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  • 07.05.2013

    Finanzgericht München: Urteil vom 26.02.2013 – 2 K 26/11

    1. Vermietet eine Ehegatten-Grundstücksgemeinschaft wertmäßig über den Grenzen des § 8 EStDV liegende Räumlichkeiten im eigengenutzten
    Zweifamilienhaus an eine von den Ehegatten beherrschte, an mehreren Standorten tätige AG und befindet sich der Unternehmenssitz
    der AG in den Räumen im eigenen Haus, so führt – ungeachtet eines nur geringfügigen prozentualen Anteils dieser Räumlichkeiten
    an den gesamten von der AG genutzten Gebäudeflächen – bereits die Zuordnung des Unternehmenssitzes der AG bei räumlich-funktionaler
    Betrachtungsweise dazu, dass die überlassenen Räume als wesentliche Betriebsgrundlagen der AG anzusehen sind und dass somit
    die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche sachliche Verflechtung gegeben ist.


    2. Dasselbe gilt im Falle der (formalen) Zuordnung des Ortes der Geschäftsleitung, auch wenn die tatsächlich dort ausgeübte
    Geschäftsleitungstätigkeit nur ein geringes Ausmaß erreicht (hier: von den Ehegatten nur an den Wochenenden im eigenen Haus
    ausgeübte Geschäftsleitungstätigkeit für die AG).


    IM NAMEN DES VOLKES


    Urteil

    In der Streitsache


    hat der … Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht
    … und den Richter am Finanzgericht … den ehrenamtlichen Richter … und den ehrenamtlichen Richter … auf Grund der mündlichen
    Verhandlung vom 26. Februar 2013 für Recht erkannt:


    1. Die Klage wird abgewiesen.


    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.


    3. Die Revision wird zugelassen.


    Gründe

    I.

    Streitig ist, ob die Einkünfte der Klägerin aus der Vermietung von Räumen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung erzielt worden
    sind.


    Die Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft, deren Beteiligte, die Ehegatten …, jeweils zu 50 v.H. Miteigentümer des Grundstücks
    … in X-Stadt (Grundstück) sind. Das Grundstück ist mit einem Zweifamilienhaus bebaut, das u.a. von den Ehegatten … bewohnt
    wird.


    In den Streitjahren waren die Ehegatten … jeweils zu 34,72%, insgesamt also zu 69,44%, an der … AG (AG) beteiligt, die nach
    Form wechselnder Umwandlung aus der von den Ehegatten … im Jahr 1979 gegründeten … GmbH entstanden war. Geschäftszweck der
    AG war „Handel und Fertigung von Industrieprodukten”. Der Sitz und Ort der Geschäftsleitung der AG befand sich – laut der
    Anmeldung zum Handelsregister (HR) vom 28. August 2001 sowie den Gewerbesteuermessbetragserklärungen 2001 bis 2004 – wie bei
    der Vorgänger-GmbH in … in X-Stadt (vgl. …).


    Die Ehegatten …. vermieteten in den Streitjahren an die AG ein Büro nebst WC (20m²), einen Archivraum, zwei Garagen als Lager
    sowie zwei Garagen für betriebliche KFZ aufgrund von Mietverträgen vom 1. Januar 1979 und vom 5. Januar 2000 mit der Vorgänger-GmbH
    (…). Die hieraus erzielten Einkünfte erklärten die Ehegatten. im Rahmen der Einkommensteuererklärungen als Einkünfte aus Vermietung
    und Verpachtung i.H.v. … EUR (2002), … EUR (2003) und … EUR (2004).


    Nach Durchführung von Außenprüfungen bei den Ehegatten … und der Klägerin (vgl. …) vertrat der Beklagte (Finanzamt – FA –)
    die Auffassung, dass die Einkünfte aus der Vermietung an die AG im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin
    und der AG erzielt worden und daher die vermieteten Räumlichkeiten dem Betriebsvermögen der Klägerin und die Anteile der Ehegatten
    … an der AG dem Sonderbetriebsvermögen der Ehegatten … zuzuordnen seien.


    Das FA erließ am 2. Februar 2009 entsprechende Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
    (Feststellungsbescheide) für die Klägerin, in denen es die Einkünfte – der Höhe nach wie erklärt – als Einkünfte aus Gewerbebetrieb
    feststellte.


    Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2010 als unbegründet
    zurück.


