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  • 14.02.2013

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 23.07.2012 – 6 K 2522/09

    § 8b Abs. 5 KStG 2002 (Gewinnerhöhung um 5 % der Bezüge) ist auf Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz in Drittstaaten aufgrund der Verletzung der Kapitalsverkehrs- und Niederlassungsfreiheit nicht anzuwenden.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2012 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richterin … Ehrenamtlicher Richter …

    für Recht erkannt:

    1. Die Bescheide über Körperschaftsteuer für 2002 und 2003, jeweils vom 24. August 2007, in der Form der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2008 werden geändert. Die Körperschaftsteuer 2002 wird unter Berücksichtigung weiterer abziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 1.746 EUR und die Körperschaftsteuer 2003 unter Berücksichtigung weiterer abziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 148.514 EUR festgesetzt. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung zu errechnen, der Klägerin das Ergebnis der Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.

    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Klage betrifft die Anwendbarkeit des § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes in der bis zur Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuerbegünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 geltenden Fassung (KStG 2002 a.F.).

    Die Klägerin ist eine im Jahr 1996 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand des Unternehmens sind der Import und Export sowie der Handel mit genehmigungsfreien Waren aller Art, insbesondere Schuh-, Lederwaren und Textilien, die Übernahme von Handelsvertretungen sowie die Erbringung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Marktforschung und Marktanalyse.

    Die Klägerin war in den Streitjahren 2002 und 2003 an folgenden Gesellschaften beteiligt:

    FirmaAnteilsbesitz zum 31.12.2001Anteilsbesitz zum 31.12.2002Anteilsbesitz zum 31.12.2003
    X, GmbH nach usbekischem Recht100,00 %100,00 %
    Y, GmbH nach weißrussischem Recht61,00 %53,70 %53,70 %
    Z, GmbH nach russischem Recht100,00 %100,00 %
    Aus diesen Beteiligungen wurden im Veranlagungszeitraum 2002 folgende Beteiligungseinkünfte (Gewinnausschüttungen) vereinnahmt:

    FirmaEinkünfte bruttohiervon 5 %
    X GmbHEUR15.854,87EUR792,00
    Y GmbHEUR19.078,27EUR954,00
    SummeEUR34.933,14EUR1.746,00
    Im Veranlagungszeitraum 2003 wurden folgende Beteiligungseinkünfte (Gewinnausschüttungen) vereinnahmt:

    FirmaEinkünfte bruttohiervon 5 %
    Z GmbHEUR2.948.812,42EUR147.440,00
    Y GmbHEUR21.480,00EUR1.074,00
    SummeEUR2.970.292,42EUR148.514,00
    In ihren Körperschaftsteuererklärungen für 2002 und 2003 erklärte die Klägerin nicht abziehbare Aufwendungen im Sinne von § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. in Höhe von 1.746 EUR und 148.514 EUR und wurde insoweit in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Körperschaftsteuerbescheiden für 2002 vom 30. Januar 2004 und für 2003 vom 12. November 2004 antragsgemäß veranlagt.

    Im Rahmen einer bei der Klägerin im März 2007 durchgeführten Außenprüfung beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. August 2006 I R 95/05 (BStBl II 2007, 279), die pauschale Kürzung nichtabziehbarer Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. rückgängig zu machen. Dem folgte die Prüferin ausweislich des Prüfungsberichts vom 10. Mai 2007 mit der Begründung nicht, dass das Bundesministerium der Finanzen (BMF) insoweit mit einem Nichtanwendungserlass reagiert habe (BMF-Schreiben vom 21. März 2007, BStBl I 2007, 302).

    Dementsprechend erließ der Beklagte unter dem 24. August 2007 einen aus anderen Gründen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2002 und einen Körperschaftsteuerbescheid für 2003, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, in denen es bei der Kürzung des Betriebsausgabenabzugs verblieb.

    Hiergegen erhob die Klägerin Einsprüche, die die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2008 als unbegründet zurückwies.

