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  • 21.09.2012

    Finanzgericht München: Urteil vom 16.02.2012 – 14 K 2416/09

    Terrassendielen, die aus ca. 60 – 65 % Holzfasern (Hartholz) und aus ca. 35 – 40 % Polypropylen bestehen, UV-stabilisierende Farbstoffe und andere Zuschlagstoffe enthalten und zu deren Herstellung die Bestandteile zusammen erhitzt, in eine bestimmte Form gegossen und durch Abkühlung ausgehärtet werden (sog. Wood Plastic Composites, WPC's), sind nicht in die Codenummer 3918 9000 90 0 KN „Bodenbeläge aus Kunststoffen, in Form von Fliesen oder Platten, aus Polymeren des Propylens, andere”, sondern in die Codenummer 4409 1018 00 0 KN als „Holz und Holzwaren” (zollfrei) zu tarifieren, da der Holzanteil den PWC's ihren wesentlichen Charakter verleiht.


    IM NAMEN DES VOLKES

    Urteil

    In der Streitsache

    hat der 14. Senat des Finanzgerichts München durch sowie die ehrenamtlichen Richter … und … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2012 für Recht erkannt:

    1. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 4. März 2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 18. Mai 2009 und der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2009 wird in Höhe von … EUR aufgehoben.

    2. Die Kosten des Verfahrens trägt das Hauptzollamt.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Streitig ist, ob die Klägerin Schuldnerin von Zoll geworden ist.

    Die Klägerin führte am 5. Mai 2006 aus den USA über das Hauptzollamt A – Zollamt B Terrassendielen „X” nach Deutschland ein und beantragte die Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr unter der Codenummer 4409 1018 00 0 als „Holz und Holzwaren” (Zollsatz frei) der Kombinierten Nomenklatur (KN). Das Zollamt B nahm die Abfertigung antragsgemäß vor und setzte mit Einfuhrabgabenbescheid vom selben Tag Einfuhrumsatzsteuer i. H. v. … EUR fest. Gleichermaßen wurde mit zwei weiteren Einfuhren am 17. August und am 11. September 2007 verfahren und jeweils mit Einfuhrabgabenbescheid vom selben Tag Einfuhrumsatzsteuer i. H. v. … EUR bzw. … EUR festgesetzt.

    Die von der Klägerin eingeführten Terrassendielen bestehen aus ca. 60 – 65 % Holzfasern (Hartholz) und aus ca. 35 – 40 % Polypropylen. Außerdem sind UV-stabilisierende Farbstoffe und andere Zuschlagstoffe enthalten. Zur Herstellung werden die Bestandteile zusammen erhitzt, in eine Form gegossen und durch Abkühlung ausgehärtet.

    Nach einer Beschreibung des Herstellers hält das Material Schrammen und Beschädigungen stand, die bei gewöhnlichen Verbundbelägen häufig seien, und splittere nicht so wie Holz. Es müsse nie abgeschliffen, gebeizt oder gestrichen werden, bleibe unter den Füßen kühler, sei rutschfester als Holz und darüber hinaus wasser- und feuchtigkeitsbeständig. Die Terrassendielen würden weiterhin an beiden Seiten über Rillen verfügen, in denen das Befestigungssystem versteckt werden könne.

    Das Hauptzollamt C (HZA) kam im Rahmen einer Zollprüfung (Prüfungszeitraum … bis …) zu dem Ergebnis, dass die Terrassendielen in die Codenummer 3918 9000 90 0 KN „Bodenbeläge aus Kunststoffen, in Form von Fliesen oder Platten, aus Polymeren des Propylens, andere” (Zollsatz 6,5 %) einzureihen sind (vgl. Prüfungsbericht vom …, Tz. 26.3.3; Einreihungsgutachten der Bundesfinanzdirektion D – Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt E vom …).

    Aufgrund dessen setzte das HZA mit Einfuhrabgabenbescheid vom 4. März 2009 (14 Positionen) nachträglich Zoll i. H. v. insgesamt … EUR fest. Davon entfielen auf die geänderte Einreihung der Terrassendielen … EUR.

    Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 25. März 2009 Einspruch ein.

