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  • 08.05.2012

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 22.03.2012 – 11 K 3143/08

    Erledigung tritt ein, wenn ein Versicherungsteuerbescheid aufgehoben und ein neuer Versicherungsteuerbescheid erlassen wird, der zwar denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, aber sich auf einen ganz anderen Zeitraum bezieht.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 11. Senat in der Besetzung: Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtliche Richterin … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 22.03.2012 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen. Nachdem die A AG (nachfolgend: A AG) auf sie verschmolzen wurde, ist sie deren Rechtsnachfolgerin.

    Für das Versicherungsgeschäft der A AG führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung B laut Anordnung vom 18.12.2001 eine Betriebsprüfung für Versicherungsteuer und Feuerschutzsteuer u.a. betreffend den Zeitraum 1997 bis August 1999 durch. Nach dem Betriebsprüfungsbericht vom 13.06.2006 hatte die A AG für diesen Zeitraum im Zusammenhang mit nichteingelösten Schecks zu Unrecht eine Erstattung von Versicherungsteuer in Höhe von 16.221,52 EUR angenommen. Hierzu wandte die A AG § 9 Abs. 1 VersStG an, wonach Versicherungsteuer erstattet wird, sofern das Versicherungsentgelt ganz oder zum Teil zurückgezahlt wird, weil die Versicherung vorzeitig aufhört oder das Versicherungsentgelt oder die Versicherungssumme herabgesetzt worden ist. Nach Auffassung der Betriebsprüfung gelangte diese Regelung indes nicht zur Anwendung. Zwar hätte in denen der Reduzierung zu Grunde liegenden Fällen das Versicherungsentgelt per Scheck zurück gezahlt werden sollen, allerdings seien die Schecks von den Versicherungsnehmern nicht eingelöst würden. In diesen Fällen erfolge tatsächlich keine Rückzahlung von Versicherungsentgelt, weshalb keine Erstattung der Versicherungsteuer nach § 9 Abs. 1 VersStG vorgenommen werden könne. Daher sei die Versicherungsteuer für den Zeitraum 1997 bis August 1999 in Höhe von insgesamt 16.221,52 EUR zu erhöhen.

    Auf der Grundlage dieses Berichts erhöhte das damals zuständige Finanzamt B mit Versicherungsteuerbescheid vom 27.06.2006 für den den Betriebsprüfungszeitraum abschließenden Monat August 1999 gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der A AG die Versicherungsteuer (u.a.) i. H. v. 16.221,52 EUR.

    Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt B mit Einspruchsentscheidung vom 15.08.2008 als unbegründet zurück.

    Mit der gegen die Einspruchsentscheidung erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ursprünglich ihr Begehren weiter.

    Nachdem das auf Beklagtenseite zwischenzeitlich zuständig gewordene Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) den Versicherungsteuerbescheid August 1999 vom 27.06.2006 durch Bescheid vom 20.01.2012 aufgehoben und den streitigen Betrag durch Änderung des Versicherungsteuerbescheids Juni 2006 am 20.01.2012 festgesetzt hat, betrachtet die Klägerin das vorliegende Verfahren als erledigt.

    Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Änderungsbescheid über die Versicherungsteuer Juni 2006 vom 20.01.2012 nicht Gegenstand des Verfahrens gem. § 68 FGO geworden.