    Das vorliegende Klageverfahren hat im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof anhängige Revisionsverfahren I R 7/08 geruht. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 26. November 2008 (I R 7/08, BFH/NV 2009, 849) erneut entschieden, dass § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. sowohl gegen die gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheit der freien Wahl der Niederlassung nach Art. 43 und 48 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften – EG –, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. C-340, 1) als auch gegen die Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs nach Art. 56 und 58 EG verstoße und deswegen auch gegenüber sog. Drittstaaten unanwendbar sei. Die Verfassungsbeschwerde des betroffenen Finanzamts hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (2 BvR 862/09, StE 2012, 290).

    Die Klägerin trägt vor, die von dem Beklagten und im Nichtanwendungserlass vertretene Rechtsauffassung stehe im Widerspruch zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. August 2006 (aaO), in dem der Bundesfinanzhof einen Verstoß von § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften bejahe und die Vorschrift für nicht anwendbar erkläre. Kernproblem sei die Frage, in welchem Verhältnis das gemeinschaftsrechtliche Beschränkungsverbot der freien Wahl der Niederlassung gemäß Art. 43, 48 EG zu der Freiheit des Kapitalverkehrs nach Art. 56 EG stehe. Während die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG lediglich im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden sei, entfalte die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG ihre Schutzwirkung grundsätzlich für alle Arten von Beteiligungen, d. h. sowohl für Beteiligungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch für Beteiligungen in Drittstaaten. Im vorliegenden Fall bestünden Kontrollbeteiligungen ausschließlich in Drittstaaten. Das BMF vertrete die Auffassung, dass im Falle des Vorliegens einer Kontrollbeteiligung ausschließlich die Regelungen zur Niederlassungsfreiheit anzuwenden seien, während für die Regelungen zur Kapitalverkehrsfreiheit in diesen Fällen kein Raum mehr bleibe. Diese Rechtsauffassung widerspreche jedoch der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach Art. 56 EG neben Art. 43 EG anwendbar sei, wenn die beschränkende nationale Norm in ihren Tatbestandsmerkmalen keine Beteiligungsschwelle vorsehe (unter Bezug auf das Urteil des EuGH vom 24. Mai 2007 C-157/05 „Holböck”, Slg. 2007, I-4051). § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. greife unabhängig vom Umfang der Beteiligung ein, sodass der Schutzbereich des Art. 56 EG neben dem des Art. 43 EG eröffnet sei.

    Da § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. in den betreffenden Veranlagungszeiträumen lediglich auf Auslandsbeteiligungen anzuwenden gewesen sei, liege ein Verstoß gegen Art. 56 EG vor, der dazu führe, dass diese Vorschrift wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht nicht angewendet werden dürfe. Beteiligungsaufwendungen, die bei Nichtanwendung von § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. nach § 3c des Einkommensteuergesetzes (EStG) hinzugerechnet werden müssten, lägen nicht vor, sodass die geltend gemachten Betriebsausgaben zusätzlich zum Abzug zuzulassen seien. Auch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. November 2008 (aaO) sei für den vorliegenden Sachverhalt eindeutig, es sei zu ihren Gunsten zu entscheiden.

    Die Klägerin beantragt,

    die Bescheide über Körperschaftsteuer für 2002 und 2003, jeweils vom 24. August 2007, in der Form der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2008 zu ändern und die Körperschaftsteuer 2002 unter Berücksichtigung weiterer abziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 1.746 EUR und die Körperschaftsteuer 2003 unter Berücksichtigung weiterer abziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 148.514 EUR festzusetzen,

    hilfsweise für den Fall des teilweisen oder völligen Unterliegens Zulassung der Revision.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise für den Fall des teilweisen oder völligen Unterliegens Zulassung der Revision,

    höchst hilfsweise ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den EuGH zu richten.

