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  • 14.02.2013

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 17.02.2011 – 4 K 1286/10

    Hat das Kind in der elterlichen Wohnung keinen eigenen Hausstand, so können Aufwendungen für eine Unterkunft am Ausbildungsort auch dann nicht abzogen werden, wenn ohne Anmietung der Unterkunft höhere Fahrtkosten angefallen wären.


    Tatbestand

    Strittig ist, ob Mietaufwendungen für eine Unterkunft am Ausbildungsort bei der Ermittlung der Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigen sind.

    Durch Bescheid vom 7. August 2009 (Blatt 127/128 KiG-A) hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für die Tochter S der Klägerin, geboren am 30. Januar 1987 (Blatt 1 KiG-A), für den Zeitraum von Januar 2008 bis Dezember 2008 gemäß § 70 Abs. 4 EStG auf und forderte zugleich das gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.848 € nach § 39 Abs. 2 AO zurück. Ihre Entscheidung begründete die Beklagte damit, die Einkünfte und Bezüge der über 18 Jahre alten Tochter hätten die im Jahr 2008 geltende Einkommensgrenze von 7.680 € überstiegen.

    Gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid wandte die Klägerin in ihrem Einspruchschreiben vom 2. September 2009 (Blatt 142/143 KiG-A) ein, dass dies nicht zutreffe, da die Einkünfte der Tochter laut Gehaltsmitteilung für den Monat Dezember 2008 (Blatt 145 KiG-A) nach Abzug von Aufwendungen für Miete und Nebenkosten (2.068,32 €), für 48 Familienheimfahrten (532,80 €), für Arbeitsmittel (102 €), für 212 durchgeführte Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (445,20 €) und für Kontogebühren (16 €) lediglich 6.181,11 € betragen hätte. Im Antwortschreiben vom 4. September 2009 (Blatt 149/150 KiG-A) forderte die Beklagte die Klägerin dazu auf, die Voraussetzungen für das Vorliegen einer „echten doppelten Haushaltsführung” nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG nachzuweisen und die geltend gemachten weiteren Werbungskosten ebenfalls zu belegen. Am 20. Oktober 2009 erwiderte die Klägerin, dass die Aufwendungen für Miete und Nebenkosten berufsbedingt erforderlich gewesen seien; Belege für die Arbeitsmittel und für Kontoführungsgebühren könnten nicht beigebracht werden, da diese nicht aufgehoben worden seien (Blatt 159 KiG-A). Auch unter Außerachtlassung der Aufwendungen für Arbeitsmittel und Kontoführungsgebühren würde der Grenzbetrag unterschritten, da sich die Einkünfte ihrer Tochter nach Abzug von Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (532,80 €) und der besonderen Ausbildungskosten in Form der Miete und Nebenkosten (2.068,32 €) auf 6.644,31 € (= 9.245,43 € Arbeitslohn nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge abzüglich 532,80 € Fahrtkosten abzüglich 2.068,32 € Mietaufwendungen) beliefen. Zu den besonderen Ausbildungskosten sei mitzuteilen, dass S den Beruf „Ausbildung als Krankenpflegerin” gewählt habe. Bedingt durch Schichtarbeiten habe S im Schwesternwohnheim eine Unterkunft anmieten müssen (Blatt 165/166 KiG-A). Den Einspruch wies die Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2010 (Blatt 174-179 KiG-A) als unbegründet zurück und führte hierzu aus: Nach den Angaben in der Gehaltsmitteilung für den Monat Dezember 2008 habe die Tochter S im Kalenderjahr 2008 einen Gesamtbetrag der Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von insgesamt 9.245,43 € (= 12.519,83 € abzüglich 3.274,40 € Sozialversicherungsbeiträge) erzielt. Hiervon sei der Arbeitnehmerpauschbetrag (920 €) abzuziehen, da die zu berücksichtigenden Werbungskosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte lediglich 532,80 € (= 48 Tage x 37 km x 0,30 €) ausgemacht hätten. Die anzurechnenden Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit würden folglich 8.325,43 € (= 9.245,43 € Gesamtbetrag der Einkünfte abzüglich 920 € Arbeitnehmerpauschbetrag) betragen und die Einkommensgrenze von 7.680 € würde deutlich überschreiten. Entgegen der Ansicht der Klägerin könnten die Mietaufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, da S im Hause der Klägerin keinen eigenen Hausstand unterhalten habe; es fehle an der für die doppelte Haushaltsführung notwendigen Aufteilung der Haushalte auf zwei Standorte. Die pauschal von der Klägerin ohne Nachweis angesetzten Kosten für die Kontoführung bzw. für den Kauf von Arbeitsmitteln könnten nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden. Wegen des starren Grenzbetrages der Einkünfte und Bezüge und des daraus folgenden „Alles-oder-Nichts-Prinzips” dürften die Familienkassen nur tatsächlich nachgewiesene Kosten für Arbeitsmittel und Kontoführung abziehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2010 verwiesen.

