27.07.2012
Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 25.01.2012 – 2 K 1039/10
1. Erbringt ein als selbstständiger Arbeitstherapeut tätiger Diplom-Betriebswirt, der nicht über eine heilberufliche Qualifikation verfügt, gegenüber einer Klinik unter fachärztlicher Aufsicht Leistungen im Rahmen eines – multiprofessionelles Personal einbindenden – psychiatrischen Rehabilitations- und Therapiekonzepts, sind die Leistungen als eng mit ärztlichen Heilbehandlungen verbundene Nebenleistung ebenfalls gem. § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 2005 a. F. bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG 2005 n. F. steuerfrei.
2. Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 2005 a. F. bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG 2005 n. F. setzt nicht voraus, dass die Nebenleistungen vom Leistenden der Hauptleistung erbracht werden müssen.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Vizepräsident des Finanzgerichts … als Vorsitzenden, den Richter am Finanzgericht … und die Richterin am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richterinnen … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2012
für Recht erkannt:
Unter Änderung der Bescheide über Umsatzsteuer für 2003 bis 2005, jeweils vom 13. Februar 2008, für 2006 vom 3. September 2008 sowie für 2007 vom 23. Januar 2009, alle in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2009, wird die Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2007 neu festgesetzt, ohne die gegenüber den – Kliniken erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2007, in denen der Beklagte die vom Kläger als umsatzsteuerfrei behandelten Umsätze der Umsatzsteuer unterworfen hat.
Der Kläger ist Diplom-Betriebswirt und ist als selbständiger Dozent und Arbeitstherapeut tätig. In den Streitjahren erbrachte er seine Leistungen unter anderem gegenüber der D GmbH – D –, dem Institut für E sowie gegenüber der F GmbH – C-Kliniken –, und zwar im G-zentrum ( G) in H. Der Kläger hatte die hieraus resultierenden Umsätze als steuerfrei behandelt.
Im Zeitraum Januar und Februar 2007 wurde beim Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 2003 bis 2005 durchgeführt (BP, Bl. 2). Aus dem Prüfungsbericht folgt, dass der Kläger vor Beginn der Prüfung im Rahmen einer Selbstanzeige umsatzsteuerfreie Honorarerlöse nacherklärte (BP, Bl. 12 – Rückseite –). Im Übrigen unterwarf der Prüfer die bislang als steuerfrei behandelten Umsatzerlöse überwiegend mit dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer (BP, Bl. 13).
Der Beklagte schloss sich diesen Feststellungen an und erließ am 13. Februar 2008 Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2005 (USt, Bl. 1., Bl. 4, Bl. 6). Hiergegen legte der Kläger am 14. März 2008 jeweils Einspruch ein (Rbh, Bl. 2).
Am 3. September 2008 erließ der Kläger den Umsatzsteuerbescheid für 2006, der auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhte (§ 162 Abs. 1 AO), weil der Kläger keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte (USt,Bl. 7). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 2. Oktober 2008 Einspruch ein (Rbh, Bl. 81).
Am 23. Januar 2009 erließ der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid für 2007 und verwies dabei auf das Ergebnis der Außenprüfung (USt, Bl. 23). Am 27. Januar 2009 legte der Kläger auch gegen diesen Steuerbescheid Einspruch ein (Rbh, Bl. 88).
Im Laufe des Einspruchsverfahrens bzw. durch die Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2009, mit der die Einsprüche überwiegend als unbegründet zurückgewiesen wurden, wurden die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für 2003, 2006 und 2007 zum Teil mehrfach geändert (vgl. Rbh, Bl. 3, Bl. 13, Bl. 133 ff., insbesondere Bl. 151), weil der Beklagte einen Teil der vom Kläger vorgelegten Nachweise für die Umsatzsteuerbefreiung der Umsätze als hinreichend betrachtete.
