18.02.2013
Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 16.08.2012 – 2 K 1247/10
Der insolvenzbedingte Ausfall des von einem mit 10 % beteiligten, nicht geschäftsführenden GmbH-Gesellschafter gewährten Darlehens führt – anders als die Aufwendungen für den Anteilserwerb – nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten gem. § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 EStG. Die gesellschaftsrechtlichen Eigenkapitalersatzregeln, die bis zum Inkrafttreten des MoMiG zum 1.11.2008 anzuwenden waren, verlangen nach § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a. F. eine mehr als 10 %ige Beteiligung, um ein Darlehen als eigenkapitalersetzend anzusehen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Anerkennung eines Verlustes aus einer GmbH-Beteiligung gemäß § 17 EStG bei der Einkommensteuer für 2007.
Die Kläger sind Eheleute und werden vom Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb im Dezember 2006 einen Geschäftsanteil in Höhe von x.xxx EUR an der im März desselben Jahres gegründeten G-GmbH – GmbH –, deren Stammkapital xx.xxx EUR betrug und zur Hälfte von den Gründungsgesellschaftern eingezahlt worden war. Aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 12. September 2007 wurde die GmbH liquidiert. Vom Finanzamt I wurde am 16. November 2007 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt, den das Amtsgericht I mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse (§ 26 InsO) abwies. Dies war dem Beklagten am 29. Oktober 2008 zur Kenntnis gegeben worden.
Der Kläger leistete mehrere Zahlungen an die GmbH, und zwar am 9. Juni 2006 in Höhe von xx.xxx EUR, am 29. August 2006 in Höhe von xx.xxx EUR sowie am 29. September 2006 in Höhe von x.xxx EUR (insgesamt xxx.xxx EUR). Am 29. Dezember 2006 – dem Tag des Anteilserwerbs – schloss der Kläger mit der GmbH einen Darlehensvertrag über die Gewährung eines Darlehens in Höhe von xx.xxx EUR „gegen entsprechende Firmenanteile von 10% von xx.xxx EUR = x.xxx EUR”. Dabei vereinbarten die Vertragsparteien, dass die vorstehenden Zahlungen insgesamt als Darlehenssumme sowie als Entgelt für den Anteilserwerb gelten sollten. Gegenstand des Vertrags war außerdem eine Rangrücktrittsvereinbarung, nach welcher der Kläger zur Abwendung einer möglichen Überschuldung im Sinne der handels- und insolvenzrechtlichen Vorschriften mit seiner persönlichen Forderung einschließlich aller Zinsansprüche hinter die Forderungen aller Gläubiger in der Weise zurücktreten sollte, dass seine Forderung nur aus zukünftigen Jahresabschlüssen, aus einem Liquidationsüberschuss oder nach Überwindung der Krise aus einem die sonstigen Schulden übersteigenden Vermögen zu begleichen ist.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb (§ 17 EStG) einen Veräußerungsverlust in Höhe von xxx.xxx EUR geltend. Sie begründeten dies mit dem Verlust des Stammkapitals in Höhe von x.xxx EUR und des Darlehens in Höhe von xx.xxx EUR infolge der Liquidation und Insolvenz der GmbH. Der Beklagte erließ am 16. März 2009 einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr. Hierin lehnte er die Berücksichtigung des Verlustes in vollem Umfang ab und begründete dies mit der Ablehnung der Insolvenzeröffnung mangels Masse im Jahr 2008.
