17.04.2013
Finanzgericht Münster: Urteil vom 25.02.2009 – 12 K 4333/05 E,F
1) Die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft geschieht - bis zur Verkörperung des Anteilsrechts in einer Aktienurkunde - durch Übertragung der Gesellschaftsrechte durch Abtretung nach §§ 398 ff. BGB, danach durch Übereignung der Urkunde gemäß §§ 929 ff. BGB.
2) Ein Anteilserwerb i.S. des § 17 EStG scheidet aus, wenn das Grundkapital einer AG in nicht verbriefte Stückaktien eingeteilt ist und aufgrund der schuldrechtlichen Verpflichtung zum Erwerb von Aktien an einer AG eine Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Übergabe von - keine Gesellschaftsrechte verbriefenden - Nennbetragsaktien erfolgt.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 12. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25.02.2009 für Recht erkannt:
Tatbestand
I.
Im Rahmen der Einkommensbesteuerung für 2002 ist streitig, ob der Kläger (Kl.) einen Verlust aus Gewerbebetrieb im Sinne der §§ 15, 17 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG), (hilfsweise) aus einem privaten Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt hat, und ob dieser (hilfsweise) als verbleibender Verlustabzug zur Einkommensteuer (ESt) zum 31.12.2002 gesondert festzustellen ist.
Der Kl. erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung (VuV). In der Einkommensteuererklärung erklärte er einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften (Aktien, Optionen) von ./. 110.576 EUR. Darüber hinaus machte er im Streitjahr 2002 einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG aus dem Verkauf von Aktien an der … AG (künftig: AG) in Höhe von 613.549 EUR geltend. Hierzu erläuterte er in einer Anlage zur Steuererklärung, dass er die Aktien mit einem Nennwert von 750,00 EUR zum 21.02.2001 bzw. 04.03.2001 (Scheckdatum) für einen Betrag von 1.200.000 DM (613.550 EUR) erworben habe. Die Aktien habe er in 2002 für 1,00 EUR verkauft.
Die AG wurde in 1999 gegründet. Das Grundkapital beträgt 50.000 EUR und ist in 50.000 Stückaktien, die auf den Inhaber lauten, eingeteilt. Eine Verbriefung der Stückaktien erfolgte nicht. Die AG ist in das Handelsregister beim Amtsgericht M, HRB … eingetragen. Als Gegenstand des Unternehmens ist die Entwicklung und Vermarktung von Internetdiensten jeder Art im Handelsregister verzeichnet.
Mit schriftlichem Aktienkauf- und Abtretungsvertrag vom 29.10.1999 erwarb Herr N sämtliche Geschäftsanteile von der B Beteiligungs GmbH (vormals: C Beteiligungs GmbH), die im Rahmen der Gründung das gesamte Grundkapital übernommen hatte. Mit schriftlichem Vertrag vom 08.11.1999 verkaufte Herr N 42.500 Stück Aktien ohne Nennbetrag der AG (= 85 % des Grundkapitals) an Herrn G und trat zugleich entsprechende Gesellschaftsrechte an den Käufer ab. Mit Schreiben vom 11.08.2000 an Herrn B als Aufsichtsratsvorsitzenden der AG teilte die D. HOLDING GmbH mit, dass sie mit Anteilskaufvertrag vom 17.07.2000 15 % des Stammkapitals der AG und zwar 1 Aktie zu 5.000,00 EUR, 2 Aktien zu 1.000,00 EUR und 1 Aktie zu 500,00 EUR erworben habe und mit allen Rechten und Pflichten in den Grundlagenvertrag vom 08.11.1999 eingetreten sei.
Im Geschäftsplan 2001 – 2002 vom Januar 2001 wird Herr Roland G als Initiator und Hauptaktionär, Herr B als Aufsichtsrat (gewählt in der außerordentlichen Hauptversammlung und Aufsichtsratssitzung vom 02.11.1999) und Herr D als Vorstand (HR-Eintragung 25.01.2001) bezeichnet.
Der am 21.11.2001 vom Vorstand der AG gestellte Insolvenzantrag wurde im Mai 2002 mangels Masse abgewiesen.