Am 15. Januar 2010 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die von ihm gegenüber den D GmbH erbrachten Leistungen seien nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG umsatzsteuerfrei. Denn es handele sich dabei um allgemeinbildende bzw. berufsbildende Einrichtungen, welche ihrerseits Schul- und Bildungszwecken dienende Leistungen erbrächten. Dies werde durch die vorgelegten Bescheinigungen nachgewiesen. Die Leistungen gegenüber der C-Kliniken seien gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG steuerfrei, da sie unter ärztlicher Aufsicht und im Rahmen von ärztlichen Heilbehandlungen stattgefunden hätten, die Gegenstand eines Therapiekonzepts gewesen seien.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung der Bescheide über Umsatzsteuer für 2003 bis 2005, jeweils vom 13. Februar 2008, für 2006 in der Fassung vom 3. September 2008 sowie für 2007 vom 23. Januar 2009, alle in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2009, die Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2007 neu festzusetzen, ohne die gegenüber den C-Kliniken erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen, soweit nicht der Beklagte mit Blick auf die gegenüber der D-GmbH erbrachten Leistungen eine Abhilfe angekündigt hat.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die gegenüber den C-Kliniken erbrachten Leistungen seien nicht von der Umsatzsteuer befreit, weil der Kläger als Betriebswirt nicht über die erforderliche heilberufliche Qualifikation verfüge. Er habe als Dozent und Lehrer im betriebswirtschaftlichen Bereich keine einem Heilberuf ähnliche Tätigkeit ausgeübt, mag die Tätigkeit auch im Rahmen einer Arbeitstherapie erfolgt sein. Es sei nicht ausreichend, dass der Kläger seine Tätigkeit unter ärztlicher Aufsicht ausgeübt habe. Ebenso wenig komme es darauf an, dass ein Sozialversicherungsträger die Kosten für die Therapie, in deren Rahmen der Kläger tätig geworden sei, übernommen habe. Außerdem könnten die Leistungen des Klägers nicht als Heilbehandlung betrachtet werden, da es nicht zu seinen Aufgaben als Lehrer oder Dozent gehöre, Krankheiten bei Menschen festzustellen, zu lindern oder zu heilen.
Hinsichtlich der Umsätze gegenüber der D GmbH hat der Beklagte im Hinblick vom Kläger nachgereichte Belege eine Abhilfe angekündigt (FG, Bl. 133).
Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 5. Januar 2012 hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung von Frau Dr. I, der ärztlichen Leiterin des Zentrums für psychiatrische Rehabilitation der C-Kliniken, sowie von Herrn J, dem als Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie die fachärztliche Leitung im G-Zentrum inH oblag (FG, Bl. 171). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, auf die Verfahrensakte 2 V 1471/10 und die beigezogenen Behördenakten (vier Bände) sowie auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide sind auch insoweit rechtswidrig, als die Umsätze des Klägers gegenüber den C-Kliniken der Umsatzsteuer unterworfen wurden, und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Die vom Kläger gegenüber den C-Kliniken erbrachten Leistungen sind gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG (in jeweils den in den Streitjahren geltenden Fassungen; siehe nunmehr § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) umsatzsteuerfrei.
Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG sind steuerfrei die Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die in § 4 Nr. 16 Satz 1 UStG bezeichneten Leistungen sind unter anderem auch dann steuerfrei, wenn sie von zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 SGB V erbracht werden (§ 4 Nr. 16 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG).
1.1 Die C-Kliniken, für die der Kläger tätig geworden ist, sind im Krankenhausplan des saarländischen Ministeriums für Gesundheit und Verbraucherschutz aufgeführt (vgl. dazu § 108 Nr. 2 SGB V). Es handelt sich demnach um ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus, das in den Streitjahren die Voraussetzungen des § 67 AO erfüllt hat.
Es steht außer Zweifel, dass die von den C-Kliniken im G-Zentrum in H durchgeführten Rehabilitationmaßnahmen Heilbehandlungen im Sinne von § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG (§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) darstellen.
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dienen der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden. Keine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin sind „ärztliche Leistungen”, „Maßnahmen” oder „medizinische Eingriffe”, die zu anderen Zwecken erfolgen (siehe zum Vorstehenden BFH vom 18. August 2011 V R 27/10, BFH/NV 2011, 2214). Letzteres liegt im Streitfall nicht vor.
1.2 Der Kläger hat Leistungen erbracht, welche eng mit ärztlichen Heilbehandlungen verbunden sind, da sie die therapeutische Zweckbestimmung der Hauptleistung teilten.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger keinen Heilberuf ausübt, und es steht außer Frage, dass die eigentliche Heilbehandlung durch die C-Kliniken gegenüber ihren Patienten erfolgt.