    Tatbestandsvoraussetzung für § 68 FGO sei, dass der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt werde. Weder der Begriff eines solchen „Ersetzens” noch der des „Änderns” werde im Gesetz definiert. Aus dem Zusammenhang, der rechtshistorischen Entwicklung der Norm und der dazu ergangenen Rechtsprechung sei allerdings zu entnehmen, dass die Regelung dem Grunde nach zwar weit, aber nicht grenzenlos auszulegen sei. Denn § 68 FGO setze voraus, dass bei dem ersetzten und dem ersetzenden Verwaltungsakt dieselben Beteiligten vorhanden seien und es sich um dieselbe Steuersache handele. Während vorliegend unproblematisch die gleichen Beteiligten betroffen seien, handele es sich indes nicht um dieselbe Steuersache. Besteuerungsgegenstand im aufgehobenen Versicherungsteuerbescheid vom 27.06.2006 sei eine ändernde Steuerfestsetzung der (soweit ersichtlich regulären) Steueranmeldung der A AG für Versicherungsteuer August 1999. Durch den Aufhebungsbescheid vom 20.01.2012 sei diese die Steueranmeldung für August 1999 ändernde Steuerfestsetzung hinfällig geworden. Stattdessen habe der Beklagte die streitigen Beträge nunmehr durch Änderung der regulären Versicherungsteueranmeldung für Juni 2006 mit Bescheid vom 20.01.2012 festgesetzt. Bereits aus dieser Gegenüberstellung ergebe sich augenfällig, dass die von der Rechtsprechung als Tatbestandsvoraussetzung für § 68 FGO geforderte „selbe” Steuersache nicht gegeben sei. Denn bei der Änderung der Versicherungsteuerfestsetzung für den Monat August 1999 handele es sich nicht um dieselbe Steuersache wie bei der Änderung der Versicherungsteuerfestsetzung für den Monat Juni 2006.

    Dem könne nicht (die zudem streitige) Frage entgegengehalten werden, ob § 68 FGO erfüllt sei, wenn Vorauszahlungsbescheide durch (diese ändernde) Jahressteuerbescheide ersetzt würden. Denn die einzelnen monatlichen Versicherungsteueranmeldungen seien eigenständige echte (unterjährige) Steuerfestsetzungen, die lediglich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stünden (§ 168 AO). Finde eine ändernde Steuerfestsetzung nicht statt oder komme sie wegen Ablaufs der Festsetzungsverjährungsfrist nicht mehr in Betracht, sei diese mittels Steueranmeldung erfolgte Festsetzung der Versicherungsteuer für den fraglichen Anmeldungszeitraum endgültig.

    Auf diesem grundsätzlichen Zusammenhang beruhe letztlich auch die ratio legis für die mit Artikel 20 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 erfolgte Anfügung eines Abs. 4 an § 10 VersStG. Ohne diese Regelung, die als Verwaltungsvereinfachungsnorm des seinerzeit neu eingeführten Steueranmeldungsverfahrens gedacht gewesen sei, hätte jede einzelne in der Außenprüfung als fehlerhaft erkannte monatliche Versicherungsteueranmeldung/Steuerfestsetzung geändert werden müssen.

    Im Versicherungsteuerbescheid vom 20.01.2012 habe der Beklagte erstmalig in Übereinstimmung mit § 10 Abs. 4 VersStG eine ändernde Steuerfestsetzung der regulären Steueranmeldung der Klägerin für den bei Abschluss der Außenprüfung laufenden Anmeldungszeitraum (Juni 2006) vorgenommen. Auch wenn der Beklagte damit dem Gesetzesbefehl in § 10 Abs. 4 VersStG entsprochen habe, sei diese Steuerfestsetzung für den Monat Juni 2006 nicht dieselbe Steuersache wie die im vorliegenden Rechtsstreit streitige. Dies sei die Versicherungsteuer August 1999.

    Schließlich sei auf den Gerichtsbescheid des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 06.02.2012 in der dort anhängigen Sache 3 K 166/09 hinzuweisen (Bl. 342 ff. der FG-Akte). Hieraus ergebe sich, dass auch das Niedersächsische Finanzgericht in einem vergleichbaren Fall, in dem es zu Änderungen auf Grund von § 10 Abs. 4 VersStG gekommen sei, die Voraussetzungen von § 68 FGO abgelehnt habe. Nach den Ausführungen des FG Niedersachsen fehle ein identischer Besteuerungsgegenstand. Für die Bejahung der Identität des Besteuerungsgegenstandes genüge es nicht, dass bei beiden Bescheiden der gleiche steuerliche Sachverhalt zu Grunde liege. Vielmehr sei es erforderlich, dass der neue Bescheid den gleichen Besteuerungszeitraum betreffe wie der zu ersetzende Bescheid. Dies sei indes nicht der Fall.

