02.08.2013
Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 27.11.2012 – 1 K 229/11
1. Zur Frage, ob in einer Abfindung
in Höhe des Barwerts einer Pensionsanwartschaft eine vGA
zu erblicken ist - hier verneint.
2. Zur Ermittlung des Barwerts einer Pensionszusage.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Abfindungszahlung für eine Pensionsanwartschaft
als Arbeitslohn oder als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA)
zu beurteilen ist.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH Kundendienst
im Bereich von Kraftfahrzeugteilen, insb. von Produkten der
Z
-AG.
Die Geschäftsanteile in Höhe von 244.000 DM hielten
bis 01.11.2006
Y
(geb. 18.04.1954) und jeweils in Höhe
von 2.000 DM seine Kinder
XY
,
WY
und
VY.
Y
war auch alleiniger Geschäftsführer.
XY
erwarb mit notariellem Vertrag vom 09.11.2006
die Geschäftsanteile an der Klägerin von seinen
Geschwistern. Zum 01.11.2006 gründeten
Y
und
XY
die „Y
und XY GbR”, an der sich
Y
zu 65% und
XY
zu
35% beteiligten.
Y
brachte in diese GbR aus
dem Betriebsvermögen seines Besitzunternehmens das von der
Klägerin genutzte Grundstück in 1, Str. 1 und
seine Geschäftsanteile an der Klägerin ein.
Im Geschäftsführervertrag der Klägerin
mit
Y
vom April 1990 sagte die Klägerin
Y
folgende
Altersversorgung zu:
§7
Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
3.
Der
Geschäftsführer erhält ein lebenslanges
Ruhegehalt mit 60 % Witwenrentenanwartschaft, wenn
a) er dauernd arbeitsunfähig wird,
b) der Geschäftsführervertrag mit
oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres endet.
Der Anspruch auf Zahlung des Ruhegehalts entfällt,
wenn die Gesellschaft den Vertrag aufgrund eines vom Geschäftsführer
verschuldeten wichtigen Grundes kündigt.
4.
Das Ruhegehalt beträgt
jährlich 72.000 DM.
5.
Stirbt der Geschäftsführer
während der Dauer des Vertrages oder während der
Zeit, in der ihm ein Anspruch auf Ruhegeld zusteht, so erhält
seine Ehefrau ein Witwengeld i.H.v. 60 Prozent seines Ruhegehaltes.
6.
Ruhegehalt und Witwengeld ändern
sich im gleichen Zeitpunkt und im gleichen Verhältnis,
in dem sich das monatliche Grundgehalt eines leitenden Regierungsdirektors
des Landes Bayern gegenüber dem Stand bei Eintritt in den
Ruhestand ändert.
7.
Ruhegehalt und Witwengeld werden
in gleichen monatlichen Teilbeträgen jeweils am Monatsende
gezahlt.
8.
Eine Beleihung, Abtretung oder
Verpfändung des Ruhegehaltsanspruchs ist ausgeschlossen.
§ 11
Schlussbestimmungen
1.
Vertragsänderungen
bedürfen in jedem Falle der Schriftform sowie der ausdrücklichen
Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
…
Mit Nachtrag vom 31.07.2006 zum Geschäftsführervertrag,
den auf Seiten der Klägerin alle damaligen Gesellschafter
und als Pensionsberechtigter
Y
unterschrieben, wurde
festgehalten:
Der Gesellschafter der Firma Kläger GmbH
,
Herr Y
, beabsichtigt, einen Teil seiner Anteile an
der Firma Kläger GmbH
an seinen Sohn, Herrn XY
,
zu übertragen. Um seinem Sohn eine von Pensionsansprüchen
unbelastete Gesellschaft übergeben zu können,
verzichtet Herr Y auf seinen Provisionsanspruch (einschließlich
Witwenanwartschaft) gegenüber der Kläger
GmbH
.