Allerdings sind – nur dies kommt in Bezug auf den Kläger in Betracht – als eng mit Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG verbundene Umsätze solche Leistungen anzusehen, die für diese Einrichtungen nach der Verkehrsauffassung typisch und unerlässlich sind, regelmäßig und allgemein beim laufenden Betrieb vorkommen und damit unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen (vgl. BFH vom 1. Dezember 1977 V R 37/75, BStBl 1978 II, 173). Die Umsätze dürfen nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sein, den Einrichtungen zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer stehen (vgl. EuGH vom 1. Dezember 2005 C-394/04 und C-395/04, EuGHE I 2005, 10373). Hierzu gehören insbesondere auch die Behandlung und die Versorgung ambulanter Patienten (vgl. nunmehr Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 2 UStAE).
Der Beklagte verweist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf, dass die Leistungen des Klägers der Unterrichtung und Ausbildung psychisch kranker oder behinderter Menschen dienen, um diesen eine soziale und berufliche Integration zu ermöglichen oder zu erleichtern. Er stellt darauf ab, dass das G-zentrum in H, wo der Kläger tätig war, eine Einrichtung zur medizinisch-beruflichen Rehabilitation psychisch kranker Erwachsener und Jugendlicher ist, nimmt insoweit aber unzutreffend – wie die Beweisaufnahme ergeben hat – eine Trennung zwischen den „eigentlichen” medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen einerseits und den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von berufsfördernden Leistungen andererseits vor (Rbh AdV, Bl. 40).
Die Beweisaufnahme hat hierzu ergeben, dass die Tätigkeit des Klägers als Leiter des Bereichs Arbeitstherapie im G-Zentrum in H in das Therapiekonzept der C-Kliniken eingebunden war und ihre Grundlage in dem therapeutischen Gesamtkonzept und -programm hatte. Dabei haben die Zeugen glaubhaft bekundet, dass jegliche im G-Zentrum durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme unter ärztlicher Leitung und Verantwortung steht. So gehören zu den Aufgaben der Zeugin Dr. I unter anderem die (Gesamt-) Leitung des interdisziplinären Rehabilitationsteams sowie die Verantwortung für Koordination und Abstimmung der Rehabilitationsplanung. Dem Zeuge J obliegt – wie bereits in den Streitjahren – die ärztliche Leitung und Verantwortung der konkreten Rehabilitationsmaßnahmen vor Ort. Dieser fachärztlichen Aufsicht unterstand auch der Kläger. Dies zeigt deutlich, dass der Kläger weder eigene Leistungen unmittelbar gegenüber den Rehabilitanden erbrachte noch solche, die von der Leistung der C-Kliniken zu trennen gewesen wären. Dies verkennt der Beklagte.
Die Arbeitstherapie, in deren Rahmen der Kläger tätig war, bildet ein Therapieelement, das im Zusammenwirken mit den anderen Elementen die Gesamttherapie bzw. Rehabilitationsmaßnahme für psychische kranke bzw. behinderte Jugendliche ausmacht. Dieses Konzept entspricht den von der Zeugin Dr. I vorgelegten RPK-Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation: Dort wird unter anderem die Arbeitstherapie bei den Behandlungselementen ausdrücklich als Leistung zur medizinischen Rehabilitation aufgeführt (RPK-Empfehlungen, S. 23). Kennzeichnend für dieses Konzept ist, dass die Einzelmaßnahmen nicht nur von Ärzten und Psychologen, sondern multiprofessionell durchgeführt werden.
Damit steht für den Senat fest, dass der Kläger in das – umsatzsteuerlich begünstigte – Therapieprogramm seines Auftraggebers eingebunden war und dementsprechend seine Leistungen unter ärztlicher Aufsicht und nach ärztlicher Planung (Rbh AdV, Bl. 86) dadurch erbrachte, dass er arbeitstherapeutische Maßnahmen gegenüber den Patienten des Auftraggebers vornahm. Es handelte sich mithin um Nebenleistungen, die keinen eigenen Zweck erfüllten, sondern Mittel zur Erreichung des von den C-Kliniken verfolgten Hauptzwecks waren. Die Leistungen des Klägers bildeten im Rahmen des Rehabilitationskonzepts der C-Kliniken einen essentiellen Bestandteil, so dass sie als „eng verbundene Leistungen” im Sinne von § 14 Nr. 16 Buchst. b UStG für die Erreichung des therapeutischen Ziels unentbehrlich waren. Eine isolierte Betrachtung der Leistungen des Klägers verbietet sich daher. Vielmehr dienen sie als Teil des Behandlungskonzepts einem therapeutischen Zweck im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (EuGH vom 18. November 2010 Rs. C-159/09, ABl EU 2011, Nr. C 13, 8 „Verigen Transplantation Service International”). Dass es sich nicht um eine ärztliche Leistung im eigentlichen Sinn handelt, ist ohne Bedeutung.