Im unter Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), stehenden ESt-Bescheid für 2002 vom 16.08.2004 berücksichtigte der Bekl. keinen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG aus dem Verkauf der Aktien an der AG. Im gleichzeitig ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Bescheid zum 31.12.2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur ESt stellte der Bekl. den verbleibenden Verlustvortrag nach § 10 d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zum 31.12.2001 – wie bisher – auf 139.543 EUR fest. Die Verluste aus den privaten Wertpapierveräußerungen in Höhe von insgesamt 110.576 EUR sowie aus dem Verkauf der Aktien an der AG in Höhe von 613.549 EUR wurden nicht als verbleibende Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften des Kalenderjahres 2002 gesondert festgestellt.
Gegen den ESt-Bescheid hat der steuerlich beratene Kl. mit Schreiben vom 07.09.2004 Einspruch eingelegt. Er wandte sich gegen die Nichtanerkennung des Verlustes aus § 17 EStG. Hierzu reichte er folgende Unterlagen ein:
Bestätigung des G vom 28.02.2001, dass der Kläger Aktien … an der AG im Nennwert von 375,00 EUR am 23.02.2001 zum Preis von 600.000 DM von ihm gekauft hat. Der Kaufpreis wurde auf das Konto der AG eingezahlt;
Bestätigungen der Volksbank eG …, dass zwei Schecks über je 600.000 DM am 27.02.2001 und am 07.03.2001 auf dem Konto der AG gutgeschrieben worden sind;
Bestätigung des Aufsichtsratsvorsitzenden der AG, Herrn B vom … 22.09.2003, dass „ausweislich der bei uns in Kopie vorhandenen Unterlagen
(…) seinerzeit 750 Anteile an der AG erworben und hierfür mit … zwei Schecks über je 600.000 DM bezahlt” wurde. Der Scheck vom 21.02.2001 wurde am 23.02.2001 in S bei M an Herrn G übergeben. Den zweiten Scheck vom 04.03.2001 hat Herr B am 05.03.2001 in R erhalten und am gleichen Tag an Frau K weitergegeben, die den Betrag sodann auf das Konto der AG eingezahlt hat;
Bestätigung des Aufsichtsratsvorsitzenden der AG, Herrn B vom 22.09.2003, dass die betreffenden Aktien aus dem Besitz von Herrn G stammen;
Kopien der Aktien mit den Nummern 49, 50, 51 und 52 über jeweils 125,00 EUR.
Außerdem teilte der Kl. mit, dass die Aktien physisch vorhanden seien und vorgelegt werden könnten.
Ferner verwies der Kl. auf eine Betriebsprüfung (Bp.) bei der B GmbH & Co. KG. Im Betriebsprüfungsbericht sei ausgeführt, dass der Kl. im Februar/März 2001 Anteile an der AG im Nennwert von 750,00 EUR für 1.200.000 DM gekauft habe. Der Außenprüfer Herr G, habe hierzu in einem Aktenvermerk über eine Besprechung mit Herrn Bü am 08.09.2003 vermerkt: „Herr Bü wurde über die Verwendung zweier Scheckabgänge in Höhe von 600.000 DM in 2001 befragt und erklärte hierzu folgendes: Durch Vermittlung von A Tl sei er auf die AG aufmerksam geworden. Die Aktien seien nicht an der Börse gehandelt worden. Es hätten nur noch wenige Aktien zum Verkauf gestanden. Er habe sich bei den Verkäufern um den Erwerb dieser Anteile beworben und nach seinen Angaben unter mehreren Bewerbern den Zuschlag erhalten. Das Geschäft sei wie folgt abgewickelt worden: Herr Bü habe von Herrn G und Herrn B jeweils die Originalaktien im Nennwert von 375,00 EUR erhalten und dafür jeweils einen bestätigten Barscheck über 600.000 DM hingegeben. Ein schriftlicher Kaufvertrag sei nicht erstellt worden. Ebenso sei bei der Übergabe der Schecks keine Quittung erstellt worden. Es existierten auch keine Faxe oder ähnliche Unterlagen über die Verkaufsverhandlung”.
Mit Schreiben vom 26.11.2004 hat der Kl. zusätzlich einen Antrag auf Änderung des Bescheides zum 31.12.2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur ESt vom 16.08.2004 gestellt. In diesem Zusammenhang legte er weitere Unterlagen zu den Verlusten aus den anderen Wertpapierveräußerungen über insgesamt 110.576 EUR vor.