    Zur Begründung der Klage wird vorgetragen, dass zwar nicht die personelle, aber die sachliche Verflechtung als eine der Voraussetzungen
    für die Annahme einer Betriebsaufspaltung fehle. Die AG bestehe mit den Standorten Y-Stadt, Z-Stadt und A-Stadt (ohne X-Stadt)
    aus 6.730 m² Raumfläche, wovon 1.120 m² auf Verwaltungsräume entfielen. Dazu kämen noch umfangreiche unbebaute Flächen. Die
    streitbefangenen Flächen bestünden demgegenüber aus einem Büro von 20 m², einem kleinen Archivkeller und den vier Garagen
    mit einer Fläche von insgesamt unter 2% der gesamten Räume der AG.


    Nach der vom FA zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liege eine wesentliche Betriebsgrundlage vor, wenn sie
    wirtschaftlich nicht nur von geringer Bedeutung sei und die Betriebsgesellschaft auf das Grundstück angewiesen sei, weil sie
    ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könne. Bereits diese Rechtsprechung spreche im Streitfall eindeutig
    gegen das Vorliegen einer wesentlichen Betriebsgrundlage. Nach dem BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 XI R 45/04 seien Büroräume,
    die nur 7,45% der Gesamtfläche ausmachten, nicht wesentlich.


    Soweit das FA ausführe, dass nach der weiter entwickelten BFH-Rechtsprechung auch unwesentliche Flächen „qualitativ gesehen”
    wesentlich sein könnten unter dem Gesichtspunkt, dass sich dort der Mittelpunkt der Geschäftsleitung befinde, träfe das im
    Streitfall nicht zu. Denn der Sitz der Geschäftsleitung der AG in X-Stadt sei nur historisch begründet, weitere Gründe für
    die Aufrechterhaltung dieses Sitzes bestünden nicht. Die Geschäftsleitung erfolge bekanntlich von A-Stadt aus, in X-Stadt
    sei lediglich die Finanzbuchhaltung (nicht die Betriebsbuchhaltung) von einer Teilzeitbuchhalterin erledigt worden. Die beiden
    Vorstände der AG seien wie die gesamte Belegschaft hauptsächlich in A-Stadt bzw. Z-Stadt bzw. Y-Stadt tätig. Herr … arbeite
    nur an den Wochenenden von X-Stadt aus. Der Standort X-Stadt spiele daher eine völlig untergeordnete Rolle. Die in den Erklärungen
    für die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags vorgenommene Zuordnung des Vorstandsgehalts des Herrn … zum Standort X-Stadt
    sei möglicherweise fehlerhaft und erlaube daher keinen Rückschluss auf die von Herrn … in X-Stadt tatsächlich erbrachte Tätigkeit.
    Richtigerweise hätte das Vorstandsgehalt auf die Standorte aufgeteilt werden müssen.


    Zwar sei der Sitz der AG unstreitig in X-Stadt, der steuerrechtliche Begriff „Sitz” stelle aber anders als der Begriff „Geschäftsleitung”
    nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse, sondern auf die rechtliche Gestaltung ab. Für die Besteuerung sei der Sitz nur subsidiär
    als alternativer Anknüpfungspunkt vorgesehen.


    Das vom FA zitierte BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 78/06 gehe von einem völlig anders gelagerten Sachverhalt aus, da dort
    die vermieteten Räume dem Betrieb einer von 10 gleich gearteten Filialen gedient hätten. Dasselbe gelte für das vom FA zitierte
    BFH-Urteil vom 13. Juli 2006 IV R 25/05, da es dort um ein nicht vergleichbares Kleinunternehmen ohne Mitarbeiter gehe. Demgegenüber
    handle es sich bei der AG um ein Handels- und Produktionsunternehmen mit mehreren Standorten, mit … Mio EUR Umsatzvolumen
    und über 50 Mitarbeitern. Auch sei das vermietete Büro weder ein typisches Verwaltungsgebäude, noch sei es das einzige Büro
    der AG.


    Das Ergebnis der Umqualifizierung der Einkünfte sei, dass privat gehaltene AG-Beteiligungen von ca. … EUR als Betriebsvermögen
    erklärt worden seien. Bei Beendigung der Betriebsaufspaltung müsse zur Vermeidung der Besteuerung der AG-Anteile das Mini-Büro
    in eine GmbH & Co KG eingebracht werden mit entsprechenden erheblichen Bürokratie-Kosten. Die Ehegatten … könnten nicht mehr
    über ihr Zweifamilienhaus verfügen ohne die Gefahr der Versteuerung der AG-Beteiligungen.