Dies vorausgeschickt, wird folgendes vereinbart:
Herr Y verzichtet mit Wirkung vom August 2006 auf seinen
Pensionsanspruch. Als Abfindung erhält er von der Kläger
GmbH
einen Einmalbetrag von 171.268,00 €. Dieser
Betrag kommt im August 2006 zur Auszahlung.
Der im August 2006 an Y ausbezahlte Betrag wurde als Arbeitslohn
von
Y
der Lohnsteuer unterworfen und als Betriebsausgabe
behandelt. Die Pensionsrückstellung wurde gewinnwirksam
aufgelöst.
Y
arbeitete als Geschäftsführer
der Klägerin bis zum heutigen Tag weiter.
Im Rahmen einer Außenprüfung im Jahr 2008 kam
die Prüferin in Zusammenarbeit mit dem Fachprüfer
für versicherungsmathematische Fragen zum Schluss, dass
die Abfindungszahlung als vGA in Höhe von 171.286 € (Zahlendreher)
und bei
Y
aufgrund der Betriebsaufspaltung und Betriebsvermögenseigenschaft
der Geschäftsanteile als gewerbliche Einkünfte
zu behandeln sei.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen und erließ am
07.09.2009 einen entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheid
für 2006. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
Die Klägerin hat Klage erhoben und vorgetragen, dass
die Abfindung nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst sei. Das Abfindungsverbot
des BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung)
greife nicht, da
Y
als beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer
nicht in seinen Anwendungsbereich falle. Die Pensionszusage sei
unverfallbar ausgestaltet gewesen und habe lediglich unter der auflösenden
Bedingung des § 7 des Vertrages gestanden, wonach sie entfalle,
wenn die Gesellschaft dem Geschäftsführer aufgrund
eines von ihm verschuldeten wichtigen Grundes kündige.
Hier sei eine negative Abgrenzung formuliert worden. Die Abfindung
verstoße nicht gegen das Nachzahlungsverbot, da mit der Änderung
des Zahlungsmodus nicht in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen
werde.
Die für eine vGA notwendige Vermögensminderung
liege ebenfalls nicht vor, da der Abfindungszahlung der Wegfall
der Pensionsverpflichtung gegenüberstehe. Nach den Grundsätzen
des Vorteilsausgleichs stehe der Abfindung ein gleich hoher Verzicht
gegenüber. Da
Y
bis zum heutigen Tage unverändert,
als Geschäftsführer der Klägerin tätig
sei, könne der Einlagewert nicht mit einem Wert von 0 € angesetzt
werden.
Die Klägerin hat
sinngemäß beantragt, den Körperschaftsteuerbescheid
vom 07.09.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2011
dahin zu ändern, dass die vGA in Höhe von 171.286 € entfällt.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen und für
den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Zur Begründung hat es auf seine Einspruchsentscheidung
verwiesen, wonach in der Abfindung eine vGA liege. Die Versorgungsansprüche
des Geschäftsführers seien nach dem Wortlaut der
Zusage verfallbar, da sie keine eindeutigen und präzisen
Regelungen über Zeitpunkt und Berechnungsgrundlagen zur Unverfallbarkeit
enthielten. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter
würde einen verfallbaren Pensionsanspruch nicht abfinden,
da er keinen Wert habe. Ein Wert sei ihm nur dann beizumessen, wenn
im Zeitpunkt des Verzichts noch die Möglichkeit bestehe,
dass dieser unverfallbar werde. Sei aber ausgeschlossen, dass der
Pensionsanspruch in die Unverfallbarkeit hineinwachse, sei der Anspruch
wertlos.
Die Motivation für den Verzicht, die Anteile frei verkaufen
oder verschenken zu können, sei gesellschaftsrechtlich
und nicht betrieblich veranlasst.
Die Abfindung verstoße gegen das Nachzahlungsverbot,
da eine künftige monatliche Zahlung ab dem 65. Lebensjahr
in eine sofort fällige Einmalzahlung umgewandelt werde.
