Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 08.01.2013

    Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 31.05.2012 – 2 K 897/10

    1. Für die Frage, ob einem Unternehmen die erhöhte Investitionszulage nach § 5 Abs. 2 S. 1 InvZulG 2007 zusteht, ist die Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Empfehlung) als europäisches Recht ohne Rückgriff auf nationales Recht auszulegen; insoweit sind Kriterien, die nach nationalem Recht die Verbundenheit von Unternehmen begründen, wie z.B. aktienrechtliche Vorschriften, bei der Beurteilung des Sachverhalts nicht maßgeblich.

    2. Die TIB gehört als Risikokapitalgesellschaft zu den Unternehmen i.S. des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a des Anhangs zur KMU-Empfehlung.

    3. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 des Anhangs zur KMU-Empfehlung kommt die Stellung einer Rückausnahme für den ansonsten für den Fall der Verbundenheit regelmäßig anzunehmenden Ausschluss des KMU-Status zu. Daher ist eine AG, die für sich genommen die Schwellenwerte für ein KMU nicht überschreitet und an der die TIB mit 73 % beteiligt ist, auch dann als kleines oder mittleres Unternehmen i. S. d. § 5 Abs. 2 S. 1 InvZulG 2007 anzusehen, wenn die AG zwar zusammen mit der TIB die Schwellenwerte für die Annahme eines kleinen oder mittleren Unternehmens überschreiten würde, die TIB sich jedoch auf ihre Funktion als Risikokapitalgeber beschränkt, weder unmittelbar noch mittelbar Einfluss auf die Geschäftsführung der von ihr rechtlich beherrschten AG nimmt und die Kapitalobergrenze des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a des Anhangs zur KMU-Empfehlung nicht überschritten wird.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Rechtsstreit

    hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts am 31. Mai 2012 für Recht erkannt:

    1. Unter Änderung des Investitionszulagebescheids für 2008 vom April 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom Sept. 2010, wird die Investitionszulage auf 106.188,63 EUR festgesetzt.

    2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vo r der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist im Rahmen eines Anspruchs auf erhöhte Investitionszulage nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Investitionszulagengesetz 2007 (InvZulG), ob die Klägerin die Begriffsdefinition für kleine oder mittlere Unternehmen (KMU) i. S. der Empfehlung der Kommission vom Mai 2003 erfüllt (Amtsblatt der Europäischen Union vom …).

    Die Klägerin ist ein Unternehmen der Elektrozulieferungsindustrie. Sie stellt u.a. einbaufertige Kabelbündel zur Verdrahtung von Schaltanlagen her. Sie wurde im April 2001 von der Thüringer Industriebeteiligungs-GmbH Co KG (TIB), ein Tochterunternehmen der Thüringer Aufbaubank, als Aktiengesellschaft (AG) mit einem anfänglichen Grundkapital von 65.000 EUR errichtet. Geschäftsbereich der TIB ist u.a. die Übernahme von Minderheitsbeteiligungen bei Investitionen von EUR 1 – 5 Mio. sowohl als Einzelinvestor, wie auch als Lead- oder Co-Investor im Rahmen eines Konsortiums. Nach § 4 Abs. 3 der Satzung der Klägerin gewährt jede Namens-Stückaktie eine Stimme, wobei auf jeden Euro am Grundkapital eine Aktie entfällt. Im Mai 2001 brachte Herr H. sein Einzelunternehmen im Wege der Sachgründung in die Klägerin ein, dabei wurde das Grundkapital der Klägerin auf 200.000 EUR erhöht. Hiervon übernahm Herr H. zunächst einen Anteil von 135.000 EUR (= 66 v.H.). Der Anteil der TIB reduzierte sich hierdurch auf 65.000 EUR (33 v.H.). Nach § 9 Abs. 1 Satzung der Klägerin besteht der Aufsichtsrat der Klägerin aus drei Mitgliedern. Jeweils ein Kandidat wird von der TIB sowie gemeinsam von den Herren H. und S. benannt. Das dritte Aufsichtsratmitglied wird einvernehmlich von der TIB und den Herren H. und S. gemeinsam bestimmt. Der Aufsichtsrat hat von seiner Befugnis nach § 8 Abs. 2 der Satzung der Klägerin Gebrauch gemacht und dem Vorstand eine Geschäftsordnung vorgegeben. Diese sieht Zustimmungsvorbehalte des Aussichtsrates für die in § 7 im einzelnen aufgeführten Geschäfte vor, insbesondere wenn sie ein Volumen von 75.000 EUR übersteigen. Da die AG anfänglich existenzielle Verluste erzielte, die der Hauptbeteiligte nicht tragen konnte, erfolgten mehrfach Kapitalerhöhungen unter Beteiligung der TIB. Diese übernahm die neuen Aktien und erreichte hierdurch bei der letzten Kapitalerhöhung im April 2006 auf 500.000 EUR eine Beteiligungsquote von 73 v.H. (365.000 EUR) am Kapital. Die TIB hat ihre Aktien im Jahr 2009 verkauft. Die nach der KMU-Erklärung für das Streitjahr zu machenden Angaben für die Klägerin und die TIB lauten wie folgt:

