07.05.2013
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 21.06.2007 – 10 K 188/06
Die einheitliche und gesonderte
Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO setzt lediglich das Vorliegen
einer gemeinsamen Einkunftsquelle voraus; sie erfordert nicht, dass die
Einkünfte bei allen Beteiligten derselben Einkunftsart zuzuweisen sind.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem
Finanzrechtsstreit
hat der 10. Senat des
Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.
Juni 2007 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am
Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter
….
für Recht erkannt:
1. Der negative
Feststellungsbescheid vom 8. September 2004 und die Einspruchsentscheidung vom
2. August 2006 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Einkünfte
der Klägerin in den Streitjahren einheitlich und gesondert festzustellen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der
Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der
Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine
Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des
vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem
vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der
Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht
zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§
151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Die
Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig
erklärt.
Tatbestand
Streitig ist, ob Einkünfte der
Klägerin einheitlich und gesondert festzustellen sind.
Die Klägerin ist eine
Grundstücksgemeinschaft, die aus der Vermietung des Grundstücks K str. 22 in A
Einnahmen erzielt. Sie besteht aus zwei Eheleuten, die zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt werden und je zur Hälfte Eigentümer dieses
Grundstücks sind. Die Gesamtwohnfläche des im Jahre 2002 fertig gestellten
Gebäudes beträgt ca. 174 qm. Nach Fertigstellung wird das Dachgeschoss
(anteilige Wohnfläche ca. 42 qm) seit dem 1. Juli 2002 an die
Rechtsanwaltskanzlei RA vermietet. Als Mitglied dieser Anwaltskanzlei bezieht
der Ehemann Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die vom Finanzamt B einheitlich
und gesondert festgestellt worden sind. Im Juni 2004 reichte die Klägerin für
die Jahre 2001 und 2002 Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grundstücksgemeinschaft ein. Zu
diesem Zeitpunkt waren die Eheleute bereits bestandskräftig zur Einkommensteuer
2001 veranlagt. Dabei sind die Einkünfte aus der Beteiligung an der Sozietät RA
entsprechend der Mitteilung des Finanzamts B erfasst worden. Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück K str. 22 sind in die
Einkommensteuerfestsetzung 2001 allerdings nicht eingegangen. Weder hatten die
Eheleute in ihrer Einkommensteuererklärung 2001 diese Einkünfte geltend
gemacht, noch ist der Anteil des Ehemanns an diesen Einkünften in der
Feststellungserklärung der Sozietät enthalten. Bei der
Einkommensteuerfestsetzung 2002 berücksichtigte der Beklagte den Anteil der
Ehefrau an den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück K
str. 22 von Amts wegen.
Mit Bescheid vom 8. September 2004
wurde die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Klägerin nach
erfolglosem Vorverfahren mit vorliegender Klage.
Die Einkünfte der Klägerin aus der
Vermietung des Grundstücks A, K str. 22 seien einheitlich und gesondert
festzustellen. Die aus den Eheleuten bestehende Gesellschaft bürgerlichen
Rechts verwirkliche gemeinschaftlich den Tatbestand Vermietung und Verpachtung.
Der Umstand, dass der Ehemann sowohl an der vermietenden
Grundstücksgesellschaft als auch an der anmietenden Sozietät beteiligt sei,
ändere daran nichts. Im Übrigen werde auf den Beschluss des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs vom 11. April 2005 – GrS 2/02 zur
„Zebragesellschaft” verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des negativen
Feststellungsbescheids vom 8. September 2004 und der Einspruchsentscheidung vom
2. August 2006 den Beklagten zu verpflichten, die Einkünfte der
Grundstücksgemeinschaft M + S aus dem Objekt A, K str. 22, für die Jahre 2001
und 2002 gesondert und einheitlich festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung, hilfsweise
Zulassung der Revision
und verweist zur Begründung auf die
Einspruchsentscheidung.
Mittlerweile wurde bei der Klägerin
eine Umsatzsteuersonderprüfung durchgeführt, über deren ertragsteuerlichen
Auswirkungen die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung keine Angaben machen
konnten. Der vorstehende Streitstand ist den Gerichtsakten, den vom Beklagten
vorgelegten Akten (§ 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –) sowie
der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2007 entnommen.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Klage ist
begründet.
Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO sind
Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere
Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich
zuzurechnen sind.
Danach sind im Streitfall die
Einkünfte aus der M + S einheitlich und gesondert festzustellen. Das von
letzterer erzielte Ergebnis war nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO gesondert
festzustellen, da an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die
Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind (vgl. FG Rheinland-Pfalz
vom 13. Dezember 2006 – 3 K 1792/03, EFG 2007, 817). Deshalb hat der
Beklagte als Betriebsstättenfinanzamt für diese Gesellschaft bürgerlichen
Rechts einen eigenständigen Feststellungsbescheid zu erlassen.
