23.08.2012
Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 28.09.2011 – 3 K 1086/09
1. Die im UmwStG normierten Missbrauchstatbestände sind nicht per se abschließend. Vielmehr ist im jeweiligen Fall durch Auslegung zu ermitteln, ob und inwieweit diesen speziellen Missbrauchsvorschriften eine Sperrwirkung im Bezug auf § 42 AO zukommt (entgegen z.B. FG Münster v. 25.10.2006, 1 K 538/03 F).
2. Kommt es zum Übergang eines Verlustvortrags durch eine vom Regelungsbereich der speziellen Missbrauchsverhütungsvorschrift des § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 2002 nicht erfasste Verschmelzung der Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft mit identischen Gesellschaftern, ist aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls eine missbräuchliche Gestaltung i. S. d. § 42 AO zu prüfen.
3. Dient die Verschmelzung eines wirtschaftlich gesunden und am Markt etabliertes Gewinnunternehmens auf die (Schwester-)Verlustgesellschaft mit bereits eingestelltem Geschäftsbetrieb und abgemeldetem Gewerbe allein dem Zweck der Steuerersparnis, da die untypische Verfahrensweise – von der vermeintlich möglichen Nutzung des Verlustvortrags abgesehen – wirtschaftlich widersinnig erscheint, liegt ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 Abs. 1 S. 2 AO vor, so dass der Übergang des verbleibenden Verlustvortrags wie bei der wirtschaftlich angemessenen Verschmelzung der Verlustgesellschaft auf die Gewinngesellschaft gem. § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 2002 ausgeschlossen ist.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts … aufgrund mündlicher Verhandlung am 28. September 2011 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigungsfähigkeit eines bei der ursprünglichen Fa. Auto GmbH bestehenden Verlustvortrags bei der Klägerin nach Verschmelzung mit der Fa. Autohaus XYZ GmbH.
Die Klägerin ist eine durch notariellen Vertrag vom 18.11.1997 gegründete GmbH, die Autohandel betreibt. Die Firma der Gesellschaft lautete zunächst „Auto GmbH A-Stadt”. Sie war im Handelsregister des Amtsgerichts T-Stadt unter HR B 000 eingetragen.
Vom Stammkapital i.H.v. 50.000 DM wurden 20.000 DM vom Gesellschafter-Geschäftsführer Herrn Herr Schulze übernommen und 30.000 DM von der ITR-GmbH, vertreten durch Herrn Steuerberater Hans Meier. Gemäß Treuhandvertrag vom 18.11.1997 wurde der genannte Anteil zu 30.000 DM bis zum 05.08.2004 von der ITR-GmbH nach außen hin in ihrem Namen gehalten, im Innenverhältnis jedoch nur als Treuhänderin der Fa. Autohaus Name GmbH & Co. KG mit dem Sitz in B-Burg.
Mit Vertrag vom 25.02.2003 verkaufte Herr Herr Schulze seinen o.g. Geschäftsanteil für 1 EUR an die ITR-GmbH mit dem Nachtrag, dass das vorgenannte Treuhandverhältnis auch für diesen Teil der Stammeinlage gilt. Ab 28.04.2003 übernahm Herr Herr Müller die Geschäftsführung, nachdem bekannt wurde, dass Herr Schulze Gelder der Inhaber veruntreut hatte.
Die Klägerin erwirtschaftete mit ihrem Vertrieb und der Werkstatt für die Automarken FIAT, ALFA und LANCIA mehrere Jahre Verluste. Zum 30.09.2003 kündigte die FIAT Automobil AG den bis dahin bestehenden Händlervertrag mit der Klägerin. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte die Gewerbeabmeldung, und der Ort der Geschäftsleitung wurde von A-Stadt nach B-Burg in die Räumlichkeiten der Autohaus Name GmbH & Co. KG verlegt. Das Finanzamt B-Burg übernahm am 12.02.2004 die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung und veranlagte die Klägerin mit Bescheiden vom 06.05.2005 zur Körperschaftsteuer 2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Der zum 31.12.2003 verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer wurde auf 1.493.068 EUR und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf 1.457.008 EUR festgestellt.
Eine weitere 100%ige Tochtergesellschaft der Autohaus Name GmbH & Co. KG war die im Jahre 1992 gegründete Firma Autohaus „XYZ” GmbH mit Sitz in XYZ-Stadt (AG Meiningen HR B 11). Das Stammkapital betrug 1 Mio. DM. Die GmbH betrieb erfolgreich ein VW-Autohaus in XYZ-Stadt (z.v.E. 2003 = 265 TEUR, kein Verlustvortrag). Als Geschäftsführer war Herr Herr Köhler bestellt.
Durch notariellen Vertrag vom 27.08.2004 übertrug die o.g. Autohaus „XYZ” GmbH (übertragende Gesellschaft) ihr Vermögen als Ganzes auf die aufnehmende Fa. Auto GmbH A-Stadt (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme. Die Übernahme des Vermögens der übertragenden Gesellschaft erfolgte im Innenverhältnis rückwirkend mit Ablauf des 31.12.2003 (Verschmelzungsstichtag).
