet haben, liege der erforderliche Leistungsverbrauch
    grundsätzlich vor; das versprochene Tun, Dulden oder Unterlassen sei der Vorteil, den der Leistungsempfänger erhält (BFH-Urteil
    vom 7. Juli 2005 V R 34/03, BStBl II 2007, 66).


    b) Der erkennende Senat folgt der zuletzt bezeichneten BFH-Rechtsprechung nicht. Im Streitfall stellt die teilweise Beendigung
    der gewerblichen Tätigkeit der Datenverarbeitung, d.h. die nicht weitere Ausführung der „übrigen Dienstleistungen” (folgend:
    ISKV-Basisdienstleistung), durch die Klägerin keine sonstige Leistung dar (hierzu unten 3.). Die Vertragsparteien des Vergleichs
    haben auch keinen Leistungsaustausch vorgenommen (hierzu unten 4.). Damit ist der Vergleichsbetrag nicht der Umsatzsteuer
    zu unterwerfen.


    3. a) Das Fehlen einer (sonstigen) Leistung folgt aus dem Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer (vgl. Hummel, UR 2005,
    S. 665 und UR 2011, S. 341; Reiß, UR 2008, S. 58, 65 ff.; Nieskens, in Rau/Dürrwächter, Komm. UStG, § 1 Anm. 534, Leistungs-ABC,
    Stichwort Verzicht; Probst, in Hartmann/Metzenmacher, Komm. UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 318; Stadie, Komm. UStG, § 1 Rn. 49
    ff.; an der BFH-Rechtsprechung zweifelnd Forster, UR 2001, 199; FG München, Urteil vom 22. November 2000 3 K 476/97, EFG 2001,
    465; Hessisches FG, Urteil vom 28. April 2003 6 K 982/99, EFG 2003, 1421).


    aa) Der in Erfüllung des ursprünglich abgeschlossenen und später (einseitig oder einvernehmlich) beendeten Vertrags Leistende
    erbringt durch das Unterlassen (bzw. die Beendigung) seiner Leistung keine sonstige Leistung an den Leistungsempfänger. Denn
    er hatte aus dem Vertrag gegenüber dem Leistungsempfänger kein Recht, die Leistung (weiter) zu erbringen, sondern die Pflicht
    hierzu. Er hatte grundsätzlich auch kein Recht, dass der Leistungsempfänger die Leistung abnimmt bzw. weiter in Anspruch nimmt.
    Es besteht zwar beim Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Abnahmepflicht des Käufers, doch ist
    diese typischerweise nur eine nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Nebenpflicht (Westermann, in Münchener Kommentar
    zum BGB, 6. Auflage 2012, § 433 Rn. 76). Beim Mietvertrag hat der Mieter gem. § 535 BGB keine Pflicht zum Gebrauch (Häublein,
    in Münchener Kommentar zum BGB, § 535 Rn. 166; vgl. aber den Sonderfall des BFH-Urteils vom 18. Januar 1990 V R 6/85, BFH/NV
    1991, 130, in dem der Mieter die Pflicht übernommen hatte, in den Mieträumen ein Ladengeschäft zu betreiben). Insoweit fehlt
    es an einem Recht, auf das der Leistende verzichten könnte.


    Der Leistende verzichtet durch das Unterlassen (bzw. die Beendigung) der Leistung also eigentlich auf das volle ursprünglich
    vereinbarte Entgelt. Der Verzicht auf Geld ist indes keine (sonstige) Leistung i.S. des Mehrwertsteuersystems. Denn auch die
    Entrichtung des Entgelts durch Geldzahlung oder die Verpflichtung dazu stellt nach allgemeiner Meinung keine sonstige Leistung
    dar (vgl. EuGH-Urteil vom 9. Oktober 2001 C-409/98, Mirror-Group, Slg. 2001, I-7175, Rn. 26). Durch Geld bzw. die Ersparnis
    von Geld wird dem Leistungsempfänger kein verbrauchsfähiger Vorteil zugewendet. Das zugewendete Geld dient nur der Möglichkeit,
    sich einen verbrauchsfähigen Nutzen zu verschaffen, es ist aber nicht selbst ein solcher (Stadie, § 1 Rn. 28: „Geld kann man
    nicht essen”; Nieskens, in Rau/Dürrwächter, § 3 Anm. 405; Tehler, in Reiß/Kraeusel/Langer, Komm. UStG, § 1 Rn. 73; Oelmeier,
    in Sölch/Ringleb, Komm. UStG, § 1 Rn. 6; Probst, in Hartmann/Metzenmacher, Komm. UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 42).