Gründe
Die Klage ist begründet. Das Finanzamt hat zu Unrecht
eine vGA von 171.286 € angenommen. Die Abfindungszahlung
stellt keine vGA sondern Lohnaufwand dar.
Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz
(KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung
(verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch
das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die
Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4
Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und
in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht.
Für den größten Teil der entschiedenen
Fälle hat die Rechtsprechung die Veranlassung durch das
Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft
ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendete,
den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters
einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.01.2004 I R 50/03, BStBl II 2005,
524).
Die Abfindungszahlung ist nicht durch das Gesellschaftsverhältnis
veranlasst. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter
hätte diese auch einem Nichtgesellschafter gezahlt.
1. Dabei kann dahinstehen, ob der
Verzicht auf die Pensionszusage durch
Y
auch durch
seine Gesellschafterstellung mit verursacht wurde. Hierfür spricht,
dass seine im Nachtrag vom 31.07.2006 festgehaltene Motivation eine
private war. Er wollte die Klägerin von ihrer Pensionsverpflichtung freistellen,
da diese Belastung mittelbar auch seinen Sohn als Nachfolger in der
Gesellschafterposition beschwert hätte. Für einen
durch das Gesellschaftsverhältnis mitbegründeten
Anlass spricht auch, dass ein fremder Geschäftsführer
unter den gegebenen Voraussetzungen nicht auf seine Anwartschaft
verzichtet hätte. Schließlich stand
Y
neben
seinem regelmäßigen Gehalt eine Aussicht auf eine
Altersversorgung zu, die sich monatlich verbesserte. Mit der Vereinbarung
vom 31.07.2006 konnte er zwar einen Ausgleich für die schon
verdiente Altersversorgung vereinnahmen, jedoch beraubte er sich
der Ansammlung weiterer Ansprüche und einer Erhöhung seiner
künftigen Versorgung.
Da in diesem Verfahren jedoch nicht über die Einlage
des
Y
in das Vermögen der Klägerin
und seine Anschaffungskosten für die Beteiligung zu entscheiden
ist, sondern, ob die Auszahlung eine vGA darstellt, kann die Ursache
für den Verzicht auf die Pensionszusage auf Seiten des
Y
offen
bleiben.
2. Die Abfindungszahlung hat ihren rechtlichen
Grund im Nachtrag vom 31.07.2006 zum Geschäftsführervertrag
zwischen der Klägerin und
Y
. In dem ursprünglichen
Anstellungsvertrag vom April 1990 war für keinen Beteiligten
die Möglichkeit, die Berechtigung oder die Verpflichtung
zur Abfindung der Pensionsanwartschaft vorgesehen.
Die Vereinbarung vom 31.07.2006 wäre von einem ordentlichen
und gewissenhaften Geschäftsleiter auch mit einem Nichtgesellschafter
dem Grunde nach abgeschlossen worden, da sie für die Klägerin
vorteilhaft war.
Für die Klägerin war der Abschluss dieser Vereinbarung
wirtschaftlich vorteilhaft, da sie nunmehr die Geschäftsführertätigkeit
durch
Y
gegen eine geringere Gegenleistung erhielt.
Y
standen
nur noch die laufenden Bezüge und ggf. eine Tantieme lt.
Zusage vom 14.10.2005 zu. Er hatte nun aber keinen Anspruch mehr
auf Verbesserung der Altersversorgung.
Die Möglichkeit, dass sich die Vereinbarung wegen der
Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos (vorzeitiger Tod des
Y
und
damit Wegfall des Versorgungsanspruchs oder Reduzierung auf die
Witwenrente) nachträglich als nachteilig erweisen könnte,
hätte den gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter
nicht vom Abschluss der Vereinbarung abgehalten. Gleiches gilt für
die Möglichkeit, dass
Y
vorzeitig aus den
Diensten der Klägerin ausscheiden und der Versorgungsanspruch
entfallen könnte. Für den Eintritt derartiger
Umstände gibt es keine gesteigerte Wahrscheinlichkeit.
3. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter
hätte die Rentenanwartschaft jedenfalls auch mit einer
Zahlung in dieser Höhe abgefunden.
Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter
würde eine Forderung gegenüber der Gesellschaft
nur mit dem Betrag begleichen, der ihrem Teilwert entspricht.
a) Der Teilwert entspricht den Wiederbeschaffungskosten, den
der Versorgungsberechtigte zu dem Zeitpunkt der Abfindung hätte
aufwenden müssen, um eine gleich hohe Pensionsanwartschaft
gegen einen vergleichbaren Schuldner zu erwerben (Barwert).
Nach der Entscheidung des Großen Senates des BFH (Beschluss
vom 09.06.1997 GrS
1/94, BStBl II 1998, 307) werden die Abtretung
einer Forderung des Gesellschafters und der Erlass oder der Verzicht
des Gesellschafters auf eine solche Forderung gleich behandelt.
Der Wert des Vermögenszugangs ist in diesen Fällen
mit dem Betrag zu bemessen, den der Betriebsinhaber für den
Erwerb der Forderung oder die Herbeiführung des Verzichts
hätte aufwenden müssen. Er entspricht dem noch
werthaltigen Teil der Forderung. Der Nennwert der Forderung oder
der bei der Gesellschaft passivierte Betrag ist dagegen nicht entscheidend.
Dies rührt daher, weil die nach § 6a Einkommensteuergesetz
(EStG) gebildete Rückstellung neben versicherungsmathematischen
Faktoren wie Lebenserwartung, Zahlungsbeginn und Abzinsungen auch
die Teilbeträge, die die noch zu erdienende Anwartschaft betreffen,
den sog. „Future Service”, berücksichtigt.
Der Teilwert der Pensionsanwartschaft bei vereinbarter Beendigung
der Pensionszusage kann sich aber nur auf den bereits erdienten
Anspruch beziehen; er ergibt sich daher aus dem Rückstellungsbetrag
abzüglich des Future Service. Es kommt nur darauf an, welchen
Betrag der Berechtigte zum Zeitpunkt des Verzichtes hätte
aufwenden müssen, um eine gleich hohe Pensionsanwartschaft
gegen einen vergleichbaren Schuldner zu erwerben.
Diesen Wertansatz schreibt auch § 3 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG
(Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung) vor,
wenn eine unverfallbare Anwartschaft aus einer betrieblichen Altersversorgung
bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzufinden ist.
Danach soll der ausscheidende Anwartschaftsberechtigte den wahren
Wert seiner Anwartschaft erhalten. Auf die Belastung des Versorgungsträgers
kommt es dagegen nicht an (Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung
der betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, 3. Auflage, § 3
Rz 93). Anzusetzen ist der Barwert der künftigen Versorgungsleistungen
im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also
der Wiederbeschaffungswert dieser Anwartschaft bei Ausscheiden aus
dem Betrieb.
Im Gegensatz zu dieser Art der Wertermittlung bei Ausscheiden
aus dem Betrieb würde ein Arbeitnehmer im Falle einer Abfindung
bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis nicht nur einen Ausgleich
der erdienten Anwartschaft fordern, sondern eine Gegenleistung dafür
beanspruchen, dass er auf die Möglichkeit verzichtet, rein
dienstzeitabhängig bei Verbleib im Unternehmen weitere
Anwartschaften, den Future Service, erdienen zu können
(Wellisch, Ablösung von Pensionszusagen, BB 2008, 2562).
b) Der Barwert der Pensionsanwartschaft zum 31.07.2006 beträgt
171.268 €.
In der Praxis hat sich zur Ermittlung des Barwertes die sog.
m-n-tel-Methode bewährt. Zur Bestimmung des anteiligen
Anspruchs aus einer unverfallbaren Anwartschaft im Versorgungsfall
bei einem schon vorher ausgeschiedenen Arbeitnehmer wird nach § 2
Abs. 1 BetrAVG verfahren. Dabei wird die ohne Ausscheiden zustehende
Leistung im Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit
zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum
Erreichen der Altersgrenze zugesprochen (sog. m-n-tel-Methode).
