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  • 23.08.2012

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 22.02.2012 – 2 K 1948/10

    1. Ein Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betrieb des Investors vor Ablauf der Fünfjahresfrist kann als unschädlich angesehen werden, wenn es technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht war und auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert hatte. Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn das geförderte Wirtschaftsgut von Anfang an nicht die für den ihm zugedachten Zweck erforderliche Qualität besessen hat.

    2. Ist das angeschaffte Wirtschaftsgut mangelhaft und scheidet es deshalb aus dem Anlagevermögen aus, so ist dies nur dann zulagenunschädlich, wenn das Wirtschaftsgut gegen eines von gleicher oder besserer Qualität ausgetauscht wird.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 2. Senat unter Mitwirkung von …, … und sowie der ehrenamtlichen Richter … und … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 22. Februar 2012 für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung der ihm für die Kalenderjahre 2003 und 2004 gewährten Investitionszulage.

    Der Kläger war in den Streitjahren Inhaber einer Vermögensverwaltung, die im Rahmen von Betriebsaufspaltungen mit der X GmbH (Produktion) und der Y GmbH (Vertrieb) als Besitzunternehmen fungierte. Für die Kalenderjahre 2003 und 2004 bewilligte der Beklagte dem Kläger unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit (Änderungs-)Bescheiden vom 6. November 2006 Investitionszulagen i.H.v. insgesamt 321.836,07 EUR (2003: 201.358,85 EUR nach dem Investitionszulagengesetz 1999; 2004: 97.941,80 EUR nach dem Investitionszulagengesetz 1999 und 22.535,42 EUR nach dem Investitionszulagengesetz 2005). Gegenstand der Investitionszulagen war die Anschaffung verschiedener Werkzeuge zur Herstellung von Schutzhelmen, insbesondere der Modelle A, B und C.

    Auf Grund einer Betriebsprüfung (BP-Bericht vom 24. April 2009) setzte der Beklagte die Investitionszulagen 2003 und 2004 mit Änderungsbescheiden vom 1. September 2009 jeweils auf 0,– EUR fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Klägers wies er mit Einspruchsentscheidung vom 1. November 2010 als unbegründet zurück.

    Der Kläger macht geltend, er habe bereits mit Schreiben vom 21. Juni 2006 im Rahmen der Betriebsprüfung angezeigt, dass die Werkzeuge, mit welchen die Helme der Modelle A, B und C gefertigt worden seien, infolge technischer Beanspruchung im Wirtschaftsjahr 2006 nicht mehr einsetzbar und daher technisch verbraucht gewesen seien. Die genannten Helme seien jeweils bei der ersten durch den TÜV durchgeführten Prüfung durchgefallen, da sie den Abstreiftest nicht bestanden hätten. Obwohl daraufhin die entsprechenden Fertigungswerkzeuge nachgebessert worden seien, habe jeder Helm nach der Produktion durch aufwändige Handarbeit nachgebessert werden müssen. Im Rahmen der Serienproduktion sei dann auf Grund weiterer Prüfungen im eigenen Hause festgestellt worden, dass die Produkte nicht konstant auf dem zu fordernden Niveau hätten gehalten werden können. Es sei zu Rissbildungen bei der Befestigung der Beriemung im Inneren der Helme gekommen, was auch zu Reklamationen geführt habe. Um Produkthaftungsfälle zu vermeiden sei die Produktion der drei Modelle daher im November 2005 eingestellt worden. Die Werkzeuge seien nicht verschrottet worden, sondern befänden sich weiterhin in den Betriebsräumen des Klägers. Der Veräußerungswert (Schrottwert) liege unter 10% der ursprünglichen Anschaffungskosten. Außerdem sei davon auszugehen, dass weiterhin ein Produktionsbetrieb im Fördergebiet bestehe.