    Auch im Streitfall hat die Klägerin nur auf den vollen Gegenleistungsanspruch in Geld verzichtet. Sie hat der B-BKK lediglich
    den nicht verbrauchsfähigen Vorteil zugewendet, dass diese ihr für das Jahr 2003 nicht mehr das volle Entgelt für die ISKV-Basisdienstleistung
    zu entrichten hatte. Dies wird daran ersichtlich, dass sich der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin von den ursprünglich
    geltend gemachten ca. 8,2 Mio. EUR auf den Vergleichsbetrag von 2,3 Mio. EUR vermindert hat. Die Gesamtvergütung wäre für
    2003 gemeinsam neu festzulegen gewesen; ihr wären die durch die Vertragserfüllung verursachten tatsächlich entstehenden Sach-
    (Klima-, Energie-, Raum-, Investitionskosten etc.) und Personalkosten zugrunde zu legen gewesen (§ 5 Nr. 2 IT-Dienstvertrag).
    Die Verminderung der Gesamtvergütung, die sich hiernach bestimmt hätte, auf den Vergleichsbetrag kam durch die Anrechnung
    der Ersparnis und der Vorteile zu Stande, die sich daraus ergaben, dass in 2003 die ISKV-Basisdienstleistung durch die Klägerin
    an die B-BKK nicht weiter zu erbringen war (vgl. Abschnitt B. II, Ziff. 1 des Vergleichs).


    Eine abweichende rechtliche Bewertung folgt nicht daraus, dass in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e Richtlinie 77/388/EWG von Verpflichtungen
    die Rede ist, eine berufliche Tätigkeit – vorliegend etwa die Datenverarbeitung – ganz oder teilweise nicht auszuüben (vgl.
    § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG), denn bei dieser Vorschrift geht es um eigenständige Verpflichtungen, solche Tätigkeiten gegenüber
    Dritten nicht auszuüben (insbesondere Wettbewerbsverbote) und nicht – wie vorliegend – um Verpflichtungen, die der Leistung
    als Rechtsverhältnis zugrunde liegen (vgl. dagegen Martin, UR 2006, S. 56, 59).


    bb) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem EuGH-Urteil vom 15. Dezember 1993 C-63/92, Lubbock Fine (BStBl
    II 1995, 480). Der EuGH hat erkannt, dass der Fall, dass ein Mieter, der auf seine Rechte aus dem Mietvertrag verzichtet,
    das Grundstück gegen eine Abfindung an die Person zurückgibt, von der er seine Rechte ableitet, unter den Begriff der „Vermietung
    von Grundstücken”, der in Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Richtlinie 77/388 zur Beschreibung eines zwingend steuerfreien
    Umsatzes verwendet wird, fällt. Der Urteilsfall betrifft die umgekehrte Konstellation zum Streitfall. Die Beendigung der Vermietungsleistung
    und die einvernehmliche Auflösung des Mietvertrags geschahen im Interesse bzw. zu Gunsten des Vermieters (Leistungserbringers);
    ihm gegenüber erbrachte der Mieter (Leistungsempfänger) eine sonstige Leistung, indem er auf sein Gebrauchsrecht verzichtete.
    Der erhaltene Vorteil für den Vermieter, der in der vorzeitigen Wiedererlangung des unmittelbaren Besitzes an dem Mietobjekt
    besteht, ermöglicht einen Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts (vgl. bereits BFH-Urteil vom 27. Februar
    1969 V 102/65, BStBl II 1969, 386 zur „Räumungsentschädigung” eines Vermieters an den Mieter).


