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  • 13.12.2012

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 01.06.2012 – 1 K 2816/10 U

    - Die Umsätze aus der Überlassung von Zimmern an Prostituierte zur Ausübung der Prostitution unterfallen nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG für Beherbergungsleistungen.


    - Eine Aufteilung der an die Prostituierten erbrachten Leistung in eine dem Regelsteuersatz und eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Leistung ist nicht möglich, da mit der Zimmervermietung eine wirtschaftlich einheitliche Leistung an die Prostituierten erbracht wird, mit der diesen die Ausübung ihres Gewerbes und damit gleichzeitig der laufende Betrieb eines Bordells ermöglicht werden soll.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob die von der Klägerin erzielten Umsätze aus der Überlassung von Zimmern zur Ausübung der Prostitution dem ermäßigten Umsatzsteuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG unterfallen.

    Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie wurde mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 23.11.2007 gegründet (Stammkapital 25.000 EUR). Die Gesellschafter wurden zugleich als Geschäftsführer bestellt. Gegenstand des Unternehmens war ausweislich der Eintragungen im Handelsregister zunächst nur die Konzeptionierung und der Betrieb von Gaststätten, Unterhaltungs- und Freizeiteinrichtungen aller Art sowie von Catering-Leistungen. In der Gesellschafterversammlung vom 07.04.2008 wurde die Erweiterung des Unternehmensgegenstandes u.a. auf gewerbliche Zimmervermietung beschlossen.

    Die Klägerin eröffnete am 01.12.2007 in gemieteten Räumen (Raumkosten laut G+V 2008: 142.468 EUR) ein Eros-Center. Auf der Homepage sind Bilder von sieben als „Erotikzimmer” bezeichneten Räumen hinterlegt mit dem Hinweis, dass noch sechs weitere exklusive Erotikzimmer vorhanden seien. Die abgebildeten Zimmer sind mit einem Doppelbett, Waschbecken, WC, Bidet, Whirlpool und Spiegeln ausgestattet. Außerdem verfügt das Eros-Center noch über eine Kontakt-Lounge mit Bar und verschiedenen Sofas. Auf Wunsch organisiert die Klägerin auch Veranstaltungen mit „erotischen Highlights”, Junggesellenabschiede, Betriebs- und Weihnachtsfeiern. Als „VIP-Service” wird ein Limousinenservice mit Chauffeur und weiblicher Begleitung angeboten. Das Eros-Center ist eines von sieben in der Gegend angebotenen Bordellbetrieben.

    Die Klägerin vermietet die Zimmer in dem Gebäude tage- und wochenweise an Prostituierte. Der übliche Tagespreis beläuft sich – je nach Art und Ausstattung des Zimmers – auf 110,00 EUR bis 170,00 EUR und beinhaltet Vollpension mit Heißgetränken und eine Flasche eines alkoholfreien Getränks pro Tag. Die Klägerin stellt auch Bettwäsche, Handtücher etc. zur Verfügung. Die Flure zu den Zimmern werden videoüberwacht. Zudem nimmt die Klägerin als Bordellbetreiberin am sogenannten Düsseldorfer Verfahren teil, in dem sie pro Prostituierte pro Anwesenheitstag einen bestimmten Tagessatz einbehält und diesen monatsweise als besonderen Vorauszahlungsbetrag auf die Einkommen- und Umsatzsteuer der Prostituierten an das Finanzamt abführt.

    In den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2007 und 2008, die der Beklagte erklärungsgemäß verarbeitete, gab die Klägerin nur Umsätze zum Regelsteuersatz an. In den Umsatzsteuervoranmeldungen Januar und Februar 2010 meldete die Klägerin erstmalig Umsätze zu 7% (Jan. 91.577 EUR; Febr. 84.459 EUR) beim Finanzamt an.

