Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 21.09.2012

    Finanzgericht München: Urteil vom 04.07.2012 – 4 K 688/11

    1. § 14 Abs. 2 S. 2 DVStB enthält keine Regelung, dass bei der mündlichen Steuerberaterprüfung andere Personen als die Mitglieder des Prüfungsausschusses an der Beratung teilnehmen. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 175 Abs. 2 GVG bzw. § 193 GVG. Bei Teilnahme anderer Personen (hier: Hospitation eines künftigen Mitglieds des Prüfungsausschusses) an der Beratung des Prüfungsausschusses ist die mündliche Prüfung zu wiederholen (Anschluss an das Urteil des Sächsischen FG v. 31.5.2011, 2 K 243/10).

    2. Der Grundsatz der Chancengleichheit aller Bewerber erfordert, dass bei den Abstimmungsphasen des Erst- und Zweitprüfers über den Notenvorschlag für die schriftlichen Aufsichtsarbeiten sowie in den Zeiträumen der mündlichen Prüfung, in denen sich die Prüfer über die Bewertung der von einem Bewerber erbrachten Leistung und damit über den Prüfungserfolg des Kandidaten im Gespräch austauschen, weder eine Person i. S. d. Art. 14 Abs. 2 S. 2 DVStB noch ein Dritter i. S. d. § 14 Abs. 2 S. 3 DVStB, also auch kein Gasthörer, im Prüfungslokal anwesend sein darf. Bereits in der bloßen Anwesenheit eines Gasthörers in den Beratungsphasen, also auch wenn er keine Fragen stellt oder sonst sich zu den Leistungen der Bewerber äußert, ist eine Verletzung des in § 14 Abs. 2 Satz 1 DVStB normierten Nichtöffentlichkeitsgebots der Beratungen des Prüfungsausschusses zu sehen.

    3. Das Gericht kann Prüfungsentscheidungen der Steuerberaterprüfung im Wesentlichen nur daraufhin überprüfen, ob der Prüfungsausschuss allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verletzt hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist oder wesentliche Verfahrensbestimmungen außer Acht gelassen hat. Hinsichtlich der fachlichen und prüfungsspezifischen Beurteilung kommt eine gerichtliche Kontrolle im Übrigen nur in Betracht, wenn sich ein Bewertungsfehler auf die Notengebung ausgewirkt haben könnte.

    4. Im offenen Verfahren bleibt es dem Zweitkorrektor unbenommen, auf welche Weise er das Ergebnis seiner Korrektur zum Ausdruck bringt. Selbst der Umstand, dass der Zweitkorrektor die eigens für seine Korrektur vorgesehen Spalte sowie einen Korrekturbogen (teilweise) nicht ausfüllt, lässt nicht den Schluss zu, er habe keine eigenständige Bewertung vorgenommen.

    5. Bei den schriftlichen Steuerberaterprüfungen gibt es keine amtlichen Musterlösungen mit für die Prüfer verbindlichen Vorgaben. Ein den Prüfern an die Hand gegebenes Bewertungssystem (sei es in Form eines Punkteverteilungsschemas oder einer Lösungsskizze des Aufgabenstellers) darf nicht dazu führen, dass die Übereinstimmung bestimmter Ausführungen in der Klausur mit dem Lösungsvorschlag in der sog. „Musterlösung” oder der Lösungsskizze zwingend zur Vergabe bestimmter Leistungspunkte führt, da hierin eine unzulässige Einschränkung des Prüferermessens läge.

    6. Auch wenn ein Fachverlag für Steuerrecht, der seit vielen Jahren „Die Offiziellen Klausuren aus der Steuerberaterprüfung sowie Übungsklausuren mit Lösungen” veröffentlicht, die Meinung vertritt, die für einen bestimmten Teil der schriftlichen Steuerberaterprüfung geforderte Lösung sei selbst von einem Beraterteam in der vorgegebenen Zeit nicht zu erarbeiten gewesen, so kann daraus kein Prüfungsverstoß abgeleitet werden. Der Umstand, dass sämtliche Bewerber der Steuerberaterprüfung mit der Aufgabe konfrontiert werden, wahrt den Grundsatz der Chancengleichheit, solange es sich um keine fehlerhaft gestellte Aufgabe handelt.


    IM NAMEN DES VOLKES

    Urteil

    In der Streitsache

    hat der 4. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht … und die Richterin am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … und … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2012 für Recht erkannt:

    1. Die Prüfungsentscheidung vom … 2011 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger erneut zur Ablegung des mündlichen Teils der Steuerberaterprüfung zu laden.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    2. Der Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom … 2011 über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2010.

    Der am xx.xx.xxxx geborene Kläger hat nach Ableistung seines Wehrdienstes in der Zeit von September 1993 bis März 2001 an der Universität … das Studium der Wirtschaftswissenschaften (mit den Vertiefungsrichtungen Außenwirtschaft, Makroökonomie und Prozesspolitik, Recht und Betriebswirtschaftslehre) mit dem Abschluss Diplom-Ökonom erfolgreich absolviert. Anschließend nahm er bis März 2002 an einem Post-Graduate-Praktikum bei … in … teil, bei dem er als Business Analyst im Bereich Consumer Goods/Retail, Marketing & Sales, sowie Engieneered Products/High Tech tätig war. In der Zeit von Mai 2002 bis November 2002 arbeitete der Kläger als Information Spezialist bei … im Bereich Informations- und Datenbeschaffung für die Bedürfnisse einer internationalen Unternehmensberatung. Seit Januar 2004 ist der Kläger als Berater im Research freiberuflich tätig. In der Zeit von September 2004 bis Dezember 2006 durchlief er die Ausbildung zum Steuerassistenten in der Steuerberaterkanzlei …, in der er seitdem mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt ist.

    Die vorliegende Steuerberaterprüfung 2010 ist der dritte Versuch des Klägers, die Steuerberaterprüfung zu bestehen.

    Im Rahmen der Steuerberaterprüfungen 2006 und 2008 erzielte er im schriftlichen Prüfungsteil die Gesamtnoten 5,16 und 4,83 und war damit von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen.

