16.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130088
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 14.02.2012 – 3 K 2338/09
Zu den Anforderungen an das Unterhalten eines gemeinsamen gleichberechtigten Hausstands mit den Eltern (hier mit der Mutter)
Finanzgericht Rheinland-Pfalz v. 14.02.2012
3 K 2338 / 09
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung für das Jahr 2007.
Der Kläger ist allein stehend und erzielte im Streitjahr 2007 als Chemiker Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Er arbeitete im Streitjahr in B. Diese Stelle hatte er im Jahr 2006 angetreten und dort auch seinen Zweitwohnsitz begründet. Seinen Hauptwohnsitz behielt er in N bei und wohnte dort zusammen mit seiner Mutter im Einfamilienhaus, das seiner Mutter zu und dem Kläger und seiner Schwester zu jeweils 1/8 im Streitjahr gehörte. Er nutzte nach eigenen Angaben in dem Einfamilienhaus ein Schlaf- und Arbeitszimmer sowie ein Badezimmer allein. Die Küche, das Ess- und Wohnzimmer wurden von ihm und seiner Mutter gemeinsam genutzt. Im Jahr 2010 wurde das Anwesen auf den Kläger übereignet.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 7.053,- € als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend.
Nachdem der Beklagte die geltend gemachten Kosten wegen doppelter Haushaltsführung für das Jahr 2006 anerkannt hatte, ließ er bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2007 die geltend gemachten Aufwendungen nicht zum Werbungskostenabzug zu und berücksichtigte stattdessen mit Einkommensteuerbescheid 2007 vom 04.03.2009 lediglich den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920,00 €. Der Beklagte ging davon aus, dass der Kläger in N keinen eigenen Hausstand unterhalten habe, sondern lediglich in den Haushalt der Mutter eingegliedert gewesen sei.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass er die Haushaltsführung durch finanzielle und persönliche Beteiligung mitbestimme. Dies erfolge unter anderem durch Kostenübernahme der eigenen Verpflegung, Erwerb von Einrichtungsgegenständen, Bewirtschaftung der Wohnung und Erledigung von Reparaturarbeiten. Auch kontrolliere er die Abrechnungen und entscheide zum Beispiel über die Ausstattung von Fenstern und Türen mit einbruchsicheren Griffen und die Installation von Dachflächenrollläden.
Der Beklagte hielt an seiner Rechtsansicht fest und verneinte darüber hinaus das Vorliegen des Lebensmittelpunktes des Klägers in N. Mit Einspruchsentscheidung vom 11. 09 .2009 wies er den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Beteiligten sind sich inzwischen einig, dass der Kläger das Fortbestehen seines Lebensmittelpunktes am Heimatort durch geeignete Belege nachgewiesen hat.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger weiterhin die steuerliche Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten schränkt den Umfang seines Klagebegehrens jedoch insoweit ein, dass lediglich die Kosten für die Unterkunft am Arbeitsort in Höhe von 2.894,- € und die Kosten für Haushaltsgegenst ände in Höhe von 55,- € abgezogen werden sollen.
Er trägt vor, im Jahr 2006 sei die doppelte Haushaltsführung anerkannt worden. Im Streitjahr hätten sich keine Veränderungen zum Vorjahr ergeben. Entgegen der Ansicht des Beklagten liege ein eigener Hausstand in N vor. Er sei nicht in den Haushalt seiner Mutter integriert gewesen. Er habe die Haushaltsführung finanziell und persönlich wesentlich mitbestimmt. Insoweit verweist er auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor, fast alle Entscheidungen bezüglich des Hauses, Gartens, der Bewirtschaftung von zugehörigen Grundstücken, Anschaffungen und Reparaturen seien von ihm wesentlich mitbestimmt bzw. teilweise von ihm alleine getroffen worden. Da sein Vater bereits im Jahr 2003 verstorben sei, entfalle auch das Argument des Beklagten, wonach der Alleinstehende in den Haushalt der Eltern eingegliedert sei. Er habe nach dem Tod des Vaters teilweise dessen Aufgaben im Haushalt übernommen. Zur Frage einer finanziellen Beteiligung erklärte er, er übernehme Kosten für die Instandhaltung und -pflege des Hauses sowie des Grundstücks und für die Bewirtschaftung. So habe er in den Jahren 2006 bis 2008 Kosten für Instandhaltungsmaßnahmen am Haus und Neuanschaffungen (sanitäre Einrichtung, automatischer, elektrisch betriebener Rollladen, Kaminbriketts, Kaminreiniger, Gartengeräte und Verbrauchsmaterialien im Garten, elektrische Rollläden auf den Dachflächenfenstern, Zaun, diverse Putz- und Waschmittel sowie Hygieneartikel, Winterstreugut, PC, der zur Kommunikation mit Versicherungen, Energieversorgern, Abfallbehörden etc. für das Anwesen in N eingesetzt werde) sowie für Gartenarbeiten durch einen Fachbetrieb getragen. Eine Aufteilung der anfallenden Kosten zwischen seiner Mutter und ihm sei für jeden Einzelfall entschieden worden. Die Kosten der eigenen Verpflegung habe er ebenfalls getragen. Zudem habe er die Kosten für den eigenen Pkw, welcher für Transport- und Einkaufsfahrten von Brennstoffen, Brennholz, Streusalz sowie Gartenmaterialien genutzt worden sei, übernommen. Für die ständig wiederkehrenden Aufwendungen wie Strom, Wasser, Gas etc. sei seine Mutter aufgekommen. Er organisiere den Haushalt und sorge dafür, dass seine mittlerweile 76 Jahre alte Mutter versorgt sei. Zur weiteren Begründung verweist der Kläger auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21.04.2010 - VI R 26/ 09 -, BFH/NV 2010, 1894.