Der so berechnete Anteil soll auf den Past Service, den schon erdienten
Anteil der Anwartschaft, entfallen. Dieser Anteil wird ebenfalls zur
Grundlage für die Bestimmung des Übertragungswertes
einer Pensionszusage auf einen neuen Arbeitgeber bei einem Arbeitgeberwechsel
gemacht. Für die Finanzverwaltung sind solche Berechnungen
insbesondere im Hinblick auf den steuerlich begünstigten
Ausgleichsbetrag nach § 3 Nr. 66 EStG erforderlich, den
ein Unternehmen zu leisten hat, wenn die Anwartschaft aus dem Past
Service auf einen Pensionsfonds übertragen wird. In all
diesen Fällen ist - jedenfalls unter anderem - die m-n-tel-Methode
anwendbar (vgl. Wellisch, a.a.O.).
Die Finanzverwaltung wendet diese Methode der Teilwertermittlung
neuerdings ausdrücklich für den Verzicht eines
Gesellschafter-Geschäftsführers auf seine Pensionsanwartschaft
an (BMF-Schreiben vom 14.08.2012, IV
C 2-S 2743/10/10001, BStBl I 2012, 874).
Danach ist der Teilwert der Pensionsanwartschaft im Zweifel nach
den Wiederbeschaffungskosten gegenüber einem vergleichbaren
Schuldner zu bestimmen. Dabei kann die Bonität des Forderungsschuldners
berücksichtigt werden. Außerdem kann von Bedeutung
sein, ob die Pension unverfallbar ist oder ob sie voraussetzt, dass
der Berechtigte bis zum Pensionsfall für den Verpflichteten
nichtselbständig tätig ist (mit Verweis auf das
BFH-Urteil vom 15.10.1997 I R 58/93, BStBl II 1998,
305).
Der Fachprüfer für versicherungsmathematische
Fragen hat hierzu verschiedene Berechnungen vorgelegt und erläutert.
Abhängig von dem zugrunde gelegten Zinsfuß ergeben
sich danach folgende Barwerte zum 31.07.2006 nach den Richttafeln
2005:
| Barwert der Anwartschaft | Zinsfuß 4 % € | Zinsfuß 5 % € | Zinsfuß 5 % € |
| zum 31.12.2005 | 352.860 | 285.175 | 232.638 |
| zum 31.12.2006 | 365.154 | 297.559 | 244.695 |
| interpoliert zum 31.07.2006 | 360.032 | 292.399 | 239.671 |
Verlässlichkeit festgestellt werden kann, welchen Zinsfuß Versicherungsgesellschaften
zugrunde gelegt hätten, wenn
Y
sich zum 31.07.2006
ein Angebot für eine Altersversorgung hätte machen lassen,
gehen die Beteiligten einvernehmlich davon aus, dass der Barwert zum
31.07.2006 171.268 € betragen hat. Nach Darstellung des
Fachprüfers dürfte für ein Angebot in
2006 von einem niedrigeren marktüblichen Zinsfuß als
4% auszugehen sein. Danach hätte
Y
wohl
einen höheren Betrag als 360.000 € einer Versicherungsgesellschaft überlassen
müssen, um eine entsprechende Absicherung für
den Leistungsfall, wie er sie von der Klägerin erhalten
hatte, zugesagt zu bekommen. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter
wäre daher auf jeden Fall bereit gewesen, mit einer Zahlung in
dieser Höhe die Versorgungsanwartschaft abzufinden. Dabei
bleibt sogar unberücksichtigt, dass ein fremder Arbeitnehmer
zusätzlich einen Ausgleich für den Future Service
gefordert hätte, da das Arbeitsverhältnis fortgesetzt wurde
und er somit, alleine durch seine weitere Betriebszugehörigkeit,
seine Versorgung kontinuierlich erhöht hätte.