    Zur Ablegung der Steuerberaterprüfung 2010 wurde der Kläger mit Zulassungsbescheid vom 20. Mai 2010 zugelassen. In den drei schriftlichen Prüfungsarbeiten erzielte er die Einzelnoten 4,0 (Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete), 4,0 (Ertragsteuern) und 5,0 (Buchführung und Bilanzwesen). Hieraus ergab sich eine Schriftliche Gesamtnote von 4,33. Demgemäß wurde der Kläger mit Schreiben des Beklagten vom 5. Januar 2011 zur Ableistung der mündlichen Prüfung geladen.

    In der am … 2011 durchgeführten mündlichen Prüfung erhielt der Kläger für den mündlichen Vortrag die Note 5,0 (gewähltes Thema: Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes – Vermietung – Verkauf) und für die 6 Prüfungsabschnitte die Noten 4,0 (Prüfer …, Berufsrecht, Abzugssteuern), 5,0 (Prüferin …, Abgabenordnung), 5,0 (Prüfer …, Haftungsrecht, Kauf/Werkvertrag), 4,0 (Prüfer …, EStR), 4,5 (Prüfer …, Bilanzrecht, Berufsrecht), 4,5 (Prüfungsausschussvorsitzender …, BewR, EStR, VerfR).

    Da sich hieraus ein Durchschnitt der Gesamtnoten von 4,45 ergab (Gesamtnote der schriftlichen Prüfung: 4,33, Gesamtnote der mündlichen Prüfung: 4, 57), wurde dem Kläger im Anschluss an die mündliche Prüfung eröffnet, dass er die Prüfung nicht bestanden habe. Ausweislich der „Niederschrift über die mündliche Prüfung für Steuerberater am …, … in Raum …” samt Anlagen hat der Kläger keine Begründung der Bewertung gewünscht. Eine Rechtsbehelfsbelehrung wurde ihm ausgehändigt.

    Die vorgenannte Niederschrift enthält die Besetzung des Prüfungsausschusses mit Namen und Funktion sowie die Namen der erschienenen Bewerber. Die Rubrik „besondere Vorkommnisse” enthält außer einem schrägen Strich des Prüfungsausschussvorsitzenden keinen Eintrag. Unstreitig war während der gesamten Dauer der mündlichen Prüfung einschließlich der Beratung der Prüfer über die Leistungen der Prüfungskandidaten der Vizepräsident des Bayerischen Landesamts für Steuern, München, …, im Prüfungsraum anwesend. Seine Anwesenheit diente der Hospitation zum Zweck der Vorbereitung auf seinen künftigen Einsatz als Mitglied des Prüfungsausschusses.

    Mit Telefax erhob der Kläger am 4. März 2011 Klage und beantragte die Durchführung des Überdenkungsverfahrens, das er mit Schreiben vom 11. Juli 2011 begründete. Er legte im Einzelnen dar, welche Punkte der Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzwesen er aufgrund seiner Ausführungen hätte erhalten müssen. Außerdem rügte er, dass Teil III dieser Klausur selbst von einem Team von Experten nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit hätte gelöst werden können. Angesichts des durch Umfang und Schwierigkeit der Aufgabe erzeugten Zeitdrucks sei es unangemessen, knappe aber nachvollziehbare Antworten durchgehend mit Punktabzug zu bewerten.

    Hinsichtlich der mündlichen Prüfung trug der Kläger vor, warum sein Kurzvortrag und seine Leistungen in den einzelnen Prüfungsrunden zu schlecht bewertet worden seien. Während der mündlichen Prüfung sei ein Gasthörer anwesend gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das klägerische Schreiben vom 11. Juli 2011 Bezug genommen.

    Das Überdenkungsverfahren hatte keinen Erfolg. Sowohl die Korrektoren der Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzwesen als auch die Prüfer der mündlichen Prüfung hielten an ihrer Bewertung der klägerischen Leistung fest. Auf das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 19. September 2011 samt Anlagen wird Bezug genommen.

    Zur Begründung seiner Klage nimmt der Kläger vollumfänglich auf sein Schreiben vom 11. Juli 2011 Bezug. Auch nach der Stellungnahme der Prüfer im Überdenkungsverfahren seien die Bewertungen nicht nachvollziehbar. In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt der Kläger die Anwesenheit eines Gasthörers bei der mündlichen Prüfung als Verstoß gegen § 14 Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und … Steuerberatungsgesellschaften (DVStB). Bereits die Nichtnennung der zusätzlich anwesenden Person im Protokoll stelle einen Verstoß gegen § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DVStB dar. Da der Gasthörer von Beginn der Prüfung bis einschließlich der Notenverkündung anwesend gewesen sei, sei davon auszugehen, dass er – entgegen der normierten Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 1 DVStB – auch an der Beratung des Prüfungsausschusses teilgenommen habe. Desweiteren rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 24 Abs. 2 DVStB, weil der Zweitprüfer bei der Korrektur zu identischen Ergebnissen gekommen sei wie der Erstprüfer, und sich außerdem die Ausführungen des Erstprüfers im Überdenkungsverfahren zu eigen gemacht habe. Es fehle somit bereits eine eigenständige Zweitkorrektur der Arbeit In materieller Hinsicht legt der Kläger ein Gutachten des Steuerberaters … aus … vom 22. Juni 2011 vor, das unter Beachtung der aufgezeigten Einwendungen zu dem Ergebnis kommt, die klägerische Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzwesen sei mit insgesamt 43,5 Punkten und damit der Note 4,5 zu bewerten. Die Stellungnahmen der Prüfer im Überdenkungsverfahren seien nicht geeignet, die Einwendungen des Klägers zu den Darlegungen im Überdenkungsverfahren (FG-Bl. 91 bis 96) sowie das Gutachten zu entkräften. Ergänzend trägt der Kläger vor, Teil III der streitgegenständlichen Prüfung, der laut amtlicher Lösungsskizze 33 von 100 Wertungspunkten der Klausur ausmache, sei objektiv beurteilt in der vorgesehenen Zeit nicht zu schaffen (Anlage 9 zur Klageschrift, FG-Bl. 102). Der Schwierigkeitsgrad der Prüfung überschreite im vorliegenden Fall deutlich den Ermessensbereich zulässiger Prüfungen. Teil III der streitgegenständlichen Prüfung sei daher zu annullieren. Auf den Schriftsatz des Klägers vom 27. Juni 2012, in dem eine weitere gutachterliche Stellungnahme des Steuerberaters … vom 26. Juni 2012 vorgelegt worden ist, wird Bezug genommen.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid vom 7. Februar 2011 über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2010 in Form der Nichtabhilfeentscheidung vom 19. September 2011 im Überdenkungsverfahren aufzuheben und