    Mitarbeiter (JAE)Jahresumsatz In 1.000 EURBilanzsumme In 1.000 EUR
    X AG454.113,0003.159,500
    TIB59388.987,000102.340,000
    Zur Erweiterung ihrer Produktionskapazität errichtete die Klägerin im Jahr 2008 eine neue Produktionshalle. Weiter schaffte sie Maschinen, einen Zentralserver, PersonalComputer, eine zweite Telefonanlage, Einrichtungsgegenstände etc. an. Hierfür beantragte sie eine Investitionszulage nach § 2 InvZulG. Nach dem Antrag betrug die Bemessungsgrundlage für die neu errichteten Gebäude 429.481 EUR. Für die beweglichen Wirtschaftsgüter beantragte sie die Zulage für kleine und mittlere Unternehmen von 25 v.H. nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG auf einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 301.262 EUR. Im Antrag gab sie an, sie sei trotz der Beteiligung der TIB ein Unternehmen mit KMU-Status. Während der Beteiligung der TIB habe keine Einflussnahme des Mehrheitsgesellschafters auf ihre Geschäftsführung stattgefunden. Die Bemessungsgrundlage berichtigte die Klägerin mit Schreiben vom Febr. 2010 hinsichtlich der Gebäude (Position 1) auf 367.898 EUR und der beweglichen Wirtschaftsgüter auf 280.033 EUR. Auf den Antrag vom Dez. 2009 und das Schreiben vom Febr.2010 wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

    Der Beklagte führte im März 2010 eine abgekürzte Außenprüfung bei der Klägerin durch. Die Prüfung führte bei einigen Wirtschaftgütern zu einer unstreitigen Kürzung der förderfähigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Ferner versagte der Prüfer die erhöhte Zulage für KMU. Zur Begründung verwies er auf die Beteiligungsverhältnisse. Die Klägerin sei ein mit der TIB verbundenes Unternehmen nach Artikel 3 Abs. 3 Buchstabe a der Empfehlung der Kommission. Die Bemessungsgrundlage ermittelte er für die beweglichen Wirtschaftsgüter mit 257.648 EUR sowie für die Gebäude mit 334.213 EUR.

    Der Beklagte folgte dieser rechtlichen Bewertung und setzte die Investitionszulage für 2008 im Bescheid vom Apr. 2010, ausgehend von der vom Prüfer festgestellten Bemessungsgrundlage, auf 73.982,63 EUR fest.

