29.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123616
Bundesfinanzhof: Urteil vom 22.08.2012 – I R 9/11
Die sog. Mindestbesteuerung verstößt in ihrer Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags nicht gegen Verfassungsrecht.
Gründe
I.
1
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Festsetzungen zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag des Streitjahres 2004, bei denen ein Verlustvortrag sowie ein vortragsfähiger Gewerbeverlust nur zu einem Teil bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und des Gewerbeertrags einkommens- bzw. gewerbeertragsmindernd zum Abzug kamen (sog. Mindestbesteuerung).
2
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH mit mehreren Tausend Gesellschaftern, betreibt den Erwerb und die Verwaltung von Vermögensanlagen jeder Art. Aus Aktien und Aktienfonds erzielt sie Erträge, die bei der Ermittlung des Einkommens weitgehend außer Betracht bleiben; diese Erträge machen ca. 2/3 der Gesamterträge aus. Die übrigen Erträge (aus festverzinslichen Wertpapieren und Festgeldern) entsprechen der Höhe nach den im Gesamtunternehmen regelmäßig anfallenden betrieblichen Aufwendungen. Die Klägerin schließt aus ihrer Betriebsart darauf, dass sie nicht auf unbegrenzte Zeit bestehen bleibe; sie werde voraussichtlich bis zum Jahre 2020 aktiv und dann bis spätestens im Jahre 2025 nach der Liquidation aufgelöst sein.
3
Die Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte (2.002.474 €) und des vorläufigen Gewerbeertrags (2.327.228 €) des Streitjahres ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei der Veranlagung des Streitjahres allerdings unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG 2002) i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) --EStG 2002 n.F.-- sowie auf § 10a Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes 2002 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2922, BStBl I 2004, 20) --GewStG 2002 n.F.-- einen zum 31. Dezember 2003 festgestellten Verlustvortrag (36.532.178 €) sowie einen vortragsfähigen Gewerbeverlust (38.411.472 €) nur teilweise einkommens- bzw. gewerbeertragsmindernd. Das FA setzte daraufhin eine Körperschaftsteuer von 100.427 € (zu versteuerndes Einkommen: 400.989 €) und eine Gewerbesteuer von 108.814 € (nach einem Gewerbeertrag von 530.800 €) fest. Die Klage, mit der geltend gemacht worden war, dass die Klägerin bei unveränderter Geschäftspolitik bis zu ihrer Liquidation nicht in der Lage sein werde, die erheblichen Verlustvorträge zu nutzen, blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. September 2010 12 K 8212/06 B).
4
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und unter Änderung der angefochtenen Steuerbescheide den Gewerbesteuermessbetrag 2004 und die Körperschaftsteuer 2004 dahingehend festzusetzen, dass bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bzw. des Einkommens die abzugsfähigen Verluste in Höhe von 2.327.228 € bzw. in Höhe von 2.002.474 € berücksichtigt werden.
5
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
6
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es hat keinen Antrag gestellt.
II.
7
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass bei der Einkommensermittlung bzw. der Gewerbeertragsermittlung des Streitjahres ein zum 31. Dezember 2003 festgestellter Verlustvortrag und vortragsfähiger Gewerbeverlust nach Maßgabe der sog. Mindestbesteuerung nur teilweise einkommens- und gewerbeertragsmindernd zu berücksichtigen ist.
8
1. Im Rahmen der Festsetzungen, die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegen, hat das FA die gesetzlichen Regelungen der sog. Mindestbesteuerung (§ 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F., § 10a Sätze 1 und 2