    Da entgegen der Auffassung des Beklagten ein Fall von § 68 FGO mithin nicht vorliege, erklärt die Klägerin angesichts des Aufhebungsbescheids vom 20.01.2012 den vorliegenden Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Lediglich hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die vorstehend dargestellte Rechtsauffassung nicht teile, sollten die Anträge aus der Klageschrift vom 15.09.2008 aufrecht erhalten bleiben.

    Die Klägerin beantragt,

    die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen,

    sowie hilfsweise, den Bescheid über Versicherungsteuer Juni 2006 vom 20.01.2012 dergestalt zu ändern, dass die festgesetzte Versicherungsteuer um 16.221,52 EUR reduziert wird.

    Der Beklagte beantragt,

    festzustellen, dass die Hauptsache nicht erledigt ist,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen,

    sowie hilfsweise, die Klage abzuweisen.

    Nach Auffassung des Beklagten greift § 68 FGO vorliegend ein, weshalb er der Erledigungserklärung der Klägerin ausdrücklich widerspricht.

    Nach § 68 FGO werde der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt werde. Die Aufhebung des Versicherungsteuerbescheids für den Monat August 1999 durch Bescheid vom 20.01.2012 sei ausschließlich aus formellen Gründen erfolgt, ohne dass dadurch eine Entscheidung in materieller Hinsicht (in der Sache) getroffen worden sei. Der Regelungsinhalt des aufgehobenen Bescheids (Festsetzung von Mehrsteuern aufgrund der Außenprüfung) sei betragsmäßig unverändert in dem Bescheid für Juni 2006 vom 20.01.2012 aufgenommen worden. Damit habe der Beklagte eine erneute Sachentscheidung in derselben Steuersache getroffen. Der Änderungsbescheid für Juni 2006 ersetze den Bescheid für August 1999, es sei lediglich die nach § 10 Abs. 4 VersStG zutreffende Hülle gewählt worden. Er werde daher Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens (vgl. im Ergebnis auch BFH, Urteil vom 17.04.1991, II R 142/87, BFHE 164, 11).

    § 68 FGO sei zum einen eine Schutznorm für die Klägerin, die nicht schlechter – aber auch nicht besser – gestellt werden solle, als sie ohne die Korrektur des angefochtenen Verwaltungsaktes und die hierdurch bedingte Änderung der Verfahrenslage stünde. Zum anderen diene diese Norm wegen des Verzichts auf ein erneutes Einspruchsverfahrens der Verfahrensvereinfachung, Verfahrenskonzentration und Verfahrensbeschleunigung (vgl. Tipke/Kruse, § 68 FGO, Rd. 3). Der Anwendungsbereich sei dabei weit auszulegen, um das gebotene Ziel zu erreichen (vgl. Gräber, § 68 FGO, Rd. 60).

    Durch den Wegfall des Vorverfahrens erleide die Klägerin keinen Rechtsverlust; denn im Rahmen eines erneuten Vorverfahrens würde lediglich das bereits durchgeführte Vorverfahren wiederholt. Der Änderungsbescheid vom 20.01.2012 ändere die unanfechtbare Steuerfestsetzung für den Monat Juni 2006 gemäß Steueranmeldung vom 12.07.2006. Nach § 351 Abs. 1 AO könne er nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reiche. Die Änderung betreffe ausschließlich die Mehrsteuern aufgrund der Versicherungsteuer-Außenprüfung. Hierüber sei bereits ein Vorverfahren zu Ungunsten der Klägerin durchgeführt worden. Im Hinblick darauf, dass der Beklagte an seiner bisherigen Rechtsauffassung zur Beurteilung der streitanhängigen Frage festhalte, ginge ein erneutes Vorverfahren ins Leere. Das Verfahren werde dadurch lediglich verzögert.