    Mit ihrer Klage hält die Klägerin an ihrer bisherigen Auffassung fest, dass die Einkünfte und Bezüge ihrer Tochter im Jahr 2008 die Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG - nach Abzug der Unterkunftskosten am Ausbildungsort in Höhe von insgesamt 2.068,32 € - nicht überschritten hätten. Hierzu hat sie ergänzend und vertiefend vorgetragen:

    Ihre Tochter habe laut Bescheinigung des Arbeitgebers vom 23. November 2009 (Blatt 167/168 KiG-A) das Klinikum im Jahr 2008 an mindestens 178 Tagen aufgesucht. Wäre das Kind an jedem Arbeitstag von der elterlichen Wohnung zum Klinikum gefahren, dann wären hierfür als Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Klinikum insgesamt 1.975,80 € (= 178 Tage x 37 km x 0,30 €) angefallen. Die Einkünfte und Bezüge des Kindes wären dann für das Jahr 2008 um weitere Werbungskosten in Höhe von 1.443 € (= 1.975,80 € Fahrten zwischen Wohnung und Klinikum abzüglich 532,80 € Kosten für Familienheimfahrten) zu kürzen gewesen und hätten mit insgesamt 6.882,43 € unter dem maßgebenden Grenzbetrag von 7.680 € gelegen. Stattdessen seien ihr die Kosten der Anmietung der Unterkunft in Höhe von insgesamt 2.068,32 € entstanden. Die Kosten der Unterkunft am Ausbildungsplatz hätten folglich die eingesparten Fahrtkosten ersetzt. S habe sich erst nach der Aufnahme der Ausbildung in der Klinik zur Anmietung der Unterkunft beim Arbeitgeber entschlossen, da sie wegen der unregelmäßigen Arbeitszeiten im Rahmen des Schichtdienstes nicht weiterhin in der Wohnung ihrer Eltern habe wohnen können. Gerade in den Heil- und Pflegeberufen würden die Arbeitnehmer in laufend wechselnden Arbeitsschichten eingesetzt werden. Das gelte auch für die Auszubildenden, die von Beginn ihrer Ausbildung mit in den Schichtdienst einbezogen würden. Regelmäßig beginne die Frühschicht etwa um 6:00 Uhr morgens und dauere bis 14:00 Uhr; die Spätschicht beginne von 14:00 Uhr und dauere bis 22:00 Uhr; die Nachtschicht beginne von 22:00 Uhr und dauere bis 6:00 Uhr. Einem Auszubildenden sei es nicht zumutbar, morgens vor dem Beginn der Frühschicht oder nachts nach Beginn der Spätschicht noch die Strecke von 37 km als regelmäßigen Arbeitsweg zurück zu liegen. Die Anmietung der Unterkunft in unmittelbarer räumlicher Nähe der Klinik sei demzufolge durch die betrieblichen Umstände der Ausbildung veranlasst gewesen. Gründe der privaten Lebensführung würden demzufolge nicht vorliegen.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts würden sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz Einschränkungen bei der Bestimmung der Besteuerungstatbestände des Einkommensteuerrechts ergeben. Dazu würde vor allem das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das eng damit verbundene Gebot der Folgerichtigkeit zählen (mit Hinweis auf BVerfG vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, BVerfGE 107 Seite 27 ff, 46; BFH vom 11. Mai 2005 VI R 7/02, BStBl II 2005 Seite 782). Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Lastengleichheit habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die objektive finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den beruflichen Erwerbsaufwendungen andererseits zu bemessen (objektives Nettoprinzip; mit Hinweis auf BVerfG vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99 Seite 280 f). Zwar könne der Gesetzgeber dieses Prinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Die nähere Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidung für eine steuerliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen müsse sich aber in ihrer Umsetzung als hinreichend folgerichtig erweisen. Ausnahmen hiervon bedürften eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes (mit Hinweis u.a. auf BVerfG vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, a.a.O.). Das deutsche Einkommensteuerrecht gehe traditionell davon aus, dass die steuerrechtlich erhebliche Sphäre nicht erst am Werkstor beginne, und dass auch im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung liegende Mobilitätskosten als Werbungskosten anzuerkennen seien (mit Hinweis auf BVerfG vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, a.a.O.). Demnach seien auch Kosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beruflich veranlasst und damit Erwerbsaufwendungen (mit Hinweis u.a. auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 10. Januar 2008 zur Pendlerpauschale VI R 17/07, BStBl II 2008 Seite 234 ff). Es gelte der Grundsatz, dass Mobilitätskosten - insbesondere auch Fahrtkosten - grundsätzlich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen seien (mit Hinweis auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 10. Januar 2008). Für Fahrten des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte seien die Fahrtkosten nicht im tatsächlichen Umfang steuerlich abziehbar, sondern nur nach Maßgabe einer Entfernungspauschale. Dies sei gerechtfertigt, da der Arbeitnehmer sich bei einer auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegten regelmäßigen Arbeitsstätte in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Werbungskosten hinwirken könne, etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder auch durch eine entsprechende Wohnsitznahme (mit Hinweis u.a. auf BFH vom 10. April 2008 VI R 66/05, BStBl II 2008 Seite 825). Übertrage man das Vorgenannte auf den Streitfall, bedeute dies Folgendes: Die Kosten für die Unterkunft am Ausbildungsort seien aus rein beruflichen Gründen aufgewendet worden, um wegen der unregelmäßigen Arbeitszeiten die Ausbildung ordnungsgemäß erfüllen zu können. Der steuerliche Charakter der Aufwendungen als Werbungskosten könnte demzufolge nicht bestritten werden. Ein Bezug zu der privaten Lebensführung würde nicht bestehen. Die Unterkunft habe ausschließlich dem Aufenthalt des Kindes im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seinem Dienst in der Klinik gedient. Aus diesen Gründen seien die Kosten für die Unterkunft unmittelbar und ausschließlich beruflich veranlasst und folglich in voller Höhe als Werbungskosten abzugsfähig. Hinzu komme, dass die Aufwendungen für die Anmietung der Unterkunft unmittelbar mit den hierdurch eingesparten Fahrtkosten korrespondieren würden.

