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  • 08.01.2013

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 18.04.2012 – 6 K 1340/10

    1. Die Gewährung einer Investitionszulage setzt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft einen aktiv am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmenden Betrieb bzw. eine ebensolche Betriebsstätte der insolventen Gesellschaft voraus. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt eine zulagenschädliche Betriebseinstellung jedenfalls dann vor, wenn objektiv die werbende Tätigkeit des Unternehmens eingestellt wird und subjektiv der Wille zur endgültigen Aufgabe der werbenden Tätigkeit und Verwertung der Wirtschaftsgüter vorhanden ist.

    2. Eine sanierungsbedingte Betriebsunterbrechung in der Insolvenz ist nicht zulagenschädlich, wenn die Sanierung zügig und die erneute Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr alsbald erfolgt; dies gilt auch dann, wenn die Betriebsunterbrechung einer sog. sanierenden Übertragung vorangeht.

    3. Stellt der Unternehmer die werbende Tätigkeit ein, um den Betrieb zügig zu sanieren und alsbald wieder am wirtschaftlichen Verkehr teilzunehmen, so ist diese Betriebsunterbrechung erst dann schädlich, wenn es tatsächlich nicht zur alsbaldigen Wiederaufnahme der werbenden Tätigkeit kommt. Auch wenn die werbende Tätigkeit wegen höherer Gewalt (hier: Vernichtung der gesamten Produktionsanlage durch ein Großfeuer während des Insolvenzverfahrens) eingestellt worden ist und sich daran längere Verhandlungen mit der Versicherung über die Höhe der Versicherungsentschädigung angeschlossen haben, kann von einer zügigen Sanierung und alsbaldigen Wiederaufnahme der werbenden Tätigkeit jedenfalls dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Betriebsunterbrechung 18 Monate angedauert hat.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 6. Senat durch den Berichterstatter RiFG H.-G. P. gemäß § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 9. März 2012 am 18. April 2012 für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Kläger zur Last.

    Tatbestand

    Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der E. GmbH GmbH (GmbH). Gegenstand des Unternehmens war die industrielle Veredelung von Holz zur Herstellung von Holzbriketts, getrocknetem Schellholz, Anfeuerholz und deren Vertrieb sowie die Energieerzeugung in Form von Strom und Wärme aus nachwachsenden Rohstoffen.

    Die Gesellschaft begann ihren ordentlichen Geschäftsbetrieb im Juli 2008. Die Geschäftsführer der GmbH stellten am 29. Dezember 2008 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nachdem die Hausbank mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 die Geschäftsbeziehung kündigte und die ausgereichten Kredite fällig stellte. Der Kläger wurde zunächst zu vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und führte das Unternehmen fort. In der Nacht vom 29. Januar 2009 auf den 30. Januar 2009 ereignete sich im Bereich der Rauchgastrockungsanlage ein Explosionsschaden, der zum völligen Ausfall der Produktionslinie führte. Die Versicherung ließ den Schaden begutachten. Der Gutachter stellte in seinem Gutachten vom 14. September 2009 einen Gesamtschaden von 201.336 Euro fest, der von der Versicherung ausgeglichen wurde.

    Der Kläger stellte am 23. April 2009 einen Antrag auf Gewährung von Investitionszulage für die im Kalenderjahr 2008 getätigten Investitionen. Mit Bescheid vom 6. Mai 2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab, da die Verbleibensvoraussetzungen nicht gegeben seien. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 5. August 2010).

    Mit Vertrag vom 22. Juli 2010 übertrug der Kläger die verbliebenen Wirtschaftsgüter für 395.000 Euro auf einen Dritten, der das Unternehmenskonzept der GmbH und den Betrieb nach Erneuerung der defekten Anlagen fortsetzte.

    Der Kläger ist der Auffassung, dass Investitionszulage zu gewähren sei. Das Insolvenzverfahren sei auf eine Fortführung des Unternehmens ausgerichtet gewesen. Ohne das Brandereignis hätte der Betrieb weitergeführt werden können. Durch das Brandereignis seinen ein Großteil der Wirtschaftsgüter die produktionsnotwendig seien, untergegangen. Es sei investitionszulagenunschädlich, wenn ein Wirtschaftsgut in Folge höherer Gewalt aus der Produktionsstätte ausscheide. Erst die Zerstörung der Wirtschaftsgüter habe zu dem Entschluss des Klägers geführt, das Unternehmen zu veräußern. Mit Hilfe der Versicherungsleistung hätte der Kläger die Unternehmenstätigkeit alsbald wieder aufnehmen wollen.