Die Klägerin – Auto GmbH – stellte ihr Stammkapital auf EUR um und erhöhte dieses sodann von 25.600 EUR um 511.250 EUR auf 536.850 EUR gemäß der Gegenleistung der Übertragung.
In der Gesellschafterversammlung vom 27.08.2004 wurde die aufnehmende Fa. Auto GmbH A-Stadt sogleich in Autohaus „XYZ” GmbH umbenannt und der Sitz der Gesellschaft nach XYZ-Stadt verlegt. Herr Müller wurde als Geschäftsführer abberufen und Herr Herr Köhler zum neuen Geschäftsführer bestellt. Gleichzeitig wurde das Stammkapital der Klägerin von 536.850 EUR um 1.463.150 EUR auf 2.000.000 EUR erhöht. Die Buchhaltung der übertragenden GmbH wurde unverändert fortgeführt; lediglich einzelne Positionen der ehemaligen Fa. Auto GmbH wurden eingearbeitet und spätestens zum 31.12.2006 aufgelöst.
Seit Juni 2005 ist das Finanzamt Suhl für die Besteuerung der Klägerin zuständig. Die Veranlagungen der Streitjahre erfolgten unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß den Erklärungen der Klägerin.
Nach den Feststellungen einer bei der Klägerin für die 2004 bis 2006 stattgefundenen Betriebsprüfung seien neben weiteren – unstrittigen – Feststellungen die auf Grund der Verschmelzung bestehenden Verlustvorträge zur Körperschaftsteuer und die vortragsfähigen Gewerbeverluste nicht mehr anzuerkennen. Dabei bestritt die Betriebsprüfung weder die rechtliche Zulässigkeit des Verschmelzungsvorgangs noch die tatsächliche Durchführung des Vertrages und die Umsetzung der gefassten Beschlüsse. Vielmehr stellte die Betriebsprüfung It. Bericht vom 02.12.2008 einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO fest. Einziger erkennbarer Grund der vertraglichen Gestaltung hinsichtlich der Verschmelzung sei die Absicht der Steuerminderung. Betrachte man das äußere Erscheinungsbild der verschmolzenen Firmen vor und nach dem Verschmelzungsakt, erscheine die Verfahrensweise umständlich und wirtschaftlich – von der vermeintlich möglichen Nutzung des Verlustvortrags abgesehen – widersinnig.
In Auswertung der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 23.12.2008 geänderte Körperschaftsteuerbescheide 2004 bis 2007, geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2004 bis 2007 sowie geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes, jeweils zum 31.12.…
Im Rahmen der gegen die Änderungsbescheide eingelegten Einsprüche verwies die Klägerin auf den bereits im Rahmen der Betriebsprüfung geführten Schriftverkehr.
Ursache der Verschmelzung sei in erster Linie der wirtschaftliche Misserfolg der Fa. Auto GmbH unter Beachtung der persönlichen Entwicklung ihres Geschäftsführers gewesen. Die einzig wirtschaftlich sinnvolle Lösung, ohne weitere Verluste entstehen zu lassen, die Zusammenarbeit mit FIAT ordnungsgemäß zu beenden und bestehende Verträge hinsichtlich Garantieverpflichtungen, Leasingrückläufer, Miet- und Anstellungsverhältnissen einzuhalten, hätten die Eigentümer in der durchgeführten Verschmelzung gesehen. Wäre die Fa. Auto GmbH untergegangen, hätten sie eventuelle Ansprüche wohl verloren. Im Übrigen sei auch die Zustimmung gemäß den Händlerverträgen unter dem Vorbehalt einer Kapitalerhöhung zu beachten. Ziel sei es ebenfalls gewesen, den Standort A-Stadt aufrecht zu erhalten. Sanierungsfusionen seien gängige Praxis. Nach der Kommentierung Widmann/Mayer, § 12 UmwStG, Rz. 786 liege keine missbräuchliche Gestaltung vor.
Nach erfolglosen Einsprüchen verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der Klage weiter und macht geltend, der Beklagte habe eine antragsgemäße Änderung der streitgegenständlichen Bescheide zu Unrecht unter Hinweis auf § 42 AO abgelehnt. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i. S. des § 42 AO sei nur dann gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt werde, die – gemessen an dem erstrebten Ziel – unangemessen sei, der Steuerminderung dienen solle und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht-steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei.
Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall jedoch aus folgenden Gründen nicht erfüllt:
Nach dem Urteil des BGH vom 05.12.1996, Aktenzeichen IX ZR 61/96 sei es in der Praxis durchaus üblich, bei einer Verschmelzung von Schwestergesellschaften das Vermögen aus steuerlichen Gründen auf diejenige Gesellschaft zu übertragen, bei der ein Verlustvortrag entstanden sei. Bei der Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf eine Verlustgesellschaft handele es sich somit um eine legitime Gestaltung, die nicht anzugreifen sei. Eine vom Gesetzgeber vorgegebene Gestaltung, z. B. in Form einer Verschmelzungsrichtung, gebe es also nicht.