    Ebenfalls die umgekehrte Konstellation zum Streitfall betrifft der Fall, in dem der BFH im Einklang mit dem EuGH-Urteil C-63/92
    (Lubbock Fine) entschieden hat, dass eine steuerbare sonstige Leistung vorliegt, wenn der Inhaber einer Genehmigung zum Betrieb
    einer Sonderabfalldeponie aufgrund eines Vertrages mit einem Bundesland das Vorhaben aufgibt und hierfür vom Land einen Geldbetrag
    erhält (BFH-Urteil vom 24. August 2006 V R 19/05, BStBl II 2007, 187). Der Verzicht auf die Rechte aus dem Planfeststellungsbeschluss
    geschah im (Gemeinwohl)Interesse bzw. zu Gunsten des Bundeslands, also ebenfalls sozusagen des „Leistenden” (Genehmigenden)
    im Rahmen des ursprünglichen gesetzlichen (öffentlich-rechtlichen) Schuldverhältnisses (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG);
    dem Land wurde vom Genehmigungsempfänger eine sonstige Leistung durch Zuwendung des verbrauchsfähigen Vorteils, der in der
    Wiedererlangung der Planungsfreiheit in Bezug auf die ursprünglich für die Abfalldeponie vorgesehenen Flächen besteht, erbracht.


    cc) Besonders gelagert ist der Fall, in dem der BFH geurteilt hat, dass der Verzicht auf die Ausübung des Amtes als Testamentsvollstrecker
    gegen „Entschädigung bzw. Schadensersatz” eine steuerbare sonstige Leistung sein kann (BFH-Urteil vom 6. Mai 2004 V R 40/02,
    BStBl II 2004, 854). Dort geschah der Amtsverzicht im Interesse bzw. zu Gunsten des Erben, also – wie im Streitfall – des
    Leistungsempfängers im Rahmen des ursprünglichen gesetzlichen Schuldverhältnisses (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Da die Amtsausübung
    kein Recht ist, auf das der Amtsinhaber verzichten kann, sondern eine Pflicht, ist davon auszugehen, dass der Testamentsvollstrecker
    in Wirklichkeit ebenfalls nur auf die – keinen verbrauchsfähigen Vorteil darstellende – volle Tätigkeitsvergütung verzichtet
    hat.


    Das FG München als Vorinstanz hat entsprechend – wie im Streitfall – im Hinblick auf den Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer
    das Vorliegen einer steuerbaren sonstigen Leistung verneint; der Testamentsvollstrecker habe dem Erben keinen verbrauchsfähigen
    Vorteil verschafft (Urteil vom 27. Juni 2002 14 K 770/01, EFG 2002, 1557). Der BFH hat dagegen den Vorteil, den der Erbe „zur
    eigenen Verwendung” erhalten hat, in der Befreiung von den Verfügungsbeschränkungen gem. § 2211 BGB „Fesseln der Testamentsvollstreckung”)
    gesehen. Zu dieser Beurteilung konnte der BFH indes nur aufgrund der Besonderheit des im Urteilsfall gegebenen gesetzlichen
    Schuldverhältnisses (§§ 2215 – 2221 BGB) kommen, dass der Testamentsvollstrecker bei der Erbringung seiner Leistung an den
    Erben den (letzten) Willen eines Dritten, nämlich des Erblassers zu erfüllen hat (§ 2203 BGB). Der Testamentsvollstrecker
    hat nämlich einerseits als Vertrauensperson des Erblassers entsprechend dem Willen und unter Beachtung der Anordnungen des
    Erblassers den Nachlass im fremden Interesse zu verwalten und ist zu diesem Zweck mit regelmäßig umfassenden, den Erben verdrängenden
    Herrschaftsbefugnissen über den Nachlass ausgestattet, andererseits ist er dem Erben für die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung
    verantwortlich (Zimmermann, in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2010, Vorbemerkung zu §§ 2197 ff., Rn. 5).


    b) Unabhängig vom Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer spricht generell Folgendes gegen das Vorliegen einer sonstigen
    Leistung: Der Vorteil, den die zahlende von der anderen (nach der BFH-Rechtsprechung auf die Vertragserfüllung Verzicht leistenden)
    Partei erhalten hat, besteht im Wesentlichen in der Befreiung von den Pflichten aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis bzw.
    von der Bindung an den ursprünglich abgeschlossenen Vertrag. Die Entlassung aus der Vertragsbindung als solche kann indes
    keine sonstige Leistung sein. Denn auch der Abschluss des zu Grunde liegenden schuldrechtlichen Vertrags – als Kehrseite hierzu
    – stellt für sich genommen nach allgemeiner Meinung keine sonstige Leistung dar (vgl. Nieskens, in Rau/Dürrwächter, § 1 Anm.
    401).