    den Beklagten zu verpflichten,

    die schriftliche Prüfungsarbeit des Klägers auf dem Gebiet „Buchführung und Bilanzwesen” unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten und

    den Kläger erneut zur Ableistung der mündlichen Prüfung der Steuerberaterprüfung zu laden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung führt er aus, die Anwesenheit eines Gasthörers in der mündlichen Prüfung stelle keinen Verstoß gegen das Prüfungsverfahren dar, obwohl der Gasthörer auch zu den Zeiten anwesend gewesen sei, in der die Prüfer über die Bewertung der Leistung der Bewerber beraten hätten. Zu den vom Kläger aufgeworfenen materiellen Fragen der mündlichen Prüfung hätten sich die Prüfer in ihren Stellungnahmen im Überdenkungsverfahren geäußert. Das Vorbringen des Klägers kritisiere die Ausübung des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums. Hinsichtlich der schriftlichen Prüfung liege kein Verstoß gegen die Zwei-Prüfer-Regelung vor. Aus den Randbemerkungen und Unterstreichungen des Zweitkorrektors in der Aufsichtsarbeit sei die Ausübung des eigenständigen Prüferermessens erkennbar. Hinsichtlich der materiellen Fragen sei keine falsche Bewertung durch die Prüfer erkennbar.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Klagebegründung vom 18. November 2011 samt Anlagen, insbesondere das von dem Kläger vorgelegte Gutachten, des weiteren auf die Stellungnahmen der Korrektoren im Überdenkungsverfahren, das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 15. Dezember 2011, sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

    II.

    Die Klage ist teilweise begründet.

    1. Die gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen ist aus der Natur der Dinge inhaltlich begrenzt. Denn die Bewertung einer Prüfungsleistung beruht auch auf persönlichen, subjektiven Erfahrungen und Vorstellungen des einzelnen Prüfers, die in die Beurteilung der erbrachten Prüfungsleistung einfließen. Den Prüfern steht deshalb sachnotwendig ein -überprüfungsfreier – Entscheidungsspielraum zu. Die nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) grundsätzlich gebotene gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen ist somit nur eingeschränkt möglich (ständige Rspr., vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 21. Januar 1999 VII R 35/98, BFHE 197, 373BStBl II 1999, 242 m. w. N. insbesondere auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 24. Februar 1993 6 C 35/92, BVerwGE 92, 132; BFH-Urteil vom 3. Februar 2004 VII R 1/03, BFHE 204, 546, BStBl II 2004, 842).

    Das Gericht kann Prüfungsentscheidungen im Wesentlichen nur daraufhin überprüfen, ob der Prüfungsausschuss allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verletzt hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist oder wesentliche Verfahrensbestimmungen außer Acht gelassen hat (Urteil des Finanzgerichts – FG – Hamburg, Urteil vom 23. Januar 2002 V 26/01, Entscheidung der Finanzgerichte – EFG – 2002, 1059).

    Hinsichtlich der fachlichen und prüfungsspezifischen Beurteilung kommt eine gerichtliche Kontrolle im Übrigen nur in Betracht, wenn sich ein Bewertungsfehler auf die Notengebung ausgewirkt haben könnte (FG München, Urteil vom 25. September 1991 4 K 567/91, EFG 1992, 162; Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 17. April 1991 1 BvR 419, 81, 213/83, Neue juristische Wochenschrift – NJW – 1991, 2005, 2007 und 1 BvR 1529/84, 138/87, NJW 1991, 2008, 2010).

    2. Bei der Durchführung des mündlichen Teils der Steuerberaterprüfung wurden wesentliche Verfahrensbestimmungen außer Acht gelassen, was zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung vom … 2011 führt.

    a) Maßgebend hierfür ist der Umstand, dass nach dem gerichtsbekannten tatsächlichen Ablauf der mündlichen Steuerberaterprüfung die Prüfer sich im Verlauf der mündlichen Prüfung über die Bewertung der Leistung der Kandidaten beraten, wobei ihnen die schriftlichen Noten der Bewerber bekannt sind. Nachdem diese während dieser Beratungsphasen nicht im Prüfungslokal anwesend sind, findet keinerlei Kontrolle über die Äußerungen der einzelnen Prüfer während dieser Beratung statt. Der Senat ist der Auffassung, dass zur Wahrung der Chancengleichheit der Bewerber sichergestellt sein muss, dass kein Dritter (wie z. B. ein Gasthörer – und sei es durch seine bloße Anwesenheit bei der Beratung –) Einfluss auf die Prüfungsentscheidung eines der Bewerber nehmen kann. Der Senat schließt sich der Meinung des Sächsischen FG an, wonach § 14 Abs. 2 Satz 2 DVStB keine Regelung enthält, dass andere Personen als die Mitglieder des Prüfungsausschusses an der Beratung teilnehmen, und dass etwas anderes auch nicht aus § 175 Abs. 2 bzw. § 193 des Gerichtsverfassungsgesetzes folgt (Urteil vom 31. Mai 2011 2 K 243/10, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2012, 367, Revision eingelegt, Aktenzeichen des BFH: VII R 41/11, a. A. Draf, Deutsches Verwaltungsblatt -DVBl 2012, 66ff.).

    b) Im Einzelnen gilt Folgendes:

    aa) Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes in der ab 12. April 2008 gültigen Fassung (StBerG) muss die Prüfung als Steuerberater vor einem Prüfungsausschuss abgelegt werden, der bei der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde zu bilden ist, im Streitfall also beim Beklagten. Dem Prüfungsausschuss gehören drei Beamte des höheren Dienstes oder vergleichbare Angestellte der Finanzverwaltung an, davon einer als Vorsitzender, sowie drei Steuerberater oder zwei Steuerberater und ein Vertreter der Wirtschaft (§ 35 Abs. 1 Satz 3 StBerG, § 10 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften – DVStB –).