    Im Rahmen des Einspruchsverfahrens änderte das HZA den Einfuhrabgabenbescheid vom 4. März 2009 betreffend andere, in den Positionen 2 – 9, 11 und 13 genannte Waren dahingehend, dass der dafür festgesetzte Zoll mit Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Mai 2009 i. H. v. … EUR erstattet wurde. Die Positionen 1, 10 und 12 des Einfuhrabgabenbescheids vom 4. März 2009 betreffend die hier zu beurteilenden Terrassendielen (und die unstreitige Position 14) blieben unverändert.

    Hinsichtlich der von der Klägerin eingeführten Terrassendielen bestätigte das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung, Dienstsitz E, (BWZ) die Einreihung in die Codenummer 3918 9000 90 0 KN. Dabei stellte das BWZ maßgeblich darauf ab, dass die Terrassendielen ihre endgültige Form durch einen für die Holzverarbeitung nicht üblichen Gussvorgang erhalten würden. Durch den Kunststoffanteil erhalte das Material nicht nur die für diesen Prozess notwendige thermoplastische Verformbarkeit, sondern nach der Aushärtung überwiegend Festigkeit und Stabilität. Die Holzfasern würden lediglich als Füllstoff verwendet, weshalb sich die Waren deutlich von vergleichbaren Waren aus Holz oder anderen Holzwerkstoffen unterscheiden würden. Demzufolge bestimme der Kunststoffanteil in Bezug auf die Bedeutung für die Verwendung den Charakter der Ware (vgl. Schreiben vom 18. Juni 2009). Außerdem wies das BWZ auf die verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) DE … vom … hin, in der die Bundesfinanzdirektion F, Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt G eine Bodendiele aus 65 – 80 % Naturfasern (Holz, Hanf, Flachs, etc.), 20 – 35 % Kunststoff und 0 – 10 % Zusätzen, Farbpigmenten, Stabilisatoren etc. in die Codenummer 3918 90 00 90 KN einreihte.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2009 wies das HZA den Einspruch der Klägerin zurück.

    Dagegen erhob die Klägerin Klage, die sie im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Wood Plastic Composites (WPC's) und Holzwerkstoffe hätten durch die Verwendung von Holzfasern vergleichbare Eigenschaften, die massiven Holzprodukten ähnlicher seien als reinen Kunststoffprodukten. Holzwerkstoffe würden auch dann in das Kapitel 44 KN eingereiht, wenn sie mit reinen Kunststoffen oberflächenvergütet seien. Die Holzfasern würden dem Produkt WPC wesentliche holztypische Eigenschaften geben. Das Polypropylen habe als Bindemittel lediglich die Aufgabe, die Holzfasern zu verkleben und Träger der Farbbestandteile zu sein. Darüber hinaus sei es nicht nachvollziehbar, dass das HZA A die Ware X, die von der Firma Y eingeführt werde, weiter dem Kapitel 44 KN zuordne.

    Die Klägerin beantragt,

    den Einfuhrabgabenbescheid vom 4. März 2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. Mai 2009 und der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2009 i. H. v. … EUR aufzuheben.

    Das HZA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das Herstellungsverfahren allein sei für die Einreihung in den Zolltarif nicht maßgeblich. Der Werkstoff erhalte durch die Mischung von Holzfasern mit einem im Vergleich zu Holzwerkstoffen des Kapitels 44 KN sehr hohen Anteil an Polypropylen seine innovativen Eigenschaften, die denen von Kunststoffen im Sinne der Anmerkung 1 zu Kapitel 39 KN entsprechen. Die Terrassendielen würden in einem Verfahren hergestellt, bei dem die thermo-plastische, dreidimensionale Verformbarkeit eine wesentliche Rolle spiele. Der Hersteller werbe auch damit, dass sich aus diesem Material verschiedene beliebige, auch hohle, Formen herstellen lassen würden. Dem Kunststoffanteil komme damit in tariflicher Hinsicht eine größere Bedeutung zu als dem Holzanteil.

    Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akten, die im Verfahren eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung hingewiesen.

    II.

    Die Klage ist begründet.

    Der Einfuhrabgabenbescheid vom 4. März 2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. Mai 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).