    Daraufhin ordnete der Beklagte nach § 193 Abs. 1 AO am 17.05.2010 zur Überprüfung der erklärten Umsätze mit ermäßigtem Steuersatz eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin für die Voranmeldungszeiträume Januar bis März 2010 an. Die Prüferin vertrat die Auffassung, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht gerechtfertigt sei, die Leistungen der Klägerin vielmehr dem umsatzsteuerlichen Regelsteuersatz unterliegen. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG setze neben der Kurzfristigkeit voraus, dass die Umsätze unmittelbar der Beherbergung dienten. Sonstige Leistungen eigener Art, wie sie von der Klägerin erbracht würden, bei denen die Beherbergung nicht charakterbestimmend sei, unterlägen auch hinsichtlich ihres Beherbergungsanteils nicht der Steuerermäßigung (Hinweis auf BMF, Schreiben vom 05.03.2010 IV D 2 – S 7210/07/1003). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Bericht zur Umsatzsteuersonderprüfung vom 02.06.2010 Bezug genommen.

    Auf Grund der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 14.06.2010 entsprechend geänderte Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für die Monate Januar bis März 2010 und erhöhte die dem vollen Steuersatz unterliegenden Umsätze für Januar 2010 um 91.577 EUR, für Februar 2010 um 84.459 EUR und für März 2010 um 93.633 EUR.

    Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie trug vor: Die Umsatzsteuersonderprüfung ignoriere schlicht die ab 01.01.2010 bestehende Gesetzeslage. Gegenstand des Unternehmens sei die gewerbliche Zurverfügungstellung von Übernachtungsmöglichkeiten, welche dem ermäßigten Steuersatz unterliege. Da nicht ausschließlich an Prostituierte vermietet werde, könne eine Unterscheidung zu einem Hotelbetrieb nicht vorgenommen werden. Ebenso verhalte es sich mit dem zu einem Hotelbetrieb erforderlichen Serviceleistungen. Die Klägerin sei nicht an den von den evtl. Prostituierten erzielten Umsätzen beteiligt. Das BMF-Schreiben vom 05.03.2010 sei nur für die Finanzverwaltung bindend.

    Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 20.07.2010 als unbegründet zurück. Er führte aus: Wegen der Lage des Grundstücks, des Internetauftritts sowie der tatsächlichen Nutzung sei davon auszugehen, dass die Klägerin die Zimmer ausschließlich an Prostituierte vermiete. Diese Leistung sei dem vollen Steuersatz zu unterwerfen, da es sich insoweit nicht um eine Beherbergungsleistung, sondern um eine Leistung eigener Art handle. Die Beherbergung sei für diese Leistung nicht charakterbestimmend (vgl. BMF-Erlass vom 05.03.2010 Tz. 4).

    Hiergegen hat die Klägerin am 10.08.2010 Klage erhoben.

    Der erkennenden Senat hat mit Beschluss vom 22.12.2010 (1 V 2817/10 A (U)) den Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide Januar bis September 2010 abgelehnt. Auf den weiteren Inhalt des Beschlusses wird verwiesen.

    Am 30.11.2011 hat der Beklagte für 2010 einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid erlassen und die Umsatzsteuer auf 143.355,32 EUR festgesetzt.

    Mit ihrer Klage vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, dass die von ihr erzielten Umsätze aus der Überlassung der Zimmer an die Prostituierten dem ermäßigten Umsatzsteuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG unterfielen. Auch in Pensionen, Hotels etc. könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass dort Prostituierte gegebenenfalls ihrem Gewerbe nachgingen. In der Gesetzesnorm werde nicht ausgeführt, ob der Mieter der Schlafräume dort nur nächtigen dürfe oder auch dem Prostituiertengewerbe nachgehen oder irgendwelche Bürotätigkeiten oder sonstige Arbeiten verrichten könne; es werde ausschließlich darauf verwiesen, dass die Räume zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden dienten. Der von der Klägerin in Rechnung gestellte Gesamttagespreis entspreche letztendlich dem Normalpreis eines Einzelzimmers in jeder Stadt.

    Steuerfreie Leistungen erbringe die Klägerin nicht, weil sie auf eine mögliche Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 UStG verzichte.

    Soweit in dem Beschluss des erkennenden Senates vom 22.12.2010 (1 V 2817/10 A (U)) ausgeführt werde, dass zur Annahme einer begünstigten Beherbergungsleistung noch eine Vielzahl von weiteren Dienstleistungen (z. B. die Gestellung von Bettwäsche, Handtüchern und die regelmäßige Reinigung der Räume sowie der hotelübliche Service) hinzutreten müsse, so sei dem entgegen zu halten, dass Jugendherbergen und Hostels diese Leistungen in der Regel nicht anbieten würden und die Umsätze dieser Unternehmen trotzdem dem ermäßigten Steuersatz unterworfen würden.