Durch Einspruchsentscheidung vom 28.09.2005 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte er an, dass kein gewerblicher Veräußerungsverlust vorliege. Der Zeitraum zwischen der behaupteten Anschaffung der AG Aktien und ihrer Veräußerung betrage weniger als ein Jahr, so dass nach § 23 Abs. 2 Satz 2 EStG der § 17 EStG nicht anzuwenden sei. Ein Verlust aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG liege nicht vor, da die Anschaffung der Giniss.net AG Aktien nicht hinreichend nachgewiesen sei. Dass die beiden Schecks über 600.000 DM in einem Zusammenhang mit dem Kauf von Aktien zum Nennwert von 750,00 EUR stünden, könne nicht festgestellt werden.
Den Antrag auf Änderung des Bescheids zum 31.12.2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur ESt gab der Bekl. in der Anlage zur Einspruchsentscheidung vom 28.09.2005 statt und erhöhte die verbleibenden negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäfte um 55.288 EUR (Halbeinkünfteverfahren) auf einen zum 31.12.2002 verbleibenden Verlustvortrag von 194.831 EUR.
Mit der am 27. Oktober 2005 erhobenen Klage wendet sich der Kl. sowohl gegen den ESt-Bescheid für 2002 vom 16.8.2004 in der Fassung der Einspruchsentscheidung als auch gegen den Bescheid zum 31.12.2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur ESt vom 16.08.2004 bzw. 28.09.2005.
Im Januar 2001 sei er zusammen mit Herrn T nach London zu einer Präsentation der AG gefahren. Die Präsentation des Unternehmens sei durch den Herrn B, damals Aufsichtsratsvorsitzender der AG geleitet worden. Auch Herr G, der Mitbegründer der AG sowie Entwickler der Geschäftsidee sei anwesend gewesen. Anders als Herr B stehe Herr G allerdings als Zeuge nicht zur Verfügung, weil sein Aufenthaltsort unbekannt sei. Im Rahmen dieser Unternehmenspräsentation sei es darum gegangen, neue Investoren zu gewinnen. Er, der Kl., habe sich von der Geschäftsidee sowie von den Planzahlen (Geschäftsplan 2001 – 2002) überzeugen lassen. Da ihm von den Herren B und G der Eindruck vermittelt worden sei, die „letzte Chance” zu haben, sich an dem erfolgversprechenden Projekt der AG zu beteiligen, habe er sich verpflichtet, Aktien im Nennwert von 750,00 EUR des Grundkapitals der AG zu einem Kaufpreis von 1.200.000 DM zu erwerben. Herr B habe sich verpflichtet, die Aktien zu beschaffen. Ob die Aktien aus dem Bestand von Herrn G oder anderweitig zu beschaffen seien, sei offen geblieben. Jedenfalls habe er sich bindend gegenüber Herrn B zum Kauf der vorgenannten Aktien verpflichtet.
In der Folgezeit habe Herr B ihn aufgefordert, den Kaufpreis zu bezahlen. Diesbezüglich habe er zunächst einen Scheck in Höhe von 600.000 DM ausgefüllt, der von Herrn J, einem ehemaligen Mitarbeiter von Herrn T, am 23.02.2001 an Herrn G in Spanien überreicht worden sei. Da Herr G in Spanien lediglich eine Aktienurkunde (Aktie Nr. 43) im Nennwert von 250,00 EUR des Grundkapitals habe übergeben können, sei vereinbart worden, das die restlichen Aktienurkunden durch Herrn B übergeben werden sollten. Mit Scheck vom 04.03.2001 habe er die zweite Hälfte der Aktien im Nennwert von 375,00 EUR des Grundkapitals bezahlt. Dieser Scheck sei in R am 05.03.2001 an Herrn B überreicht worden. Im Gegenzug habe dieser die noch nicht überreichte Urkunde im Umfang von Aktien im Nennwert von 125,00 EUR des Grundkapitals aus der ersten Tranche sowie die verbrieften Aktien im Nennwert von 375,00 EUR des Grundkapitals der zweiten Tranche überreicht.
Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 18.02.2002 habe er, der Kl., die Aktien Nr. 00043 über 250,00 EUR und Nr. 00049 – 00052 über je 125,00 EUR an seine Schwester, Frau I, für 750,00 EUR veräußert. Denn bereits in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 27.10.2001 sei klar geworden, dass die Aktien ihren Wert im Wesentlichen verloren hätten.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kl. erklärt, dass es ihm in London, nachdem Herr G das System am Computer vorgeführt habe, mit Unterstützung von Herrn T gelungen sei, Herrn B die Zustimmung abzuringen, ihm 750 Aktien bzw. einen Anteil von 1,5 % der AG für 1.200.000,00 DM zu verkaufen. Er habe sich an Herrn B gewandt, da dieser – nach seinem Auftreten während der Präsentation – für die Verteilung der Aktien zuständig gewesen sei. Der Kaufvertrag sei per Handschlag abgeschlossen worden. Das Geld habe bis Mitte März 2001 nach Aufforderung per bestätigtem Bankscheck bezahlt werden sollen. Auch hätten Aktienurkunden überreicht werden sollen. Dieses sei für ihn aber eine Nebensache gewesen. Die technische Abwicklung des Kaufvertrages habe Herr T übernehmen sollen. Dementsprechend habe er nach einem Anruf von Herrn T einen Scheck über 600.000,00 DM ausgestellt. Herr J, ein Mitarbeiter von Herrn T, habe den Scheck dann in Spanien an Herrn G ausgehändigt und dafür die Aktien erhalten. Allerdings sei er nicht selbst dabei gewesen und habe erst später Kenntnis von der genauen Aktienstückelung erhalten.
Der Kl. beantragt,
den ESt-Bescheid für 2002 vom 16.08.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.09.2005 aufzuheben und mit der Maßgabe abzuändern, als aus der Veräußerung der Aktien an der … AG ein Verlust i. H. v. 612.800 EUR anzuerkennen und ggfls. eine Verlustfeststellung nach § 10 d EStG vorzunehmen ist,
hilfsweise,
den Bescheid zum 31.12.2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs vom 16.08.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.09.2005 aufzuheben und mit der Maßgabe abzuändern, einen entsprechenden Spekulationsverlust zu erfassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er meint, im Hinblick auf die Höhe des angeblichen Kaufpreises und in Ermangelung eines schriftlichen Kaufvertrages sowie der Scheckgutschrift auf dem Konto der AG sei der behauptete Kauf der Aktien nicht glaubhaft. Außerdem sei aus dem E-Mail-Verkehr zwischen Herrn T und Herrn G, welche anlässlich der Betriebsprüfung bei der B KG im September 2003 stattgefunden habe, nicht zu entnehmen, dass ein Kaufvertrag schon im Januar 2001 abgeschlossen worden sei. Unabhängig davon könne nicht festgestellt werden, dass der Kl. zumindestens zu 1 % an der AG beteiligt gewesen war. Denn der Kl. begründe seine wesentliche Beteiligung mit dem Erwerb von Nennwert-Aktien im Werte von 750,00 EUR an der AG. Laut Satzung sei deren Gründungskapital von 50.000,00 EUR aber in 50.000 Stückaktien eingeteilt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B über das Thema, unter welchen Umständen am 17.01.2001 ein Erwerb von Aktien an der AG durch den Kl. stattgefunden hat. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Die Insolvenzakte des Amtsgerichts M Az.: … betreffend die AG und die Einkommensteuerakte 2002 des Kl. sind hinzugezogen worden. Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf den Kaufvertrag vom 18.02.2002 zwischen dem Kl. und Frau I sowie auf den dazu in Kopie vorgelegten Einzahlungsbeleg vom 22.02.2002 über 750,00 EUR Bezug genommen.
Gründe
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Zur Überzeugung des erkennenden Gerichtes steht weder fest, dass der Kl. im Streitjahr an der AG beteiligt war noch einen schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch auf eine Beteiligung an der AG an seine Schwester veräußert hat.
Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn (Verlust) aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war, § 17 Abs. 1 S. 1 EStG. Die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft geschieht – bis zur Verkörperung des Anteilsrechts in einer Aktienurkunde – durch Übertragung der Gesellschaftsrechte durch Abtretung nach §§ 398 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), danach durch Übereignung der Urkunde gemäß §§ 929 ff. BGB (vgl. z. B. Urteile des Bundesgerichtshofes – BGH – vom 05.04.1993 II ZR 195/91, BGHZ 122, 180 ff.; Thüringer Finanzgericht vom 09.04.2003 III 313/02, EFG 2004, 334 ff.).
Auf der Präsentationsveranstaltung am 17.01.2001 in London ist der Kl. weder durch Übereignung von Aktienurkunden noch durch Abtretung von Anteilsrechten Mitgesellschafter der AG geworden.
Ersteres ist zwischen den Beteiligten unstreitig, da in London keine Aktienurkunden übergeben wurden.
Gemäß § 398 BGB kann eine Forderung von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Dabei ist die Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderung Voraussetzung für eine wirksame Abtretung (Palandt/Grüneberg, BGB-Kommentar 68. Aufl., § 398 Rz. 14 m. w. N. zur Rspr.). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechungsgrundsätze kann der Senat keine Einigung des Kl. mit dem Zeugen B während der Präsentation in London über den Übergang von bestimmten Gesellschaftsrechten an der AG auf den Kl. feststellen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kl. ausgeführt, dass er nach London zu der Präsentation gereist sei, um eine günstige Investition zu tätigen. Aufgrund der Präsentation sei er so begeistert gewesen, dass er sich unbedingt an der AG habe beteiligen wollen. Tatsächlich sei es ihm dann mit Unterstützung von Herrn T gelungen, dem als Verkäufer der Aktien auftretenden Herrn B die Zustimmung abzuringen, ihm 750 Aktien bzw. einen Anteil von 1,5 % an der AG zu veräußern. Dabei sei der Eindruck vermittelt worden, dass nur noch wenige Aktien zu verteilen seien. Die Anzahl der Aktien und der Kaufpreis seien ihm vorgegeben worden. Letztlich habe er den Vertrag per Handschlag mit Herrn B besiegelt und die weitere Abwicklung Herrn T überlassen. Im Rahmen dieser Verhandlung sei es nicht darum gegangen, wessen Aktien oder wessen Anteilsrechte er habe erwerben sollen. Die Aktienurkunden seien für ihn bei dem Gespräch in London nebensächlich gewesen. Allerdingshatten Urkunden später übergeben werden sollen. Auch der Kaufpreis habe später – ca. bis Mitte März 2001 – nach Aufforderung gezahlt werden sollen.
Diese Einlassung entspricht dem Vortrag des Klägervertreters in der Klagebegründungsschrift vom 17.02.2006. Dort hat der Kl. vortragen lassen, dass er sich gegenüber Herrn Bü verpflichtet habe, Aktien im Nennwert von 750,00 EUR zu erwerben zu einem Kaufpreis von 1.200.000,00 DM. Dabei sei es offen geblieben, ob diese Aktien aus dem Bestand des Herrn G oder anderweitig beschafft werden sollten. Somit hat der Kl. sich nach seinen eigenen Einlassungen lediglich schuldrechtlich zum Erwerb von 750 Aktien bzw. eines Anteils von 1,5 % an der AG verpflichtet. Konkrete Vorstellungen, wessen Aktien oder wessen Gesellschafteranteile an der AG er in London erwerben sollte, hatte er nicht. Vielmehr hatte er ausgesagt, dass die technische Abwicklung der in London getroffenen Vereinbarung durch Herrn T übernommen werden sollte. Damit geht der Kl. selbst davon aus, dass in London das Erfüllungsgeschäft noch nicht zustande gekommen ist.
