06.09.2012
Finanzgericht München: Urteil vom 07.07.2011 – 14 K 1355/08
1. Hat eine GmbH einen Lizenzvertrag über die Nutzung eines Patents zur Herstellung von bestimmten Produkten abgeschlossen und werden ihr im Hinblick auf die künftige Herstellung der Produkte bereits vor Aufnahme der Produktion auf Basis eines fiktiven, künftigen Verkaufs der Produkte „Mindestlizenzgebühren” in Rechnung gestellt, so liegt eine Rechnung vor, in der nicht über bereits erbrachte Leistungen oder Teilleistungen, sondern nur über einen Abschlag bzw. eine Anzahlung auf eine noch zu erbringende Leistung vor Ausführung der Umsätze abgerechnet werden soll und die die GmbH nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG 1999 erst dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Rechnung bezahlt wird.
2. Hat der Geschäftsführer der GmbH in einer Umsatzsteuervoranmeldung für die GmbH den Vorsteuerabzug hinsichtlich der – von der GmbH nicht bezahlten – Rechnung über die Mindestlizenzgebühren geltend gemacht und muss er spätestens kurz danach erkennen, dass das Patent tatsächlich nicht bestanden hat, es nicht zur Aufnahme der Produktion kommen wird, die GmbH nach der umgehenden Kündigung des Lizenzvertrags die Rechnung über die Mindestlizenzgebühren auch nicht mehr bezahlen wird und dass somit der Vorsteuerabzug für die Mindestlizenzgebühren zu Unrecht in Anspruch genommen worden ist, so ist er nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO zu einer umgehenden Berichtigung der Voranmeldung, in der er für die GmbH den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, verpflichtet. Korrigiert der Geschäftsführer den Vorsteuerabzug aber erst im Rahmen der Jahresumsatzsteuererklärung der GmbH, die bereits sechs Monate später erstellt, aber erst knapp zwei Jahre später beim Finanzamt abgegeben worden ist, und ist die zwischenzeitlich zahlungsunfähige GmbH nun nicht mehr zur Zahlung der sich durch die Vorsteuerkorrektur ergebenden Umsatzsteuerschuld in der Lage, so ist dem Geschäftsführer eine Steuerhinterziehung zugunsten der GmbH anzulasten, so dass er nach § 71 AO für die Umsatzsteuerschuld der GmbH haftet.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 14. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07. Juli 2011
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Gründe
I.
Streitig ist im Hauptsacheverfahren, ob der Kläger zu Recht für Abgabenschulden der ABCGmbH (nachfolgend GmbH) in Haftung genommen worden ist.
Der Kläger ist seit ihrer Gründung im Jahr 1997 Geschäftsführer der GmbH. Ein weiterer Geschäftsführer ist im Februar 2000 aus der Geschäftsführung ausgeschieden.
Gegenstand des Unternehmens der GmbH war im Streitjahr die Herstellung sowie der Groß- und Einzelhandel mit Elektronik, insbesondere des Produkts B, einer Vorrichtung zur Übertragung von Schall. Zur Herstellung dieses Produkts hatte die GmbH am 17. August 1998 mit der Firma XYZ GbR (nachfolgend GbR) einen Lizenzvertrag über die Nutzung eines der GbR gehörenden Patents abgeschlossen. § 10 Abs. 1 des Vertrages regelte die Zahlung von Lizenzgebühren, die in Abhängigkeit von der kumulierten Anzahl der verkauften Vertragsgegenstände gestaffelt erfolgen sollte. In § 10 Abs. 2 des Vertrages verpflichtete sich die GmbH als Lizenznehmerin, in den Jahren nach 1999 sog. „Mindestlizenzgebühren” für 500.000 Lizenzgegenstände an den Lizenzgeber zu zahlen.
Mit Rechnung vom 22. Dezember 2000 stellte die GbR der GmbH für das Jahr 2000 Mindestlizenzgebühren in Höhe von 1.750.000 DM zuzüglich 280.000 DM Umsatzsteuer in Rechnung. Am 12. Februar 2001 reichte der Kläger als Geschäftsführer der GmbH eine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2000 ein, in der Vorsteuern in Höhe von 280.763,19 DM geltend gemacht wurden, wovon 280.000 DM auf die Rechnung von der GbR entfielen. Am 20. Februar 2001 wurde der GmbH die geltend gemachte Vorsteuer vom damals zuständigen Finanzamt ausbezahlt.