    4. Im Streitfall fehlt es überdies an einem Leistungsaustausch, weil der Vergleichsbetrag kein Entgelt, sondern eine Entschädigung
    darstellt, die auch ohne Abschluss des Vergleichs aufgrund Gesetzes geschuldet wäre.


    a) Der EuGH hat mit Urteil vom 18. Juli 2007 C-277/05, Société thermale d'Eugénie-les-Bains (Slg. 2007, I-6415) entschieden,
    dass die Beträge, die im Rahmen von Verträgen, die der Mehrwertsteuer unterliegende Beherbergungsdienstleistungen zum Gegenstand
    haben, als Angeld geleistet worden sind, in Fällen, in denen der Erwerber von der ihm eröffneten Möglichkeit des Rücktritts
    Gebrauch macht und der Hotelbetreiber diese Beträge einbehält, als pauschalierte Entschädigung zum Ausgleich des infolge des
    Vertragsrücktritts des Gastes entstandenen Schadens – ohne direkten Bezug zu einer entgeltlichen Dienstleistung – und als
    solche nicht als steuerbare Leistungsentgelte anzusehen sind. Dieses Urteil, betrifft ebenfalls die Konstellation des Streitfalls:
    Der Leistungsschuldner (ein Hotel) unterließ die versprochene Dienstleistung (Beherbergung) im Interesse bzw. zu Gunsten des
    Leistungsgläubigers (Gast) und erhielt deshalb von diesem das Angeld (Stornogebühr) als Entschädigung bzw. durfte dieses einbehalten.
    Dem EuGH-Urteil (Rn. 23 ff.) ist zu entnehmen, dass die bloße Leistungsbereitschaft grundsätzlich keine sonstige Leistung
    darstellt, die in Zusammenhang mit der erhaltenen Entschädigungszahlung steht, weil sich die Leistungsbereitschaft als Ausfluss
    der Vertragstreue direkt aus dem zugrunde liegenden Vertrag ergibt.


    Nach Ansicht von Nieskens liegt dagegen der Ausnahmefall, dass die Leistungsbereitschaft als solche die geschuldete Leistung
    darstellt, in der Regel vor, wenn die Leistungsbereitschaft unabhängig davon honoriert wird, ob und in welchem Umfang eine
    tatsächliche Inanspruchnahme erfolgt (vgl. Nieskens, in Rau/Dürrwächter, Komm. UStG, § 1 Anm. 534, Leistungs-ABC, Stichwort
    Leistungsbereitschaft-Annahmeverzug, S. 117).


    So verhält es sich im Streitfall indes nicht; abzurechnen waren nämlich die „durch die Vertragserfüllung” verursachten Selbstkosten
    (§ 5 Nr. 2 IT-Dienstleistungsvertrag). Es steht außer Frage, dass die bis 31. Dezember 2001 vereinbarte Gesamtvergütung in
    Höhe von … DM p.a. nicht für die bloße Leistungsbereitschaft der Klägerin zu zahlen war. Auch hinsichtlich der für die Folgejahre
    gemeinsam neu festzulegenden Vergütung lässt sich § 5 Nr. 2 IT-Dienstleistungsvertrag nicht entnehmen, dass für den Fall,
    dass die Leistung tatsächlich nicht in Anspruch genommen wird, nunmehr die bloße Leistungsbereitschaft zu vergüten ist.


    b) Aus dem EuGH-Urteil C-277/05 (Société thermale d'Eugénie-les-Bains) geht außerdem hervor, dass eine Entschädigung – wie
    das Angeld – kein Entgelt für eine Dienstleistung darstellt und deshalb kein Bestandteil der Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer
    ist (Rn. 32). Der Charakter des Angelds als „pauschalierte Entschädigung” wurde vom EuGH aus dem französischen Zivilrecht
    abgeleitet.