Es sei keine zwingende gesetzliche Folge einer Verschmelzung, dass mit dem Rechtsträger der übertragenden Gesellschaft auch gleichzeitig deren aktiver Geschäftsbetrieb untergehe. Es obliege vielmehr der aufnehmenden Gesellschaft, zu entscheiden, wie sie künftig die Geschäftsbetriebe organisieren wolle. Selbstverständlich sei es vollkommen legitim, wenn der Geschäftsbetrieb der übertragenen Gesellschaft durch die aufnehmende Gesellschaft weitergeführt werde. Dies sei auch stets der Wille der Vertragsschließenden gewesen.
Folgerichtig lasse § 18 UmwG explizit die Änderung der Firmierung der aufnehmenden Gesellschaft in die Firma der übertragenden Gesellschaft zu, so dass auch im vorliegenden Fall diesbezüglich in keinster Weise von einem Missbrauch gesprochen werden könne.
Aus der zivilrechtlichen Logik heraus ergebe sich der steuerliche Grundsatz, dass die aufnehmende Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin in die Rechtstellung der übertragenden Gesellschaft eintrete. Dies gelte grundsätzlich auch für einen bestehenden Verlustvortrag. Dieser Grundsatz werde neben dem § 10 d EStG lediglich beschränkt durch § 8 Abs. 4 KStG a. F. sowie § 12 Abs. 3 UmwStG a. F. Beide den Verlustvortrag begrenzende Spezialvorschriften kämen im vorliegenden Fall jedoch nicht zur Anwendung, da der Sachverhalt nicht unter diese Vorschriften zu subsumieren sei. Das bedeute gleichzeitig, dass es keine Rechtsvorschrift gebe, die das Fortbestehen eines eigenen Verlustvortrags eines Rechtsträgers aufgrund der Übernahme eines anderen Rechtsträgers einschränke. Daran ändere auch eine anschließende Sitzverlegung und Umfirmierung nichts.
Wie oben dargestellt, sei es zweifelsfrei in keinster Weise missbräuchlich, sondern sogar höchstrichterlich bestätigt, dass die steuerliche Gestaltung in Form der Verschmelzung einer Gewinngesellschaft als übertragende Gesellschaft auf eine Verlustgesellschaft als übernehmende Gesellschaft durchgeführt werden dürfe. Diese Verschmelzungsvorgänge seien seit langem üblich und auch dem Steuergesetzgeber bekannt. Die oben zitierten Spezialvorschriften zur Begrenzung eines Verlustvortrags erfassten die gewählte Gestaltung nicht. Auch das SEStEG habe hieran nichts geändert. Diese eindeutige Gesetzeslage lasse keinen Raum für eine missbräuchliche Umdeutung dieser seit Jahrzehnten bekannten und durch den BGH als zulässig bestätigten Gestaltung.
Das SEStEG, das in Form des § 4 Abs. 2 UmwStG diese Thematik neu regele, bestimme, dass Verluste des übertragenden Rechtsträgers stets untergingen. Auch im Rahmen dieser Änderung sei für den vorliegenden Fall keine neue Gesetzesregelung gefasst worden. Das sei wiederum ein deutlicher Hinweis dafür, dass vom Gesetzgeber eben sehr wohl unterschieden werde, ob der Verlustvortrag, der zukünftig erhalten bleiben solle, von der übertragenden Gesellschaft stamme oder aus der Geschäftstätigkeit der aufnehmenden Gesellschaft stamme. Es gebe derzeit keinerlei Hinweis dafür, dass, obwohl ein Rechtsträger fortbestehe, diesem sein eigener Verlustvortrag aberkannt werde, nur weil er einen anderen Rechtsträger aufgenommen habe. Es sei auch nicht denkbar, dass einem Steuersubjekt dessen Verlustvortrag, der nach eindeutiger Rechtslage in die Zukunft vorgetragen werden könne, plötzlich durch analoge Anwendung von Überlegungen, die für den Fall geschaffen worden seien, dass der betreffende Rechtsträger untergehe, aberkannt werden solle.
Darüber hinaus existierten wirtschaftliche Gründe, die die gewählte – angemessenen – Gestaltung rechtfertigten.
Es sei aus von der Klägerin nicht zu vertretenden Gründen (neue Gruppenfreistellungsverordnung mit der Folge grundsätzlich neuer Händlerverträge) zur Vertragskündigung des Händlervertrags zwischen FIAT und dem Autohaus Auto GmbH zum 30.09.2003 gekommen. Weil der damals als Geschäftsführer fungierende Herr Schulze das Unternehmen betrogen und Gelder veruntreut habe, die Firma Auto GmbH seit längerer Zeit erhebliche Verluste erwirtschaftet habe und man mit FIAT – einem zum damaligen Zeitpunkt im Bereich der Händlerorganisation katastrophal schlecht aufgestellten Unternehmen – keine gemeinsame Zukunft gesehen habe, habe man die Kündigung angenommen, habe den aktiven Geschäftsbetrieb als FIAT-Autohaus beendet, den Ausgleichsanspruch gem. § 89 b HGB beansprucht und der gesamten Belegschaft gekündigt. Dies sei jedoch nicht in der Absicht geschehen, die Gesellschaft abzuwickeln, sondern lediglich, um den Betrieb als Fiat-, Alfa Romeo- und Lancia-Betrieb, stillzulegen.