    1. Das HZA hat die von der Klägerin eingeführten Terrassendielen unrichtigerweise in die Unterposition 3918 9000 90 0 KN in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1719 der Kommission vom 27. Oktober 2005 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl (EG) Nr. L 286 vom 28. Oktober 2005) bezüglich der Position 1 bzw. in die Unterposition 3918 9000 90 0 KN in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1549 der Kommission vom 17. Oktober 2006 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl (EG) Nr. L 301 vom 31. Oktober 2006) bezüglich der Positionen 10 und 12 des streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheids eingereiht und unter Zugrundelegung eines Zollsatzes von 6,5 % von der Klägerin gem. Art. 220 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) Zoll i. H. v. insgesamt … EUR nacherhoben.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (EuGH-Urteil vom 13. Juli 2006 Rs. C-514/04, Slg. 2006 I-6721; BFH-Urteil vom 4. November 2003 VII R 58/02, BFH/NV 2004, 454; Urteil vom 30. Juli 2003 VII R 40/01, BFH/NV 2004, 835; vgl. auch Allgemeine Vorschriften – AV – 1 und 6 für die Auslegung der KN). Darüber hinaus sind die Erläuterungen (Erl.) zum Harmonisierten System (HS) und zur KN ein maßgebendes, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen (ständige Rechtsprechung des EuGH und des BFH; EuGH-Urteil vom 13. Juli 2006, Rs. C-514/04, a.a.O.; BFH-Urteil vom 4. November 2003 VII R 58/02, BFH/NV 2004, 454). Maßgebend für die Tarifierung ist der Zustand, in dem die Ware zur Zollabfertigung gestellt wird. Darüber hinaus kann der Verwendungszweck der Ware ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware beurteilen lässt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007, Rs. C-208/06, Slg. 2007 I-7963).

    Die von der Klägerin nach Deutschland eingeführten Terrassendielen „X” sind unter Anwendung der AV 3b in die Codenummer 4409 1018 00 0 KN als „Holz und Holzwaren” (Zollsatz frei) einzureihen.

    a) Eine Eintarifierung nach AV 1 und 6 anhand des Wortlauts der Positionen bzw. Unterpositionen ist nicht möglich, weil weder die Position 4409 KN noch die Position 3918 KN Waren wie die hier zu beurteilenden ausdrücklich erfassen.

    Die Position 4409 KN erfasst nach ihrem Wortlaut „Holz (einschließlich Stäbe und Friese für Parkett, nicht zusammengesetzt), entlang einer oder mehrerer Kanten, Enden oder Flächen profiliert (gekehlt, genutet, gefedert, gefalzt, abgeschrägt, gefriest, gerundet oder in ähnlicher Weise bearbeitet), auch gehobelt, geschliffen oder an den Enden verbunden”. Die Unterposition 4409 1018 00 0 KN enthält eine Auffangposition für „anderes” Nadelholz als Leisten für Rahmen für Bilder, Fotografien, Spiegel oder dergleichen.

    Der Positionswortlaut spricht dafür, dass unter Position 4409 KN in erster Linie solche Waren fallen, denen ein Stück Holz als Ausgangsprodukt zugrunde liegt, das weiterverarbeitet wird, indem es z. B. mit Nut und Feder – oder wie vorliegend mit Rillen an beiden Seiten für das Befestigungssystem – versehen wird. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch handelt es sich bei Holz um einen natürlich gewachsenen Werkstoff, der durch Fällen und Teilen eines Baumes gewonnen wird.

    Für diese Auslegung der genannten Position spricht auch die Erläuterung 01.2 zu Position 4409 HS, wonach zu dieser Position Holz (insbesondere Bretter) gehört, das nach dem Behauen oder Sägen auf der ganzen Länge entlang einer Kante oder mehrerer Kanten, Enden oder Flächen profiliert worden ist, um ein Zusammenfügen zu erleichtern.

    Die von der Klägerin eingeführten Terrassendielen werden jedoch unstreitig nicht aus einem Stück Holz im Ganzen oder aus Brettern im herkömmlichen Sinne hergestellt. Vielmehr werden die Terrassendielen in der Weise produziert, dass eine zu etwa 60 % aus Holzfasern und zu etwa 40 % aus Polypropylen bestehende Masse durch eine Maschine in eine bestimmte Form gegossen und anschließend ausgehärtet wird.