    § 37 Abs. 2 Satz 1 StBerG bestimmt, dass sich die Prüfung in einen schriftlichen Teil aus drei Aufsichtsarbeiten und eine mündliche Prüfung gliedert.

    § 158 Nr. 1 Buchst. b StBerG enthält die Ermächtigung der Bundesregierung, die Durchführung der Prüfung, insbesondere die Prüfungsgebiete, die schriftliche und mündliche Prüfung sowie das Überdenken der Prüfungsbewertung im Verordnungsweg zu regeln.

    § 14 Abs. 2 Satz 1 DVStB bestimmt unter der Überschrift „Durchführung der Prüfungen”, dass die Prüfungen und die Beratungen des Prüfungsausschusses nicht öffentlich sind. An der mündlichen Prüfung können Vertreter der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde und des Vorstandes der zuständigen Steuerberaterkammer teilnehmen. Anderen Personen kann der Vorsitzende des Prüfungsausschusses die Anwesenheit gestatten (§ 14 Abs. 2 Sätze 2 und 3 DVStB).

    § 24 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 DVStB regeln die „Bewertung” der Aufsichtsarbeiten des schriftlichen Teils der Prüfung sowie – bezogen auf die mündliche Prüfung – des Vortrags und jedes Prüfungsabschnitts, wobei die Noten vom Prüfungsausschuss festgesetzt werden (§ 27 Abs. 2 DVStB).

    § 28 Abs. 1 DVStB bestimmt schließlich, dass der Prüfungsausschuss im unmittelbaren Anschluss an die mündliche Prüfung über das Ergebnis der Prüfung berät, wobei die Prüfung bestanden ist, wenn die durch zwei geteilte Summe aus den Gesamtnoten für die schriftlich und die mündliche Prüfung die Zahl 4,15 nicht übersteigt.

    bb) Die Verwendung des Begriffs „Bewertung” in den §§ 24 und 27 DVStB schließt nicht aus, dass im Rahmen der Bewertung eine Beratung i. S. des § 14 Abs. 2 DVStB stattfindet.

    aaa) Die Bewertung der schriftlichen Arbeiten erfolgt durch zwei Prüfer (§ 24 Abs. 2 Satz 1 DVStB), die Mitglieder des Prüfungsausschusses sind und denen diese Aufgabe vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses übertragen wird. Der Notenvorschlag ist von den beiden Prüfern übereinstimmen zu ermitteln und gilt als Note des Prüfungsausschusses, wenn die Bewertungen einer Arbeit durch Erst- und Zweitprüfer nicht voneinander abweichen (§ 24 Abs. 3 Satz 1 DVStB). Bei Abweichungen sind die Prüfer gehalten, sich auf übereinstimmende Notenvorschläge zu einigen (§ 24 Abs. 3 Satz 2 DVStB). Die Bewertung der schriftlichen Arbeiten sieht also einen kommunikativen Austausch zwischen den Prüfern und damit eine „Beratung” i. S. des § 14 Abs. 2 DVStB vor. Auch die in § 24 Abs. 4 vorgesehen Festsetzung der Note durch den Prüfungsausschuss für den Fall, dass sich Erst- und Zweitprüfer nicht auf einen gemeinsamen Notenvorschlag einigen können, erfordert zwangsläufig eine Beratung der Mitglieder des Prüfungsausschusses.

    bbb) Ebenso ist es im Rahmen der mündlichen Prüfung. Diese beginnt regelmäßig mit der Ableistung des sog. Kurzvortrags, also des Vortrags i. S. des § 27 Abs. 1 DVStB. Den Prüfern, also der vom Beklagtenvertreter für die Abnahme der jeweiligen mündlichen Prüfung aus Mitgliedern des Prüfungsausschusses gebildete Prüfungskommission, sind die schriftlichen Noten der Bewerber, die wiederum andere Mitglieder des Prüfungsausschusses für diesen ermittelt haben, bekannt.

    Es ist gerichtsbekannt, dass sich die Prüfer nach jedem einzelnen Vortrag eines Bewerbers über die Einordnung der erbrachten Leistung austauschen, bevor der nächste Bewerber das Prüfungslokal betritt. Auch in den Pausen der mündlichen Prüfung, die regelmäßig stattfinden, nachdem der zweite Prüfer und der vierte Prüfer ihre Prüfung beendet haben, können solche Gespräche erfolgen.

    Es findet demnach auch während der mündlichen Prüfung ein kommunikativer Austausch zwischen den Prüfern über die Einordnung der Leistungen der Kandidaten statt, obwohl die Prüfer ihre (Teil-)Bewertungen selbständig in das während der mündlichen Prüfung zwischen ihnen umlaufende Notenblatt eintragen.

    cc) Der Senat entnimmt dem Grundsatz der Chancengleichheit aller Bewerber, dass (bei den hier nicht streitigen Abstimmungsphasen des Erst- und Zweitprüfers über den Notenvorschlag für die schriftlichen Aufsichtsarbeiten) sowie in den Zeiträumen der mündlichen Prüfung, in denen sich die Prüfer über die Bewertung der von einem Bewerber erbrachten Leistung und damit über den Prüfungserfolg des Kandidaten im Gespräch austauschen, weder eine Person i. S. des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 DVStB noch ein Dritter i. S. des § 14 Abs. 2 Satz 3 DVStB, also auch kein Gasthörer, im Prüfungslokal anwesend sein darf.

    Denn während dieser Zeiträume ist eine Beeinflussung der Prüfer durch den Gasthörer nicht auszuschließen (obwohl unabhängig davon eine Beeinflussung durch Mimik und Gestik auch während der „Befragungsabschnitte” möglich wäre).

    Zwar kann trotz der vorgenannten Bedenken die Chancengleichheit aller Bewerber bei Anwesenheit eines Gasthörers während der Befragungsphase noch als gewahrt gelten, obwohl mündliche Prüfungen überwiegend ohne Gasthörer stattfinden und die Anwesenheit eines Gasthörers demnach die Ausnahme darstellt.