    Darüber hinaus verletze die Entscheidung der Beklagten auch das subjektive Nettoprinzip. Das subjektive Nettoprinzip beziehe sich auf Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die nicht unmittelbar berufsbezogen (und damit als Werbungskosten abzugsfähig) seien, für den Steuerpflichtigen aber existenzsichernde Aufwendungen darstellten und daher für ihn verwendungsgebunden seien (mit Hinweis u.a. auf BVerfG vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, a.a.O.). Die hierfür benötigten Einnahmen erhöhten nämlich ebenfalls nicht die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen. Auch solche Aufwendungen seien folglich nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Kosten der Unterkunft am Ausbildungsort stellten solche existenzsichernden und verwendungsgebundenen Aufwendungen des Kindes dar, da das Kind ohne diese Aufwendungen weder die Ausbildung absolvieren noch die Ausbildungsvergütung verdienen könnte. Hierfür seien entweder die Kosten für tägliche Heimfahrten oder aber die Kosten dieser Unterkunft zwangsläufig aufzubringen. Dies bedeute, dass die Einnahmen, die zur Begleichung dieser Kosten erforderlich gewesen seien, dem Kind zwangsläufig nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten. Andererseits habe die Beklagte bei ihrer Entscheidung diese Einnahmen uneingeschränkt als Einkünfte und Bezüge wie ein freies und ungebundenes Einkommen verwendet. Hierdurch sei das subjektive Nettoprinzip wie auch das Gebot der Folgerichtigkeit der Besteuerung in erheblichem Maße verletzt worden. Ebenso wie der Staat im Rahmen der Besteuerung das Existenzminimum des Steuerpflichtigen verschonen müsse, dürfe er im Rahmen des Familienleistungsausgleichs bei der Zuerkennung staatlicher Transferleistungen nicht unterstellen, dass eine Bedürftigkeit dort wegen eines eigenen Einkommens nicht gegeben sei, falls maßgebliche Teile dieses Einkommens zwangsläufig verwendungsgebunden zur Erzielung dieses Einkommens eingesetzt werden müssten und demzufolge als ungebundenes Einkommen gar nicht mehr zur Verfügung stünden.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    1. den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 7. August 2009 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2010 aufzuheben,

    2. (ausdrücklich) hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen in der Einspruchsentscheidung trägt sie vor:

    Die Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort könnten bei fehlender doppelter Haushaltsführung nicht als Ersatz für ersparte Fahrtkosten zu höheren Werbungskosten führen. Für die Ermittlung der Aufwendungen des Kindes für die Wege zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte seien nicht primär Motive und schon gar nicht fiktive Sachverhalte maßgebend, sondern die Zahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten. Das seien im Jahr 2008 insgesamt nur 48 Fahrten gewesen. Die Aufwendungen hierfür seien mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen gewesen.

    Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet, die Beklagte im Schreiben vom 28. Juli 2010 (Blatt 96/97 PA) und die Klägerin im Schreiben vom 5. August 2010 (Blatt 99 PA).

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Zu Recht hat die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für 2008 aufgehoben und das gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.848 € zurückgefordert.

    1. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung i.V.m. § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG besteht für ein volljähriges Kind Anspruch auf Kindergeld nur, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 € im Kalenderjahr hat. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die Tochter S hatte nämlich aus ihrem Ausbildungsarbeitsverhältnis - wie von der Beklagten zutreffend errechnet - Einkünfte in Höhe von 8.325,43 €.

    Der Begriff der Einkünfte im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen (st. Rspr.; vgl. z.B.: BFH vom 17. Juni 2010 III R 59/09, BStBl II 2011 Seite 121).

    a) Unstrittig summierten sich die Einnahmen der Tochter aus dem Ausbildungsarbeitsverhältnis - nach Abzug der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge (siehe dazu: BVerfG vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112 Seite 164) - auf 9.245,43 €. Dieser Betrag mindert sich um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 € (§ 9a Satz 1 Nr. 1a EStG) auf 8.325,43 €, da die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass ihrer Tochter im Kalenderjahr 2008 den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigende Werbungskosten entstanden waren.