    Nach dem Urteil des BFH vom 08.02.2001 (VII R 59/99, BStBl. II 2001, S. 506) verlange § 68 FGO keine inhaltliche Einwirkung des ersetzenden oder ändernden Bescheids auf den ursprünglichen Bescheid. Die Vorschrift sei vielmehr schon dann anwendbar, wenn beide Bescheide „dieselbe Steuersache”, d.h. dieselben Beteiligten und denselben Besteuerungsgegenstand, beträfen. Die beiden Verwaltungsakte müssten lediglich einen zumindest teilweise identischen Regelungsbereich haben, damit es zum Austausch des Verfahrensgegenstands kommen könne (vgl. Gräber, § 68 FGO, Rd. 75).

    Der Änderungsbescheid für den Monat Juni 2006 betreffe dieselbe Steuersache wie der Bescheid für August 1999 vom 27.06.2006. Es seien dieselben Beteiligten, nämlich die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der A AG und das BZSt als Rechtsnachfolger des zuvor zuständigen Finanzamts B. Insbesondere läge derselbe Besteuerungsgegenstand vor, nämlich die Mehrsteuern aufgrund der Außenprüfung für den Zeitraum 01.01.1997 bis 31.12.1999.

    Dieser Auffassung stehe auch nicht entgegen, dass der aufgehobene Bescheid den Monat August 1999 betreffe und der neue Verwaltungsakt den Monat Juni 2006. Denn der Regelungsinhalt (Mehrsteuern aufgrund der Außenprüfung) sei in beiden Bescheiden identisch.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

    1. Ein vor dem Finanzgericht geführter Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, wenn nach Eintritt der Rechtshängigkeit ein Ereignis eingetreten ist, durch welches das gesamte im Verfahren streitige -nach Maßgabe des Klageantrags zu bestimmende- Klagebegehren objektiv gegenstandslos geworden ist (BFH-Urteil vom 20.10.2004 II R 74/00, BStBl II 2005, 99, 100; BFH-Urteil vom 16.12.2008 I R 29/08, BStBl II 2009, 539). Ist eine Erledigung eingetreten und erklärt daraufhin nur der Kläger den Rechtsstreit für erledigt, während das Finanzamt der Erledigungserklärung widerspricht, ist die Erledigung durch Urteil festzustellen (BFH-Urteile vom 19.01.1971 VII R 32/69, BStBl II 1971, 307; vom 29.09.1984 V R 146/83, BStBl II 1985, 370; vom 16.12.2008 I R 29/08, BStBl II 2009, 539; Brandt in Beermann/Gosch, § 138 FGO Rz 191). Denn ein Kläger, der den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, verfolgt seinen ursprünglichen Sachantrag nicht mehr weiter. Er behauptet vielmehr, dieser Antrag sei durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden, so dass nur noch über die Kosten entschieden werden müsse. Bestreitet der Beklagte die Erledigung und beantragt Klageabweisung, beschränkt sich der Rechtsstreit nurmehr auf die Erledigungsfrage. An die Stelle des durch den ursprünglichen Klageantrag bestimmten Streitgegenstands tritt der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein die Hauptsache erledigendes Ereignis die Grundlage entzogen worden. Stimmt das Gericht dem Kläger zu, ist die Erledigung im Urteil festzustellen und über die Kosten nach § 138 FGO zu befinden. Andernfalls ist das Erledigungsbegehren des Klägers mit einer Kostenentscheidung zu seinen Lasten abzuweisen (BFH-Beschluss vom 20.03.2003 III B 74/01, BFH/NV 2003, 935; BFH-Urteil vom 19.05.2011 III R 61/09, BFH/NV 2011, 1526).

    2. Das erledigende Ereignis ist vorliegend darin zu sehen, dass der Beklagte den ursprünglich angefochtenen Änderungsbescheid für Versicherungsteuer August 1999 vom 27.06.2006 durch Bescheid vom 20.01.2012 aufgehoben hat. Denn in diesem Änderungsbescheid wurde im Anschluss an die Außenprüfung u.a. erstmals Versicherungsteuer auf Grund nicht eingelöster Schecks in Höhe von 16.221,52 EUR festgesetzt, deren Herabsetzung die Klägerin im vorliegenden Klageverfahren ursprünglich begehrte.