Der Kläger trägt ferner vor, der Beklagte habe nicht bedacht, dass er ausschlie ßlich aus beruflichen Gründen die Aufwendungen für die Unterkunft in B habe tragen müssen. Selbst wenn keine doppelte Haushaltsführung vorliegen sollte, seien die Aufwendungen daher als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen. Schließlich macht der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken geltend.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2007 vom 4. März 2009 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11. September 2009 bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.949 € zu berücksichtigen,
hilfsweise,
das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs oder des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Gesetzeslage bzw. Verwaltungspraxis anzuordnen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bleibt dabei, dass eine doppelte Haushaltsführung nicht nachgewiesen sei, und verweist auf die Gründe der Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist er darauf hin, dass dem Kläger für die Nutzung der Räume keine bzw. nur geringfügige Kosten entstanden seien. Aus den vom Kläger getragenen Kosten könne nicht auf einen eigenen Hausstand des Klägers in N geschlossen werden. Es könne nicht festgestellt werden, dass sich der Kläger durch die Übernahme bestimmter Arbeiten, Kosten oder Anschaffungen am Haushalt der Mutter beteiligt habe. Dass erwachsene Kinder ihren Eltern oder wie hier ihrer Mutter im Haus und Garten nach ihren Möglichkeiten Hilfe leisten, entspräche einer allgemeinen Pflicht zum Beistand und zur Rücksichtnahme.
Da die Aufwendungen für eine Wohnung grundsätzlich nicht abzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung darstellten, könnten sie außerhalb des Anwendungsbereichs des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gingen fehl. Ein Ruhen des Verfahrens komme nicht in Betracht, weil keine gleich gelagerten Fälle vor dem BFH oder dem BVerfG anhängig seien.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte die begehrten Aufwendungen nicht als Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG bei den Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit gemäß § 19 EStG berücksichtigt.
1. Die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung lagen nicht vor.
Gem äß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Auch ein allein stehender Arbeitnehmer kann einen doppelten Haushalt führen (BFH, Urteil vom 14.10.2004 - VI R 82/02 -, BStBl 2005 II S. 98 m.w.N.).
Der Arbeitnehmer muss sich an der Führung der Wohnung sowohl finanziell als auch durch seine persönliche Mitwirkung maßgeblich beteiligen. Sofern der Arbeitnehmer nicht alleiniger Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist, muss anhand einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Falles untersucht werden, ob der Hausstand jedenfalls auch ihm als eigener zugerechnet werden kann. Wesentlich ist, dass das Verbleiben des Steuerpflichtigen in der Wohnung sichergestellt ist. Nutzt der Arbeitnehmer die Wohnung nicht allein, muss er sie aber zumindest gleichberechtigt mitbenutzen können. Er hat daher jedenfalls dann keinen eigenen Hausstand inne, wenn er etwa im elterlichen Haushalt lediglich noch ein Zimmer bewohnt oder wenn er als Gast in einen fremden Hausstand eingegliedert ist, auf dessen Führung er keinen wesentlich bestimmenden oder wenigstens mitbestimmenden Einfluss ausüben kann (vgl. BFH, Urteil vom 14.10.2004 - VI R 82/02 -).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger in dem Anwesen in N einen eigenen Hausstand unterhalten hat. Hierbei ist es - anders als der Kläger meint - unerheblich, dass bei ihm eine Eingliederung in den Haushalt der Eltern entfällt. Ausreichend und auch entscheidend ist, dass der Kläger in den Haushalt seiner Mutter eingegliedert war.