Die Firma Auto GmbH habe ihr Handelsgewerbe in einem von Auto Name GmbH & Co. KG – angemieteten Gebäude betrieben. Dieses Autohaus sei im Jahr 1990 als VW-Autohaus erbaut und jahrelang als solches betrieben worden. Während dieses Autohaus in Baden-Württemberg liege, habe die Auto Name GmbH & Co. KG in dem nur 6 Kilometer entfernten AB-Stadt ein weiteres VW-AUDI-Autohaus betrieben, das jedoch in Bayern liege. Das ursprüngliche VW Haus in A-Stadt sei deswegen gebaut worden, weil es in einem anderen Bundesland angesiedelt sei und der Hersteller VW dies von Autohaus Name GmbH & Co. KG Name gefordert habe. Die Vertriebsnetzpolitik von VW und AUDI habe sich schließlich geändert, so dass es für Autohaus Name GmbH & Co. KG nicht mehr attraktiv erschienen sei, ein Autohaus der Marke VW und AUDI in A-Stadt weiterzuführen. Deshalb sei diese Immobilie einer neuen Nutzung zugeführt und durch die Auto-GmbH als Vertragspartner von FIAT betrieben worden.
Während sich herausgestellt habe, daß die Zusammenarbeit mit FIAT nicht erfolgreich verlaufen war, erschien plötzlich der Standort A-Stadt aus der Sicht von VW bzw. AUDI wieder interessant zu werden. Die VW-AG sei mit der Besetzung benachbarter Marktverantwortungsgebiete nicht zufrieden gewesen und es seien unterschiedliche Überlegungen angestellt worden, den Standort A-Stadt wieder in das Vertriebsnetz von VW aufzunehmen und mit einem durch Autohaus Name GmbH & Co. KG geführten Betrieb zu besetzen. Hierfür sei die Auto GmbH vorgesehen gewesen.
Aus wirtschaftlichen Gründen sei es jedoch unsinnig gewesen, solange kein klares Konzept von VW zusammen mit Autohaus Name GmbH & Co. KG und möglicherweise benachbarten Händlerbetrieben bestand, den Betrieb der Firma Auto GmbH aufrechtzuerhalten. Einerseits habe man die Auto GmbH für das künftige Betreiben eines weiteren VW-Autohauses aufrecht erhalten wollen, andererseits sei es sinnvoll erschienen, die Kosten, die eine solche Gesellschaft verursache (Jahresabschluss- und Steuerberatungskosten, Buchhaltungskosten, IHK-Beitrag usw.) zu vermeiden. Um Kosten zu sparen, sei also nur die Möglichkeit einer Verschmelzung geblieben und damit aus zwei Gesellschaften mit zwei Geschäftsführern, zwei Buchhaltungen, zwei Jahresabschlüssen und zweimal zu erstellenden Steuererklärungen usw. einen Rechtsträger zu machen. Für die Durchführung der Verschmelzung hätten der Klägerin zwei Wege zur Verfügung gestanden: Zum einen die Verschmelzung des Autohauses XYZ (alt) auf die jetzige Klägerin, zum anderen die Verschmelzung in umgekehrter Richtung. Beide Wege seien angemessen im Sinne des § 42 AO. Es sei anerkannt, dass der Steuerpflichtige, dem mehrere angemessene Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, hieraus die steuerlich günstigste Möglichkeit wählen dürfe. Habe der Steuerpflichtige demnach eine angemessene Gestaltung gewählt, so sei es irrelevant, ob es eine noch angemessenere Gestaltung gegeben hätte (vgl. Tipke/Kruse: AO-Kommentar, Randnummer 43 zu § 42).
Der Grund, warum Herr Köhler Geschäftsführer der Auto GmbH geworden sei, habe darin gelegen, dass er sich seit vielen Jahren als sehr tüchtiger Geschäftsführer erwiesen habe. Herr Köhler genieße in sehr hohem Maße die Anerkennung von VW und AUDI und wäre zweifelsfrei als Geschäftsführer des zur Disposition stehenden Standortes A-Stadt akzeptiert worden. Herrn Köhler sei es nämlich gelungen, an dem Standort XYZ-Stadt am Rennweg, der ein äußerst schwieriger Standort sei (sehr dünn besiedelte ländliche Struktur im Thüringer Wald), über viele Jahre hinweg bis heute sehr gute Ergebnisse zu erzielen. Es sei eben die beabsichtigte Folge einer Verschmelzung gewesen, dass nur noch ein Geschäftsführer benötigt werde. Hierbei habe die Anteilseignerin selbstverständlich auf den Geschäftsführer gesetzt, den sie für am besten geeignet gehalten habe.
Die Firma Auto GmbH – bereits firmierend unter „Autohaus XYZ GmbH” – habe zum 31.12.2003 einen vom Finanzamt B-Burg durch Bescheid vom 06.05.2005 festgestellten eigenen Verlustvortrag zur Körperschaftssteuer in Höhe von EUR 1.493.068 sowie einen vom Finanzamt B-Burg durch Bescheid vom 06.05.2005 festgestellten eigenen vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von EUR 1.457.008 gehabt.
