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  • 21.02.2013

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 25.05.2012 – 6 K 316/06 (Kg)

    1. Nimmt ein volljähriges Kind an einer sog. Qualifizierungs-ABM teil, welche für die Durchführung von Bauarbeiten an einem konkreten Ort beantragt und bewilligt wurde, und wird das Kind ausschließlich für diese Maßnahme eingestellt, ist diese Tätigkeitsstätte bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG als regelmäßige Arbeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG anzusehen.

    2. Dauern die innerhalb der ABM-Maßnahme vom einem gemeinnützigen Verein durchgeführten Bauausführungen länger als sechs Monate, verfügt der Verein am Tätigkeitsort gem. 12 S. 2 Nr. 8 AO auch über eine Betriebsstätte.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 6. Senat durch die Berichterstatterin gemäß §§ 5 Abs. 3 Satz 1, 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung als Einzelrichterin auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25. Mai 2012

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Tatbestand

    Streitig ist die Berücksichtigung des Kindes R. bei der Bewilligung von Kindergeld für den Zeitraum von März bis Dezember 1999.

    R., der am 5. Januar 1979 geboren ist, befand sich bis zum 11. Dezember 1998 in einer Ausbildung zum Maurer im Hochbau, die er ohne Abschluss beendete. Im Januar 1999 meldete er sich arbeitslos. Von März 1999 bis Dezember 1999 nahm er an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) teil, innerhalb derer er seine Ausbildung abschloss, so dass er im Dezember 1999 den Gesellenbrief als Maurer erhielt. Es handelte sich um die Qualifizierungs-ABM Nr. 70002/99, die vom C Deutschlands gemeinnütziger e. V. (C. D.) durchgeführt wurde und die Bezeichnung „Wohnumfeldgestaltung im Feriendorf P., Qualifizierung im Bereich Hochbaufacharbeiter” trug. Das Feriendorf P. befindet sich in einem ca. 9,4 ha großen Waldgrundstück im Außenbereich der Gemeinde P.. Nach der Arbeitsfeldbeschreibung des C. D. lagen die Schwerpunktaufgaben in der Um- und Ausgestaltung der vorhandenen Bausubstanz. Im Rahmen der Maßnahme bauten die Teilnehmer die im Rohbauzustand im Dorf III vorhandenen sechs Bungalows um bzw. stellten diese fertig. Zwei weitere Bungalows wurden zusätzlich im Rohbau gefertigt. Im Dorf I versahen die Teilnehmer sechs Bungalows mit notwendigen Isolierungen und verkleideten diese mit Brettern. In diesem Dorf wurden weitere drei Bungalows fertig gestellt; ferner brachten die Teilnehmer ein Zwischendach an. Im Außenbereich beider Dörfer leisteten die Teilnehmer weitere umfangreiche Arbeiten. Im Dorf III kam die Errichtung eines Grillplatzes und einer Ruhezone hinzu. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Tätigkeitsbericht und die Arbeitsfeldbeschreibung des C. D. verwiesen, die dieser mit Schreiben vom 27. April 2012 übergeben hat. Für R?s Arbeitsvertrag verwendete der C. D. das Formular TN-ABM und trug dort die ABM Nr. 70002/99 ein. Unter § 17 enthält der Vertrag den Text: „Arbeitsort ist der von der Projektleitung bzw. deren Vertreter jeweils festgelegte Einsatzort. Die Arbeitszeit beginnt und endet am Arbeitsort”.

    R. erzielte im Jahr 1999 Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von 22.413,– DM, zu denen er Werbungskosten von 4.413,– DM erklärte. Sein Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen betrug 4.775,– DM. Ferner erhielt er Arbeitslosenbezüge von 1.195,54 DM.

    Bis einschließlich Februar 1999 berücksichtigte die Beklagte R. bei der Kindergeldgewährung an den Kläger. Die weitere Bewilligung für den Zeitraum von März bis Dezember hat die Beklagte abgelehnt. Das Einspruchsverfahren ist ohne Erfolg geblieben.

    Der Kläger ist der Auffassung, R. habe sich im Streitzeitraum in Ausbildung befunden, denn während der Arbeiten in P. habe er auch Unterweisungen erhalten. Zugleich habe eine Einsatzwechseltätigkeit vorgelegen, da das Feriendorf P. nicht seine regelmäßige Arbeitsstätte gewesen sei. Dies folge daraus, dass es sich bei dem Feriendorf nicht um eine Betriebsstätte des C. D. im Sinne von § 12 der Abgabenordnung (AO) gehandelt habe. Eine regelmäßige Arbeitsstätte könne nur bei einer ortsfesten dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers vorliegen. Diese Voraussetzungen erfülle nur die Zweigstelle des C. D. in H., nicht aber das Feriendorf P., da dieses nicht im Eigentum des C. D. gestanden habe. Ferner sei § 17 des Arbeitsvertrages zu beachten. Danach habe die Möglichkeit bestanden, einen anderen Einsatzort für R. festzulegen. So sei es durchaus möglich gewesen, dass bei Bauverzögerungen durch andere Unternehmen (Heizungsbau, Klempnerei und Elektrik) eine andere Einsatzverfügung notwendig geworden wäre. Für R. seien mithin höhere Fahrtkosten und zudem Verpflegungsmehraufwendungen zu berücksichtigen, so dass sich R. Werbungskosten um 3.513,40 DM erhöhten. Damit lägen seine Einkünfte und Bezüge unter dem maßgeblichen Grenzbetrag.