Die Einlassungen des Kl. werden durch die Aussage des Zeugen B bestätigt. Dieser hat ausgesagt, dass er die Aufgabe hatte, Gesellschaftsanteile des Herrn G in London zu veräußern. Dabei sei seine Vorgabe gewesen, möglichst wenige Aktien bzw. Anteile von Herrn G zu einem möglichst hohen Preis zu veräußern. Die zur Präsentation eingeladenen Investoren – u. a. der Kl. – seien dem Grunde nach schon fest entschlossen gewesen, sich an der Geschäftsidee zu beteiligen. Nach der Präsentation des Web-Portals habe man sich rar gemacht, um den Preis hoch zu halten. Bei der Verhandlung mit Herrn Bü habe er nicht darüber gesprochen, wessen Anteile verkauft werden sollten. Der Vertrag sei per Handschlag beschlossen worden. Die Aktienurkunden habe er ein paar Wochen später ausgefertigt, damit die Käufer etwas in den Händen hielten. Insoweit sei seine Arbeit bzgl. der Stückaktien/Nennbetrag-Aktien „schlampig” gewesen. Diese Formalien seien aber nicht so wichtig gewesen. Wichtig sei es gewesen, den ganzen Apparat mit Geld zu füttern, da z. B. die Standleitungskosten rund 100.000,00 DM im Monat betrugen. Man habe dann das Geld nach Bedarf angefordert und die Aktien übergeben. Somit wollte auch der Zeuge B in London nur Anteile an der AG verkaufen und nicht konkret schon bestimmte Gesellschaftsrechte auf einzelne Personen übertragen.
Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass eine solche Übertragung von Gesellschaftsrechten des Herrn G ohne weiteres möglich gewesen wäre, da dieser während der Präsentation in London zugegen war. Dieses hat der Kl. selbst bekundet. Der Zeuge B wusste als Vorsitzender des Aufsichtsrates der AG, dass das Grundkapital in nicht verbriefte Stückaktien eingeteilt war und daher nur durch Abtretung der Gesellschaftsrechte übertragen werden konnte. Hätte er den Kaufvertrag mit dem Kl. in London schon einseitig erfüllen wollen, so hätte er ohne weiteres eine solche Abtretungserklärung durch den anwesenden Anteilsinhaber, Herrn G, veranlassen können.
Auch die spätere Abwicklung des in London geschlossenen Kaufvertrages zeigt, dass der Kl. und Herr B nicht von einer teilweisen Erfüllung dieses Kaufvertrages in London ausgegangen sind. Denn die Kaufpreiszahlung erfolgte Zug um Zug gegen Übergabe von Nennbetragsaktien. Da in S, Spanien lediglich eine Nennbetragsaktie über 250,00 EUR (Aktie-Nr. 00043) übergeben werden konnte, quittierte Herr G ausdrücklich, dass von den mit Verrechnungsscheck gezahlten 600.000,00 DM ein Teilbetrag von 200.000,00 DM als a-Konto-Zahlung auf Aktien im Nennwert von 125,00 EUR entfallen sind. Einer solchen Einschränkung in der Quittung hätte es nicht bedurft, wenn der Kl. schon in London die Gesellschaftsrechte des Herrn G zu Eigentum erworben hätte.
Der Kl. ist auch nicht durch Übergabe der Nennbetragsaktie über 250,00 EUR der AG Nr. 00043 in Spanien und Übergabe der Nennbetragaktien Nr. 00049 bis Nr. 00052 über jeweils 125,00 EUR der AG in R Gesellschafter der AG geworden.
Durch die sachenrechtlichen Übereignung dieser Papiere konnten keine Gesellschaftsrechte an der AG übertragen werden, da es laut der Satzung der AG keine Nennbetragsaktien gab. Gemäß § 4 Nr. 1 und 2 der Satzung betrug nämlich das Grundkapital der AG 50.000,00 EUR und war in 50.000 Stückaktien, die auf den Inhaber lauten, eingeteilt. Demnach kann nicht festgestellt werden, ob diese Mitgliedschaftsrechte in den ausgegebenen Aktienpapieren lediglich falsch bezeichnet sind oder ob über das Aktiengrundkapital hinaus Aktienpapiere ausgegeben wurden.
Aber auch wenn man unterstellt, dass nur Aktienpapiere mit einem Gesamtnennbetrag in Höhe des Grundkapitals der AG ausgegeben wurden, so läge insoweit keine wirksame Verbriefung der Stückaktien vor. Folge dieser Falschbezeichnung wäre wiederum, dass es sich insoweit noch um unverkörperte Mitgliedschaftsrechte handelte (vgl. auch BGH-Urteil vom 05.04.1993, II ZR 195/91, BGHZ 122, 180 ff.). Verbriefen die Nennbetragsaktien aber keine Gesellschaftsrechte, so konnte der Kl. durch Übergabe der Papiere keine Gesellschafterstellung an der AG erlangen.