Am 3. Februar 2001 stellte ein Patentanwalt gutachtlich fest, dass das von der GmbH in Lizenz erworbene Patent der GbR zu Unrecht bestand, am 2. März 2001 wurde der Lizenzvertrag durch die GmbH fristlos gekündigt. Die Forderung der GbR aus der Rechnung vom 22. Dezember 2000 wurde durch die GmbH nicht beglichen.
Am 10. Februar 2003 wurde beim Finanzamt eine Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2000 eingereicht (Erstellungsdatum 12. September 2001), in der der Vorsteuerabzug aus der Rechnung der GbR berichtigt wurde. Der mit Bescheid vom 21. Februar 2003 festgesetzte Rückforderungsanspruch des Finanzamts in Höhe von 143.161,52 EUR wurde von der GmbH nicht beglichen. Nach erfolglosen Vollstreckungsversuchen wurde am 17. September 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
Mit Urteil des Amtsgerichts N vom 26. Oktober 2004 wurde der Kläger wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach vorheriger Ankündigung und Anhörung nahm das nunmehr zuständige Finanzamt (FA) den Kläger mit Bescheid vom 2. November 2006 für rückständige Umsatzsteuer 2000 nebst Zinsen und Säumniszuschlägen der GmbH in Höhe von 237.059,08 EUR in Haftung. Mit Bescheid vom 19. November 2007 wurde der Haftungsbescheid in Höhe von 81.608,50 EUR entfallend auf Zinsen und Säumniszuschläge zurückgenommen (verbleibende Haftungssumme 176.495,08 EUR).
Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 19. März 2008 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit Urteil vom 12. März 2009 hat das Amtsgericht E im strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahren das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts N aufgehoben und den Kläger wegen Steuerhinterziehung auf Zeit zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 EUR verurteilt.
Mit seiner Klage bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass ihn das FA zu Unrecht in Haftung genommen habe. Die am 12. Februar 2001 abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung sei weder unrichtig noch unvollständig gewesen. Es habe keinen Grund gegeben, gegenüber dem Finanzamt erforderliche Richtigstellungen vorzunehmen. Der Lizenzvertrag sei erst im März 2001 gekündigt worden. Die Forderung der GbR sei aber vor der Kündigung unstreitig fällig gestellt worden und habe sich auf im Jahr 2000 erbrachte Leistungen bezogen.
Zwischen der angeblichen Steuerhinterziehung und dem mit dem Haftungsanspruch geltend gemachten Schaden liege keine Kausalität vor, da der Kläger nicht zur Korrektur von Erklärungen verpflichtet gewesen sei. Er habe eine richtige Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben und sich den Vorsteuerüberhang zu Recht erstatten lassen. Auch die Jahressteuererklärung 2000 sei inhaltlich richtig erstellt worden.
Im Jahr 2003 seien keine liquiden Mittel der GmbH mehr vorhanden gewesen, die zur Tilgung des etwaigen Rückzahlungsanspruchs des FA hätten verwendet werden können. Die Liquiditätsschwierigkeiten resultierten daraus, dass die GbR bereits mit Schreiben vom 15. März 2001 Antrag auf Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der GmbH gestellt habe, der erst mit Beschluss des Landgerichts vom 29. April 2003 zurückgewiesen worden sei.
Aufgrund des Urteils des Amtsgerichts E stünde fest, dass er sich am 11. Februar 2001 nicht strafbar gemacht habe.