    b) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Zu den nicht abzugsfähigen Werbungskosten gehören demgegenüber die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge, soweit in den §§ 9, 9c, 10a und b, und in den §§ 33 bis 33b EStG nichts anderes bestimmt ist (§ 12 Nr. 1 Satz 1 EStG). Für das Einkommensteuergesetz ist damit die Unterscheidung zwischen der durch die einzelnen Einkunftsarten definierten Erwerbssphäre und der Sphäre der Einkommensverwendung prägend. Demgemäß bedarf es der Trennung zwischen den den jeweiligen Einkunftsarten zuzuordnenden Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten) einerseits und den - grundsätzlich nicht abziehbaren - Kosten der Lebensführung (BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BStBl II 2010 Seite 672 ff, dort unter C. III. 1.a). Die gesetzlichen Abzugstatbestände für Betriebsausgaben und Werbungskosten sind Ausdruck des sogen. objektiven Nettoprinzips, nach dem der Steuergesetzgeber die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche objektive finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst (vgl. z.B.: BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, a.a.O., dort unter C. III. 1.b; BVerfG vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BFH/NV 2010 Seite 1767). Das objektive Nettoprinzip hat verfassungsrechtliche Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an die hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen (vgl. z.B. BVerfG, Urt. v. 09.12.2008 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210, unter C.I.3.). Daneben ist das objektive Nettoprinzip bei der Rechtsanwendung als Auslegungsrichtschnur heranzuziehen (vgl. z.B. BFH vom 30.01.1995 GrS 4/92, BStBl II 1995, 281, unter C.III.1.; BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, a.a.O., dort unter C. III. 1.b).

    Hiernach ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Aufwendungen für die Miete am Ausbildungsort nicht als Werbungskosten berücksichtigte.

    Die Kosten für eine angemessene Unterkunft stellen nach der Konzeption des Einkommensteuerrechts grundsätzlich Kosten des Haushalts im Sinne des 12 Nr. 1 Satz 1 EStG dar, die mit dem Grundfreibetrag nach § 32a EStG pauschal abgegolten werden (vgl. z.B.: BFH vom 18. November 2009 X R 34/07, BStBl II 2010 Seite 414). Kosten des Haushalts bleiben sie auch, wenn die Entscheidung, seinen Hausstand in die Nähe des Arbeitsplatzes zu verlegen, wegen des Schichtdienstes durch das Arbeitsverhältnis maßgeblich beeinflusst worden sein sollte. Denn Kosten des Haushalts können sich nur steuermindernd auswirken, wenn deren Abzug durch das Gesetz ausdrücklich zugelassen ist (vgl. z.B.: L. Schmidt/Drenseck, EStG, 29. A. 2010, Rz 1 zu § 12). Mietaufwendungen können demnach bloß ausnahmsweise der Erwerbssphäre zugeordnet werden, wenn sie im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung angefallen sind. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann einen doppelten Haushalt führen (st. Rspr.; vgl. z.B.: BFH vom 14. Juni 2007 VI R 60/05, BStBl II 2007 Seite 890; BFH vom 9. August 2007 VI R 10/06, BStBl II 2007 Seite 820; BFH vom 5. März 2009 VI R 23/07, BStBl II 2009Seite 1016; BFH vom 18. August 2010 VI R 26/09, BFH/NV 2010 Seite 1894). Dass diese Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt sind, hat die Klägerin im Verlauf des Klageverfahrens in ihrem Schreiben vom 12. Mai 2010 (Blatt 30 PA) selbst eingeräumt.

    2. Entgegen der Ansicht der Klägerin können die Mietaufwendungen nicht etwa deshalb als Werbungskosten berücksichtigt werden, weil die Tochter das Klinikum im Jahr 2008 ansonsten an mindestens 178 Tagen hätte aufsuchen müssen, was wiederum Fahrtkosten in Höhe von 1.975,80 € nach sich gezogen hätte.

    Da die Tochter die Fahrten tatsächlich nicht durchführte, handelt es sich hierbei um einen rein hypothetischen Sachverhalt. Hypothetische Sachverhalte haben für die Besteuerung aber keine Bedeutung (st. Rspr.; vgl. z.B.: BFH vom 11. März 1992 II B 60/91, BFH/NV 1993 Seite 197; BFH vom 22. April 1998 I R 109/97, BStBl II 1998 Seite 748; BFH vom 30. Juli 2003 X R 12/01, BStBl II 2004 Seite 211; BFH vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009 Seite 553; BFH vom 25. Februar 2009 IX R 52/07, BFH/NV 2009 Seite 1255).

    3. Schließlich kann die Klägerin nicht damit gehört werden, durch die Nichtberücksichtigung der Mietaufwendungen werde das sogen. subjektive Nettoprinzip verletzt.

    Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung des subjektiven Nettoprinzips ist das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums (vgl. dazu z.B.: BVerfG vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07 u.a, BVerfGE 122 Seite 210 = BFH/NV 2009 Seite 92). Über den Schutz des Existenzminimums hinaus sind auch bestimmte sonstige unvermeidbare oder zwangsläufige Aufwendungen bei der Bemessungsgrundlage einkommensmindernd zu berücksichtigen (vgl. z.B.: BVerfG vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, a.a.O.). Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Speziell zu Ausbildungskosten für Kinder hat das BVerfG eine staatliche Verpflichtung angenommen, solche Kosten teilweise zu übernehmen oder „wenigstens bei der Besteuerung der Eltern als Minderung ihrer Leistungsfähigkeit anzuerkennen” (vgl. z.B.: BVerfG vom 26. Januar 1994 1 BvL 12/86, BVerfGE 89 Seite 346 = BStB­l II 1994 Seite 307; BVerfG vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107 Seite 27 = BStB­l II 2003 Seite 534). Die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden existenzsichernden Aufwendungen müssen nach dem tatsächlichen Bedarf - realitätsgerecht - bemessen werden (vgl. z.B.: BVerfG vom 18. Oktober 1984 1 BvR 527/80 u.a., BVerfGE 68 Seite 143 = HFR 1985 Seite 124). Dessen Untergrenze ist durch die Sozialhilfeleistungen konkretisiert, die das im Sozialstaat anerkannte Existenzminimum gewährleisten sollen, verbrauchsbezogen ermittelt und auch regelmäßig den veränderten Lebensverhältnissen angepasst werden. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt, muss er auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen belassen (vgl. z.B.: BVerfG vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99 Seite 246 = BStB­l II 1999 Seite 174). Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Gewährung des Kinderfreibetrags beziehungsweise des Kindergelds davon abhängig macht, dass das Existenzminimum des Kindes nicht durch eigene Einkünfte und Bezüge gedeckt ist. Typisierend darf der Gesetzgeber hierbei von dem für erwachsene Steuerpflichtige geltenden Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) ausgehen (BVerfG vom 27. Juli 2010 2 BvR 2122/09, HFR 2010 Seite 1109 = NJW 2010 Seite 3564).

    Der Grundfreibetrag lag im Streitjahr 2008 bei 7.664 € und damit über den Leistungen in Form des Kinderfreibetrags beziehungsweise des Kindergelds sowie über den vom Bundesverfassungsgericht als nicht evident unzureichend angesehenen staatlichen Sozialhilfeleistungen, so dass das Kinderexistenzminimum in jedem Fall vor dem steuerlichen Zugriff verschont wird. Mehr gebietet das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) nicht. Insbesondere ist es nicht geboten, das Existenzminimum mehrfach freizustellen. Es genügt, wenn der Gesetzgeber bei den betroffenen Steuerpflichtigen das Existenzminimum jeweils einmal von der Besteuerung ausnimmt (so ausdrücklich: BVerfG vom 27. Juli 2010 2 BvR 2122/09, a.a.O.). Die Klägerin erstrebt mit ihrer Klage hingegen eine mehrfache Entlastung. Sie begehrt neben dem durch den Grundfreibetrag gewährleisteten Existenzminimum ihrer Tochter zusätzlich noch Kindergeld, obwohl ihre Tochter S mit ihren Einkünften selbst in Höhe des Grundfreibetrags verschont bleibt. Hierfür gibt es keine verfassungsrechtliche Grundlage (so ausdrücklich: BVerfG vom 27. Juli 2010 2 BvR 2122/09, a.a.O.).

    II.

    1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    2. Revisionszulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 FGO) sind nicht gegeben. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt.

    3. Die Entscheidung konnte gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne Durchführung der mündlichen Verhandlung ergehen, denn die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erklärt.

    VorschriftenEStG 2008 § 32 Abs. 4 Satz 2, EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2, EStG 12 Nr. 1 Satz 1