Die Übereignung der Aktienpapiere in Spanien und in R kann nicht gleichzeitig als Abtretung von Gesellschaftsrechten nach § 398 ff. BGB ausgelegt werden. Dagegen spricht schon die bei der Übergabe der Aktienpapiere in Spanien ausgestellte Quittung. Durch die dort quittierte a-Konto-Zahlung von 200.000,00 DM für Aktien im Nennwert von 125,00 EUR kommt zum Ausdruck, dass es dem Übergeber des Barschecks (=Herrn J) darauf ankam, für den Scheck Aktien im Nennwert von 375,00 EUR zu erhalten.
Auch bei der Übergabe der Aktienpapiere durch Herrn B in R wurden nicht konkludent bestimmte oder bestimmbare Gesellschaftsrechte abgetreten. Hierzu hat der Zeuge B ausgesagt, dass die Aktienpapiere später nur gefertigt worden seien, damit die Käufer etwas in den Händen hielten. Da neben Herrn G wie später bei der Übergabe der Aktienpapiere mindestens ein weiterer Aktionär, nämlich Herr N oder die D-Holding GmbH an der AG beteiligt waren, kann nicht festgestellt werden, auf welche Gesellschaftsrechte eine stillschweigende in der Übergabe der Aktien liegende Abtretungserklärung sich hätte beziehen sollen.
Der Kl. hat auch keinen Veräußerungsverlust im Sinne des § 17 EStG durch Veräußerung einer schuldrechtlichen Option auf den Erwerb einer Beteiligung an der AG erzielt. Zum einen würde eine solche Verlusterzielung voraussetzen, dass der Kl. zumindestens 1 % an der AG beteiligt war. Durch die Rechtsprechung ist mittlerweile geklärt, dass Anwartschaften bei der Bestimmung der Beteiligungshöhe grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind, ungeachtet ihrer Eigenschaft als möglicher Gegenstand der Veräußerung im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2007 VIII R 14/06, BStBl. II 2008, 475). Eine Beteiligung des Kl. an der AG ist, wie vorstehend ausgeführt, nicht gegeben.
Aber selbst wenn man unterstellt, dass der Kl. in London durch Abschluss des Kaufvertrages eine schuldrechtliche Option auf den Erwerb einer Beteiligung an der AG erworben hätte, hätte er diese Option nicht an seine Schwester veräußert. Der schriftliche Kaufvertrag vom 18.02.2002 bezieht sich ausdrücklich auf die im Eigentum des Kl. stehenden Aktien Nr. 00043 bis Nr. 00052. Die darüber hinaus gehenden Zweifel am Vollzug dieses Vertrages braucht der Senat daher nicht aufzuklären. Solche Zweifel ergeben sich u. a., weil nach dem Vertrag die Käuferin den Betrag innerhalb von 14 Tagen auf ein Konto des Klägers überweisen sollte. Ein Nachweis der Kaufpreiszahlung durch die Schwester ist allerdings bislang nicht erfolgt. Vielmehr hat der Kl. lediglich einen Beleg über eine Bareinzahlung auf das eigene Girokonto von 750,00 EUR vorgelegt. Durch eine Einzahlung des Kl. auf sein eigenes Girokonto wird aber keine Erfüllung des mit seiner Schwester abgeschlossenen Kaufvertrages dokumentiert.
Der Kl. hat keinen steuerlich zu berücksichtigenden Verlust aus einem privaten Veräußerungsgeschäft erzielt, §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften sind nach §§ 22 Satz 1 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nur zu berücksichtigen, wenn der Zeitraum zwischen der Anschaffung und Veräußerung der Wirtschaftsgüter nicht mehr als ein Jahr beträgt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden (vgl. BFH-Urteil vom 02.10.2001, IX R 45/99, BStBl. II 2002, 10, m. w. N.). Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kaufvertrag am 17.01.2001 in London abgeschlossen wurde. Die mit diesem Kaufvertrag erworbenen Wirtschaftsgüter sollten aber laut Vortrag des Kl. erst am 18.02.2002 und damit außerhalb der Jahresfrist weiter veräußert worden sein.
Aus den vorgenannten Gründen sind auch die Hilfsanträge unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).