    Jedoch ist der Grundsatz der Chancengleichheit aller Bewerber verletzt, wenn ein Gasthörer auch während der Zeiträume der mündlichen Prüfung anwesend ist, in denen die Prüfer, d.h., die Mitglieder des Prüfungsausschusses, ihre Meinung dazu äußern, wie die von den Bewerbern gezeigten Leistungen – absolut aber auch im Vergleich zu den anderen Mitbewerbern – einzuordnen und mit welcher Note sie zu bewerten sind.

    Der Senat entnimmt dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang des § 14 Abs. 2 DVStB, dass zwischen der Befragung der Kandidaten („mündliche Prüfung” = Leistungserbringung) durch den Prüfungsausschuss und dem kommunikativen Austausch der Mitglieder des Prüfungsausschusses über die Bewertung der von den Bewerbern gezeigten Leistungen („Beratung” = Leistungsbeurteilung) zu unterscheiden ist. Dritten, wie Vertretern der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde oder des Vorstands der zuständigen Steuerberaterkammer und anderen Personen (wie im Streitfall Gasthörern), ist die Anwesenheit bei der Befragung entweder durch Gesetz oder durch Zulassung durch den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gestattet. Nicht von § 14 Abs. 2 Sätze 2 und 3 DVStB erfasst ist dagegen die Anwesenheit irgendwelcher anderer Personen als den Mitgliedern des Prüfungsausschusses während der Zeit der Beratung, also während der Phasen der mündlichen Prüfung nach Ableistung des Kurzvortrags jedes einzelnen Bewerbers und während der Pausen nach jeweils zwei Prüfungsrunden, in denen die Bewerber nicht im Prüfungslokal anwesend sind

    Der Senat erkennt bereits in der bloßen Anwesenheit des Gasthörers in den Beratungsphasen, also auch wenn er keine Fragen stellt oder sonst sich zu den Leistungen der Bewerber äußert, eine Verletzung des in § 14 Abs. 2 Satz 1 DVStB normierten Nichtöffentlichkeitsgebots der Beratungen des Prüfungsausschusses. Er teilt nicht die Auffassung von Draf (a. a. O.), ein Gasthörer könne keinen Einfluss auf das Prüfungsergebnis haben. Das möglichst hohe Maß an Objektivität bei der Bewertung der Prüfungsleistung erfordert, jedes erdenkliche Risiko der Beeinflussung des Prüfungsausschusses durch fremde Personen während der Beratung auszuschließen. Auch der Umstand, dass der Gasthörer als Vizepräsident eine leitende Position im Bayerischen Landesamt für Steuern bekleidet, schließt eine Einflussnahme (schon qua Anwesenheit) auf die der Finanzverwaltung angehörenden Mitglieder der Prüfungskommission nicht gerade aus.

    c) Im Streitfall hat der Beklagtenvertreter unstreitig gestellt, dass der Gasthörer während der gesamten Zeit der mündlichen Prüfung (Befragung und Beratung) im Prüfungslokal anwesend war. In der vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gefertigten Niederschrift ist auch nicht protokolliert, dass der in der mündlichen Prüfung zu Schulungszwecken anwesende Gasthörer in den Zeiträumen, in denen die Prüfer sich ihre Meinung zu den Leistungen der Bewerber bildeten, das Prüfungslokal verlassen hätte.

    Die Entscheidung des FG Münster vom 30. August 2001 7 K 2090/01 StB (EFG 2001, 1622) ist für den Streitfall ohne Bedeutung, weil das FG Münster in dem dort zu entscheidenden Fall festgestellt hatte, dass der Gasthörer nur an der mündlichen Prüfung und nicht auch an der Beratung teilgenommen hatte.

    d) Aufgrund des Verfahrensfehlers ist im Streitfall die mündliche Prüfung insgesamt zu wiederholen, weil der Fehler durch die ständige Anwesenheit des Gasthörers sämtliche Beratungsphasen und damit alle Teilabschnitte der mündlichen Prüfung am … 2011 betrifft.

    Im Hinblick auf die Aufhebung der Prüfungsentscheidung braucht der Senat nicht mehr im Einzelnen auf die vom Kläger zu den einzelnen Prüfungsabschnitten der mündlichen Prüfung vorgebrachten Einwendungen einzugehen.

    3. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

    a) Die vom Kläger gerügten Verstöße gegen § 31 bzw. § 24 DVStB liegen nicht vor bzw. sind nicht entscheidungserheblich.

    aa) § 31 DVStB regelt die Anforderungen an die Niederschrift über die mündliche Prüfung. Aus der Niederschrift müssen u. a. die Namen der Beteiligten ersichtlich sein.

    Zwar enthält die vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gefertigte Niederschrift über den Prüfungstermin am 7. Februar 2011 keinen Hinweis auf die Anwesenheit des Gasthörers. Hierin liegt auch ein Verstoß gegen die formale Vorschrift des § 31 Abs. 1 Nr. 1 DVStB.

    Dieser Verstoß hat aber – für sich gesehen – keinen Einfluss auf die Bewertung der Leistung der Kandidaten. Denn die Nichtnennung des Gasthörers in der Niederschrift kann die Prüfungsleistung des Klägers nicht beeinträchtigt haben. Falls der Kläger sich bereits während der Prüfung durch die Anwesenheit einer ihm nicht bekannten Person gestört gefühlt haben sollte, hätte er dies spätestens bis zum Ende der mündlichen Prüfung geltend machen müssen (§ 26 Abs. 8 Satz 1 DVStB). Entscheidend ist im Streitfall nicht die Verletzung der formalen Protokollierungspflicht, sondern die Tatsache der Anwesenheit des Gasthörers bei der Beratung unter Verletzung des § 14 Abs. 2 Satz 1 DVStB.

    bb) § 24 Zwei-Prüfer-Regelung

    Nach § 24 Abs. 2 DVStB ist jede Aufsichtsarbeit von mindestens zwei Prüfern (Erst- und Zweitprüfer) persönlich zu bewerten. Dem Zweitprüfer kann die Bewertung des Erstprüfers mitgeteilt werden; dies gilt entsprechend, wenn weitere Prüfer bestimmt sind (§ 24 Abs. 2 Satz 2 DVStB).

    Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen die sog. Zwei Prüfer Regelung liegt nicht vor. In welcher Form die erforderliche Begutachtung durch die Prüfer zu erfolgen hat, ist weder im Steuerberatungsgesetz (StBerG) noch in der DVStB geregelt. Wird – wie im Streitfall – das Bewertungsverfahren offen gestaltet, d. h., wird dem Zweitkorrektur die Bewertung des Erstprüfers mitgeteilt, so kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte aus der Tatsache, dass der Zweitkorrektor sich der Bewertung des Erstkorrektors anschließt (z. B. durch bloßes Abhaken der Bewertungsschritte des Erstkorrektors oder durch ein allgemeines „Einverstanden”) nicht gefolgert werden, er habe die Arbeit nicht selbständig begutachtet. Im offenen Verfahren bleibt es dem Zweitkorrektor unbenommen, auf welche Weise er das Ergebnis seiner Korrektur zum Ausdruck bringt. Selbst der Umstand, dass der Zweitkorrektor die eigens für seine Korrektur vorgesehen Spalte sowie einen Korrekturbogen (teilweise) nicht ausfüllt, lässt nicht den Schluss zu, er habe keine eigenständige Bewertung vorgenommen (BFH-Urteil vom 29. September 1992 VII R 76/90, BFH/NV 1994, 269; BFH-Beschluss vom 28. September 1998 VII B 65/98, BFH/NV 1999; FG Hamburg Urteil vom 24. April 2003 V 11/02, Juris; FG Schleswig-Holstein Urteil vom 30 Mai 2002 II 7/01, Juris; FG Köln, Urteile vom 27. Januar 2005 2 K 1010/01, Juris; vom 26. Februar 2004 2 K 1580/02, EFG 2004, 1090; Sächsisches FG, Urteil vom 3. August 1999 6 K 89/99, Juris).

    Nach dem Vorstehenden ist es nicht zu beanstanden, dass – wie geschehen – im Rahmen der Bewertung der Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzwesen der Zweitprüfer zu demselben Ergebnis gelangt. Die Ausübung eigenen Prüferermessens zeigt sich auch darin, dass der Zweitprüfer in den nicht mit Null Punkten bewerteten Teilen der Arbeit die Punkteverteilung auf die einzelnen Punkte des unverbindlichen Punkteschemas verteilt hat – anders als der Erstprüfer, der die Punkte blockweise vergeben hat. Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, dass der Zweitprüfer sich im Überdenkungsverfahren die Ausführungen des Erstprüfer ergänzend zu eigen macht. Diese Formulierung spricht nicht dafür, der Zweitprüfer habe im Überdenkungsverfahren kein eigenes Prüferermessen ausgeübt, zumal er im Anschluss aus die Bezugnahme auf den Erstprüfer eine ausführliche Stellungnahme im Überdenkungsverfahren abgegeben hat.

    b) Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als der erkennende Senat nicht der Auffassung des Klägers und dem von ihm beauftragten Gutachter zu folgen vermag, ihm seien wegen der von ihm gerügten Bewertungsfehler für seine Klausurlösung im Fachgebiet Buchführung und Bilanzwesen noch so viele Punkte zu geben gewesen, dass diese besser zu benoten gewesen sei.

    aa) Die Bewertung der Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzwesen des Klägers und die Stellungnahme des Erst- und Zweitprüfers im Überdenkungsverfahren sind im materiellen Sinn ordnungsgemäß, sie weisen keine Beurteilungsfehler auf.

    Insbesondere stellt die Bezugnahme des Klägers auf die Ausführungen der Gutachter und … keine hinreichend schlüssige Klagebegründung dar. Beide Gutachten nehmen überwiegend eine Drittkorrektur der klägerischen Arbeit mit eigenem Prüferermessen der Gutachter vor.

    Deutlich wird dies daran, dass die Gutachter die in dem Korrekturbogen und in der vom Gutachter als „amtliche Lösung” bezeichnete Lösungsskizze des Aufgabenstellers angeführten Angaben der Arbeit des Klägers gegenüberstellen und aufgrund von verbalen Übereinstimmungen die Vergabe bestimmter Punkte beanspruchen, die die Prüfer angeblich nicht gegeben haben. Unabhängig davon, dass weder das Punkteschema noch die Lösungsskizze des Aufgabenstellers verbindliche Vorgaben für die Prüfer darstellen, sondern eine unverbindliche Hilfestellung zur Gewichtung der einzelnen Aufgabenteile sein sollen, werden mit dieser Methode des Gutachters keine Bewertungsfehler im eigentlichen Sinn dargelegt. Die Bezugnahme auf die Gutachten in der Klage geht im wesentlichen ins Leere, da die Beanstandungen nahezu ausschließlich die Ausübung des Prüferermessens betreffen und damit den nicht justitiablen Bereich der Bewertung.

    Deutlich wird dies in Formulierungen der Gutachter wie: „Dieser Hinweis fehlt in der Lösung des Klägers”, „Vom Kläger keine korrekte Lösung dargestellt”, „Die Lösung des Klägers enthält diesen Hinweis”, „Diese Angabe hat der Kläger in seiner Lösung gemacht” (Gutachter …). „Die Lösung des Klägers kann die Anforderungen der Aufgabenstellung nur zum Teil erfüllen.” (Gutachter …).

    Mit der Forderung, dem Kläger bestimmte Punkte zuzusprechen, wenn sie in der Arbeit des Klägers ebenso auftauchen wie in den Lösungshinweisen, verkennen der Kläger mit seinem Vorbringen im Überdenkungsverfahren wie die Gutachter in ihren Ausführungen, dass die Prüfer nicht nur die Aufzählung bestimmter (Fach-)Begriffe bewerten, sondern den Gesamteindruck, den sie von der Leistung eines Prüflings gewinnen. Bei der Bewertung schriftlicher Arbeiten – wie im Streitfall – fällt hierunter insbesondere der Lösungsansatz des Prüflings sowie die konsequente Problemlösung bis zum richtigen Ergebnis. Aus diesem Grund ist die angegriffene Bewertung der Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzwesen des Klägers nicht zu beanstanden.