    Der Kläger beantragt,

    den Investitionszulagenbescheid 2008 vom 6. Mai 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 5. August 2010 dahingehend zu ändern, das eine Investitionszulage wie am 23. April 2009 beantragt in Höhe von 954.302,65 Euro gewährt wird, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er vertritt die Ansicht, dass die Verbleibensvoraussetzungen wegen der erfolgten Betriebsstilllegung nicht mehr vorgelegen hätten.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Einstellung der werbenden Tätigkeit der GmbH ist zulagenschädlich.

    Zulagenbegünstigt ist – neben weiteren, hier unstreitigen Voraussetzungen – die Anschaffung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die für die Dauer des Bindungszeitraums zum Anlagevermögen eines Betriebes oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören (vgl. § 2 Abs. 1 InvZulG).

    Mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist dabei davon auszugehen, dass der Begriff des Betriebs bzw. der Betriebsstätte in dem hier maßgebenden (investitionszulagenrechtlichen) Sinne einen aktiv am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmenden Betrieb bzw. eine ebensolche Betriebsstätte voraussetzt (vgl. BFH, BFH/NV 2002, 456; BFH, BFHE 193, 182 jeweils m.w.N.; SächsFG, EFG 2002, 1109). Dementsprechend reicht die Zugehörigkeit zu einem nur noch abzuwickelnden Betrieb ohne werbende Tätigkeit nicht aus, um dem allgemeinen Sinn und Zweck der investitionszulagenrechtlichen Förderung zu entsprechen (BFH, BStBl. II 1999, 615, m.w.N.). Die Auslegung der Begriffe „Betrieb” und „Betriebstätte” dahin, dass es sich um einen „aktiven” Betrieb (eine „aktive” Betriebstätte) handeln muss, folgt aus dem Sinn und Zweck des Zulagenrechts im allgemeinen. Nur ein (eine) am Wirtschaftsleben teilnehmender Betrieb (teilnehmende Betriebstätte) kann die der Investitionszulage grundsätzlich innewohnende Zielsetzung einer Stärkung der Wirtschaftskraft mit all ihren Auswirkungen (z. B. Arbeitsplatzschaffung und -sicherung) verwirklichen (SächsFG, EFG 2002, 1109). Dies gilt auch in den Fällen der Insolvenz einer Gesellschaft (vgl. BFH, BFHE 188, 475 für den Konkursfall). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt es weder automatisch zur Umqualifizierung des Anlage – in Umlaufvermögen noch entfällt automatisch der von § 2 InvZulG vorausgesetzte (werbende) Betrieb. Vielmehr bedarf es insbesondere in den Fällen der Insolvenz einer differenzierten Betrachtung. Eine zulagenschädliche Betriebseinstellung liegt jedenfalls dann vor, wenn objektiv die werbende Tätigkeit des Unternehmens eingestellt wird und subjektiv der Wille zur endgültigen Aufgabe der werbenden Tätigkeit und Verwertung der Wirtschaftsgüter vorhanden ist. Die bloße Restabwicklung von laufenden Aufträgen steht der Annahme einer solchen Betriebseinstellung nicht entgegen. Auch in den Fällen, in denen objektiv die werbende Tätigkeit des Unternehmens eingestellt wird, subjektiv hingegen von Beginn an die Absicht besteht, die werbende Tätigkeit alsbald nach einer Sanierung wieder aufzunehmen, kann – je nach Dauer der Unterbrechung – eine zulagenschädliche Betriebseinstellung vorliegen.

    Jedoch ist nicht jede objektive Unterbrechung der werbenden Tätigkeit zulagenschädlich, denn mit ihr muss nicht zwangsweise der Wegfall der angestrebten Stärkung der Wirtschaftskraft einhergehen. Dies ist für die Unterbrechung der werbenden Tätigkeit wegen Betriebsferien, Streik, Umbau oder bei Saisonbetrieben offensichtlich. Mithin muss auch eine Betriebsunterbrechung in der Insolvenz nicht zwangsweise zulagenschädlich sein.