    Er trägt vor, bei der Prüfung, welche EG-Grundfreiheiten bei der Anwendung von § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. auf Mehrheitsbeteiligungen an Kapitalgesellschaften in Drittstaaten zu beachten seien, sei nicht auf die abstrakten, sondern auf die konkreten Verhältnisse und Auswirkungen im Einzelfall abzustellen. Diese Auffassung werde von der Steuerverwaltung dem BMF-Schreiben vom 21. März 2007 (aaO) entsprechend bundesweit vertreten. Der EuGH habe zwar wiederholt betont, dass bei der Prüfung, unter welche EG-Verkehrsfreiheit eine nationale Rechtsvorschrift falle, der Gegenstand der nationalen Regelung zu berücksichtigen sei. In den Entscheidungen, auf die der EuGH sich dabei bezogen habe, habe er allerdings gleichwohl auf die gesamten Umstände und damit auf die konkreten Auswirkungen im Einzelfall abgestellt. So habe der EuGH in seinem Urteil vom 13. April 2000 (C-251/98 „Baars”, Slg. 2000, I-2787) ausschließlich die Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 ff. EG geprüft, obwohl die nationale Rechtsvorschrift sich nicht nur auf Mehrheitsbeteiligungen (Kontrollbeteiligungen) beschränkt habe, sondern auch für niedrigere (wesentliche) Beteiligungen gegolten habe. Würde man der Auffassung der Klägerin folgen, hätte der EuGH in dem Verfahren in erster Linie die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschrift mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 ff. EG prüfen müssen. Auch dem EuGH-Urteil vom 24. Mai 2007 (aaO) lasse sich letztlich nicht entnehmen, ob die Kapitalverkehrsfreiheit für Mehrheitsbeteiligungen (Kontrollbeteiligungen) gelte, wenn die nationale Regelung wie § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. nicht auf solche Beteiligungen beschränkt sei. Der EuGH habe in dem Urteil zwar erneut betont, dass die Prüfung der in Frage kommenden EG-Grundfreiheiten anhand des Gegenstands der betreffenden nationalen Rechtsvorschrift vorzunehmen sei. Gleichwohl habe er anschließend eine Alternativprüfung sowohl der Niederlassungs- als auch der Kapitalverkehrsfreiheit vorgenommen. Nach seiner Auffassung spreche die Entscheidung des EuGH eher dafür, dass die Kapitalverkehrsfreiheit in solchen Fällen nicht zur Anwendung komme. Nur wenn man auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abstelle, machten die Ausführungen des EuGH Sinn, dass nationale Besteuerungsvorschriften, deren Anwendung nicht vom Umfang der Beteiligung der die Dividenden beziehenden Gesellschaft an der ausschüttenden Gesellschaft abhänge, sowohl unter Art. 43 EG als auch unter Art. 56 EG fallen könnten (unter Bezug auf EuGH, Beschluss vom 23. April 2008 C-201/05 „Test Claimants in the CFC Dividend Group Litigation”, Slg. 2008, I-2875). Es sei Sache des vorlegenden nationalen Gerichts, im Hinblick auf den Gegenstand der nationalen Regelung sowie den Sachverhalt der Rechtssache zu bestimmen, welche Verkehrsfreiheit geltend gemacht werden könne. Handele es sich dabei um Beteiligungen, die ihrem Inhaber einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betroffenen Gesellschaften verschafften und es ihm ermöglichten, deren Tätigkeiten zu bestimmen (Kontrollbeteiligungen), fänden ausschließlich die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit Anwendung (unter Bezug auf EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 C-284/06 „Burda”, IStR 2008, 515, Beschluss vom 4. Juni 2009 C-439/07 „KBC Bank”, C-499/07 „Beheer”, Slg. 2009, I-4409). In der vorliegenden Rechtssache gehe es ausschließlich um die Auswirkungen von § 8b Abs. 5 KStG 2002 a. F. auf Kontrollbeteiligungen der Klägerin. Unter diesen Umständen sei allein die Niederlassungsfreiheit i.S. von Art. 43 EG anwendbar. Sollte § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. auch den freien Kapitalverkehr einschränken, wäre dies allenfalls eine unvermeidliche Konsequenz der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Eine eigenständige Prüfung der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG sei in einem solchen Fall ausgeschlossen (EuGH, Urteile vom 12. September 2006 C-196/04 „Cadburry Schweppes”, Slg. 2006, I-7995, und vom 23. Oktober 2007 C-112/05, BB 2007, 2423). Da mit der Niederlassungsfreiheit ein Drittstaatenschutz nicht verbunden sei, stünden gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen der Anwendung von § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. auf Kontrollbeteiligungen an Kapitalgesellschaften in Drittstaaten nicht entgegen.

    Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten (je ein Heft Körperschaftsteuer- und Betriebsprüfungsakten, je ein Heft Allgemeine Akten und Bilanzakten) Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    Die Körperschaftsteuerbescheide für 2002 und 2003, jeweils vom 24. August 2007, in der Form der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2008 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

    Der Beklagte hat den Gewinn der Klägerin zu Unrecht gemäß § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. um 5 % der hier streitigen Bezüge aus Anteilen an ausländischen Gesellschaften erhöht.

    Gemäß § 8b Abs. 1 KStG 2002 a.F. sind die Erträge von Körperschaften aus Beteiligungen an anderen Körperschaften bei der Einkommensermittlung der empfangenden Gesellschaft außer Ansatz zu lassen. Von den steuerfreien Beteiligungserträgen aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft werden nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. allerdings 5 % fiktiv als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt (sog. Schachtelstrafe).

    Insoweit hat der Bundesfinanzhof unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH bereits entschieden, dass die vorgenannte Fiktion von Betriebsausgaben und das vorgenannte Abzugsverbot infolge des gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs auf einen mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt nicht anzuwenden sind. Denn die Fiktion ebenso wie die Nichtabziehbarkeit von Betriebsausgaben gemäß § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. erfassen nur Auslandsbeteiligungen und verstoßen deswegen gegen das gemeinschaftsrechtliche Beschränkungsverbot der freien Wahl der Niederlassung gemäß Art. 43, Art. 48 EG (jetzt Art. 49 i.V.m. Art. 54 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01) und damit gegen primäres Gemeinschaftsrecht. Der Bundesfinanzhof hat darüber hinaus erkannt, dass die geschilderte gesetzliche Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen nicht nur gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG (Art. 49 AEUV), sondern zugleich auch gegen das Verbot der Beschränkung des Kapitalverkehrs nach Art. 56, Art. 58 EG (jetzt Art. 63, Art. 65 AEUV) verstößt.

    Denn für die Beantwortung der Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder unter die andere Grundfreiheit (oder unter beide Grundfreiheiten) fällt, ist nach der Rechtsprechung des EuGH auf den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung abzustellen. Nationale Bestimmungen, die nur auf solche Beteiligungen anwendbar sind, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen, fallen danach unter die Niederlassungsfreiheit. Insofern betreffen Rechtsvorschriften, die nur die Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe regeln, vorwiegend die Niederlassungsfreiheit. Wenn mit solchen Vorschriften gleichzeitig Auswirkungen auf die Kapitalverkehrsfreiheit verbunden sind, rechtfertigt dies keine eigenständige Prüfung der Art. 56 ff. EG (Art. 63 AEUV), weil diese Auswirkungen lediglich als zwangsläufige Folge einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen sind.

    § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. gilt seinen Regelungsvoraussetzungen und -wirkungen nach unabhängig von der Beteiligungshöhe und somit nicht nur für Direktinvestitionen, sondern auch für Streubesitzanteile an einer Kapitalgesellschaft. Zwar handelt es sich bei dieser Bestimmung gleichwohl um eine solche, die die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft voraussetzt. Insbesondere § 8b Abs. 1 und 2 KStG 2002 a.F. steht im Kontext des sog. Halbeinkünfteverfahrens; die Vorschrift verhindert für verbundene Gesellschaften die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne mit Körperschaftsteuer. So gesehen betrifft strenggenommen auch § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. (nur) die „Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe”. Eine derartige Sichtweise wird dem Regelungsgehalt des § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. jedoch nicht gerecht. Denn letzten Endes wird mittels dieser Vorschrift lediglich das allgemeine Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG 2002 (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 a.F.), wonach Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen, für die Zwecke des § 8b Abs. 1 KStG 2002 a.F. pauschaliert und quantifiziert. Anders als die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG 2002 a.F. selbst regelt die insoweit nur ergänzende Vorschrift also nicht subjektübergreifend die (wechselseitigen) „Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe” und erfordert auch keinen „sicheren Einfluss” auf die Beteiligungsgesellschaft. Sie betrifft vielmehr vorbehaltlos und ausschließlich die Besteuerung der Obergesellschaft und ersetzt bei dieser den ansonsten einschlägigen, allgemein wirkenden Abzugsausschluss von Betriebsausgaben nach § 3c Abs. 1 EStG 2002. Das Halten einer Kontrollbeteiligung hindert es im Ergebnis also nicht, dass Sachverhalte nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. sowohl in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit als auch in jenen der Kapitalverkehrsfreiheit fallen.