    Die Klägerin beantragt,

    unter Änderung der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom … und der Einspruchsentscheidung
    vom … die Einkünfte der Klägerin i.H.v. … EUR in 2002, i.H.v. … EUR in 2003 und i.H.v. … EUR in 2004 jeweils als Einkünfte
    aus Vermietung und Verpachtung festzustellen.


    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin habe keine weiteren Tatsachen und Beweismittel vorgetragen, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigten.
    X-Stadt sei nach den eigenen Angaben der Klägerin der Sitz und der Ort der Geschäftsleitung, weshalb das FA für die Besteuerung
    der AG zuständig sei. Der Anteil am Gewerbesteuermessbetrag für den Standort X-Stadt betrage laut den Erklärungen für die
    Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags in den Streitjahren jeweils ca. 20%. Die überlassenen Räumlichkeiten seien für die
    Betriebsführung wirtschaftlich von entsprechendem Gewicht. Der Streitfall unterscheide sich von der üblichen Überlassung von
    Büroräumen eines Gesellschafter-Geschäftsführers an seine GmbH, weil sich in diesen Räumlichkeiten üblicherweise gerade nicht
    der Sitz der Gesellschaft und auch keine Betriebsstätte befinde mit der Folge der Beteiligung am Gewerbesteuermessbetrag.


    Ergänzend zum Sachverhalt wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

    II.

    1. Die Klage ist zulässig.

    1.1. Die (formelle) Klagebefugnis des Herrn … für die Klägerin ergibt sich im Streitfall aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
    (FGO).


    Denn bei Rechtsbehelfen einer Bruchteilsgemeinschaft ist davon auszugehen, dass deren Rechtsbehelf von „zur Vertretung berufenen
    Geschäftsführern” i.S. des § 48 FGO eingelegt worden ist, wenn diese nach außen als Vermieterin auftritt. Ein ausdrücklicher
    Nachweis der Zustimmung aller Gemeinschafter-Geschäftsführer ist danach nur in Zweifelsfällen, mithin nicht generell erforderlich.
    Anhaltspunkte für solche Zweifel können nicht allein der Tatsache entnommen werden, dass die Klageschrift nicht ausdrücklich
    alle Gemeinschafter der Grundstücksgemeinschaft ausweist (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Januar 2007 IX B 181/05, BFH/NV 2007,
    1511 m.w.N., BFH-Urteil vom 27. November 2008 IV R 16/06, BFH/NV 2009, 783).


    Hiernach ist die Klage wirksam von Herrn … für die Klägerin erhoben worden; denn Anhaltspunkte dafür, dass Frau … als weitere
    Geschäftsführerin der Klage nicht zugestimmt hat, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.


    Eine Beiladung der Frau … zum Verfahren ist wegen der in Prozessstandschaft für alle Gesellschafter/Gemeinschafter erhobenen
    Klage nicht erforderlich (vgl. Levedag in Gräber, FGO, 7. Aufl., § 60, Rz. 59).


    1.2. Die Klägerin ist auch materiell klagebefugt im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO.

    Bei Feststellungsbescheiden kann – wie § 157 Abs. 2, 2. Alt. der Abgabenordnung (AO) verdeutlicht – die geltend gemachte Rechtsverletzung
    allein aus der (vermeintlich) unzutreffenden Beurteilung einzelner Besteuerungsgrundlagen resultieren, unabhängig von – in
    diesem Verfahren gar nicht nachprüfbaren – steuerlichen Auswirkungen. Die Klagebefugnis kann sich daher auch aus der unzutreffenden
    Zuordnung von Einkünften unter eine bestimmte Einkunftsart ergeben (vgl. von Groll in Gräber, a.a.O., § 40, Rz. 93 m.w.N.).


    Demnach ergibt sich die Klagebefugnis aus der vom FA vorgenommenen Umqualifizierung der streitbefangenen Einkünfte, auch wenn
    dies in den Streitjahren zu keiner steuerlichen Auswirkung geführt hat.


    2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

    Das FA hat die streitbefangenen Mieteinnahmen zu Recht den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet, da die Voraussetzungen
    einer Betriebsaufspaltung vorliegend gegeben sind.