Die Auto GmbH habe sodann das gesamte Vermögen der Autohaus XYZ GmbH (alt) durch Verschmelzung im Wege der Aufnahme übernommen. Die Verlustvorträge seien nicht übernommen worden bzw. hätten gar nicht übernommen werden können – es seien ja die eigenen. Sie seien bei der Auto GmbH entstanden und hätten auch dort verbleiben sollen. Die Verschmelzung habe keine Auswirkungen auf die eigenen Verlustvorträge der Gesellschaft gehabt. Die Übernahme eines anderen Unternehmens im Wege der Verschmelzung führe nicht dazu, dass eigene festgestellte Verlustvorträge untergingen. Dies sei nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. nur dann der Fall, wenn mehr als 50% der Anteile übertragen worden wären und die Auto GmbH ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufgenommen hätte. Da es sich aber um eine Verschmelzung unter Schwestergesellschaften gehandelt habe, seien die Beteiligungsquoten vor und nach der Verschmelzung identisch und § 8 Abs. 4 KStG a. F. unstreitig nicht einschlägig.
§ 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG a.F. sei nicht anwendbar, da diese Vorschrift einen anderen Fall als den Vorliegenden regele. Diese Vorschrift begrenze nämlich den Übergang nicht verbrauchter Verluste der übertragenden Körperschaft auf die übernehmende Körperschaft. Es gehe hier aber gerade nicht um die Übernahme fremder Verluste, sondern um die Fortführung eigener Verlustvorträge.
Die Klägerin beantragt,
die Körperschaftssteuerbescheide 2004-2007, die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2004-2007, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003, den 31.12.2004, den 31.12.2005, den 31.12.2006 und auf den 31.12.2007,
die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftssteuer auf den 31.12.2003, den 31.12.2004, den 31.12.2005, den 31.12.2006 und den 31.12.2007, jeweils vom 23.12.2008, in der Fassung des geänderten Körperschaftssteuerbescheides 2007 und des geänderten Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag 2007 jeweils vom 04.05.2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung des Finanzamtes Suhl vom 10.12.2009 dahingehend abzuändern, dass der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftssteuer zum 31.12.2003 um 1.493.068 EUR auf 1.493.068 EUR erhöht wird. und dass der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.2003 um 1.457.008 EUR auf 1.457.008 EUR erhöht wird und dass diese Erhöhungen auch bei den o. g. Folgebescheiden zu berücksichtigen sind
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat wegen der wirtschaftlichen Hintergründe der Verschmelzung Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen Herr Müller. Hinsichtlich des Inhalts der Zeugenaussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. September 2011 verwiesen. Hinsichtlich des (weiteren) Vortrags der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und im übrigen auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Beklagte hat zu Recht die von der Klägerin geltend gemachten Verlustvorträge wegen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO steuerlich nicht berücksichtigt.
Die vorliegende Gesamtkonzeption stellt einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO dar.
1. Unstreitig steht die Regelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. der Inanspruchnahme der Verluste nicht entgegen. Danach ist Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Nach § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG liegt eine solche wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Da es sich aber im Streitfall um eine Verschmelzung unter Schwestergesellschaften gehandelt hat, waren die Beteiligungsquoten vor und nach der Verschmelzung identisch und § 8 Abs. 4 KStG a.F. unstreitig nicht einschlägig.
2. Der Berücksichtigung der Verluste bei der Klägerin steht auch § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG a.F. nicht entgegen.
a. Eine Verschmelzung durch Aufnahme i.S. des § 2 Nr. 1 UmwG führt dazu, dass der übertragende Rechtsträger mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister erlischt (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG) und sein Vermögen auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).
Gem. § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung vom 15.10.2002 (a.F. vor SEStEG) handelt es sich bei einer Verschmelzung von Kapitalgesellschaften um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge, sodass die übernehmende Kapitalgesellschaft bezüglich verschiedener – im Gesetz aufgezählter – steuerlicher Merkmale in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintritt. Dasselbe gilt nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG a.F. auch für einen verbleibenden Verlustabzug i.S. des § 10d Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes unter der Voraussetzung, dass der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 28. Oktober 2009 I R 4/09, BFHE 228, 21, BStBl II 2011, 315).
Damit wird hinsichtlich der Verlustnutzung das Konzept der Gesamtrechtsnachfolge erheblich eingeschränkt. Zweck der Vorschrift ist es, den Übergang eines „funktionslosen Verlustvortrags” zu verhindern (Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG, Rz. 660). § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG fordert daher, dass die wesentliche Struktur des Betriebs in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht gewahrt bleibt (Klingberg in Blümich, EStG, § 12 UmwStG Rz. 40f).