    Ähnlich den Fällen der Investitionen vor Betriebseröffnung, die zulagenbegünstigt sind, wenn der betreffende Betrieb nach der Anschaffung des Wirtschaftsgutes zügig errichtet und alsbald eröffnet wird ist (vgl. BFH, BFHE 185, 337) können auch Fälle einer sanierungsbedingten Betriebsunterbrechung zulagenunschädlich sein, wenn die Sanierung zügig und die erneute Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr alsbald erfolgt. Dies gilt auch, wenn die Betriebsunterbrechung einer sog. sanierenden Übertragung vorangeht. Die Absicht, alle unternehmensprägenden Wirtschaftsgüter im Unternehmen zu belassen und dieses als Ganzes zu übertragen, führt nämlich weder zu einer generellen Umwidmung des Anlagevermögens, obwohl es hinsichtlich der möglicherweise parallel erfolgenden Veräußerung einzelner, nicht unternehmensprägender Wirtschaftsgüter zu einer zulagenschädlichen Umwidmung kommen kann. Noch führt eine sanierungsbedingte Betriebsunterbrechung per se zum Wegfall des Betriebes im investitionszulagenrechtlichen Sinne.

    Stellt der Unternehmer also die werbende Tätigkeit ein, um den Betrieb zügig zu sanieren und alsbald wieder am wirtschaftlichen Verkehr teilzunehmen, so ist diese Betriebsunterbrechung erst dann schädlich, wenn es tatsächlich nicht zur alsbaldigen Wiederaufnahme der werbenden Tätigkeit kommt. Dauert die Unterbrechung – trotz Fortführungsabsicht des Unternehmers – objektiv so lange an, dass nicht mehr von einer zügigen Sanierung und alsbaldigen Wiederaufnahme der werbenden Tätigkeit gesprochen werden kann, so liegt ein Fall einer zulagenschädlichen Betriebseinstellung vor, da mit einer solchen lang andauernden Unterbrechung gleichfalls der Wegfall des Förderzweckes verbunden ist. Dabei ist es ohne Belang, dass sich – entgegen der ursprünglichen Planung – eine Verzögerung ergeben hat, die nicht vom Unternehmer zu vertreten ist. Denn eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass die Verbleibensvoraussetzungen lediglich missbräuchliches Verhalten des Investors verhindern sollen, ist nicht geboten.

    Von einer zügigen Sanierung und alsbaldigen Wiederaufnahme der werbenden Tätigkeit kann jedenfalls dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Betriebsunterbrechung – wie im Streitfall – 18 Monate andauert (z.B. BFH, BFH/NV 2002, 1110; Sächsisches FG, EFG 2002, 1109). Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die streitbefangenen Wirtschaftsgüter nicht während des Bindungszeitraums zum Anlagevermögen eines Betriebes im Fördergebiet gehört haben. In der Einstellung der werbenden Tätigkeit nach dem Brandereignis Ende Januar 2009 und der Wiederaufnahme derselben frühestens nach dem Verkauf Ende Juli 2010 – und damit 18 Monate später – ist eine zulagenschädliche Betriebseinstellung zu sehen. Durch das Brandereignis sind die für die Herstellung der Produkte wesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebes zerstört worden. Eine Fortsetzung der Tätigkeit des Betriebes war erst nach Reparatur oder Ersatz der Wirtschaftgüter möglich. Selbst wenn etwaiger Lagerbestand nach dem Brandereignis veräußert worden sein sollte oder andere unterordnete Tätigkeiten fortgeführt worden sein sollten, ist mit dem Ausfall der Produktion die Einstellung des Betriebes verbunden gewesen. Diese dauerte objektiv bis zur Wiederaufnahme der Produktion durch den Erwerber fort, unabhängig davon, wie lange sich die Entscheidung der Versicherung über die Schadenshöhe hinzog. Soweit der Kläger geltend macht, die Wiederaufnahme der Produktion sei infolge höherer Gewalt (wegen des Brandes) unterblieben, übersieht er, dass kein objektiver Hinderungsgrund für die Wiederaufnahme der Produktion bestanden hat, denn die Brand beschädigte Anlage hätte repariert oder ersetzt werden können, so dass die Entscheidung, von der Wiederaufnahme der Produktion Abstand zu nehmen ebenso wie die Entscheidung, den Betrieb bis zur Wiederaufnahme der Produktion durch den Erwerber stillzulegen, von betriebswirtschaftlichen Erwägungen (Höhe der Versicherungsleistung) bestimmt war, die unberücksichtigt bleiben müssen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.