Die Kündigung des Lizenzvertrages vom 2. März 2001 entfalte nur eine „ex-nunc-Wirkung” und sollte für die Zukunft sicherstellen, dass keine vertragliche Verpflichtung auf Zahlung der Lizenzgebühren mehr bestehen sollte. Der ehemalige Gesellschafter der GbR mache aktuell die Mindestlizenzgebühr für das Jahr 2000 in einem laufenden Rechtsstreit vor dem Landgericht geltend und begehre die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle der GmbH.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 2. November 2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 19. November 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 19. März 2008 aufzuheben. Er regt außerdem an, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zur Einspruchsentscheidung trägt es vor, dass der GmbH der Vorsteuerabzug aus der Rechnung der GbR nicht zugestanden habe, weil die GbR die entsprechende Leistung tatsächlich nicht an die GmbH erbracht habe. Dafür spreche auch der Beschluss des Landgerichts, der im Mai 2003 in dem Verfahren über den Insolvenzantrag der GbR gegen die GmbH ergangen sei. Das Landgericht habe es als naheliegend angesehen, dass die GbR zumindest Ende des Jahres 1999 Kenntnis davon gehabt habe, dass bereits eine Patentanmeldung eines anderen Erfinders vorlag. Die Forderung der GbR sei daher vom Insolvenzgericht nicht anerkannt worden. Auch der Kläger habe bereits im Januar/Februar 2001 gewusst, dass das erworbene Patent zu Unrecht bestand und den Lizenzvertrag daher auch gekündigt und die Zahlung verweigert. So habe er dem FA in einem Schreiben vom 19. Juni 2006 mitgeteilt, dass eine sofortige Abgabe der Steuererklärung zur sofortigen Insolvenz der GmbH geführt hätte. Anhand der von Kläger eingereichten Unterlagen und des von ihm geschilderten Geschehensablauf sei davon auszugehen, dass die GbR die in der Rechnung vom 22. Dezember 2000 abgerechnete Leistung an die GmbH nicht erbracht habe und auch nicht erbringen konnte, weil sie über kein wirksames Patent verfügt habe.
Da das Bestreiten der Forderung der GbR durch die GmbH zeitlich mit der Abgabe der Voranmeldung für Dezember 2000 und der Auszahlung des Vorsteuerüberschusses zusammen fiel, stünde fest, dass der Kläger gewusst habe, dass die Vorsteuer aus dieser Rechnung vom FA an die GmbH zu Unrecht ausgezahlt worden sei. Entweder habe der Kläger davon bereits bei Abgabe der Voranmeldung am 12. Februar 2001 und bei Auszahlung des Überschusses am 20. Februar 2001, spätestens jedoch bei Kündigung des Lizenzvertrages am 1. März 2001 Kenntnis gehabt. Er hätte den Vorsteuerabzug nicht geltend machen oder aber unverzüglich nach der Auszahlung wieder berichtigen und den ausgezahlten Betrag zurückzahlen müssen. Durch die Verzögerung der Berichtigung der Voranmeldung mit der Jahreserklärung, die zwar im September 2001 erstellt, jedoch erst im Februar 2003 beim FA eingereicht worden sei, und die zwischenzeitlich eingetretene Zahlungsunfähigkeit der GmbH sei dem Fiskus ein Schaden entstanden, den der Kläger zu verantworten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Das FA hat den Kläger dem Grunde und der Höhe nach zu Recht für Steuerschulden der GmbH in Haftung genommen.
Gemäß § 71 Abgabenordnung (AO) haftet derjenige, der eine Steuerhinterziehung begeht, für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für Zinsen nach § 235 AO und kann nach § 191 Abs. 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Nach § 370 Abs. 1 AO begeht eine Steuerhinterziehung, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (Nr. 1) oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (Nr. 2) und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
Der objektive und subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) ist vorliegend erfüllt, da der Kläger seiner Pflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht nachgekommen ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerpflichtiger, der nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.
Die Voraussetzungen des § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO liegen vor, weil es der Kläger unterlassen hat, die Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2000 zu berichtigen, mit der er zu Unrecht den Abzug von Vorsteuer aus der Rechnung der GbR vom 22. Dezember 2000 geltend gemacht hat.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (UStG) kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG).
Diese Vorschrift korrespondiert mit der Regelung, wonach die Steuer für vereinnahmte Anzahlungen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG) und entspricht auch der unionsrechtlichen Vorgabe in Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, Richtlinie 77/388/EWG (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 1. Dezember 2010 XI R 28/08, DStR 2011, 1126).
Mit Rechnung vom 22. Dezember 2000 wurden der GmbH lediglich so genannte Mindestlizenzgebühren nach § 10 Abs. 2 des Lizenzvertrages vom 17. August 1998 in Rechnung gestellt, ohne dass bereits über eine erbrachte Leistung abgerechnet werden sollte.