    Der Kläger beantragt,

    die Änderungsbescheide über die Gewährung einer Investitionszulage für das Kalenderjahr 2003 nach dem Investitionszulagengesetz 1999 und für das Kalenderjahr 2004 nach dem Investitionszulagengesetz 1999, jeweils vom 1. September 2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. November 2010, aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor, dass den Feststellungen der Betriebsprüfung zufolge die Produktion im Januar 2006 ins Ausland verlagert worden sei. Ab diesem Zeitpunkt läge daher keine begünstigte Betriebsstätte mehr vor. Die eigentliche Produktion finde in der neuen Gesellschaft im Ausland statt. Der im Fördergebiet belegene Standort sei reiner Vertriebs- und Verwaltungssitz geworden. Auch habe der Kläger während der Prüfung nicht geltend gemacht, dass die betroffenen Wirtschaftsgüter technisch und wirtschaftlich verbraucht gewesen seien. Zudem seien die Wirtschaftsgüter bis zum 31. Dezember 2005 auch nicht als Anlagenabgang ausgewiesen worden. Der Kläger habe keinerlei Nachweise für den von ihm behaupteten tatsächlichen wirtschaftlichen und technischen Verbrauch vorgelegt.

    Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die vom Beklagten übersandten Verwaltungsakten und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2012 Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des für die Prüfung der Helme zuständigen Mitarbeiters des TÜV als Zeugen. Für die hierbei gemachten Angaben wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2012 verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    I.

    Die angefochtenen Investitionszulagenbescheide 2003 und 2004 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    Nach § 2 Abs. 1 Investitionszulagengesetz 1999 sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören und in einer solchen Betriebsstätte verbleiben. Der Antragsteller einer Investitionszulage trägt die Feststellungslast dafür, dass die Tatbestandsmerkmale für eine Vergünstigung erfüllt sind (BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 – III R 25/01, BStBl II 2004, 542). Die Verbleibensvoraussetzung ist nach dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf Investitionszulage, sodass der Kläger für das Vorliegen dieses Merkmals die Feststellungslast trägt (BFH-Beschluss vom 29. Juni 2007 – III B 95/06, BFH/NV 2007, 2125).

    Dies zugrunde gelegt, ist die Verbleibensvoraussetzung für die geförderten Werkzeuge zur Herstellung der Helme der Modelle A, B und C nicht erfüllt.

    Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass nach Verlagerung der Produktion ins Ausland im Januar 2006 kein Betrieb des verarbeitenden Gewerbes mehr im Fördergebiet vorhanden war. Für die Frage der Verbleibensvoraussetzung wäre dieser Vorgang nur dann unschädlich, wenn ein von der Rechtsprechung zugelassener Ausnahmefall vorliegt. So wurde ein vorzeitiges Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus dem Betrieb des Investors dann als unschädlich angesehen, wenn es technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht war und auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert hatte. Ein Fall des wirtschaftlichen Verbrauchs einzelner Wirtschaftsgüter kann dann angenommen werden, wenn diese für den Betrieb des Investors wirtschaftlich nicht mehr nutzbar sind und ihre Nutzung auch durch andere Unternehmen als dasjenige des Investors ausgeschlossen ist. Im Fall des wirtschaftlichen Verbrauchs kommt dann dem Umstand, dass das Wirtschaftsgut an sich technisch noch nutzbar ist, keine Bedeutung zu, da die technische Nutzbarkeit nicht mehr verwertet werden kann. Hingegen können bloß allgemeine betriebliche oder wirtschaftliche Ursachen, insbesondere Erwägungen der Rentabilität, nicht berücksichtigt werden (zum Ganzen: BFH-Urteil vom 27. April 1999 – III R 32/98, BStBl II 1999, 615, m.w.N.).