    Gegen die Versagung der erhöhten Zulage von 25 v.H. wandte sich die Klägerin erfolglos mit ihrem Einspruch vom Apr. 2010. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Der handelsrechtlich wegen der Mehrheitsbeteiligung unzweifelhaft bestehende beherrschende Einfluss der TIB stehe der Annahme ihrer Eigenständigkeit für das Investitionszulagenrecht und damit dem KMU-Status nicht entgegen. Dies folge aus der Begründung zu Art 1 bis 4, insbesondere aus Rz. 10 der Empfehlung der Kommission. Danach könnten Unternehmen auch dann als eigenständig betrachtet werden, wenn die Beteiligung bestimmter Kategorien von Investoren, die bei diesen Finanzierungen und Gründungen eine positive Rolle spielten, 25 v.H. und mehr erreiche. Unter dieser Voraussetzung stelle die Kommission für den KMU-Status nicht auf die gesellschaftsrechtlich unzweifelhaft bestehende Verbundenheit der Unternehmen ab. Dies komme in Art. 3 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Empfehlung zum Ausdruck, wonach die Vermutung aufgestellt werde, dass auch bei handelsrechtlich verbundenen Unternehmen von der Muttergesellschaft, sofern es sich bei ihr um eine Beteiligungs- und Risikokapitalgesellschaften handele, kein beherrschender Einfluss ausgeübt werde, wenn sie sich – unbeschadet der Rechte, die sie in ihrer Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafter besitze – nicht direkt oder indirekt in die Verwaltung des betroffenen Unternehmens einmische. Da die TIB nie von ihrem beherrschenden Recht Gebrauch gemacht habe, gehe der KMU-Status wegen dieser Ausnahme trotz ihrer Verbundenheit mit der TIB nicht verloren.

    In der Begründung der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2010 verwies der Beklagte nochmals auf die Beteiligungs- und Vertragsverhältnisse. Die Klägerin sei ein im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Buchstabe a der Empfehlung mit der TIB verbundenes Unternehmen. Die TIB habe zum maßgeblichen Zeitpunkt mit 73 v.H. die Mehrheit der Stimmrechte am Kapital der Klägerin gehalten. Nach der Satzung beinhalte jede Stückaktie ein Stimmrecht. Damit sei die TIB in der Lage gewesen, in der Klägerin ihren Willen durchzusetzen. So gehe § 290 Abs. 2 HGB stets von der Beherrschung aus, wenn ein Mutterunternehmen die Mehrheit der Stimmrechte besitze. Eine Vereinbarung, dass die TIB auf ihre Stimmrechtsausübung verzichte, habe die Klägerin nicht vorgelegt. Art. 3 Nr. 2 a der Empfehlung fände keine Anwendung. Die Vorschrift wäre nur dann einschlägig, wenn der Schwellenwert von 25 v.H. erreicht oder überschritten wäre und der Investor nicht im Sinne von Absatz 3 einzeln oder gemeinsam mit dem betroffenen Unternehmen verbunden sei. Insofern verbleibe es bei der Anwendung des Art. 3 Nr. 3 a der Empfehlung. Die Ausnahmetatbestände des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Empfehlung seien auf verbundene Unternehmen i.S.d. Art. 3 der KMU-Definition nicht anwendbar. Die Ausnahmeregelungen des Art. 3 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Empfehlung seien im Hinblick auf den darin enthaltenen Verweis auf die in Absatz 2 Unterabsatz 2 genannten Investoren nur eine Klarstellung. Diese beziehe sich nur auf Unternehmen, bei denen die Beteiligungen nicht wie bei der Klägerin den Schwellenwert des Art. 3 Abs. 2 von 50 v.H. übersteige. Diese Auffassung bestätige auch die Erläuterung der Ausnahmen von Art. 3 Abs. 2 Buchstaben ad der Empfehlung auf Seite 23 letzter Absatz des KMU-Benutzerhandbuchs. Im Ergebnis überschreite sie wegen der bei verbundenen Unternehmen gebotenen Gesamtschau die gesetzlichen Schwellenwerte. Damit erfülle sie die Voraussetzungen für den KMU-Status nicht mehr.

    Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Klägerin am 11.10.2010 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren. Ergänzend führt sie aus: Wegen § 76 Abs. 1 des Aktiengesetzes, nach dem der Vorstand unter eigener Verantwortung die Geschäfte leite, hätten diesem keine Weisungen durch die Hauptversammlung erteilt werden können. Auch wenn der Vorstand nach der Satzung der Klägerin Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsraters zu beachten habe und der Aufsichtsrat diesbezüglich an bestimmten Geschäften mitwirke, habe die TIB tatsächlich keinen Einfluss auf die Geschäftsführung und Verwaltung genommen. Diesbezüglich verweist sie auf die Sitzungsprotokolle der Aufsichtsratssitzungen für die Jahre 2006 bis 2008 auf Blatt 73 bis 116 der Gerichtakte, auf die Bezug genommen wird.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Änderung des Investitionszulagebescheids für 2008 vom Apr. 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom Sept. 2010, die erhöhte Investitionszulage für kleine und mittlere Unternehmen in Höhe von 25. v.H. für die von ihr im Förderzeitraum angeschafften beweglichen Wirtschaftsgüter zu gewähren und die Zulage auf einer Bemessungsgrundlage von 257.648 EUR festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung bezieht er sich auf seine Ausführungen im Vorverfahren.

    Seine Auffassung, die TIB habe im Streitfall aufgrund ihrer Stimmrechtsmehrheit und der Zustimmungsvorbehalte in der Geschäftsordnung über Mitglieder des Aufsichtsrates die Möglichkeit gehabt, an der Geschäftsführung der Klägerin mitzuwirken, hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufgegeben.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vom Beklagten vorgelegten Akten verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet. Soweit der Investitionszulagebescheid für 2008 vom Apr. 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom Sept. 2010, die erhöhte Investitionszulage für kleine und mittlere Unternehmen in Höhe von 25. v.H. versagt, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    Entgegen der Auffassung des Beklagten erfüllt die Klägerin im Streitfall die Voraussetzungen für den KMU-Status nach Art. 2 Abs. 1 des Anhangs zur KMU Empfehlung und damit für die erhöhte Zulage nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2007.

    Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2007 erfordert der Anspruch auf die erhöhte Investitionszulage von 25 v.H. für die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern, neben weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen, dass diese zum Vermögen eines Betriebs gehören, der die Begriffsdefinition für KMU im Sinne der Empfehlung der Europäischen Kommission vom Mai 2003 erfüllt.

    Unstreitig ist die Klägerin mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung ein Unternehmen i. S. v. Art. 1 der Empfehlung. Für sich genommen überschreitet sie weder mit ihrer Mitarbeiterzahl noch mit ihrem Jahresumsatz und der Bilanzsumme die in Art. 2 der Empfehlung bestimmten Schwellenwerte. Die für den KMU-Status erforderliche Eigenständigkeit eines Unternehmens bleibt nach Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Empfehlung bei einer Beteiligung von 25 v.H. und mehr allerdings nur dann erhalten, wenn sich die in der Vorschrift bezeichneten Investoren, wie hier die TIB, in ihrer Eigenschaft als Risikokapitalgeber engagieren und diese nicht mit dem betroffenen Unternehmen im Sinne von Art 3 Abs. 3 der Empfehlung verbunden sind.

    Die TIB gehört als Risikokapitalgesellschaft zwar zu den Unternehmen i.S. des Abs. 2 Unterabsatz 2 Buchstabe a der Empfehlung. Gleichwohl steht der KMU-Status der Klägerin wegen ihrer vom Beklagten zu Recht angenommenen und an sich unstreitigen Verbundenheit nach Art. 3 Abs. 3 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Empfehlung mit der TIB in Frage. Denn bei der für verbundene Unternehmen vorgesehenen Addition der Mitarbeiterzahlen und der finanziellen Schwellenwerte gemäß Art. 2 der Empfehlung wären diese überschritten.