    Soweit der Senat in dem Aussetzungsbeschluss die Auffassung vertrete, dass der Begriff „Beherbergung” vorrangig sei, werde dies durch den Gesetzeswortlaut nicht gestützt. Ob der Gast ein Hotelzimmer ausschließlich zur Nächtigung nutze oder z.B. ein Schriftsteller das Quartier zum Schreiben eines Buches, sei nicht ausschlaggebend für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Zudem erbringe die Klägerin gegenüber ihren Gästen auch Beherbergungsleistungen, denn ein Großteil der Prostituierten übernachte auch in den von der Klägerin vermieteten Zimmern.

    Es sei zwar zutreffend, dass die Zimmer der Klägerin teilweise über Wandspiegel am Kopfende der Betten und auch über Whirlpools verfügten. Die daraus resultierende Schlussfolgerung des Senates in dem Aussetzungsbeschluss, dass aus diesem Grunde die Zimmer zur Erbringung von sexuellen Dienstleistungen hergerichtet worden sei, entbehre jedoch jedweder Realität, da Zimmer in 5* Hotels häufig ähnlich ausgestattet seien.

    Die Klägerin beantragt

    den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 30.11.2011 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer auf 27.445,72 Euro herabgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung vom 20.07.2010 und schließt sich den Ausführungen in dem Beschluss vom 22.12.2010 (1 V 2817/10 A (U)) vollinhaltlich an.

    Gründe

    Die Klage ist nicht begründet.

    Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 30.11.2011, der gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

    Die Klägerin erbringt mit der entgeltlichen Überlassung von Räumlichkeiten an Prostituierte zur Ausübung der Prostitution eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Leistung, die gemäß § 12 Abs. 1 UStG dem Regelsteuersatz von 19% unterliegt.

    I. Auf die Umsätze der Klägerin ist der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG, der mit Wirkung zum 01.01.2010 durch Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom 22.12.2009 (BGBl I 2009, 3950) eingeführt wurde, nicht anwendbar.

    Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG unterliegt dem ermäßigten Steuersatz von 7% die „Vermietung von Wohn- und Schlafräumen”, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereit hält; dies gilt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind.

    Diese Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG sind vorliegend nicht erfüllt.

    1. Die Klägerin erbringt bereits keine „Vermietung von Wohn- und Schlafräumen”.

    „Wohn- und Schlafräume” sind Räumlichkeiten, die so eingerichtet sind, dass darin gewohnt und geschlafen werden kann; sie müssen der Aufnahme von Personen zur Gewährung von Unterkunft dienen (Nieskens in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist UStG § 12 Abs. 2 Nr. 11 Anm. 51).

    Zwar sind die von der Klägerin an die Prostituierten überlassenen Räumlichkeiten – wie auf den Bildern auf der Homepage ersichtlich – ähnlich wie ein Hotelzimmer ausgestattet und damit auch grundsätzlich zum kurzfristigen Wohnen und Schlafen geeignet.

    Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG („Vermietung von..”) müssen die Wohn- und Schlafräume aber für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes als solche vermietet werden. Liegt der Schwerpunkt der Leistung hingegen nicht in der Überlassung zu Wohn- oder Schlafmöglichkeiten, sondern steht bei der Raumüberlassung die Möglichkeit im Vordergrund, in den überlassenen Räumen sexuelle Leistungen gegen Entgelt zu erbringen und zu konsumieren, wie dies z.B. bei Räumlichkeiten in einem Bordellbetrieb der Fall ist, liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG nicht vor (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist UStG § 12 Abs. 2 Nr. 11 Anm. 53; Klenk in Sölch/Ringleb UStG § 12 Abs. 2 Nr. 11 Rz. 542).

    Im Streitfall werden die an die Prostituierten überlassenen Räume nicht als „Wohn- oder Schlafräume” im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG, sondern als Gewerberäume zur Ausübung der Prostitution vermietet. Denn das Gebäude liegt im Rotlichtviertel einer Stadt, in dem sich ausschließlich Bordellbetriebe, Eros-Center und sonstige, mit der entgeltlichen Erbringung sexueller Dienstleistungen unternehmerisch tätige Betriebe befinden.