    Daran gemessen liegt keine Fallkonstellation vor, die eine Ausnahme von dem gesetzlichen Erfordernis des Fünfjahreszeitraumes rechtfertigen könnte. Eine technische Abnutzung der Werkzeuge hat der Kläger nicht geltend gemacht; eine nennenswerte Verschlechterung ihres Zustands ist während der ohnehin kurzen Produktionsphase nicht zu verzeichnen gewesen. Aber auch ein wirtschaftlicher Verbrauch kann nicht festgestellt werden. Diese Fallgruppe hat der Bundesfinanzhof derjenigen der technischen Abnutzung mit der Erwägung gleichgestellt, dass in beiden Fällen der bezweckte Investitionserfolg erreicht wurde (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1976 – III R 139/74; BStBl II 1977,59). Damit sind aber ersichtlich nur solche Fälle angesprochen, in denen das geförderte Wirtschaftsgut zunächst zum Einsatz gekommen ist und erst nachträglich eingetretene Umstände dazu geführt haben, dass mit diesem weitere Aufträge nicht zu erzielen sind und auch seine Nutzung durch andere Unternehmer ausgeschlossen ist. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall indessen. Die geförderten Werkzeuge besaßen – nach dem vom Kläger unter Beweis gestellten und vom Gericht als zutreffend unterstellten Vortrag – von Anfang an nicht die erforderliche Qualität zur Produktion mangelfreier Helme. Hierauf deuten im Übrigen auch die Ausführungen des Zeugen Z hin, wonach die Helme den ersten Abstreiftest nicht bestanden haben. Es liegt daher kein Fall des Verbrauchs, sondern der anfänglichen Ungeeignetheit vor. Dies rechtfertigt nach der bisherigen Rechtsprechung indes nicht, von einer verkürzten Verbleibensfrist auszugehen.

    Soweit – wie im vorliegenden Fall – ein von Anfang an mangelbehaftetes oder zumindest nicht bestimmungsgemäß einsetzbares Wirtschaftsgut beschafft wurde, vermag dies auch nicht – über die bisher höchstrichterlich anerkannten Ausnahmefälle hinausgehend – zu Einschränkungen beim gesetzlich festgelegten Fünfjahreszeitraum zu führen. Ist das angeschaffte Wirtschaftsgut mangelhaft und scheidet es deshalb aus dem Anlagevermögen aus, so ist dies nur dann zulagenunschädlich, wenn das Wirtschaftsgut mit einem gleicher oder besserer Qualität ausgetauscht wird (BFH-Urteil vom 8. März 1968 – VI R 29/67, BStBl II 1968, 430,FG Thüringen, Urteil vom 12. Dezember 1996 – II 151/94, EFG 1997, 1547 und FG Münster, Urteil vom 24. Juni 1992 – 12 K 2380/89, EFG 1993, 247). Dies ist im vorliegenden Fall indes nicht geschehen, mit der Folge, dass der mit der Investitionszulage verfolgte Zweck, einen wirtschaftlichen Impuls im Fördergebiet zu erzeugen, nicht erreicht wurde und die Gewährung einer Investitionszulage daher auch nicht gerechtfertigt ist. Zum gleichen Ergebnis führt die Überlegung, dass die geförderten Werkzeuge aufgrund ihrer Unzulänglichkeiten zu keinem Zeitpunkt in einem Zustand waren, der die Produktion mangelfreier Helme ermöglicht hat, und ein solcher Zustand auch nicht erreichbar war. Dieser Fall steht demjenigen gleich, dass es überhaupt an einem betriebsbereiten Wirtschaftgut und damit an einer Anschaffung im Sinne des § 2 Abs. 1 InvzulG 1999 fehlt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gelten Wirtschaftsgüter nämlich in dem Zeitpunkt als angeschafft oder hergestellt, in dem der Erwerber nach dem Willen der Vertragsparteien darüber wirtschaftlich verfügen kann und in dem das Wirtschaftsgut zusätzlich betriebsbereit ist (BFH-Urteil vom 19. Juni 1997 III R 111/95, BStBl II 1998, 72 m.w.N.). Letztlich führt diese Rechtsprechung zu dem sachgerechten Ergebnis, dass die Anschaffung nicht funktionierender Wirtschaftsgüter nicht zulagenbegünstigt ist und das Risiko insoweit beim Investor liegt.

    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat lässt die Revision nach § 115 Abs. 2 FGO zu.