    2.1. Einkommensteuerpflichtige Einkünfte sind nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert und einheitlich
    festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen
    sind. Von einer gesonderten und einheitlichen Feststellung kann nur abgesehen werden, soweit es sich um einen Fall von geringer
    Bedeutung handelt (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO).


    Zwischen den Ehegatten … besteht eine Grundstücks-Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 741 BGB. Da sie die Einkünfte aus den Grundstücken
    in ihrer gemeinschaftlichen Verbundenheit beziehen (vgl. Mietanpassungen vom 5. Januar 2000), sind die Einkünfte gesondert
    und einheitlich festzustellen. Ein Fall von geringer Bedeutung liegt nicht vor, weil die Zuordnung der Einkünfte zu den Gewinneinkünften
    (aus Gewerbebetrieb) bzw. zu den Überschusseinkünften (aus Vermietung und Verpachtung) in Streit steht. Diese streitige Frage
    ist auf der Ebene der Bruchteilsgemeinschaft und damit im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung zu entscheiden
    (vgl. BFH-Urteile vom 15. April 2010 IV R 58/07, BFH/NV 2010, 1785, und vom 1. Februar 1989 VIII R 49/84, BFH/NV 1990, 6).


    2.2. Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung – sachliche und persönliche Verflechtung (ständige Rspr., vgl. den Beschluss
    des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BStBl II 1972, 63) – und damit eines gewerblichen Unternehmens i.S.
    von § 15 Einkommensteuergesetz liegen im Streitfall vor. Die persönliche Verflechtung ist vorliegend unstreitig; es ist aber
    auch die erforderliche sachliche Verflechtung gegeben.


    Eine sachliche Verflechtung setzt die Nutzungsüberlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage durch die Besitzgesellschaft
    an die Betriebsgesellschaft voraus.


    Ein an die Betriebsgesellschaft überlassenes Grundstück stellt eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn es von dieser
    genutzt und für diese wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist. So verhält es sich, wenn der Betrieb auf das Grundstück
    angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte. Notwendig ist dabei allein, dass das
    Grundstück eine räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet und es ihr
    ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb auszuüben (BFH-Urteil vom 13. Juli 2006 IV R 25/05, BStBl II 2006, 804). Es kommt dagegen
    weder auf einen besonderen Lagevorteil noch auf eine besondere bauliche Gestaltung des Grundstücks noch darauf an, ob das
    Grundstück jederzeit durch ein anderes ersetzbar wäre oder auf die besonderen Bedürfnisse des Betriebs zugeschnitten ist,
    und somit auch nicht darauf, ob es sich um ein reines Büro-/Verwaltungsgebäude oder um ein „Allerweltsgebäude” wie z.B. ein
    Einfamilienhaus handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Februar 2012 X B 99/10, BFH/NV 2012, 1110 und BFH-Urteil in BStBl II 2006,
    804). Maßgeblich ist auch nicht, ob die Betriebsgesellschaft über weitere gleichartig genutzte Grundstücke verfügt, solange
    dem streitigen Grundstück nicht nur eine geringe – untergeordnete – wirtschaftliche Bedeutung zukommt (vgl. BFH-Urteile vom
    19. März 2009 IV R 78/06, BStBl II 2009, 803 und in BStBl II 2006, 804). Genauso wenig ist die Größe bzw. der Anteil des Grundstücks
    an der Gesamtfläche von Bedeutung, solange dies nicht mit einer untergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung einhergeht (vgl.
    BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 XI R 45/04 BFH/NV 2006, 1453, für den Fall des Verlusts der wirtschaftlichen Bedeutung durch
    Betriebsverlagerung und Reduzierung der Nutzung des überlassenen Gebäudes) und solange nicht die Grenzen des § 8 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung
    (EStDV) unterschritten werden.


    Nach diesen Maßstäben, nämlich bei rein räumlich-funktionaler Betrachtungsweise, hat das FA zu Recht angenommen, dass es sich
    bei den vermieteten Gebäudeteilen um wesentliche Betriebsgrundlagen der AG gehandelt hat. Dabei fällt entscheidend ins Gewicht,
    dass am Standort X-Stadt der Unternehmenssitz der AG angesiedelt ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei
    der Bestimmung des Unternehmenssitzes nicht allein um eine unbedeutende Rechtsfrage ohne wirtschaftliche Auswirkung bzw. –
    wegen der Beibehaltung des Sitzes der Vorgänger-Betriebsgesellschaft – um einen Umstand von allein historischer Bedeutung.
    Denn ohne einen Unternehmenssitz kann die Betriebsgesellschaft rechtlich nicht existieren und ihr Betrieb daher nicht fortgeführt
    werden. Die Bestimmung des Unternehmenssitzes ist daher ein wesentliches funktionales Erfordernis der Betriebsgesellschaft
    und der Unternehmenssitz damit von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung.