1.3 Nach Auffassung des Senats setzt die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG (§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG n.F.) nicht voraus, dass die Nebenleistungen vom Leistenden der Hauptleistung – hier die C-Kliniken – erbracht werden müssen (vgl. Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 14, Rz. 121 mit weiteren Nachweisen). Demnach steht allein der Umstand, dass der Kläger die entsprechenden Leistungen erbringt, einer Einordnung als steuerfrei nicht entgegen.
Denn nach der Rechtsprechung des BFH sind nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. unter weiteren Voraussetzungen nur die mit dem Betrieb der jeweils bezeichneten Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze befreit (BFH vom 22. Mai 2003 V R 94/01, BStBl II 2003, 954). Die Steuerbefreiung dieser Umsätze soll nicht den Träger der Einrichtung – zum Beispiel des Krankenhauses – begünstigen. Sie dient – ebenso wie die Befreiungsvorschriften in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Sechste USt-Richtlinie 77/388/EWG; vgl. hierzu EuGH vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 „Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH”, EuGHE 2002, I-6833 Rz. 29) – dem Zweck, die Kosten ärztlicher Heilbehandlung zu senken. Damit entlastet sie die Sozialversicherungsträger als Kostenträger für ihre Versicherten und typisierend die selbstzahlenden Privatpatienten (siehe zum Vorstehenden BFH vom 22. Mai 2003 V R 94/01, BStBl II 2003, 954; ebenso BFH vom 18. August 2011 V R 27/10, BFH/NV 2011, 2214). Daher sind sowohl die Leistungen der entsprechenden Einrichtung gegenüber den Patienten als auch die Leistungen der Fachkräfte gegenüber der Einrichtung steuerfrei, soweit sie über die erforderliche Ausbildung verfügen (vgl. insoweit BFH vom 25. November 2004 V R 44/02, BStBl II 2005, 190 in Bezug auf einen Dipl.-Sportlehrer, der in einer Rehabilitationseinrichtung tätig war).
Der Senat ist der Auffassung, dass auch die Ausbildung des Klägers als Dipl.-Betriebswirt als eine im vorgenannten Sinn hinreichende Ausbildung anzuerkennen ist. Denn offensichtlich wurde der Kläger gerade aufgrund seiner Ausbildung und Qualifikation im Rahmen des ärztlichen Gesamttherapieplans für die C-Kliniken tätig. Wenn den Kläger seine Ausbildung hinreichend für diese Tätigkeit qualifizierte, lässt sich eine Versagung der Umsatzsteuerbefreiung schwerlich begründen.
Mit seiner Auffassung sieht sich der Senat im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und des BFH.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Zwar hat sich der BFH seiner Entscheidung vom 25. November 2004 V R 44/02, BStBl II 2005, 190 bereits dazu geäußert, dass Leistungen auch dann nach § 4 Nr. 14 UStG (§ 4 Nr. 16 UStG) steuerfrei sein können, wenn eine Rehabilitationseinrichtung auf Grund eines Versorgungsvertrags gemäß § 11 Abs. 2, §§ 40, 111 SGB V mit Hilfe von Fachkräften Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erbringt. In diesem Fall sind regelmäßig sowohl die Leistungen der Rehabilitationseinrichtung als auch die Leistungen der Fachkräfte an die Rehabilitationseinrichtung steuerfrei, soweit sie die in dem Versorgungsvertrag benannte Qualifikation haben.
Soweit ersichtlich hatte der BFH allerdings noch keine Gelegenheit, über eine Konstellation wie die vorliegende zu entscheiden. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger zwar nicht über eine heilberufliche Qualifikation verfügt, gleichwohl aber Leistungen mit therapeutischem Zweck im Rahmen eines psychiatrischen Rehabilitations- und Therapiekonzepts erbringt. Bedeutung hat die Rechtsfrage, ob auch diese Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG (§ 4 Nr. 16 UStG) steuerfrei sind, für alle ärztlichen Maßnahmen insbesondere im psychiatrischen Bereich, die durch multiprofessionelles Personal durchgeführt werden.