    Im Streitfall führt die Verbundenheit aber nicht zum Verlust des KMU-Status der Klägerin, sodass sie die erhöhte Investitionszulage beanspruchen kann. Die Empfehlung ist kein Gesetzgebungsakt, wie sie die von der Kommission erlassenen Richtlinien darstellen. Dennoch ist die Empfehlung zur Überzeugung des Senats als europäisches Recht im Hinblick auf das in ihren Erwägungsgründen ausdrücklich angesprochene Ziel der einheitlichen Rechtsanwendung aus sich heraus, ohne Rückgriff auf nationales Recht auszulegen (vgl. zu Richtlinien: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – Urteile vom 01.04.2004, Deutsche See-BestattungsGenossenschaft, C-389/02, Slg. 2004, I-3537, vom 30.03.2006, Smits-Koolhoven, C-495/04, Slg. 2006, I-3129, und Urteil vom 02.04.2009, Glückauf Brauerei GmbH, C-83/08 Slg. 2009, I-2857). Insoweit sind Kriterien, die nach nationalem Recht die Verbundenheit begründen, wie z.B. aktienrechtliche Vorschriften, bei der Beurteilung des Sachverhalts nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der Verlust des KMU-Status nach der Empfehlung ergibt.

    Weiter folgt der Senat nicht der Argumentation des Beklagten, wonach die Rückausnahme des Art. 3 Abs. 3 Unterabsatz 2 lediglich eine Klarstellung des Art. 3 Abs. 2 der Empfehlung darstelle und keine eigenständige Regelung für verbundene Unternehmen treffe. Bei Beachtung der Regelung im Normgefüge der Art. 2 und 3 der Empfehlung hat Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 nur insoweit eine Klarstellungsfunktion, als er, entgegen den in den Unterabsätzen 1 sowie 3 bis 4 definierten Typen der nach der Empfehlung als verbunden anzusehenden Unternehmen, eine Ausnahme für die nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 privilegierten Unternehmen macht. Dies begründet sich damit, dass Art. 3 der Empfehlung begrifflich zwischen „eigenständigen” (Abs. 1), „Partnerunternehmen” (Abs. 2) und „verbundenen Unternehmen” (Abs. 3) unterscheidet.

    Nach Auffassung des Senats kommt Art. 3 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Empfehlung die Stellung einer Rückausnahme für den ansonsten für den Fall der Verbundenheit regelmäßig anzunehmenden Ausschluss des KMU-Status zu. Maßgebend ist hierfür das Motiv der Empfehlung, die für die Entwicklung der unternehmerischen Initiative und für die Schaffung von Arbeitsplätzen gesamtwirtschaftlich bedeutsamen KMU in ihrem Bestand und ihrer Entwicklung zu fördern (Abs. 10). Leitend für Definition des KMU-Status ist ferner die Erkenntnis, dass diese Unternehmen aufgrund ihrer Größe oftmals nur unter erschwerten Bedingungen Fremdkapital aufnehmen können. Beschränkungen der Außenfinanzierung unterliegen in der Regel jedoch nur solche Unternehmen, die nicht mit anderen Unternehmen im erheblichen Maß finanziell verflochten sind. Das hat die Kommission mit Rücksicht auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse aufgegriffen und bei der Bestimmung der KMU Definition zwischen eigenständigen Unternehmen, Partnerunternehmen und verbundenen Unternehmen differenziert. Bei Beziehungen zu anderen Unternehmen ist für den Status als KMU maßgeblich, in welchem Umfang Kapitalbeteiligungen, Möglichkeiten zur Stimmrechtskontrolle oder anderweitig bestehende Möglichkeiten zur Beherrschung bei der Unterscheidung der drei Unternehmenstypen einfließen. Ausweislich der Erwägungen, die zum Erlass der Empfehlung geführt haben sowie in Kenntnis der gesellschaftsrechtlich vermittelten Verbundenheit bei Überschreiten der Schwellenwerte, hat die Kommission speziell die Ausnahme für die Gruppe von Investoren statuiert, die sich mit der Gründung und Finanzierung von KMU beschäftigen. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die Kommission die Anwendung der Rückausnahme dabei nicht lediglich auf „Partnerunternehmen” beschränkt, wie sie mit den Schwellenwerten (Beteiligung mehr als 25 v.H. bis 50 v.H.) in Art. 3 Satz 2 begrifflich definiert werden. Denn nach Dafürhalten des Senats setzt die Anwendung der Rückausnahme nach der Konzeption der Empfehlung zunächst den beherrschenden Einfluss des Risikokapitalgebers voraus, wie er durch die vorangehenden Fallkonstellationen in Art. 3 Abs. 3 Buchstabe a bis d vermittelt wird. Im anderen Fall wäre die Rückausnahme unnötig. Zudem können Unternehmen auch für den Fall, dass die Schwellenwerte des Art. 3 Abs. 2 nicht überschritten werden, unter den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 Buchstaben b bis d als verbundene Unternehmen anzusehen sein, was gegen die limitierte Anwendbarkeit der Rückausnahme spricht.