Hiergegen legte der Kläger am 14. April 2009 Einspruch ein, dem der Beklagte insoweit stattgab, als er unter Berufung auf § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG die Hälfte der Anschaffungskosten für den GmbH-Anteil, also x.xxx EUR, als Verlust anerkannte. In seiner Einspruchsentscheidung vom 31. März 2010 setzte er die Einkommensteuer für das Streitjahr entsprechend fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Am 2. Mai 2010 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, der Verlust nach § 17 EStG sei anzuerkennen, weil bereits eine Beteiligung von 1% am Stammkapital einer GmbH ausreiche, um Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erzielen. Die GmbH habe sich bei Erwerb der Anteile in einer Krise befunden, da sie nicht handlungsfähig gewesen sei. Der weitere Gesellschafter der GmbH, Herr T, habe den auf ihn entfallenden Anteil am Stammkapital nicht eingezahlt und die Hausbank sei nicht bereit gewesen, der GmbH ein Darlehen zu gewähren. Daher sei das Darlehen, das der Kläger unter Vereinbarung eines Rangrücktritts gewährt habe, als funktionales Eigenkapital anzusehen. Die Darlehensgewährung sei nicht aus familiären Gründen erfolgt, sondern im Hinblick auf die jahrelange Beschäftigung des Klägers mit erneuerbaren Energien. Dass das Darlehen bereits zu einem Zeitpunkt ausgezahlt worden sei, als der Kläger noch nicht Gesellschafter der GmbH gewesen sei, sei ausschließlich auf die ungeklärte Frage der Geschäftsführung zurückzuführen gewesen. Die GmbH habe zudem wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet, indem sie die Beteiligung an einem neuen Unternehmen erworben und an dieses Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens vermietet habe. Das Darlehen sei daher bei seiner Hingabe werthaltig gewesen.
Weder habe die GmbH jemals Rückzahlungen gegenüber dem Kläger vorgenommen, noch habe der Kläger jemals Einnahmen aus seiner Beteiligung erzielt. Daher greife das Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG im Streitfall nicht. Nach der Rechtsprechung des BFH sei der Verlust deshalb in voller Höhe anzuerkennen. Dem sei der Beklagte in einem gleichgelagerten Fall gefolgt und habe dort den geltend gemachten Verlust in vollem Umfang anerkannt. Die hierdurch begründete Ungleichbehandlung könne nicht nachvollzogen werden und sei rechtswidrig.
Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung angekündigt hat, dem ursprünglichen Klagebegehren insoweit abzuhelfen, als die Kläger die Berücksichtigung des Verlusts des Geschäftsanteils in Höhe von x.xxx EUR und nicht lediglich zur Hälfte begehren, beantragen die Kläger,
unter Änderung des Bescheids für 2007 über Einkommensteuer vom 16. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. März 2010 die Einkommensteuer für 2007 unter Berücksichtigung eines weiteren Verlustes bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG in Höhe von xx.xxx EUR neu festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung und führt ergänzend im Wesentlichen aus, die Berücksichtigung des Darlehens als Verlust nach § 17 EStG komme nicht in Betracht. Denn dies setze voraus, dass es sich um ein eigenkapitalersetzendes Darlehen handele. Dies komme nach § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG nur in Betracht, wenn ein Gesellschafter nicht Geschäftsführer sei und nicht mit 10% oder weniger am Stammkapital beteiligt sei. Diese Voraussetzung erfülle der Kläger nicht, da er einen Anteil von genau 10% innegehabt habe. Ebensowenig sei § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG einschlägig, da sich die GmbH bei Hingabe des Darlehens nicht in einer Krise befunden habe. Im Übrigen finde das Halbeinkünfteverfahren und damit das Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG auch im Streitfall Anwendung.
Ungeachtet dessen sei zu berücksichtigen, dass der Kläger das Darlehen zu einem Zeitpunkt gewährt habe, als er noch nicht Gesellschafter der GmbH gewesen sei. Daher beruhe die Darlehensgewährung auf privaten Beweggründen. Berücksichtigungsfähig sei der insoweit eingetretene Verlust aber nur dann, wenn die Wertminderung nach Begründung der wesentlichen Beteiligung eingetreten sei. Im Streitfall lägen diese Voraussetzungen nicht vor, wie aus dem im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens erstatteten Gutachten folge. Hieraus ergebe sich, dass das vom Kläger hingegebene Darlehen bereits bei Erwerb der Beteiligung nicht mehr werthaltig gewesen sei. Mit dem zu jenem Zeitpunkt nachgeschobenen Darlehensvertrag habe der Kläger lediglich versucht, den Verlust steuerlich nutzbar zu machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig, nachdem der Beklagte dem Klagebegehren teilweise abhelfen will. Denn der Verlust aus dem vom Kläger gewährten Darlehen führte nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung.