    Hinzu kommt im Streitfall, dass die Geschäftsleitungstätigkeit unstreitig zumindest teilweise, nämlich an Wochenenden, vom
    Standort des Grundstücks aus ausgeübt worden ist. Auch aus diesem Grunde haben die überlassenen Räume in X-Stadt nicht nur
    – unbedeutendeformale (vgl. Anmeldung zum HR, Steuererklärungen für die AG) bzw. historische Bedeutung. Es spielt insoweit
    keine entscheidende Rolle, dass die Geschäftsleitung, wie die Klägerin glaubhaft vorgetragen hat, ganz überwiegend von den
    anderen Standorten ausgeübt worden ist. Denn die überlassenen Räume müssen nach den oben genannten Rechtsgrundsätzen nicht
    „die” wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, es genügt vielmehr, dass es sich um „eine” von mehreren wesentlichen Betriebsgrundlagen
    handelt. Zudem ist die Geschäftsleitungstätigkeit als solche von so zentraler Bedeutung für den Betrieb der AG, dass auch
    ein verhältnismäßig geringer Anteil daran Auswirkung auf die funktionale Bedeutung des entsprechenden Ortes i.S. einer wesentlichen
    Betriebsgrundlage hat.


    Eine untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung kann – angesichts der funktionalen Bedeutung der Räume als ein Ort der Geschäftsleitung
    – auch nicht allein darauf gestützt werden, dass nur einzelne Räume bzw. Gebäudeteile vermietet worden sind bzw., dass der
    Anteil an der Gesamtfläche der von der AG genutzten Räumlichkeiten unter 2% beträgt, da hier jedenfalls nicht die Grenze des
    § 8 EStDV unterschritten ist (vgl. BFH in BStBl II 2006, 804 und in BStBl II 2009, 803). Genauso wenig steht es der wirtschaftlichen
    Bedeutung entgegen, dass der Büroraum (auch) von einer Teilzeitkraft für die Erstellung der Finanzbuchhaltung der AG genutzt
    worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 2007 XI R 30/05, BStBl II 2007, 524).


    Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass der vom FA herangezogenen und dieser Entscheidung zu Grunde
    liegenden neueren BFH-Rechtsprechung zur Begriffsbestimmung „wesentliche Betriebsgrundlage” nicht mit dem Streitfall vergleichbare
    Fälle zu Grunde liegen. Denn die Präzisierung des Erfordernisses der wirtschaftlichen Bedeutung eines überlassenen Grundstücks
    und die Herausarbeitung der räumlich-funktionalen Sichtweise sind abstrakt und gelten für alle Fallkonstellationen, u.a. auch
    für als Verwaltungsgebäude oder Büroräume genutzte Räumlichkeiten.


    In Bezug auf die zwei als Lager genutzten Garagen ist ergänzend festzuhalten, dass diese speziell als Lager für die Betriebsgesellschaft
    errichtet worden sind (vgl. Mietanpassung vom 5. Januar 2000, AP-Hand-A, Bl. 45). Die beiden weiteren als Stellplätze genutzten
    Garagen sowie der Archivraum im Keller sind in Verbindung mit dem Büro (zwangsläufig) als wesentliche Betriebsgrundlage zu
    sehen (vgl. auch BFH in BStBl II 2007, 524).


    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    4. Die Zulassung zur Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO in Bezug auf die Frage, ob überlassene Räume auch dann eine
    wesentliche, die sachliche Verflechtung begründende Betriebsgrundlage im Sinne der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung
    darstellen, wenn dort der Unternehmenssitz der Betriebsgesellschaft angesiedelt ist und die dort ausgeübte Geschäftsleitungstätigkeit
    nur ein geringes Ausmaß erreicht.

    VorschriftenEStG § 15 Abs. 1, EStG § 15 Abs. 2, EStG § 21 Abs. 1, EStDV § 8