Die Vorschrift gilt jedoch nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur für die Nutzbarkeit eines auf der Ebene der übertragenden Körperschaft bestehenden Verlustvortrags. Im Streitfall geht es allerdings nicht um den Übergang des Verlustabzugs vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger, denn die übernehmende Klägerin hat den Verlust in ihrem Geschäftsbereich vor der Verschmelzung erwirtschaftet. Für den hier gegebenen Fall bietet § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG in dieser Konstellation keine rechtliche Grundlage.
b. Eine anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht im Wege einer Auslegung des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG. Bei der Gesetzesauslegung ist nach der herrschenden Meinung auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers abzustellen, so wie er sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, Stand: 3/2009, § 4 AO Textziffer 231 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs). Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des heute maßgeblichen, also normativen Gesetzessinns. Auch wenn Zweckargumenten große Überzeugungskraft beigemessen wird (zur Charakterisierung der Auslegungskriterien: Drüen, a. a. O., Textziffer 253 f., 276), berechtigt eine auf den Zweck der Rechtsnorm gestützte Auslegung nicht zur Preisgabe des Gesetzeswortlauts (BFH, Urteile vom 16. Oktober 1991 I R 115/87, BFHE 165, 552 ff., BStBl II 1992, 199 ff., 201 unter 5. der Gründe; vom 13. Oktober 1994 VII R 37/94, BFHE 176, 193 ff., BStBl II 1995, 10, 13 unter 3. c) der Gründe). Über den möglichen Wortsinn des Gesetzes ist keine Auslegung, sondern nur noch Rechtsfortbildung möglich (Drüen, a. a. O., Textziffer 276, 342 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen des Tatbestands in § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG sprachlich eindeutig geregelt. Hätte der Gesetzgeber die Verschmelzung in die umgekehrte Richtung gleich behandeln wollen, hätte er mit sprachlich einfachen Mitteln auch diesen Fall abstrakt generell regeln können.
c. Eine Rechtsfortbildung hält der erkennende Senat für nicht geboten. Die Rechtsfortbildung unterscheidet sich von der Auslegung dadurch, dass sie über den möglichen Wortsinn des Gesetzes hinausgeht und dazu dient, vorhandene Lücken des Gesetzes auszufüllen. Zur ergänzenden Rechtsfortbildung sind die Gerichte gleichermaßen befugt und verpflichtet (Bundesverfassungsgericht – BVerfG –, Beschluss des Ersten Senats vom 12. März 1985 1 BvR 571/81 u. a., BStBl II 1985, 475 ff., 480 unter 2. der Gründe mit weiteren Nachweisen). Dabei ist das Gesetz nach seinen eigenen Grundgedanken fortzuentwickeln und folgerichtig Zu-Ende-zu-Denken (BFH, Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 38/02, BFHE 203, 477 ff., BStBl II 2004, 115 ff., 117 unter 3. c) der Gründe mit weiteren Nachweisen; Drüen, a. a. O., Textziffer 356 mit weiteren Nachweisen).
Eine Lückenausfüllung ist jedoch nicht unbeschränkt, sondern nur im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen zulässig. Im Steuerrecht besteht die Besonderheit, dass nach herrschender Meinung im Wege der Rechtsfortbildung über den möglichen Wortsinn des Gesetzes hinaus keine Steuertatbestände ausgeweitet und keine neuen Steuertatbestände geschaffen werden dürfen. Denn das Steuerrecht ist Teil der Eingriffsverwaltung, das nach dem rechtstaatlich gebotenen Gesetzesvorbehalt einer normierten Ermächtigungsgrundlage bedarf, die die Belastung des Steuerpflichtigen mit einer steuerlichen Abgabe ausdrücklich vorsieht (teilweise mit anderen Begründungen: BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 24. Januar 1962 1 BvR 232/60, BVerfGE 13, 318 ff., 328 unter 3. der Gründe; BVerfG, Beschluss vom 20. Mai 1988 1 BvR 273/88, Betriebsberater 1988, 1716 unter 1. b) der Gründe, BVerfG, Beschluss vom 14. August 1996 2 BvR 2088/93, NJW 1996, 3146 unter 2. a) der Gründe; BFH, Urteil vom 21. Juli 1999 I R 141/97, BStBl II 1999, 832 ff., 834 unter II. 1. b) der Gründe; Neumann in Beermann/Gosch, AO/FGO, Band I, Stand: 12/2008, § 4 AO Randnr. 37 ff., 43; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Band X, Stand: 12/2008, § 1 FGO Randnr. 60; Drüen, a. a. O., Textziffer 360 mit weiteren Nachweisen).
Im Streitfall folgt der erkennende Senat dieser Ansicht. Eine Gleichbehandlung des vorliegenden Falles mit dem gesetzlich normierten würde eine unzulässige Ausweitung des Sondertatbestands des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG a.F. zur Folge haben, die die Klägerin – ohne gesetzliche Grundlage – steuerlich belasten würde.