1. Der Kläger hat Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4EStG erzielt, weil er einen Verlust (§ 17 Abs. 2 und Abs. 3 EStG) aus der Auflösung der GmbH, an der er innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Auflösung unmittelbar zu mindestens 1% – dies war im Streitjahr die maßgebliche Beteiligungsgrenze – beteiligt war.
1.1 Die GmbH wurde durch den Beschluss des Amtsgerichts I – Insolvenzgericht – vom 28. Oktober 2008 yy IN yy/yy gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelöst. Sie war daher gemäß § 394 Abs. 1 Satz 2 FamFG von Amts wegen aus dem Handelsregister zu löschen.
1.2 Der Kläger erwarb am 29. Dezember 2006 10% am Stammkapital der GmbH und war daher unmittelbar beteiligt im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG.
1.3 Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb war indessen kein nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 EStG ermittelter Auflösungsverlust zu berücksichtigen (§ 17 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 EStG).
Auflösungsverlust ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH vom 9. Juni 2010 IX R 52/09, BStBl II 2010, 1102; vom 14. März 2012 IX R 37/11, BStBl II 2012, 487).
1.3.1 Der insolvenzbedingte Ausfall des vom Kläger gewährten Darlehens führt – anders als die Aufwendungen des Klägers für den Anteilserwerb – nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe von xx.xxx EUR.
Zu den Anschaffungskosten gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Zu in diesem Sinne funktionellem Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft (§ 32a GmbHG a.F.) beispielsweise ein Darlehen gewährt (§ 32a Abs. 1 GmbHG a.F.) und diese Finanzierungsmaßnahmen eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Maßgebend dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt (vgl. die ständige Rechtsprechung, zum Beispiel BFH vom 7. Dezember 2010 IX R 16/10, BFH/NV 2011, 778 mit weiteren Nachweisen).
Die Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Eigenkapitalersatzregelungen, die bis zum Inkrafttreten des Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 zum 1. November 2008 (MoMiG) anzuwenden waren (§ 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F., vgl. nunmehr § 39 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 5 InsO), setzt indessen voraus, dass ein nicht geschäftsführender Gesellschafter an der Gesellschaft mit mehr als 10% beteiligt ist („… gilt nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft …, der mit 10% oder weniger am Haftkapital beteiligt ist …”). Da der Kläger nicht Geschäftsführer der GmbH war und genau 10% des Stammkapitals hielt, gilt das von ihm gewährte Darlehen nach diesen Regelungen nicht als eigenkapitalersetzend (vgl. hierzu Niedersächsisches FG vom 22. November 2011, 8 K 199/09, EFG 2012, 1139).
Die Beteiligungsgrenze für die Behandlung einer Finanzierungsmaßnahme als funktionales Eigenkapital ist somit nicht deckungsgleich mit der im Rahmen des § 17 EStG maßgeblichen Beteiligungsgrenze, welche bereits ab 1 % eingreift. Darlehen von nicht geschäftsführenden Gesellschaftern – wie dem Kläger –, die zu nicht mehr als 10 % beteiligt sind, behalten folglich ihre Funktion als Fremdkapital und führen nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschafter ein krisenbestimmtes Darlehen oder einen Finanzplankredit gewährt hat, da insoweit die Regeln für den Eigenkapitalersatz entsprechend anzuwenden sind (FG Köln vom 25. Juni 2009 10 K 266/06, EFG 2009, 1740). Es entspricht der Rechtsprechung des BFH, dass die Beurteilung nachträglicher Anschaffungskosten im Sinne von § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG nach Maßgabe des zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzrechts erfolgt (vgl. zum Beispiel BFH vom 2. April 2008 IX R 76/06, BStBl II 2008, 706).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, da die Kläger nur zu einem geringen Teil – bezüglich der 50% des Geschäftsanteils – Erfolg hatten.
3. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Rechtsfortbildung zuzulassen, weil die Frage der Behandlung einer Finanzierungsmaßnahme als funktionales Eigenkapital für Kleinbeteiligungen bis zur Beteiligungsgrenze von 10% bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden ist. Die genannte Rechtsfrage ist nach Ansicht des Senats auch noch nach Inkrafttreten des neuen GmbH-Rechts zum 1. November 2008 bedeutsam.