23.08.2012
Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 31.05.2011 – 4 K 331/09
Nach dem das in Deutschland nicht einkommensteuerbare Stipendium für das Promotionsstudium eines Kindes in Großbritannien bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge eines Kindes gem. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG als Bezug zu berücksichtigen ist, mindern – die nicht als ausbildungsbedingter Mehraufwand anzusehenden – Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung in Großbritannien nicht die Bezüge.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 4. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 31. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht …, den ehrenamtlichen Richter … und den ehrenamtlichen Richter …
für Recht erkannt:
Das Verfahren wird bezüglich der Festsetzung des kindergeldbezogenen Entgeltbestsandteils als Besitzstandszulage gemäß § 11 TVÜ-L eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung.
Der Sohn der Klägerin M., geb. …1984, nahm im Oktober 2007 ein Promotionsstudium in Großbritannien an der University of B. auf. Er erhielt von der University of B. ein Stipendium in Höhe von umgerechnet 2008: 18.082 EUR und Januar und Februar 2009: 2.657 EUR. Dieses wurde ihm aufgrund englischer Steuergesetzgebung steuerfrei ausgezahlt.
Die Ermittlungen der Beklagten ergaben eine Überschreitung des Grenzbetrages, weil sie die Aufwendungen des Kindes für seinen Haushalt nicht mindernd berücksichtigte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnungen in den angefochtenen Bescheiden und den Schriftsatz der Beklagten vom 8. Juli 2009 Bezug genommen. Sie lehnte darauf hin den Antrag auf Kindergeldfestsetzung ab Januar 2008 ab.
Nach Zurückweisung ihres Einspruchs hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Ziel, dass die Aufwendungen von M. für die Wohnung am Studienort Einkünfte und Bezüge mindernd berücksichtigt werden, weil es sich um ausschließlich beruflich bedingte Werbungskosten für einen Zweitwohnsitz handele. Ihr Sohn unterhalte mit ihr einen gemeinsamen Haushalt in Halle. Die Einkünfte aus dem Promotionsstudium seien nach deutschem Recht als einkommensteuerpflichtige Einkünfte einzustufen, denn das Stipendium sei mit Regelungen verbunden, welche typisch für Ausbildungs- oder Dienstverträge seien (Nachweis der Fortschritte im Forschungsprojekt z.B. durch regelmäßige Veröffentlichung wissenschaftlicher Publikationen, Ableistung einer bestimmten Anzahl von Semesterwochenstunden/Jahressemesterwochen). Die geltend gemachten Aufwendungen stünden ausschließlich mit dem gewährten Stipendium in wirtschaftlichem Zusammenhang, denn das Promotionsstudium wäre ohne die gewährten Mittel nicht durchgeführt worden.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2009 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 04. März 2009 Kindergeld für M. für Januar 2008 bis einschließlich Februar 2009 festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihrer Ansicht nach dürfen die streitigen Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, weil das Stipendium infolge seiner Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 und 44 Einkommensteuergesetz (EStG) keinen Arbeitslohn nach § 19 EStG darstellt, sondern kindergeldrechtlich als Bezug zu berücksichtigen sei. Kindergeldrechtlich als Bezug zu bewertende Einnahmen dürfen nur durch ausbildungsbedingten Mehraufwand gemindert werden, zu denen nach gefestigter Rechtsprechung die Kosten für die Unterkunft und Verpflegung am Ausbildungsort nicht gehören.
Soweit die Klägerin auch die Festsetzung des kindergeldbezogenen Entgeltbestandteils als Besitzstandszulage gemäß § 11 TVÜ-L begehrte, hat sie die Klage diesbezüglich mit Schreiben vom 30. März 2009 zurückgenommen.
Die für die Klägerin geführte Kindergeldakte hat dem Senat vorgelegen.
Entscheidungsgründe
I. Das Gericht war an einer Entscheidung nicht gehindert, obwohl die Klägerin zu der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und sich auch nicht hat vertreten lassen; denn der Bevollmächtigte der Klägerin ist bei der Ladung darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle des Ausbleibens eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
II. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Einkünfte und Bezüge des Sohnes der Klägerin übersteigen im Streitzeitraum den Grenzbetrag von 7.680 EUR in 2008 bzw. anteilig 1.280 EUR in 2009.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass dem Grunde nach Anspruch auf Kindergeld für ein Kind in Ausbildung besteht. Soweit ersichtlich ist die Höhe der begehrten weiteren Aufwendungen ebenfalls unstreitig. Ausführungen dazu unterbleiben daher.