    3. Dem Umstand, dass zugleich ein neuer Versicherungsteuerbescheid für den Monat Juni 2006 erlassen wurde, ist für das vorliegende Klageverfahren keine Bedeutung beizumessen. Insbesondere ist dieser neue Bescheid, anders als nach Auffassung des Beklagten, nicht gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

    a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird, wenn ein angefochtener Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird, der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ergeht jener Verwaltungsakt während eines Klageverfahrens und wird durch ihn dem Begehren des Klägers nicht in vollem Umfang abgeholfen, so wird durch seinen Erlass das Klageverfahren nicht erledigt. Es ist vielmehr fortzusetzen, wobei Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung nunmehr der ändernde oder ersetzende Verwaltungsakt ist.

    Diese Regelung dient zum einen dem Schutz des Klägers, der durch eine Änderung oder Ersetzung des angefochtenen Verwaltungsakts durch das Finanzamt nicht aus dem Klageverfahren heraus gedrängt und gegen seinen Willen wieder in das Einspruchsverfahren zurückversetzt werden soll (BFH-Urteil vom 06.08.1996 VII R 77/95, BStBl II 1997, 79), zum anderen der Prozessökonomie, insbesondere der Verfahrensbeschleunigung (BFH-Urteil vom 25.07.1991 XI R 2/86, BStBl II 1992, 37; BFH-Urteil vom 23.02.2010 VII R 1/09, BFH/NV 2010, 1566). Die Zielsetzung des § 68 FGO besteht insoweit darin, dass ein einmal anhängig gewordenes Klageverfahren ungeachtet einer Änderung der Bescheidlage fortgeführt werden kann und dass dadurch Verzögerungen vermieden werden, die mit der Unterbrechung jenes Verfahrens und der Einleitung eines weiteren, auf den Änderungsbescheid bezogenen Rechtsbehelfsverfahrens verbunden sein könnten (BFH-Urteil vom 16.12.2008 I R 29/08, BStBl II 2009, 539; BFH-Urteil vom 23.02.2010 VII R 1/09, BFH/NV 2010, 1566).

    Entsprechend Sinn und Zweck des § 68 FGO sind die Begriffe „ändern” und „ersetzen” weit auszulegen. Eine Änderung oder Ersetzung im Sinne dieser Bestimmung setzt voraus, dass der mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt partiell oder seinem ganzen Inhalt nach durch Erlass eines anderen Verwaltungsakts geändert oder aus formellen Gründen aufgehoben und durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird (Seer in Tipke/Kruse, § 68 FGO, Rz. 8). Dabei muss eine sachliche Beziehung zwischen dem angefochtenen und dem ihn ändernden oder ersetzenden anderen Verwaltungsakt bestehen (von Groll in Gräber, § 68 FGO, Rz. 75). Ausreichend für die Anwendung des § 68 FGO ist es, wenn beide Bescheide „dieselbe Steuersache”, d.h. dieselben Beteiligten und denselben Besteuerungsgegenstand betreffen (vgl. nur BFH-Urteil vom 23.02.2010 VII R 1/09, BFH/NV 2010, 1566 m. w. N.).

    b) Auch wenn § 68 S. 1 FGO weit auszulegen ist, betreffen vorliegend der Versicherungsteuer-Bescheid August 1999 und der Versicherungsteuer-Bescheid Juni 2006 nicht „dieselbe Steuersache”. Zwar sind unstreitig dieselben Beteiligten betroffen. Allerdings handelt es sich nicht um denselben Besteuerungsgegenstand. Zu Recht wird hierfür nämlich in der Literatur gefordert, dass grundsätzlich neben derselben Steuerart auch derselbe Besteuerungszeitraum oder Stichtag betroffen sein muss (vgl. Stöcker in Beermann/Gosch, § 68 FGO, Rz. 32, 36; Dumke in Schwarz, § 68 FGO, Rz. 44; Seer in Tipke/Kruse, § 68 FGO, Rz. 12). Am selben Besteuerungszeitraum jedoch mangelt es vorliegend eindeutig.