    Insoweit werden die exklusiven „Erotikzimmer” der Klägerin von den Prostituierten nicht für Wohn- und Schlafzwecke, sondern für gewerbliche Zwecke zur Erbringung sexueller Dienstleistungen genutzt. Die die Zimmer anmietenden Prostituierten wollen in den Zimmern nicht für kurze Zeit wohnen und schlafen, sondern dort lediglich ihr Gewerbe ausüben. Dies gilt auch dann, wenn einige der Prostituierten – nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin – in den Zimmern gelegentlich übernachten sollten.

    Dass die exklusiven „Erotikzimmer” der Klägerin auch von anderen Personen als von Prostituierten allein zu Wohn- oder Übernachtungszwecken angemietet werden, wurde von der Klägerin nicht vorgetragen und erscheint dem Senat nach den Gesamtumständen des vorliegenden Falles auch ausgeschlossen.

    Soweit die Klägerin vorträgt, dass Hotelzimmer auch nicht nur zum Wohnen und Schlafen genutzt werden können, führt dies zu keinem anderen Ergebnis in der Sache. Denn im Unterschied zu den von der Klägerin vermieteten Räumlichkeiten werden Hotelzimmer etc. aber als Wohn- und Schlafräume und nicht als Gewerberäume überlassen.

    Darüber hinaus zahlen die Prostituierten ihre „Tagesmiete” auch nicht für den Empfang einer Beherbergungsleistung. Denn die Klägerin überlässt nicht lediglich die Zimmer an die Prostituierten und verpflegt diese, sondern stellt die vollständige, zur Ausübung der Prostitution erforderliche Infrastruktur zur Verfügung, welches ebenfalls mit den von den Prostituierten zu entrichtenden Tagessätzen abgegolten wird. Sämtliche Flure des Laufhauses werden video-überwacht, um die Sicherheit der Prostituierten zu gewährleisten. Zudem organsiert die Klägerin sogenannte Veranstaltungen mit erotischen Highlights und bietet einen Limousinenservice mit Chauffeur und weiblicher Begleitung an.

    2. Der Ausschluss der Steuerbegünstigung auf Umsätze, die mit der entgeltlichen Überlassung von Räumlichkeiten an Prostituierte zur Ausübung der Prostitution erzielt werden, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Steuerbegünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG, der als Ausnahmeregelung zu § 12 Abs. 1 UStG eng auszulegen ist.

    Nach der Gesetzesbegründung umfasst die Ermäßigung sowohl die Umsätze des klassischen Hotelgewerbes als auch kurzfristige Beherbergungen in Pensionen, Fremdenzimmern und vergleichbaren Einrichtungen (Gesetzesentwurf zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 09.11.2005, BT-Drucksache 17/15, unter Begründung A., S. 11). Erfasst werden sollen allein die reinen Beherbergungsleistungen, nicht jedoch Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen (Bericht des Finanzausschusses vom 03.12.2009, BT-Drucksache 17/147, unter B. zu Artikel 5, S. 9, 10). Beherbergen ist grundsätzlich nicht nur nach allgemeinem Sprachgebrauch das Bereitstellen einer Unterkunft oder Schlafstelle, und nicht die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution.

    3. Auch nach den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie –MwStSystRL) sind Umsätze, die mit der entgeltlichen Überlassung von Räumlichkeiten an Prostituierte zur Ausübung der Prostitution erzielt werden, nicht ermäßigt zu besteuern.

    Gemäß Titel VIII Kapitel 2 Abschnitt 2 Art. 98 Abs. 2 der MwStSystRL sind ermäßigte Steuersätze nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleitungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar. Gemäß der Kategorie 12 des Anhangs III kann ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz angewandt werden auf die Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften, und Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen. Die MwStSystRL legt den Schwerpunkt der Befreiung auf das Tatbestandsmerkmal der Beherbergung in Hotels oder einer einem Hotel ähnlichen Einrichtung. Auch eine einem Hotel ähnliche Einrichtung erfordert jedoch, dass der Schwerpunkt der erbrachten Leistung in der Beherbergung zu sehen ist. Wie bereits ausgeführt, ist dies bei den von der Klägerin erbrachten Leistungen nicht der Fall. Ein Bordellbetrieb ist keine einem Hotel ähnliche Einrichtung.