Das dem Sohn der Klägerin von der University of B. gezahlte „University Studentship” ist bei der Ermittlung seiner Einkünfte und Bezüge in der zugeflossenen Höhe als Bezug i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigen.
1) Bezüge i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind alle Zuflüsse in Geld oder Naturalleistung, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst werden und zur Bestreitung des üblichen Unterhalts bestimmt oder geeignet sind (BFH Urteil vom 26. März 2009 – VI R 60/08, BFH/NV 2009, 1418 [1419] m.w.N.).
a) Im Streitfall ist das Stipendium zur Bestreitung des üblichen Unterhalts bestimmt und geeignet. Es ist nicht ersichtlich, dass es zweckgebunden zur Abdeckung eines besonderen und außergewöhnlichen Bedarfs gezahlt wurde.
b) Es wird nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst, weil es in der Bundesrepublik Deutschland nicht steuerbar ist. Insbesondere hat der Sohn der Klägerin vorgetragen, dass es ihm aufgrund englischer Steuergesetzgebung steuerfrei durch die stipendiengebende Stelle gezahlt wird.
Ob überhaupt ein Stipendium nach deutschem Steuerrecht steuerbar wäre, oder im Rahmen welcher Einkunftsart das dem Sohn der Kläger gewährte Stipendium zu erfassen wäre, braucht der Senat nicht zu klären, denn für in Frage kommende Einkünfte aus einem freien Beruf, einem (nichtselbstständigen) Arbeitsverhältnis oder für derartige sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG weist das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht Großbritannien zu (Art XI Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2; Art XV DBA Großbritannien), so dass es in Deutschland auf jeden Fall an der Steuerbarkeit fehlt. Dementsprechend unterlag der Sohn der Klägerin nicht mehr der deutschen Einkommensteuerpflicht und das Stipendium wurde ihm aufgrund englischer Steuergesetzgebung steuerfrei ausgezahlt.
Eine Beweisaufnahme zu der Frage, ob die Einkünfte aus dem Promotionsstudium nach deutschem Recht als einkommensteuerpflichtige Einkünfte einzustufen sind, erübrigt sich.
2) Die geltend gemachten Aufwendungen für die Wohnung in Großbritannien sind nicht Bezüge mindernd abzusetzen.
Bezüge sind um den sog. ausbildungsbedingten Mehraufwand zu kürzen, § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG. Es handelt sich dabei um solche im Einzelnen nachgewiesene Aufwendungen, die wegen der Ausbildung zu den Lebenshaltungskosten hinzukommen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, sind jedoch Kosten für Unterkunft und Verpflegung keine Aufwendungen für solche besonderen Ausbildungszwecke. Vielmehr wird die Tatsache, dass eine beträchtliche Anzahl der in Ausbildung befindlichen Kinder auswärts untergebracht ist und es deshalb an einer gemeinsamen Wirtschaftsführung mit den Eltern fehlt, in der Ausgestaltung des Jahresgrenzbetrages hinreichend berücksichtigt (BFH Urteil vom 22. Mai 2002 VIII R 74/01, BStBl II 2002, 695 [696] m.w.N.; Beschluss vom 10. August 2007 – III B 96/06, BFH/NV 2007, 2274; BVerfG Kammerbeschluss vom 14.12.2004 – 2 BvR 1754/04).
Im Streitfall dürfen die geltend gemachten Kosten für die auswärtige Unterbringung in Großbritannien nicht zusätzlich von den Bezügen abgezogen werden, denn sie sind – wie oben ausgeführt – bereits typisierend bei der Ausgestaltung des Grenzbetrages berücksichtigt worden.
3) Die streitigen Aufwendungen stellen auch keine Werbungskosten dar.
Werbungskosten sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind (Schmidt, Kommentar zum EStG, 30. Auflage 2011, § 9 Rn 7).
Hier liegen keine (in Deutschland) steuerpflichtigen Einnahmen des Sohnes der Klägerin vor. Auf die Unterscheidung, ob das Stipendium sonstige Einkünfte darstellt oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gezahlt wurde, kommt es daher auch an dieser Stelle nicht mehr an.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und § 136 Abs. 2 FGO.