2. Die Verschmelzung auf die Klägerin kann im vorliegenden Fall aber als Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO gewertet werden, da für die Anwendung dieser Vorschrift auch im Rahmen des Umwandlungssteuergesetzes Raum ist.
a. Nach § 42 Abs. 2 AO ist Abs. 1 anwendbar, wenn seine Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob und inwieweit sich durch die Regelung des § 42 Abs. 2 AO ein ausdrücklicher Ausschluss der Anwendbarkeit des § 42 AO durch das UmwStG ergibt. Soweit das FG Münster in seinem Urteil vom 25. Oktober 2006 (1 K 538/03 F, EFG 2007, 722, nachfolgend BFH-Urteil vom 20. Mai 2010 IV R 74/07, BFH 229, 71, BStBl II 2010, 1104) ausführt, dass es sich bei der Regelung des § 42 Abs. 2 AO anders als in der Gesetzesbegründung dargelegt, nicht um eine „klarstellende Gesetzesänderung” (BT-Drs 14/6877, 52), sondern um eine „fiskalisch motivierte Gesetzeskorrektur” handele (so auch Kruse/Drüen in T/K, § 42 AO, Rz. 20a; Gosch in Kirchhof, EStG, § 50a Rz. 44), folgt das Gericht dieser Wertung nicht. Vielmehr musste bereits vor Inkrafttreten des § 42 Abs. 2 AO stets im Einzelfall geprüft werden, ob und inwieweit der speziellen Missbrauchsnorm Sperrwirkung für die Anwendung des § 42 Abs. 1 AO zukommt. So vertritt z.B. auch Widmann (in Widmann/Mayer, UmwStG, § 12 UmwStG, Rz. 786) die Auffassung, dass zwar die Qualifikation des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG als spezielle Missbrauchsverhütungsvorschrift an sich bedeuten würde, dass § 42 AO nicht zur Anwendung komme, wenn – wie im Streitfall – durch Gestaltungen außerhalb des Regelungsbereichs des § 12 Abs. 3 Satz 2 AO es zum Übergang des Verlustvortrages komme, dem jedoch § 42 Abs. 2 AO entgegen stehe.
b. Nach der Wertung des Senats sind die im Umwandlungssteuergesetz normierten Missbrauchstatbestände insoweit nicht per se abschließend (a.A. FG Münster, Urteil vom 25. Oktober 2006 1 K 538/03 F, EFG 2007, 722; nachgehend, aber dort offen gelassen: BFH-Urteil vom 20. Mai 2010 IV R 74/07, a.a.O.; Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 24. März 2009 8 K 399/02, EFG 2009, 1885; Revision anhängig, Az.: des BFH: IV R 24/09, FG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2003 7 K 3172/01 E, EFG 2003, 1247; Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 26. September 2001 I 83/98, EFG 2002, 91).Vielmehr ist im jeweiligen Fall durch Auslegung zu ermitteln, ob und inwieweit diesen speziellen Missbrauchsvorschriften eine Sperrwirkung im Bezug auf § 42 AO zukommt. Ist dies nicht der Fall, ist über die beschriebenen Missbrauchsfälle hinaus eine Prüfung der Verschmelzung aufgrund der allgemeinen Vorschrift des § 42 AO möglich, weil die speziellen und typisierenden Missbrauchsvorschriften des UmwStG a.F. dann der allgemeinen Missbrauchsvorschrift des § 42 AO als lex specialis nicht vorgehen.
Der Bestimmung des Inhalts und der Grenze der Sperrwirkung des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG kommt dabei eine besondere Bedeutung zu (hinsichtlich des § 50c EStG vgl. BFH-Urteil vom 17.5.2000 I R 19/98, BFHE 192, 282, BStBl II 2000, 619). Bei § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG handelt es sich unstreitig um eine spezielle Missbrauchsverhütungsvorschrift (vgl. auch Widmann in Widmann/Mayer, UmwStG, § 12 UmwStG, Rz. 786). Diese speziellen Missbrauchstatbestände begrenzen grundsätzlich die ansonsten vom Gesetzgeber im UmwStG geschaffenen umfangreichen erweiterten Umwandlungsmöglichkeiten. Eine darüber hinaus erfolgende Einengung dieser gesetzlichen Vorgaben durch eine extensive Auslegung von § 42 AO konterkarierte diese Möglichkeiten (so auch FG Hamburg, Beschluss vom 22. August 2003 VI 82/03, EFG 2004, 310). Fehlende gesetzliche Beschränkungen der vorgenommenen Umwandlungen durch die Vorschriften des UmwStG mögen vielmehr darauf hindeuten, dass diese Gestaltung vom Gesetzgeber nicht als missbräuchlich angesehen wird (vgl. auch FG Münster, Urteil vom 25. Oktober 2006 1 K 538/03 F, a.a.O.; nachgehend, aber dort offen gelassen: BFH-Urteil vom 20. Mai 2010 IV R 74/07, a.a.O.. Eine pauschale, vom Einzelfallwertungen unabhängige Ersetzung durch § 42 AO verbietet sich in diesen Fällen (so für § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG: Widmann in Widmann/Mayer, UmwStG, § 12 UmwStG, Rz. 786: so für den Fall des § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG: BFH-Urteil vom 4.12.1991 I R 163/90, BFHE 167, 25, BStBl II 1993, 362 unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 13.12.1989 I R 118/87, BFHE 159, 455, BStBl II 1990, 474).