    Andererseits können die hier zu beurteilenden Waren auch nicht eindeutig dem Kapitel 39 KN, insbesondere der Position 3918 KN, zugewiesen werden.

    Nach ihrem Wortlaut bezieht sich die Position 3918 KN auf „Bodenbeläge aus Kunststoffen, auch selbstklebend, in Rollen oder in Form von Fliesen oder Platten; Wand- oder Deckenverkleidungen aus Kunststoffen, im Sinne der Anmerkung 9 zu diesem Kapitel”. Die Unterposition 3918 9000 90 0 KN enthält eine Auffangposition und bezieht sich auf „andere” Waren, die aus anderen Kunststoffen als aus Polymeren des Vinylchlorids bestehen und nicht für bestimmte Luftfahrzeuge vorgesehen sind.

    Wie Anmerkung 1 zu Kapitel 39 KN zu entnehmen ist, gelten als „Kunststoffe” in der Nomenklatur die Stoffe der Positionen 3901 bis 3914 KN, die im Zeitpunkt der Polymerisation oder in einem späteren Stadium unter einer äußeren Einwirkung (im Allgemeinen Wärme und Druck, falls erforderlich auch unter Zuhilfenahme von Lösemitteln oder Weichmachern) durch Gießen, Pressen, Strangpressen, Walzen oder ein anderes Verfahren eine Form erhalten können oder erhalten haben, die auch nach Beendigung der äußeren Einwirkung erhalten bleibt. Daraus ist zu entnehmen, dass ein Kunststoff in diesem Sinne typischerweise aus einer Ausgangsmasse besteht, die in eine bestimmte Form gebracht wird. Die Ware wird also künstlich geformt.

    Der bereits oben dargestellte Herstellungsprozess der von der Klägerin eingeführten Terrassendielen „X” ist mit den in Anmerkung 1 zu Kapitel 39 KN dargestellten Verfahren vergleichbar, weil einer Holzfaser-Kunststoffmasse eine bestimmte Form, nämlich die von Holzbrettern, gegeben wird.

    Allerdings bestehen die Terrassendielen nicht nur aus einem Stoff der Positionen 3901 bis 3914 KN, sondern überwiegend aus Holzfasern. Auch wenn deren Herstellungsprozess typisch für ein Kunststoffprodukt ist, heißt dies jedoch nicht, dass alle Waren nur deshalb in Kapitel 39 KN einzureihen sind, weil sie durch einen in der Kunststoffindustrie typischen Herstellungsprozess entstanden sind. Vielmehr ist nach Ansicht des Senats auch das Material (hier überwiegend Holz) und die objektiven Merkmale und Eigenschaften der einzureihenden Ware, also des Endprodukts des Herstellungsvorgangs, zu betrachten. Eine eindeutige Zuweisung der Terrassendielen zu Position 3918 KN wird darüber hinaus auch dadurch in Frage gestellt, dass diese in optischer Hinsicht eher Brettern und nicht Fliesen oder Platten ähneln (vgl. Erl. 01.0 zu Position 3918 HS und Erl. 01.0 zu Position 3918 KN).

    b) Bei den hier zu beurteilenden Terrassendielen handelt es sich vielmehr um eine Ware, die sowohl Eigenschaften von Holz als auch von Kunststoff aufweist. Da keine der in Betracht kommenden Positionen bzw. Unterpositionen eine genauere Warenbezeichnung enthält (vgl. AV 3a), sind die Terrassendielen unter Anwendung von AV 3b der Unterposition 4409 1018 00 0 KN zuzuweisen.

    Nach AV 3b sind Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen und die nach AV 3a nicht eingereiht werden können, nach dem Stoff oder Bestandteil einzureihen, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

    Nach Überzeugung des Senats verleiht der Holzanteil den Waren ihren wesentlichen Charakter. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Terrassendielen überwiegend aus Holz bestehen. Dass es sich dabei um Holzfasern und nicht um Späne handelt, hält der Senat nicht für ausschlaggebend, zumal die Holzfasern deutlich sichtbar sind und an den Schnittkanten der von der Klägerin vorgelegten Warenmuster kleine Holzpartikel abgekratzt werden können.