    c) Im Streitfall muss für die Beurteilung des Entschädigungscharakters des Vergleichsbetrags nach dem hier deutschen Zivilrecht
    das Leistungsstörungsrecht insgesamt in den Blick genommen werden.


    aa) Geht das Unterlassen (die Beendigung) der Leistung auf die Verweigerung der (weiteren) Leistungsannahme durch den Leistungsgläubiger
    – wie im Streitfall seitens der B-BKK – zurück, kann Gläubiger- bzw. Annahmeverzug vorliegen (§§ 293 ff. BGB). Zwar schließen
    sich die Leistungsstörungen des Gläubigerverzugs und der Unmöglichkeit der Leistung grundsätzlich aus. Bei Verträgen, die
    Fixcharakter haben, weil die Leistung nicht nachgeholt werden kann, besteht indes die Besonderheit, dass Gläubigerverzug und
    die – dann vom Gläubiger zu vertretende – Unmöglichkeit zusammenfallen. Dies gilt für bestimmte Dauerschuldverhältnisse der
    vorliegenden Art wie Dienstverträge, aber auch Mietverträge, z.B. wenn der Mieter die Mietsache nicht entgegennimmt (vgl.
    Ernst, in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 293 Rn. 7-10; § 326 Rn. 66, 74, 80).


    Im Streitfall stand aufgrund der beschlossenen Fusion der B-BKK mit der V-BKK zum 1. Januar 2003 und der im Hinblick hierauf
    getroffenen Entscheidung, die Datenverarbeitungsleistungen ab diesem Jahr von dem Konkurrenzanbieter (I-GmbH) zu beziehen,
    schon vor Abschluss des Vergleichs endgültig fest, dass die B-BKK die ISKV-Basisdienstleistung von der Klägerin in 2003 nicht
    mehr in Anspruch nehmen wird. Dies hat die B-BKK gegenüber der Klägerin bereits im Kündigungsschreiben vom 16. Oktober 2002
    zum Ausdruck gebracht.


    Damit wäre ohne Abschluss des Vergleichs am 1. Januar 2003 durch die Nichtannahme der ISKV-Basisdienstleistung bzw. die Nichtvornahme
    der erforderlichen Mitwirkungshandlung (Überspielung der zu verarbeitenden Daten) seitens der B-BKK Gläubigerverzug und „Teilunmöglichkeit”
    der ISKV-Basisdienstleistung (der Zeit nach) zusammengefallen. Dies folgt daraus, dass die ISKV-Basisdienstleistung nicht
    nachgeholt werden konnte, und die vorliegende Dienstleistungsverpflichtung i. S. von § 611 BGB deshalb eine Fixschuld ist
    (Müller-Glöge, in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 611 Rn. 15).


    Rechtsfolge wäre gewesen, dass der Klägerin in Bezug auf die Leistung (ISKV-Basisdienstleistung) die Einrede des § 275 BGB
    zugestanden hätte. Dabei hätte sie jedoch gem. § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung behalten, „wie wenn
    sie tatsächlich erfüllt hätte”. Sie hätte sich allerdings – was im Zuge der Vergleichsverhandlungen auch geschehen ist (vgl.
    Abschnitt B. II, Ziff. 1 des Vergleichs) – dasjenige anrechnen lassen müssen, was sie infolge der Befreiung von der Leistung
    erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 326 Abs. 2
    Satz 2 BGB). § 275 und § 326 BGB dienen auch der Umsetzung des Unionsrechts (Richtlinie 1999/44 EG vom 25. Mai 1999, ABl.
    EG Nr. L 171, S. 12). Eine Spezialregelung zu § 326 Abs. 2 BGB findet sich für Dienstverträge in § 615 BGB. Damit hätte die
    B-BKK der Klägerin gem. § 326 Abs. 2, § 615 BGB auch ohne Abschluss des Vergleichs eine Entschädigung in Höhe des Vergleichsbetrags
    zahlen müssen.