4. Eine vGA liegt auch nicht aus anderen Gründen
vor.
a) Die Abfindungszahlung erfolgte aufgrund einer steuerlich
anzuerkennenden Vereinbarung.
Eine vGA bezüglich eines beherrschenden Gesellschafters
ist bereits anzunehmen, wenn eine Kapitalgesellschaft eine Leistung
an ihn oder eine ihm nahestehende Person erbringt, für
die es an einer klaren und eindeutigen, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich
wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung
fehlt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22.12.2008 I B 161/08, BFH/NV
2009, 969 m.w.N.).
Die Abfindungszahlung hat ihren rechtlichen Grund im Nachtrag
vom 31.07.2006 zum Geschäftsführervertrag zwischen
der Klägerin und
Y
. Die dort getroffenen Regelungen
sind klar und unmissverständlich formuliert, wurden vor
der Auszahlung im August 2006 getroffen und auch tatsächlich wie
vereinbart durchgeführt.
Eine vGA ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil die Möglichkeit
oder die Verpflichtung zur Abfindung nicht bereits in der Pensionszusage
vom April 1990 enthalten war. Im Gegenteil: Wäre dies der
Fall gewesen, so läge jedenfalls dann ein für
die steuerliche Anerkennung schädlicher Vorbehalt vor,
wenn die Abfindung sich nach der Höhe der Pensionsrückstellung
nach § 6a EStG beim Versorgungsverpflichteten und nicht
nach dem Barwert der Versorgungsanwartschaft des Berechtigten richten
würde (BFH-Urteil vom 10.11.1998 I R 49/97, BStBl II 2005,
261). Eine jederzeitige Abfindung in der Pensionszusage
spräche zudem für eine mangelnde Ernstlichkeit
der beabsichtigten Versorgung. Im Streitfall trafen die Beteiligten
jedoch eine neue Vereinbarung, da beidseitig ein Interesse an der
Abfindung entstanden war.
b) Die Grundsätze zur Abfindung einer verfallbaren
Pensionsanwartschaft stehen nicht entgegen.
aa) Nach der Rechtsprechung
des BFH ist ein verfallbarer Pensionsanspruch bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses regelmäßig mit 0 € zu bewerten
(vgl. BFH-Urteil vom 08.06.2011 I R 62/10, BFH/NV
2011, 2117). Dies rührt daher, weil bei Aufhebung
des Arbeitsvertrages die übliche Bedingung für
die Fälligkeit des Versorgungsversprechens, die Beschäftigung
im Dienste der Versorgungsverpflichteten bis zur Erreichen der Altersgrenze,
nicht mehr eintreten kann. Der Versorgungsanspruch entfällt;
er ist auch nicht zeitanteilig bezogen auf die bisherige Tätigkeitszeit entstanden.
Dies rechtfertigt die Annahme, dass ein fremder Dritter diese Rechtsposition
nicht entgeltlich erwerben würde. Diese Beurteilung schlägt
auf den Teilwert der Versorgungsanwartschaft aus Sicht des Berechtigten
durch.
bb) Im Streitfall ist die Versorgungszusage als eine verfallbare
ausgestaltet.
Nach § 7 Nr. 1 Satz 1 des Geschäftsführervertrages
vom April 1990 setzt der Bezug des Ruhegehalts die dauernde Arbeitsunfähigkeit
oder die Beendigung des Geschäftsführervertrages
mit oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres voraus. Würde
Y
jedoch
vorher seine Geschäftsführertätigkeit
beenden, so stünde ihm keinerlei Versorgungsanspruch, auch kein
anteiliger, zu. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin,
dass mit diesem Verständnis Satz 2 des § 7 Nr.