    Die von den Gutachtern thematisierten Schwächen der von ihnen so bezeichneten „amtlichen Lösung” stellen ebenfalls keinen Bewertungsfehler dar. Der Senat weist nochmals darauf hin, dass es bei den schriftlichen Steuerberaterprüfungen keine amtlichen Musterlösungen mit für die Prüfer verbindlichen Vorgaben gibt. Ein den Prüfern an die Hand gegebenes Bewertungssystem (sei es in Form eines Punkteverteilungsschemas oder einer Lösungsskizze des Aufgabenstellers) darf nicht dazu führen, dass die Übereinstimmung bestimmter Ausführungen in der Klausur mit dem Lösungsvorschlag in der sog. „Musterlösung” oder der Lösungsskizze zwingend zur Vergabe bestimmter Leistungspunkte führt, da hierin eine unzulässige Einschränkung des Prüferermessens läge (OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. Dezember 2009 5 ME 182/09, Juris). Lösungshinweise sollen nach ständiger (auch höchstrichterlicher) Rechtsprechung lediglich die Gewichtung einzelner Teile der Aufgabenstellung nach ihrer Bedeutung und Schwierigkeit erleichtern (BFH-Urteile vom 8. Februar 2000 VII R 52/99, BFH/NV 2000, 755, und vom 21. Mai 1999 VII R 34/98, BFHE 188, 502, BStBl II 1999, 573; BFH-Beschluss vom 26. Juni 2006 VII B 255/05, BFH-NV 2006, 1889; FG BadenWürttemberg, Urteil vom 13. Dezember 2006 2 K 193/04, Juris, jew. m. w. N.).

    bb) Das Begehren des Klägers, den Teil III der Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzen bei der Bewertung seiner Klausur nicht zu berücksichtigen, weil er in der vorgegeben Zeit nicht lösbar gewesen sei verbunden mit der Forderung, diesen Teil der Arbeit zu annullieren, verletzt den Grundsatz der Chancengleichheit aller Bewerber der Steuerberaterprüfung. Denn die (vermeintlich zu schwere) Aufgabe wurde allen Prüflingen gestellt. Würde diese Aufgabe beim Kläger nicht gewertet werden, so wäre dieser gegenüber allen anderen Prüflingen, die die Prüfung nicht angegriffen haben, im Vorteil. Der Kläger würde im Vergleich zu den anderen Prüfungsteilnehmern anhand anderer Maßstäbe beurteilt. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe des Gerichts, dem Beklagten bzw. dem Beklagtenvertreter vorzuschreiben, welchen Schwierigkeitsgrad die gestellten Prüfungsaufgaben haben dürfen.

    Ein justitiabler Verstoß gegen das Prüfungsrecht würde nur dann vorliegen, wenn die Aufgabe fehlerhaft gestellt wäre dergestalt, dass unzutreffende Angaben gemacht werden oder dass die gestellte Aufgabe ein Rechtsgebiet betrifft, das nicht Gegenstand des Prüfungsstoffes der Steuerberaterprüfung ist (siehe dazu § 37 Abs. 3 StBerG).

    Beides wird von den Gutachtern nicht behauptet, auch sieht der Senat für ein Vorliegen der genannten Voraussetzungen keine Anhaltspunkte. Der Senat teilt die Auffassung des Erstprüfers, dass Teil III der Aufgabe zwar anspruchsvoll, aber nicht unzulässig ist. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die angegriffene Aufgabe praxisbezogen gestellt ist und daher dazu dient, zu prüfen, ob ein Bewerber für die Ausübung der Tätigkeit als Steuerberater geeignet ist. Nach § 33 StBerG haben Steuerberater ihre Auftraggeber u. a. in Steuersachen zu beraten, zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Entgegen des Eindrucks des Gutachters … ist die von den Korrektoren betonte Praxisbezogenheit der Aufgabe nicht allein ausschlaggebend für die Bewertung der Leistung des Klägers (und der sämtlicher anderen Prüflinge) gewesen. Auch hat weder der Gutachter … noch der Gutachter … behauptet, beim Kläger seien andere Prüfungsmaßstäbe angelegt worden als bei sämtlichen anderen Prüfungskandidaten.

    Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf die Ansichten eines Fachverlags für Steuerrecht berufen, der seit vielen Jahren „Die Offiziellen Klausuren aus der Steuerberaterprüfung sowie Übungsklausuren mit Lösungen” veröffentlicht. Wenn dort die Meinung vertreten wird, die für Teil III der Aufgabe geforderte Lösung sei selbst von einem Beraterteam in der vorgegebenen Zeit nicht zu erarbeiten gewesen, so kann daraus kein Prüfungsverstoß abgeleitet werden. Der Umstand, dass sämtliche Bewerber der Steuerberaterprüfung mit der Aufgabe konfrontiert werden, wahrt den Grundsatz der Chancengleichheit, solange es sich – was im Streitfall nicht vorliegt – um keine fehlerhaft gestellte Aufgabe handelt.

    Bei der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angestellten Überlegung, nur derjenige Bewerber hätte eine reelle Chance auf eine zufriedenstellende Lösung der Buchführungsklausur gehabt, der sich (unter Verzicht auf die Bearbeitung des nicht lösbaren Teils III) auf die Bearbeitung der Teile I und II der Aufgabe beschränkt hätte, handelt es sich um Spekulation. Auch wäre hieraus, die Richtigkeit der Überlegung einmal unterstellt, nicht die Rechtswidrigkeit der gegen den Kläger ergangenen Prüfungsentscheidung abzuleiten. Weder das StBerG noch das Verfassungsrecht schreiben ein bestimmtes Quorum der Prüfungskandidaten vor, deren Leistungen in der Prüfung als für das Bestehen der Prüfung ausreichend bewertet werden müssen (FG Köln, Urteil vom 7. Dezember 2012 2 K 1434/09, Juris, Rdnr. 69).

    Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass Teil III der Aufgabe in der vorgesehenen Zeit für die Bewerber, die die einschlägigen Urteile des BFH gekannt hätten, in der dafür vorgesehenen Zeit zu schaffen gewesen sei.

    c) Auch die schriftsätzlichen Einwendungen des Klägers gegen die Beurteilung seiner Leistungen im Rahmen der mündlichen Prüfung, greifen nicht durch (Anlagen K4, K5 zur Klagebegründung, FG-Akte Bl. 70 bis 78).

    aa) Die ständige Praxis der Prüfungsbehörden, von mündlichen Prüfungen keine Protokolle oder Tonaufzeichnungen zu fertigen, stellt keinen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG dar. Auch wenn es derartige Aufzeichnungen gäbe, dürfte das Gericht seine dann mögliche eigene Einschätzung über die Qualität der von den Bewerbern gezeigten Leistungen nicht zum Prüfung der Leistungsbeurteilung durch die Prüfer machen.

    bb) Im Übrigen hat der Kläger hinsichtlich der mündlichen Prüfung keine echten Beurteilungsfehler gerügt. Zum mündlichen Vortrag bemerkt er selbst, dass der Beginn des Referats etwas fahrig und unsicher gewesen sein könne. Angesichts dessen sind die Stellungnahmen der Prüfer im Überdenkungsverfahren, die den klägerischen Vortrag als deutlich abfallend im Vergleich zu den beiden Mitbewerbern mit demselben Vortragsthema gesehen haben, nicht zu beanstanden.

    Der Kläger hat auch nicht behauptet, dass er sämtliche ihm gestellten Fragen vollständig richtig beantwortet habe. Er hat lediglich angegeben, warum seine Leistung besser bewertet werden müsse als erfolgt.

    Jedoch ist bei Würdigung des klägerischen Vorbringens zu den einzelnen Fragerunden nicht ersichtlich, der Beurteilungsspielraum der Prüfer wäre im Streitfall derart eingeengt gewesen, dass nach dem vom Kläger geschilderten Prüfungsablauf seine Leistungen aufgrund der von ihm gegebenen Antworten besser zu beurteilen gewesen wären als erfolgt.

    Die Bewertung einer mündlichen Prüfungsleistung beruht auf komplexen Erwägungen, insbesondere auf den persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen der Prüfer, die diese im Lauf ihres Berufslebens und der Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt und auf Grund des Gebots der Chancengleichheit der Bewerber bei der Notenvergabe anzuwenden haben (Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 22. November 2005 2 K 1410/05, juris). Gesichtspunkte wie Klarheit und Systematik der Darstellung können von den Prüfern ebenso bewertet werden wie die Eindringlichkeit und Überzeugungskraft der Begründung einer richtigen Lösung. Die diesbezügliche Beurteilung kann vom Gericht nur dann beanstandet werden, wenn sie offensichtlich nicht vertretbar ist. Hierfür bestehen im Streitfall bei Unterstellung des vom Kläger angegebenen Sachverhalts als wahr keine Anhaltspunkte.

    Solange es nicht um die Beurteilung von „richtig” oder „falsch” bei einer sog. Fachfrage geht, ist es angesichts der komplexen Situation einer mündlichen Prüfung schlechterdings unmöglich, im Nachhinein die Entwicklung eines Prüfungsgespräches nachzuvollziehen. Das gesprochene Wort erhält seine eigentliche Bedeutung aus der Gesprächssituation, auch ist es abhängig von den subjektiven Erfahrungen und Empfindungen der am Gespräch beteiligten Personen. Eine bewertungsmäßige Überprüfung solcher Vorgänge würde zudem auch den Grundsatz der Chancengleichheit verletzen, wonach zu gewährleisten ist, dass alle Prüflinge ihre Leistungen unter annähernd gleichen Bedingungen erbringen können. Hiergegen würde verstoßen, wenn die Leistungen eines Prüflings gleichsam „am grünen Tisch” nachbewertet würden.

    Schließlich ist auch die Art und Weise, wie der einzelne Prüfer das Prüfungsgespräch führt, Bestandteil des prüfungsspezifischen Ermessens, welches der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist. Hierzu gehört auch die Freiheit des Prüfers zu entscheiden, ob er nachfragt oder nicht, um eine Konkretisierung der gegebenen Antwort zu erreichen oder zu ermöglichen (Urteil des erkennenden Senats vom 18. April 2012 4 K 1861/10, StE 2012, 360).

    cc) Das Vorbringen des Klägers, er habe während einer Toilettenpause Äußerungen zweier Prüfer gehört, die sich abfällig über einen Mitbewerber sowie über seinen Vortrag geäußert hätten, wobei einer von ihnen deutlich gemacht habe, dass er auf den weiteren Verlauf der Prüfung „keine Lust mehr habe”, ist nicht substantiiert genug, um damit Voreingenommenheit dieser Prüfer gegenüber dem Kläger darzulegen.

    dd) Der vom Kläger bemängelte Additionsfehler der Einzelnoten des Prüfers … besteht nicht.

    Der Prüfungsausschuss der mündlichen Prüfung vergibt für die einzelnen Prüfungsabschnitte Noten i. S. des § 15 Abs. 1 DVStB (§ 27 Abs. 2 DVStB). Zur Ermittlung des Ergebnisses der gesamten mündlichen Prüfung wird eine Gesamtnote i. S. des § 15 Abs. 2 DVStB gebildet (§ 27 Abs. 3 DVStB). Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Bildung einer Durchschnittsnote aus den Einzelnoten eines Abschnitts der mündlichen Prüfung von der DVStB nicht vorgesehen.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Kläger war nicht mit seinem Hauptantrag erfolgreich, sondern nur mit seinem Hilfsantrag. Weil der schriftliche und der mündliche Teil der Steuerberaterprüfung zu gleichen Teilen gewichtet werden (§ 28 Abs. 1 Satz 2 DVStB), hält der Senat es für angemessen, dem Kläger die Hälfte der Verfahrenskosten aufzuerlegen.

    5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    6. Die Zulassung der Revision erfolgt im Hinblick auf das beim BFH bereits zur selben Problematik anhängigen Revisionsverfahren VII R 41/11 zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. Abs. 2 Nr. 2 FGO).

    VorschriftenStBerG § 35 Abs. 1 S. 2, DVStB § 14 Abs. 2 S. 1, DVStB § 14 Abs. 2 S. 2, DVStB § 14 Abs. 2 S. 3, DVStB § 24 Abs. 1, DVStB § 27 Abs. 1, DVStB § 27 Abs. 2, DVStB § 28 Abs. 1, DVStB § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, GG Art. 3 Abs. 1, GVG § 175 Abs. 2, GVG § 193