    Wenn die Leistung aufgrund Annahmeverzugs des Leistungsgläubigers bereits unmöglich war, als der zugrundeliegende Vertrag
    (Fixgeschäft) einvernehmlich aufgelöst wurde, weil z.B. laufende (nicht nachzuholende und auch nicht unabhängig von ihrer
    Erbringung zu vergütende) Datenverarbeitungs-, Beratungs- oder andere Dienstleistungen bereits endgültig nicht mehr in Anspruch
    genommen wurden oder weil der Mieter schon endgültig (etwa unter Mitnahme seiner Möbel) aus der Wohnung ausgezogen war, ist
    kein Raum mehr für einen (entgeltlichen) Verzicht auf die Leistungserbringung. Auf eine unmögliche Leistung bzw. eine unmögliche
    weitere Vertragsdurchführung kann nicht verzichtet werden.


    Nach Auffassung des Senats kann dies nicht anders gesehen werden, wenn – wie im Streitfall – bereits vor und ungeachtet des
    Zustandekommens der einvernehmlichen Vertragsauflösung (des Vergleichs) aufgrund der gegebenen Umstände endgültig feststand,
    dass der Leistungsgläubiger (B-BKK) die vereinbarte Dienstleistung nicht mehr in Anspruch nehmen wird und damit der Eintritt
    der Unmöglichkeit und die Verwirklichung der § 326 Abs. 2 und § 615 BGB bei Abschluss der Auflösungsvereinbarung unmittelbar
    bevorstand.


    Zwar begründen weder § 326 Abs. 2 Satz 1 noch § 615 Satz 1 BGB einen Schadensersatzanspruch (Ernst, in Münchener Kommentar
    zum BGB, § 326 Rn. 87; Henssler, in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 615 Rn. 1). Dennoch haben diese Vorschriften
    Kompensationscharakter, indem nach ihnen die sich durch die Unmöglichkeit der Leistung bzw. den Annahmeverzug als vergeblich
    erweisenden Aufwendungen zu ersetzen sind. Im Unterschied zu den sich aus dem (nicht leistungsgestörten) Vertrag und aus dem
    Gesetz ergebenden (ungeschmälerten) Gegenleistungsansprüchen (wie § 433 Abs. 2, § 535 Abs. 2, § 611 Abs. 1, § 631 Abs. 1 etc.
    BGB) ergeben sich bei den Ersatzansprüchen gem. § 326 Abs. 2 und § 615 BGB die Anrechnungspflichten des Anspruchsinhabers
    allein aus dem Gesetz (§ 326 Abs. 2 Satz 2; § 615 Satz 2 BGB).


    Die das Entgelt ersetzenden Ansprüche gem. §§ 326 Abs. 2, 615 BGB sind damit in umsatzsteuerlicher Hinsicht insofern mit „echtem”
    Schadensersatz zu vergleichen, als sie nicht mit einer Leistung des Leistungsschuldners innerlich verknüpft sind; sie beruhen
    vielmehr darauf, dass die Unmöglichkeit der aus dem ursprünglichen Vertrag geschuldeten Leistung von dem in Annahmeverzug
    geratenen Leistungsgläubiger zu vertreten ist. Die Zahlung erfolgt dann nicht für eine Leistung, sondern trotz Unterlassens
    der Leistung. Diesem Umstand wird im Streitfall durch die Bezeichnung des Vergleichsbetrags im Vergleich (unter B. II, Ziff.
    2) als „Vergütung für nicht erbrachte Leistung bzw. Schadensersatz” Rechnung getragen.


    bb) Geht dagegen – in der umgekehrten Konstellation – das Unterlassen (die Beendigung) der Leistung auf vom Leistungsschuldner
    zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung oder auf Erfüllungsverweigerung des Leistungsschuldners zurück, kann der Leistungsgläubiger
    unter den Voraussetzungen des § 283 oder § 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung (früher Schadensersatz wegen Nichterfüllung)
    verlangen (vgl. Ernst, in Münchener Kommentar zum BGB, § 281 Rn. 1).