1 des Vertrages, wonach der Anspruch auf Ruhegehalt bei Kündigung
seitens der Klägerin aus wichtigem Grund entfallen würde,
keinen Sinn machen würde. Dennoch kann
Y
aus
dem Vertrag keinen Anspruch aus einer unverfallbaren Anwartschaft
geltend machen, denn aus der Sinnlosigkeit eines Folgesatzes kann
nicht geschlossen werden, dass ein vorhergehender Satz, entgegen
seinem Wortlaut und entgegen dem erkennbaren Willen der Beteiligten
auszulegen ist. Die Unverfallbarkeit kann auch nicht aus § 1
Abs. 1 BetrAVG a.F. abgeleitet werden, da diese Norm nicht für
Gesellschafter-Geschäftsführer unmittelbar anwendbar
ist (BFH-Urteil vom 14.03.2006 I R 38/05, BFH/NV
2006, 1515).
cc) Trotz der Verfallbarkeit der Pensionszusage im Vertrag vom
April 1990 ist der Teilwert der Anwartschaft nicht mit 0 €,
sondern mit dem Barwert von 171.268 € anzusetzen. Im Gegensatz
zu den ergangenen Entscheidungen über verfallbare Pensionsansprüche
ist der Streitfall von der Besonderheit gekennzeichnet, dass der
Geschäftsführervertrag nicht beendet wurde.
Y
hätten
daher mit Erreichen der Altersgrenze als aktiver Geschäftsführer
Ruhegehaltsansprüche zugestanden. Auch wenn die Beteiligten übereingekommen
wären, dass
Y
künftig keine Altersversorgungsansprüche
mehr erwerben sollte, so wären die bis zu dieser Vertragsänderung
erdienten Anwartschaften mit Erreichen des Versorgungsfalls zum
Vollrecht erstarkt. Sowohl ein Erwerber des Betriebes als auch die
Klägerin und
Y
mussten daher im Juli 2006
dieser Verpflichtung bzw. Forderung den Wert beimessen, der durch
den künftigen Bedingungseintritt wahrscheinlich realisiert
würde.
c) Die Abfindungszahlung verstößt nicht gegen
das Nachzahlungsverbot.
aa) Bei Zusage sofort unverfallbarer,
aber zeitanteilig bemessener Rentenansprüche an beherrschende
Gesellschafter-Geschäftsführer darf die Anwartschaft
sich wegen des für diesen Personenkreis geltenden Nachzahlungsverbots
nur auf den Zeitraum zwischen Erteilung der Versorgungszusage und
der gesamten tatsächlich erreichbaren Dienstzeit erstrecken,
nicht aber auf die Zeit seit Diensteintritts (BFH-Urteil vom 20.08.2003 I R 99/02, BFH/NV
2004, 373).
bb) Das Finanzamt geht zutreffend davon aus, dass mit der Abfindungsvereinbarung
vom 31.07.2006 ein neuer Schuldgrund geschaffen wurde, der Grundlage
für die Auszahlung im August 2006 war. Das Gericht folgt jedoch
nicht der Schlussfolgerung, dass damit auch eine Nachzahlung für vergangene
Zeiträume gewährt worden sei. Wie der Fachprüfer
nachvollziehbar dargestellt hat, hatte
Y
eine Rentenanwartschaft
im Juli 2006 erdient, die - je nach Zinsfuß - einen Teilwert
von jedenfalls mehr als 240.000 € erreicht hatte. Die Veräußerung
dieser Anwartschaft stellt keine Nachzahlung dar, da
Y
bereits
einen entsprechenden Vermögensgegenstand für seine
Versorgung innehatte. Zwar war seine Anwartschaft noch nicht in
einen Anspruch erwachsen, da noch weitere Bedingungen eintreten
mussten, jedoch waren diese absehbar und flossen durch die versicherungsmathematischen
Faktoren in die Bewertung des Teilwertes ein.