Ein eigener Hausstand des Klägers bzw. ein gemeinsamer gleichberechtigter Hausstand mit der Mutter ist deshalb nicht anzunehmen, weil sich der Kläger nicht an der Führung des Hausstandes der Mutter finanziell und durch seine persönliche Mitwirkung maßgeblich beteiligt hat (vgl. BFH, Urteil vom 14.10.2004 a.a.O.; BFH, Urteil vom 04.11.2003 - VI R 170/99 -, BStBl. II 2004, 16; BFH, Urteil vom 05.07.2007 - VI R 44-45/06 -, BFH/NV 2007, 1878). Vorliegend beschränkte sich die persönliche Mitwirkung des Klägers auf die Mithilfe im Garten, die Mithilfe bei Instandsetzungen und beim Kontrollieren der Abrechnungen sowie der gelegentlichen Übernahme von Einkäufen. Derartige Besorgungen stellen indes keinen maßgeblichen Beitrag an der Führung eines Hausstandes dar, sondern sind vielmehr als übliche familiär bedingte Hilfeleistungen an die Mutter zu qualifizieren.
Auch hat sich der Kläger nicht in der für eine gemeinsame Haushaltsführung typischen und erforderlichen Weise finanziell am Haushalt seiner Mutter beteiligt. Zwar hat der Kläger gelegentlich Einkäufe übernommen. Von den Lebenshaltungskosten hat er jedoch lediglich Kosten für Kaminbriketts im Wert von ca. 90,- € im Streitjahr, Kosten für seine eigene Verpflegung und geringfügige Aufwendungen für Putz-, Wasch- und Hygieneartikel getragen. An weiteren typisch anfallenden laufenden Nebenkosten für das Haus, wie z. B. Aufwendungen für Versicherungen, öffentliche Abgaben, Wasser, Strom und Gas hat er sich finanziell nicht beteiligt.
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger die von ihm dargelegten Kosten für Schönheitsreparaturen, Gartenpflege etc. allein übernommen hat. Selbst wenn hierdurch ein finanzieller Ausgleich - Übernahme einmaliger hoher Kosten durch den Kläger und Übernahme laufender Haushaltskosten durch die Mutter - erfolgt sein sollte, würde dies eine gemeinsame Haushaltsführung noch nicht begründen. Die Übernahme solcher Kosten kann zwar eine finanzielle Beteiligung darstellen, sie vermag jedoch nicht die finanzielle Verantwortung für den Hausstand, welche ihren Ausdruck in der Begleichung der durch den Haushalt verursachten laufenden Unterhaltskosten findet, begründen.
Auch das vom Kläger angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. April 2010 - VI R 26/ 09 - führt zu keinem anderen Ergebnis. In dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, dass das Merkmal der finanziellen Beteiligung an der Haushaltsführung zwar ein besonders gewichtiges Indiz, aber nicht unerlässliche Voraussetzung dafür ist, dass der allein stehende Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand als Haupthausstand unterhält. Vorliegend hat der Senat indes nach einer Gesamtabwägung aller hier maßgeblichen Umstände die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger im Haushalt seiner Mutter lebte und nicht gleichberechtigt einen gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter unterhalten hat.
Der Nichtanerkennung einer doppelten Haushaltsführung steht auch nicht entgegen, dass die in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 geltend gemachten Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2006 Berücksichtigung gefunden haben. Nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung ist für jedes Jahr erneut zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben sind.
2. Ein Abzug der begehrten Aufwendungen als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt nicht in Betracht. Ausgaben für den Haushalt gehören grundsätzlich zu den steuerlich nicht abziehbaren Kosten der allgemeinen Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 1 EStG). Nur im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige notwendige Mehraufwendungen, die ihm wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, als Werbungskosten abziehen. Da im Streitfall aus den unter Ziffer 1 dargestellten Gründen eine doppelte Haushaltsführung des Klägers nicht angenommen werden kann, scheidet eine steuerliche Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten aus.
3. Dem Antrag des Klägers auf Ruhen des Verfahrens war nicht zu entsprechen. Dem Senat ist nicht bekannt, dass gleich gelagerte Fälle beim Bundesfinanzhof oder Bundesverfassungsgericht anhängig sind.
Der Senat teilt auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers, so dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht kommt. Der Bundesfinanzhof ist in ständiger Rechtsprechung von der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm ausgegangen.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.