    In dieser Fallgruppe ist nach der BFH-Rechtsprechung ein Leistungsaustausch bereits im Hinblick darauf zu verneinen, dass
    die Ansprüche gem. §§ 281, 283 BGB solche auf „echten” Schadensersatz sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 1970 V R 52/67,
    BStBl II 1971, 38). Dies lässt sich bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit (§ 283 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB) damit
    begründen, dass der Gläubiger wegen der Unmöglichkeit keinen Anspruch auf die Vertragserfüllung hat, auf den er gegen Entgelt
    hätte verzichten können (Nieskens, in Rau/Dürrwächter, Komm. UStG, § 1 Anm. 534, Leistungs-ABC, Stichwort Unmöglichkeit der
    Leistung).


    Bei Erfüllungsverweigerung durch den Leistungsschuldner unterliegt es bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 281 BGB der
    Disposition des Gläubigers, ob er seinen Anspruch inhaltlich von der Erfüllung auf den Ersatzgegenstand Schadensersatz umstellt
    (Ernst, in Münchener Kommentar zum BGB, § 281 Rn. 73). Verlangt er statt der ursprünglich geschuldeten Sachleistung (z.B.
    einer Dienstleistung) einen Geldbetrag, liegt Schadensersatz vor. Verweigert also z.B. – umgekehrt zum Streitfall – der Schuldner
    von Datenverarbeitungsleistungen ernsthaft und endgültig die weitere Erbringung der Leistung (§ 281 Abs. 2 BGB), so dass die
    Voraussetzungen eines Anspruchs des Gläubigers auf Schadensersatz statt der Leistung vorliegen, ist in einem Vergleich, mit
    dem der Gläubiger auf die weitere Datenverarbeitung gegen Abfindungszahlung verzichtet, nur noch eine Vereinbarung über die
    bloße Höhe des Schadensersatzes zu sehen.


    d) Aus dem EuGH-Urteil C-277/05 (Société thermale d'Eugénie-les-Bains) geht nicht hervor, ob der EuGH auch dann einen Leistungsaustausch
    gem. Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 77/388/EWG verneinen würde, wenn die Zahlung einer (pauschalen) Entschädigung nicht – wie im
    Urteilsfall – für den Fall der Aufhebung des Vertrags durch Rücktritt einer Vertragspartei bereits im ursprünglich abgeschlossenen
    Vertrag vereinbart war (ähnlich einer Vertragstrafe), sondern die Entschädigung – wie im Streitfall – in einem später abgeschlossenen
    gesonderten Vertrag (Vergleich) vereinbart wird, durch den der ursprüngliche Vertrag ebenfalls (teilweise) aufgehoben wird.
    Nach Auffassung des erkennenden Senats sind diese Fälle gleich zu behandeln. Auch ist sowohl bei einseitiger Vertragsaufhebung
    (durch Rücktritt oder Kündigung) als auch bei einvernehmlicher vorzeitiger Vertragsaufhebung (z.B. durch Vergleich) grundsätzlich
    davon auszugehen, dass eine im Hinblick hierauf von der an der Vertragsaufhebung interessierten Partei an die andere Partei
    gezahlte Abfindung Entschädigungscharakter hat, was einem Leistungsaustausch entgegensteht.


    Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Leasing wird im Hinblick auf das Vorliegen eines Leistungsaustauschs
    keine Unterscheidung zwischen der einseitigen und der einvernehmlichen vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrags getroffen.
    Hiernach sind Schadensersatzleistungen, die der Leasingnehmer nach einer von ihm schuldhaft veranlassten außerordentlichen
    Kündigung des Leasingvertrages zu erbringen hat, ohne Umsatzsteuer zu berechnen, weil ihnen eine steuerbare Leistung nicht
    gegenübersteht und der Leasinggeber deshalb Umsatzsteuer auf sie nicht zu entrichten hat. Nichts anderes gilt für den leasingtypischen
    Ausgleichsanspruch des Leasinggebers, der auf Ausgleich seines noch nicht amortisierten Gesamtaufwandes zum Zeitpunkt einer
    ordentlichen Kündigung, einer nicht durch den Leasingnehmer schuldhaft veranlassten außerordentlichen Kündigung oder einer
    einvernehmlichen vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages gerichtet ist (BGH-Urteil vom 14. März 2007 VIII ZR 68/06, BFH/NV
    2007, Beilage 3, 316; ebenso Urteil Niedersächsisches FG vom 2. Dezember 2010 5 K 224/09, EFG 2011, 1020; Probst, in Hartmann/Metzenmacher,
    Komm. UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 310). Zu Recht wird hierbei nicht erwogen, dass eine steuerbare Leistung des Schuldners
    (Leasinggebers) darin bestehen könnte, dass er auf die Erbringung der von ihm geschuldeten Leistung verzichtet (oder verzichten
    muss) (vgl. Reiß, UR 2008, S. 58, 67).