Y
hat
durch die Abfindung keine zusätzliche Vergütung
für einen vergangenen Zeitraum erhalten, die ihm nicht
bereits aufgrund der Versorgungszusage vom April 1990 zugestanden
hätte.
d) Die Entscheidung des erkennenden Senates steht im Einklang
mit der BFH-Rechtsprechung, der neueren Ansicht der Finanzverwaltung
und den Literaturmeinungen zum Verzicht auf Pensionsanwartschaften.
aa) Der Große
Senat des BFH hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 09.06.1997
(GrS 1/94,
a.a.O.) herausgearbeitet, dass der Verzicht des Gesellschafters
auf seinen Vergütungsanspruch zum Zufluss des werthaltigen
Teils der Forderung führt, wenn der Gesellschafter den
Erlass gewährt, um dadurch eine Einlage zugunsten seiner
Beteiligung zu bewirken. Die Einlage wird als Tausch gegen Gesellschafterrechte
oder jedenfalls als eine Stärkung der Gesellschafterrechte
im Hinblick auf eine Vermehrung der künftigen Ausschüttungsmöglichkeiten
beurteilt. Im Gegensatz zu einem Verzicht, der mit einer tatsächlichen
Vermögenseinbuße einhergeht und deshalb nicht
als Zufluss gewertet werden kann, stellt die Einlage in die Gesellschaft
eine reine Vermögensumschichtung dar. Wie bei einer freiwilligen
und einvernehmlichen Novation wird der Anspruch in Betriebskapital
umgewandelt.
Der BFH hat mit seinem Urteil vom 15.10.1997 (I R 58/93,
a.a.O.) diese Grundsätze fortentwickelt und für
die Bewertung der Einlage die Wiederbeschaffungskosten für
eine gleichwertige Anwartschaft ausgemacht. Damit hat er die Grundlage
geschaffen für die Unterscheidung des bereits erdienten
Anteils, dem Past Service und dem in der Bewertung der Pensionsrückstellung
ebenfalls enthaltenen, aber unbeachtlichen Future Service. Der Bundesminister
der Finanzen hat diese Differenzierung 15 Jahre später
aufgegriffen und bei einem vollständigen Verzicht eine
verdeckte Einlage insoweit angenommen, als auf den bereits erdienten
Past Service verzichtet wird. Auf den Future Service kann jedoch
ohne steuerliche Korrekturrechnungen auf Seiten des Verpflichteten
oder des Berechtigten verzichtet werden (vgl. Killat, Verzicht auf
den future service, DStZ
2012, 642).
bb) Im Streitfall hat
Y
nur auf den Future Service
verzichtet. Den bereits erdienten Past Service hat er gegen eine
Vergütung in Höhe seines tatsächlichen
Barwertes veräußert. Für eine Vermögensverschiebung
seines Anspruchs in das Betriebskapital der Klägerin verbleibt
kein Raum. Er hat nicht auf einen Anspruch verzichtet, um künftig
höhere Gewinnausschüttungen zu erhalten, sondern
hat den Vermögenswert bereits jetzt realisiert. Das Ausschüttungspotential
hat sich dadurch nicht erhöht. Folgerichtig ist der Zufluss
bei ihm als Arbeitslohn zu besteuern. Der Veräußerungsvorgang
kann in dieser Fallgestaltung auch nicht in zwei Einzelakte aufgespaltet
werden, wonach in einem ersten Schritt ein Verzicht auf den Pensionsanspruch
und nach den Grundsätzen des Großen Senates ein
Zufluss zum Teilwert angenommen würde und in einem weiteren
Schritt die Auszahlung des Geldbetrages an
Y
, nun ohne
Rechtsgrund, erneut zu einem Zufluss in dieser Höhe und
zu Einkünften bei
Y
führen würde.
Eine Aufspaltung würde zu einer nicht sachgerechten Doppelbesteuerung
führen, obwohl nur das Vermögen des Gesellschafters und
nicht das der Gesellschaft vermehrt wurde.
5. Die Körperschaftsteuer 2006 ist
wie folgt festzusetzen:
Die Revision wird zugelassen, da über die Frage, ob
in einer Abfindung in Höhe des Barwertes einer Pensionsanwartschaft
eine vGA zu erblicken ist, bisher - soweit ersichtlich - noch nicht
höchstrichterlich entschieden wurde.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen, da er in
der Sache unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 FGO).