    Infolge der Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen wird die damit zu prüfende Kapitalverkehrsfreiheit ebenso verletzt wie die Niederlassungsfreiheit. Das hat wiederum zur Konsequenz, dass § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. nicht nur bezogen auf Auslandsbeteiligungen innerhalb der Europäischen Union, sondern auch bezogen auf die Auslandsbeteiligungen in sog. Drittstaaten unanwendbar bleibt. Denn die Kapitalverkehrsfreiheit verbietet nach Art. 56 EG (Art. 63 AEUV) alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern (vgl. BFH, Urteile vom 9. August 2006 (aaO) und vom 26. November 2008 (aaO), mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH).

    Der erkennende Senat folgt dem Bundesfinanzhof und sieht sich in dieser Auffassung durch die Urteile des Finanzgerichts Köln vom 24. Februar 2011 (13 K 80/06, EFG 2011, 1651) und vom 22. November 2011 (13 K 2853/07, EFG 2012, 1085) und die jüngste Entscheidung des EuGH vom 19. Juli 2012 (C-31/11) bestätigt:

    In dem Vorabentscheidungsverfahren hat der EuGH erneut entschieden, dass nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung für die Feststellung, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Verkehrsfreiheit falle, auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen sei. Aus den zu prüfenden Vorschriften (§ 13a Abs. 1 und 2 i.V.m. § 13a Abs. 4 Nr. 3 des Erbschaftsteuergesetzes) ergebe sich, dass die Möglichkeit, die fraglichen Steuervergünstigungen in Anspruch zu nehmen, davon abhänge, dass eine unmittelbare Beteiligung am Gesellschaftskapital von mehr als 25 % gehalten werde. Somit habe der deutsche Gesetzgeber für die Gewährung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuervergünstigungen eine Mindestbeteiligung vorgesehen, die es dem Inhaber der Anteile an einer Kapitalgesellschaft ermögliche, Einfluss auf ihre Verwaltung und Kontrolle zu nehmen, und er habe Voraussetzungen aufgestellt, die sicher stellen sollten, dass der Anteilsinhaber nicht in der alleinigen Absicht einer Geldanlage tätig werde. Daher sei davon auszugehen, dass die fragliche Regelung vorwiegend die Niederlassungsfreiheit berühre und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs allein in den Anwendungsbereich der Bestimmungen über den Vertrag falle, die diese Freiheit beträfen.

    Der danach maßgebliche Regelungsbereich des § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. sieht eine Mindestbeteiligung nicht vor, sodass er in den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fällt, mit der Folge, dass § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. in Folge der Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen nicht nur bezogen auf Auslandsbeteiligungen innerhalb der Europäischen Union, sondern auch bezogen auf die hier streitigen Auslandsbeteiligungen in sog. Drittstaaten unanwendbar bleibt.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Revision wird im Hinblick auf die beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionsverfahren I R 40/11 und I R 7/12 zugelassen (§ 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FGO). Nachdem der Senat hiermit dem Hilfsantrag des Beklagten gefolgt ist, sieht er von einer Entscheidung über das weiter hilfsweise beantragte Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH ab, zu dem der Senat gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV ohnehin nicht verpflichtet wäre.

    VorschriftenKStG 2002 § 8b Abs. 5, EG Art. 43, EG Art. 48, EG Art. 56, EG Art. 58, AEUV Art. 49, AEUV Art. 54, AEUV Art. 63, AEUV Art. 65