    II. Eine Aufteilung der von der Klägerin an die Prostituierten erbrachten Leistung in eine dem Regelsteuersatz und eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Leistung ist ebenfalls nicht möglich, selbst wenn die gemieteten Räumlichkeiten tatsächlich teilweise zur Übernachtung durch die Prostituierten und damit auch zur Beherbergung genutzt werden. Die teilweise Nutzung zur Beherbergung tritt hinter die Nutzung für gewerbliche Zwecke der Prostituierten zurück. Die Klägerin erbringt eine wirtschaftlich einheitliche Leistung an die Prostituierten, mit der sie diesen die Ausübung ihres Gewerbes und damit gleichzeitig den laufenden Betrieb eines Bordells ermöglicht.

    Für die Annahme einer einheitlichen Leistung ist im Wesentlichen maßgeblich, dass jede Dienstleistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist und andererseits eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung nicht künstlich aufgespalten werden darf. Nach dem Wesen des fraglichen Umsatzes ist zu ermitteln und festzustellen, ob eine einheitliche Leistung oder mehrere Leistungen vorliegen. Eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat (BFH, Beschluss vom 6. August 2010 V B 65/09,BFH/NV 2010, 2111; EuGH, Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96, CPP, Slg. 1999, I-973).

    Wesentliche Bestandteile der von der Klägerin erbrachten Leistung sind die Überlassung der Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution, Zurverfügungstellung der hierzu erforderlichen Infrastruktur wie die Kontaktlounge, Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen wie die Videoüberwachung der Flure, Organisation von Veranstaltungen mit „erotischen Highlights” sowie die Teilnahme an dem sogenannten Düsseldorfer Verfahren.

    III. Im Streitfall kann letztlich auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Leistungen der Klägerin um Vermietungsleistungen im Sinne von § 4 Nr. 12 a UStG oder um eine sonstige Leistung eigener Art im Sinne von § 3 Abs. 9 UStG handelt, wobei jedoch die Gesamtumstände des Streitfalles für letzteres sprechen.

    Bei der Vermietung von Räumlichkeiten an Prostituierte kann ein Vertrag eigener Art, und damit eine sonstige Leistung, vorliegen, wenn der Hausbesitzer durch Maßnahmen oder Einrichtungen eine Organisation schafft und unterhält, die die Ausübung der Prostitution durch die Mieterinnen fördert, und die Raumüberlassung regelmäßig nur für kurze Zeit und nicht zur Begründung von Wohnsitzen erfolgt (BFH, Urteil vom 10. August 1961 V 95/60 U, BFHE 73, 714, BStBl III 1961, 525; Beschluss vom 29. September 2010 XI S 23/10 (PKH), BFH/NV 2010, 2310). Eine Grundstücksvermietung kann hingegen vorliegen, wenn ein Hausbesitzer zwar Zimmer entgeltlich an Prostituierte überlässt, jedoch weder ein Bordell oder ein bordellartiger Betrieb noch eine vom Hausbesitzer geschaffene und unterhaltene Organisation zur Förderung der Prostitution durch die Mieterinnen feststellbar ist, und diese einen festen Wohnsitz in dem Haus haben (BFH, Urteil vom 10. August 1961 V 31/61 U, BFHE 73,717, BStBl III 1961, 526; Beschluss vom 29. September 2010 XI S 23/10 (PKH), BFH/NV 2010, 2310; FG Düsseldorf, Urteil vom 9. Oktober 1996 5 K 7121/92 U, EFG 1997, 506).

    Da die Klägerin ausdrücklich auf eine etwaige Steuerfreiheit ihrer Umsätze gemäß § 9 Abs. 1 UStG verzichtet hat, unterliegen die von ihr erbrachten Leistungen auch dann dem Regelsteuersatz von 19 %, wenn es sich um Vermietungsleistungen handeln sollte.

    IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    V. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

    VorschriftenUStG § 3 Abs. 9, UStG § 4 Nr. 12 a, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 11