Im Gegensatz zu den in § 10 Abs. 1 des Lizenzvertrages vereinbarten Lizenzgebühren, deren Höhe in Abhängigkeit von der kumulierten Anzahl der tatsächlich verkauften Vertragsgegenstände berechnet werden sollte, handelt es sich bei den sog. Mindestlizenzgebühren um Beträge, denen ein fiktiver Verkauf von Vertragsgegenständen zugrunde gelegt worden ist, so dass es sich im Ergebnis tatsächlich um einen in Rechnung gestellten Abschlag bzw. eine Anzahlung für die Entwicklung der Schallübertragungsvorrichtungen gehandelt hat. Nach § 10 Abs. 2 des Vertrages war die GmbH nämlich verpflichtet, diese Beträge – unabhängig davon, ob tatsächlich bereits Gegenstände zum Verkauf entwickelt worden waren – bereits vor der Herstellung bzw. dem tatsächlichen Verkauf der Vertragsgegenstände zu bezahlen. Da im Jahr 2000 noch nicht mit der Herstellung der Schallübertragungsvorrichtungen begonnen worden war, sollte die Abrechnung über sogenannte Mindestlizenzgebühren der GbR weitere Mittel verschaffen. Die sog. Mindestlizenzgebühren sollten damit im Hinblick auf die zukünftige Herstellung der Vertragsgegenstände entrichtet werden und stellen daher eine Rechnung dar, in der nicht über bereits erbrachte Leistungen oder Teilleistungen, sondern nur über einen Abschlag bzw. Anzahlung auf eine noch zu erbringende Leistung vor Ausführung der Umsätze abgerechnet werden sollte.
Da die GmbH die Rechnung vom 22. Dezember 1999 über den zu zahlenden Abschlag nicht bezahlt hat, war ein Vorsteuerabzug aus dem Abrechnungspapier deshalb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG nicht zulässig, er wurde vom Kläger in der am 12. Februar 2001 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung mithin zu Unrecht geltend gemacht.
Der Kläger hat auch den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht, da er vorsätzlich gehandelt hat. Vorsatz bedeutet Kenntnis und Wollen der Verwirklichung der Merkmale des objektiven Tatbestands. Der Täter muss die nach Gegenstand, Zeit und Ort bestimmte Handlung zumindest in allen wesentlichen Beziehungen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten der Ausführung, in seine Vorstellungen und in seinen Willen aufgenommen haben (vgl. Jäger in Klein, Kommentar zur AO, 10. Auflage 2009 Rdn. 170 ff zu § 360 AO m.w.N.).
Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Kläger bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung am 12. Februar 2001 wusste, dass er den Vorsteuerabzug zu Unrecht geltend gemacht hat. Spätestens im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung des Lizenzvertrages durch die GmbH am 2. März 2001 stand jedoch fest, dass es zu keiner Vermarktung des Produkts B kommen werde und die Rechnung vom 22. Dezember 2000 über Lizenzgebühren gegenstandslos geworden ist. Dem Kläger war also bekannt, dass es aufgrund der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung zu Unrecht zu einer Auszahlung eines Umsatzsteuerguthabens gekommen ist und er einen Steuervorteil erlangt hat, auf den er keinen Anspruch hatte. Dafür spricht auch der Umstand, dass er in seinem Schreiben vom 19. Juni 2006 an das FA einräumt, dass die sofortige Abgabe der Umsatzsteuererklärung zur sofortigen Insolvenz geführt hätte und er – um einen Totalverlust zu vermeiden – die Berichtigung des Vorsteuerabzugs erst in der im Jahr 2003 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung geltend gemacht hat.
Dadurch, dass der Kläger keine zeitnahe Berichtigung des Vorsteuerabzugs durchgeführt hat, hat die GmbH Steuern verkürzt, da die zutreffende Umsatzsteuer nicht rechtzeitig festgesetzt worden ist, § 370 IV 1 AO.
Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Kündigung des Lizenzvertrages in zivilrechtlicher Hinsicht nur eine so genannte „ex-nunc-Wirkung” entfaltet hat und für die Zukunft sicherstellen sollte, dass keine vertragliche Verpflichtung mehr zur Zahlung von Mindestlizenzgebühren und Patentverfolgungskosten bestand, die für das Jahr 2000 gestellte Rechnung gleichwohl noch offen sei und von der GbR eingeklagt werde. Denn in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht bestand wie oben erläutert keine Berechtigung für einen Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 22. Dezember 2000. Die später erfolgte Kündigung wirkt sich insoweit nicht aus.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Schaden des Fiskus und die Kausalität seines Handelns auch nicht deshalb zu verneinen, weil die GmbH schon im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der Umsatzsteuerschuld –möglicherweise– nicht mehr genügend Mittel zu deren Begleichung zur Verfügung hatte.