    Der Kläger beantragt,

    die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 4. September 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2006 Kindergeld für seinen Sohn R. für die Monate März bis Dezember 1999 zu bewilligen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sofern R's Tätigkeit beim C. D. als Ausbildung anzusehen sei, scheitere die Bewilligung an der Höhe seiner Einkünfte und Bezüge. Das Feriendorf P. sei R's regelmäßige Arbeitsstätte gewesen, so dass eine Erhöhung der Werbungskosten nicht in Betracht komme.

    Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 15. März 2012 der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.

    Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie die zum Streitfall übergebenen Verwaltungsakten verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage hat keinen Erfolg.

    Die Beklagte hat die Gewährung des Kindergeldes für den streitigen Zeitraum zu Recht versagt, da R's Einkünfte und Bezüge im Jahr 1999 über dem maßgeblichen Grenzbetrag liegen.

    Nach §§ 62 Abs. 1, 32 Abs. 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung besteht ein Anspruch auf Kindergeld für über 18-jährige Kinder, die für einen Beruf ausgebildet werden und deren Einkünfte und Bezüge nicht mehr als 13.020,– DM betragen.

    R's Einkünfte und Bezüge im Jahr 1999 übersteigen diese Grenze. Seine Werbungskosten sind nicht aufgrund einer Einsatzwechseltätigkeit zu erhöhen, da das Feriendorf P. seine regelmäßige Arbeitsstätte war.

    Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist als regelmäßige Arbeitsstätte der Tätigkeitsmittelpunkt eines Arbeitnehmers anzusehen. Das ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Im Regelfall ist dies der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht (zum Ganzen: Urteil des BFH vom 19. Januar 2012, VI R 32/11 m. w. N.).

    Für R. erfüllt die Tätigkeitsstätte in P. diese Voraussetzungen. Sein Arbeitsvertrag bezog sich explizit auf die ABM Nr. 70002/99, die nur an diesem Ort durchgeführt wurde und auch nur für dieses konkrete Projekt beantragt und bewilligt worden war. R. war ausschließlich für die genannte Maßnahme eingestellt. Ein Einsatz außerhalb der für die ABM festgelegten Tätigkeitsstätte war danach für R. nicht vorgesehen. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Klausel in § 17 des Vertragsformulars herleiten. Bei dieser handelt es sich um eine abstrakte Bestimmungsbefugnis, die über die konkrete Einsatzplanung für R. nichts aussagt und insbesondere seine Zuordnung zum Projekt in P. nicht infrage stellt.

    Das Feriendorf P. war auch eine Betriebsstätte des C. D. Gemäß § 12 Satz 2 Nr. 8 AO sind als Betriebsstätten insbesondere Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, anzusehen, wenn die einzelne Bauausführung oder Montage oder eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Bauausführungen oder Montagen oder mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen länger als sechs Monate dauern. Diese Voraussetzung erfüllt die Maßnahme in P., da dort über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten Bauausführungen stattfanden. Entgegen der Auffassung des Klägers setzt eine solche Betriebsstätte nach § 12 Satz 2 AO weder voraus, dass es sich um eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung handelt, noch muss diese im Eigentum des Unternehmens stehen, das die Bauausführung vornimmt. Es kann dahinstehen, ob sich solches aus den Tatbestandsmerkmalen in § 12 Satz 1 AO ableiten lassen könnte. § 12 Satz 2 AO erweitert die Definition der Betriebsstätte um Einrichtungen, die nicht notwendig die Voraussetzungen des Satzes 1 der Norm erfüllen müssen, und um bestimmte Tätigkeiten, wie zum Beispiel Bauausführungen (vgl. Urteil des BFH vom 17. September 2003, I R 12/02, BStBl. II 2004, 400 m. w. N.). Die Maßgaben in § 12 Satz 1 AO sind insofern vorliegend nicht einschlägig.

    Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Urteil des BFH vom 9. Juli 2009 (VI R 21/08) auf das der Kläger ergänzend verweist. Dieses betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt, bei dem der Arbeitnehmer nicht in einer Betriebsstätte des Arbeitgebers tätig war.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

    VorschriftenEStG § 32 Abs. 4 S. 2, EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, EStG § 9 Abs. 1 S. 1, AO § 12 S. 2 Nr. 8