    In diesem Zusammenhang und im Hinblick auf die Stellung im Normgefüge als eigener Unterabsatz in Abs. 3 geht der Senat deshalb davon aus, dass die Rückausnahme nicht nur die Fallkonstellation des Buchstabe d, sondern alle in der Vorschrift zu Annahme der Beherrschung führenden Sachverhalte erfasst. Insoweit soll trotz des Überschreitens der an und für sich schädlichen Schwellenwerte und der damit begründeten rechtlichen Abhängigkeit der KMU-Status für die Unternehmen widerlegbar erhalten bleiben, an denen der in der Vorschrift aufgeführte Personenkreis beteiligt ist. Voraussetzung ist allerdings, dass der Personenkreis sich auf seine Funktion als Risikokapitalgeber beschränkt, weder unmittelbar noch mittelbar Einfluss auf die Geschäftsführung des von ihm rechtlich beherrschten Unternehmens nimmt und die Kapitalobergrenze des Art. 2 Abs. 2 Nr. a der Empfehlung nicht überschritten wird. Unter diesen Voraussetzungen wird die – widerlegbare – Vermutung der Nichtausübung beherrschenden Einflusses aufgestellt. Denn im Gegensatz zur Beteiligung von normalen Kapitalanlegern, deren Investitionsentscheidung mehr von ihrer Gewinnerwartung als von anderen Überlegungen bestimmt wird, drängen Risikokapitalgeber nicht unter Renditegesichtspunkten auf eine Kooperation der Unternehmen (vgl. Urteil Landes Sachsen-Anhalt vom 24.03.2011 1 K 1725/07, EFG 2011, 1921). Bestätigt wird diese Überlegung letztlich auch durch den Ausschluss des KMU-Status, wenn tatsächliche Einflussnahmemöglichkeiten über familiäre Verflechtungen bestehen, wie sie beispielweise in den Unterabsätzen 3 und 4 als Ausschlussgründe erwähnt werden, weil der bei der Beteiligung fremder Dritter bestehende natürliche Interessengegensatz fehlt.

    Da der Beklagte die Investitionszulage für die beweglichen Wirtschaftsgüter bislang nur mit 12,5 v.H., ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 257.648 EUR, bemessen hat, waren der Klägerin weitere 32.206 EUR zu zusprechen und die gesamte Investitionszulage auf 106.188,63 EUR festzusetzen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgen aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

    VorschriftenInvZulG 2007 § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, InvZulG 2007 § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1