    c) Es ist auch nicht deshalb von demselben Besteuerungsgegenstand auszugehen, weil der Änderung des Versicherungsteuer-Bescheids für den Monat Juni 2006 derselbe Sachverhalt zu Grunde liegt wie dem angefochtenen Änderungsbescheid Versicherungsteuer August 1999, nämlich die Nichteinlösung von Schecks durch Versicherungsnehmer, die die Klägerin im Zeitraum 01.01.1997 bis 31.08.1999 nach § 9 Abs. 1 VersStG berücksichtigt hat. Denn eine sachverhaltsbezogene Betrachtungsweise greift bei der regelmäßig periodisch anzumeldenden bzw. festzusetzenden Versicherungsteuer nicht ein. Auch der Hinweis im Aufhebungsbescheid vom 20.01.2012 auf den zeitgleich ergehenden Versicherungsteuerbescheid für den Monat Juni 2006 und die Anwendbarkeit von § 68 FGO stellt nicht die notwendige Identität des Besteuerungsgegenstands her.

    Dass grundsätzlich bei unterschiedlichen Besteuerungszeiträumen nicht „dieselbe Steuersache” vorliegen kann, bei der aus prozessökonomischen Gründen ein weiteres Vorverfahren vermieden werden soll, ergibt sich zudem daraus, dass die Verjährungsfristen nach § 169 ff. AO für die unterschiedlichen Zeiträume eigenständig zu überprüfen sind. Dieser Aspekt überwiegt nach Auffassung des erkennenden Senats die prozessökonomischen Überlegungen, zumal es den Beteiligten offen steht, durch Verweis auf ihr bisheriges Vorbringen zu den materiellen Rechtsfragen das außergerichtliche Vorverfahren hinsichtlich des neuen Steuerbescheids beschleunigt zu betreiben.

    Auch soweit Sinn und Zweck von § 68 FGO im Schutz der Klägerin vor einer Herausdrängung aus dem Klageverfahren und Zurückversetzung ins Einspruchsverfahren gesehen wird, kann dieser bei der Änderung eines Steuerbescheids, der einen anderen Besteuerungszeitraum betrifft, ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Festsetzungsverjährung nicht sinnvoll erreicht werden. Zudem ist zumindest vorliegend die Klägerin insoweit nicht schutzwürdig, als dass sie selbst § 68 FGO für nicht anwendbar hält und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat.

    Ein anderes Ergebnis lässt sich, entgegen der Auffassung des Beklagten, auch nicht aus dem Urteil des BFH vom 17.04.1991 (II R 142/87, BStBl. II 1991, 527) herleiten. Zwar kam es in diesem Fall ebenfalls zu einer Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte aus verfahrensrechtlichen Gründen, ohne dem mit der Klage verfolgten Begehren sachlich zu entsprechen. Allerdings betrafen die ersetzenden Bescheide die identischen Stichtage, so dass der BFH insoweit von „derselben Steuersache” ausgehen konnte.

    Schließlich ist es für den erkennenden Senat zwar nachvollziehbar, dass eine Erledigung des anhängigen Rechtsstreits für den Beklagten ohne Entscheidung in materieller Hinsicht wenig zufriedenstellend ist. Die Erledigung beruht indes letztlich darauf, dass der Beklagte die Regelung von § 10 Abs. 4 VersStG nunmehr insoweit zutreffend angewandt hat, als dass er den Monat August 1999 nicht als den sog. „laufenden” Anmeldungszeitraum im Sinne dieser Vorschrift angesehen hat (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.2011 II R 26/10, BFH/NV 2012, 537).

    4. Die Kosten des Verfahrens trägt nach §§ 135, 138 Abs. 1 FGO der Beklagte.

    5. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 FGO zugelassen, da eine Entscheidung des BFH zu der streitgegenständlichen Fallkonstellation – soweit ersichtlich – noch nicht vorliegt und ein Interesse der Allgemeinheit daran besteht.

    VorschriftenFGO § 68 Satz 1