Zwar ist auch bei dem Haftungstatbestand der Steuerhinterziehung für den Umfang der Haftung darauf abzustellen, inwieweit das strafrechtlich vorwerfbare Verhalten für den Steuerausfall ursächlich gewesen ist (BFH-Beschluss vom 11.02.2002, VII B 323/00 NV 2002, 891). Grundsätzlich hat der BFH dazu ausgeführt, dass auch der Täter einer Steuerhinterziehung nicht weitergehend in Haftung genommen werden kann, wenn es auch bei pflichtgemäßem Verhalten –hier der unverzüglichen Berichtigung der Voranmeldung für Dezember 2000 spätestens nach der Kündigung des Lizenzvertrages im März 2001 – zu dem Steuerausfall gekommen wäre, weil keine Zahlungsmittel und auch keine Vollstreckungsmöglichkeiten für das FA vorhanden waren und der Steuerschuldner mit den im Haftungszeitraum insgesamt geleisteten Zahlungen das FA nicht gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (BFH-Urteile vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, VII R 99/94, VII R 100/94, BFH/NV 1996, 97 und vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100).
Dieser Grundsatz hat jedoch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits Einschränkungen erfahren. So kann ein haftungsbegründender ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzung der Steuererklärungspflicht und dem eingetretenen Steuerausfall (Haftungsschaden) auch dadurch begründet sein, dass aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeiten des FA vereitelt worden sind (BFH-Urteil vom 26.08.1992 VII R 50/91, BStBl II 1993, 8).
So verhält es sich im Streitfall. Denn die ordnungsgemäße Umsatzsteuererklärung 2000 wurde erst im Februar 2003 und damit zu einem Zeitpunkt abgegeben, als keine liquiden Mittel der GmbH mehr bestanden, die zur Tilgung von Steuerschulden hätten verwendet werden können. Nach Ansicht des Gerichts liegen keine Anzeichen dafür vor, dass bereits im März 2001, also in dem Zeitpunkt, in dem der Vorsteuerabzug spätestens berichtigt hätte werden müssen, keine ausreichenden Mittel zur Rückzahlung des zu Unrecht erlangten Umsatzsteuerguthabens mehr vorhanden waren. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte, dass das erst am 20. Februar 2001 vom FA ausgezahlte Guthaben der GmbH im März nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte. So werden in der Bilanz der GmbH zum 31. Dezember 2000 unter den Vermögenswerten Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände in Höhe von 777.575,41 DM aufgeführt. Auch aus dem Schreiben des Klägers vom 19. Juni 2006 ergibt sich nicht, dass die GmbH bereits im März 2001 nicht mehr zahlungsfähig gewesen sei, da er ausführt, dass erst die Rückzahlung des zu Unrecht erlangten Vorsteuerabzugs zur Insolvenz der GmbH geführt hätte und er die Berichtigung des Vorsteuerabzugs deswegen erst später geltend gemacht habe.
Ein Ermessensfehlgebrauch (§ 191 AO) bei Erlass des Haftungsbescheides kann nicht festgestellt werden, unter den gegebenen Umständen des Falles hat das FA sein Entschließungs- und Auswahlermessen richtig betätigt.
Auch bei der Inanspruchnahme eines nach § 71 AO Haftenden handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
Allerdings hat der BFH bereits entschieden, dass im Falle vorsätzlicher Pflichtverletzung und Steuerhinterziehung das Entschließungsermessen in der Weise vorgeprägt ist, dass es einer besonderen Begründung der Ermessensbetätigung nicht bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1991 VII R 3/90, BFH/NV 1991, 504). Hat jemand als Täter oder Teilnehmer eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen, so ist es im Regelfall sachgerecht, wenn ihn die Finanzbehörde für den Steuerschaden in Anspruch nimmt. Sie würde eher ermessensfehlerhaft handeln, wenn sie den Betreffenden von einer Inanspruchnahme freistellte (BFH-Urteil vom 02.12.2003 VII R 17/03, BFH/NV 2004, 597).
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe ersichtlich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.