    Einem Leistungsaustausch steht damit im Ergebnis sowohl die Ersetzung des ursprünglichen Anspruchs auf die (Sach-, Natural-)Leistung
    durch die Schadensersatzansprüche gem. §§ 281, 283 BGB als auch – wie im Streitfall – die Ersetzung des ursprünglichen Anspruchs
    auf das Entgelt durch die Ansprüche gem. §§ 326 Abs. 2, 615 BGB entgegen.


    Damit liegt – abgesehen von dem speziellen Aspekt des Zusammenfallens von Unmöglichkeit und Annahmeverzug – der Streitfall
    genauso wie der vom BFH mit Urteil vom 27. August 1970 V R 159/66 (BStBl II 1971, 6) entschiedene Fall, in dem ein Unternehmer
    im Rahmen eines ursprünglich abgeschlossenen Werklieferungsvertrags (§ 651 BGB), also eines Vertrags ohne Fixcharakter, auf
    die Abnahme seiner Leistung im Einvernehmen mit dem Besteller verzichtet hat. Der BFH hat eine entgeltliche (sonstige) Leistung
    „Verzichtsleistung”) des Unternehmers im Hinblick darauf verneint, dass dieser sich mit dem Abänderungsvertrag lediglich seinen
    vertraglichen Gegenleistungsanspruch „gesichert” und diesen Anspruch nach dem Gesichtspunkt des § 649 Satz 2 BGB ermäßigt
    hat (d.h. – wie bei §§ 326 Abs. 2 Satz 2, 615 Satz 2 BGB – unter Anrechnung dessen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags
    erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen hat) (sog.
    Schiffsbauurteil, vgl. Nieskens, in Rau/Dürrwächter, Komm. UStG, § 1 Anm. 534, Leistungs-ABC, Stichwort Verzicht; vgl. auch
    BFH-Urteil vom 30. Juni 2010 XI R 22/08, BStBl II 2010, 1084, Rn. 19 ebenfalls zu § 649 Satz 2 BGB).


    Entsprechend verhält es sich auch im Streitfall in Hinsicht auf den Vergleich, durch den der IT-Dienstleistungsvertrag abgeändert
    wurde, und die im Vergleich (unter B. II, Ziff. 1) vereinbarte Ermäßigung des Gegenleistungsanspruchs der Klägerin nach dem
    Gesichtspunkt der § 326 Abs. 2 Satz 2 und § 615 Satz 2 BGB.


    e) Deshalb bezogen sich im Streitfall die in der Vorbemerkung zum Vergleich (unter Abschnitt A.) angeführten unterschiedlichen
    Auffassungen unter den Parteien über die Wirksamkeit und Folgen der Erklärungen im Kündigungsschreiben der B-BKK vom 16. Oktober
    2002 und entsprechend das „gegenseitige Nachgeben” (vgl. Abschnitt B. II, Ziff. 1 und 2 des Vergleichs) nur auf die Höhe der
    der Klägerin ohnehin gem. § 326 Abs. 2 und § 615 BGB zustehenden Ersatzansprüche bzw. der hiernach auf die Gesamtvergütung
    anzurechnenden Beträge. Über das Bestehen der Ersatzansprüche dem Grunde nach gab es zwischen den Vertragsparteien keine unterschiedliche
    Beurteilung oder Unsicherheit, die durch den Vergleich bereinigt werden musste (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1998 V R
    58/97, BFH/NV 1999, 987).

    VorschriftenUStG § 3 Abs. 9 S. 1, UStG § 3 Abs. 9 S. 2, UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, BGB § 326 Abs. 2 S. 2