    Darüber hinaus ist das Material brennbar, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, und es unterliegt der Verwitterung, wenn diese auch aufgrund des Kunststoffanteils wesentlich länger dauert als bei Holz.

    Ein zentrales Argument für die Einreihung der Terrassendielen in Kapitel 44 KN liegt für den Senat weiterhin darin, dass auch Span- und Faserplatten dort eingereiht werden (Position 4410 bzw. 4411 KN) und der Senat keinen ausschlaggebenden Unterschied dieser Waren zu den hier zu beurteilenden Waren erkennen kann.

    Span- und Faserplatten bestehen ebenfalls aus einer Mischung von Holz und Kunststoff, die durch Pressen verdichtet und in die gewünschte Form gebracht wird. Zwar liegt bei diesen Materialien der Kunststoffanteil lediglich bei 10 bis 15 %. Jedoch überwiegt der Holzanteil auch bei den Terrassendielen den Kunststoffanteil deutlich. Das Argument des HZA, wonach die Terrassendielen deshalb als Kunststoff einzureihen seien, weil zu deren Herstellung ein in der Kunststoffherstellung typisches Herstellungsverfahren angewandt wird, hat den Senat deshalb nicht überzeugt, weil auch das Ausgangsmaterial für Spanplatten in eine andere als eine flache Form gepresst werden kann. Darüber hinaus kann nicht allein der Herstellungsprozess für die tarifliche Einreihung entscheidend sein, weil nach dieser Argumentation jedes beliebige Material, sofern es nur einen geringen Kunststoffanteil hat und in einem für die Kunststoffherstellung typischen Verfahren hergestellt wird, in Kapitel 39 KN eingereiht werden müsste. Schließlich ist dem Argument des HZA, dass aus der Ausgangsmasse auch andere, beispielsweise hohle Formen hergestellt werden könnten, entgegen zu halten, dass hier Terrassendielen und nicht andere Waren, die theoretisch aus dem Material ebenfalls hergestellt werden könnten, einzutarifieren sind.

    Dass die Terrassendielen nicht so splittern wie Holz, unter den Füßen kühler bleiben, rutschfester und unempfindlicher als Holz sowie wasser- und feuchtigkeitsbeständig sind, steht einer Einreihung in Kapitel 44 KN nicht entgegen. Denn im Verhältnis zur Zusammensetzung und zu den dargestellten systematischen Erwägungen treten diese Eigenschaften in den Hintergrund.

    Gegen eine Einreihung der Terrassendielen in das Kapitel 44 KN spricht auch nicht die Tatsache, dass die Terrassendielen mit einer feinen Kunststoffschicht überzogen sind (vgl. Erl. 04.0 zu Kapitel 44 HS). Denn durch die Kunststoffschicht wird den Terrassendielen eine Holzoptik gegeben und das Material abgeschlossen, während das tragende Material die Holzfaser-Kunststoff-Mischung ist. Der Holzanteil kann auch nicht nur als untergeordnetes Füllmaterial angesehen werden, weil es sich dabei mit etwa 60 bis 65 % um den Hauptbestandteil handelt.

    Ob die Terrassendielen von einer anderen Zollstelle möglicherweise in Kapitel 44 KN eingereiht werden, ist für die Eintarifierung nicht von Bedeutung und kann gleichfalls dahinstehen.

    2. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird die Revision zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich dadurch, dass Terrassendielen von der Zollverwaltung zwar meistens in Kapitel 39 KN eingereiht werden (vgl. z. B. vZTAe DE HH/375/08-1 vom 28. Februar 2008, DE HH/1063/08-1 vom 3. Juli 2008, FR/FR-E4-2007-001597/1 vom 30. April 2007, FR/FR-E4-2007-002436/1 vom 27. Juni 2007, FR/FR-E4-2008-001983/1 vom 15. Juli 2008, FR/FR-PRO-2008-000866/1 vom 29. August 2008), es jedoch zumindest eine Einreihungsentscheidung der Zollbehörden Großbritanniens gibt, mit der derartige Terrassendielen dem Kapitel 44 KN zugewiesen werden (vgl. vZTA GB/119294753/1 vom 4. Februar 2010).

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.