Dabei wird zu berücksichtigen sein,
dass die Feststellung für die M + S was den Ehemann angeht nicht für seine
Einkommensteuerveranlagung, sondern nur für die bezüglich der Sozietät RA
durchzuführende gesonderte Feststellung bindet. Denn die Beteiligung an der M +
S stellt Sonderbetriebsvermögen des Ehemanns im Rahmen seiner Beteiligung an
der Rechtsanwaltssozietät dar und das von der Grundstücksgemeinschaft A, K str.
22 erzielte Ergebnis setzt sich aus Betriebseinnahmen bzw. -ausgaben zusammen,
die durch die Erzielung von Einkünften in der Sozietät RA veranlasst sind und
die deshalb in die dafür vorzunehmende Gewinnermittlung eingehen müssen (vgl.
Söhn, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, Kommentar, § 182 AO Rdnr. 6). Im
Hinblick auf die Ehefrau ist die durchzuführende gesonderte Feststellung für
deren Einkommensteuerveranlagung bindend. Insoweit handelt es sich um Einkünfte
aus einer Beteiligung, die nicht im Betriebsvermögen gehalten wird.
Der Beklagte verkennt, dass
„gemeinschaftliches Erzielen von Einkünften” nicht erfordert, dass
die Einkünfte bei allen Beteiligten derselben Einkunftsart zuzuweisen sind. Es
genügt vielmehr das Vorliegen einer gemeinsamen Einkunftsquelle (Brandis, in:
Tipke/Kruse, § 180 AO Rdnr. 57; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO,
Kommentar, § 180 AO Rdnr. 183ff. mit ausführlichen Hinweisen aus Literatur und
Rechtsprechung), hier die vermietete Immobilie. § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO setzt
lediglich voraus, dass mehrere Personen gemeinschaftlich steuerpflichtige
Einkünfte erzielen. Die Einkünfte der beteiligten Gesellschafter können
anteilig einer anderen Einkunftsart zuzuordnen und unterschiedlich zu
qualifizieren sein. Tatbestandsmerkmale außerhalb der Beteiligung im Bereich
der persönlichen Einkünfteerzielung treten zu den verbindlich festgestellten
Besteuerungsgrundlagen im Bereich der persönlichen Tatbestandsverwirklichung
des Gesellschafters hinzu. Sie gehören nicht in den Regelungsbereich des
Grundlagenbescheids, sondern in jenen des Folgebescheids (BFH vom 11. April
2005 – GrS 2/02, BStBl II 2005, 679 = BFHE 209, 399), auch wenn dieser
wie der Feststellungsbescheid für die Rechtsanwaltssozietät wiederum
Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerfestsetzung der an der Sozietät
Beteiligten ist. Im Streitfall ist die Durchführung des Feststellungsverfahrens
auch nicht entbehrlich. Insbesondere liegt kein Fall von geringer Bedeutung im
Sinne von § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO vor. Dies liegt in dem Umstand begründet, dass
die Feststellung für die Grundstücksgemeinschaft M + S, was den Ehemann angeht,
für die bezüglich der Rechtsanwaltssozietät RA durchzuführende gesonderte
Feststellung, und soweit die Einkünfte an der Grundstücksgemeinschaft M + S der
Ehefrau zugerechnet werden, für deren Einkommensteuerveranlagung bindend sind.
Ein solcher Sachverhalt verlangt geradezu nach einem Feststellungsverfahren,
dessen Zweck die bindende und damit verwaltungsökonomische, gleichmäßige
Feststellung der Einkünfte für alle Beteiligten durch die sachnächste
Finanzbehörde (Brandis, in: Tipke/Kruse, § 180 AO Rdnr. 10) ist.
Damit war der Klage stattzugeben
und der Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter der Rechtsauffassung des
Gerichts zu bescheiden, also die Einkünfte der Klägerin aus dem Objekt A, K
str. 22 in den Streitjahren einheitlich und gesondert festzustellen. Im Übrigen
war die Sache nicht spruchreif, da die Beteiligten zu den ertragsteuerlichen
Auswirkungen der Umsatzsteuersonderprüfung keine Angaben machen konnten.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus
§ 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision war nicht
zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO benannten Zulassungsgründe
vorliegt.
4. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 151 FGO, §§ 708 Nr.
11, 709 und 711 Zivilprozessordnung. Der Senat schließt sich zur Frage, ob bei
Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit die Sicherheitsleistung auch dem
Fiskus obliegt, der vom 4. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg im Urteil
vom 26. Februar 1991 4 K 23/90 (EFG 1991, 338) vertretene Auffassung an und
verweist auf die Begründung dieser Entscheidung.
5. Die Klägerin beantragte, die
Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem
Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von
vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerin durfte sich daher eines
Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu
erreichen. Der Senat hält hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das
Vorverfahren für notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).