c. Im vorliegenden Fall kommt der Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG aber nach Wertung des Gerichts keine Sperrwirkung zu. Zwar spricht der Gesetzgeber darin nur den Fall einer Verschmelzung der Verlustgesellschaft auf die Gewinngesellschaft an. Aus diesem Umstand kann aber – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht geschlossen werden, dass sich aus der fehlenden gesetzlichen Beschränkung für den Fall einer – im Streitfall vorliegenden – Verschmelzung der Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft ergebe, dass diese Gestaltung vom Gesetzgeber per se nicht als missbräuchlich angesehen werde und bereits deshalb § 42 AO keine Anwendung fände. Auch soweit im Schrifttum (vgl. Widmann in Widmann/Mayer, UmwStG, § 12 UmwStG, Rz. 786) die Auffassung vertreten wird, dass kaum Gestaltungen auf Grund des § 42 AO denkbar seien, bei denen der Übergang des Verlustvortrages zu versagen sei, wenn die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG für den Übergang des Verlustvortrages vorliegen, schließt es nicht aus, im Streitfall auf Grund der Gesamtumstände des Einzelfalls eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 AO zu bejahen. Für diese Wertung des Gerichts spricht vor allem der Umstand, dass mit der Anwendung des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG gerade nicht konkret über das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung abschließend entschieden werden soll bzw. entschieden wird. Dies ist ergibt sich nach Auffassung des Gerichts deutlich aus dem BFH-Urteil vom 28. Oktober 2009 I R 4/09, BFHE 228, 21, BStBl II 2011, 315. Dort führt der BFH wörtlich aus: „Denn auch wenn die in § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 n.F. getroffene Regelung auf die Verhinderung eines vom Gesetzgeber als missbräuchlich angesehenen „Verlusthandels” abzielt, folgt daraus nicht, dass die Anwendung der Vorschrift vom Vorliegen einer konkret missbräuchlichen Gestaltung abhängt. Vielmehr geht, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 n.F. nicht erfüllt sind, ein bei der übertragenden Gesellschaft entstandener Verlustabzug unabhängig vom wirtschaftlichen Hintergrund der Verschmelzung nicht auf die Übernehmerin über.”
4. Der von der Klägerin geltend gemachte Verlustabzug ist aber auf Grund der Umstände des Einzelfalls der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, da im speziellen Fall die von der Klägerin gewählte rechtliche Gestaltung in ihrer Gesamtheit gegen § 42 AO verstößt.
a. Der erkennende Senat folgt der ständigen Rechtsprechung des BFH darin, dass die Steuerpflichtigen grundsätzlich frei sind, ihre rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine geringere Steuerbelastung ergibt (vgl. BFH-Urteile vom 12. Juli 1988 IX R 149/83, BFHE 154,93, BStBl II 1988, 942; vom 12. September 1995 IX R 54/93, BFHE 178,542, BStBl II 1996, 158; vom 23. Oktober 1996 I R 55/95, BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90). Grundsätzlich ist dann die gewählte Gestaltung der Besteuerung zu Grunde zu legen, es sei denn, die Voraussetzungen des § 42 AO liegen vor.
b. Nach § 42 Satz 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinne liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche und sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (z.B. BFH-Urteile vom 8. Oktober 2011 IX R 15/11, BFH/NV 2012, 83; vom 7. Dezember 2010 IX R 40/09, BFHE 232, 1, BStBl II 2011, 427; vom 29. August 2007 IX R 17/07, BFHE 219, 32, BStBl II 2008, 502 m.w.N.; vom 29. Mai 2008 IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl II 2008, 789; vom 17.12.2003 IX R 56/03, BStBl II 2004, 648; 136; vgl. BFH-Beschlüsse vom 29.11.1982 GrS 1/81, BFHE 137,433, BStBl II 1983, 272,; vom 03.02.1993 I B 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426; Blümich/Heuermann, EStG, § 21 Rz.; Schmieszek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 42 AO Rz 10, jeweils mit weiteren Nachweisen)
Der Steuertatbestand muss dabei entweder ausdrücklich an Gestaltungen des Rechts anknüpfen oder solche Gestaltungen jedenfalls mittelbar in der Weise erfassen, dass es auf sie ankommt, weil das Gesetz eine bestimmte rechtliche Gestaltung zur Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Ziele für typisch hält oder mit einer bestimmten rechtlichen Gestaltung einen begünstigten Zweck verfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 06. Juni 1991 V R 70/89, BFHE 165,1, BStBl II 1991, 866; vom 13. November 1991 II R 7/88, BFHE 166, 180, BStBl II 1992, 202; vom 07. Juli 1998 VIII R 10/96, BFHE 186, 534, BStBl II 1999, 729). Der Steuertatbestand muss zudem wirtschaftliche Vorgänge erfassen wollen (vgl. BFH-Urteil vom 13. August 1985 VII R 172/83, BFHE 144, 176, BStBl II 1985, 636; Tipke/Kruse, a.a.O., § 42 Rn 25).
Das Motiv der Ersparnis von Steuern allein macht eine Gestaltung nicht unangemessen (vgl. BFH-Beschluss vom 29.11.1982, GrS 1/81, a.a.O.). Ein Steuerpflichtiger ist nicht gehindert, aus mehreren sich anbietenden Lösungen, die nicht unangemessen erscheinen, die steuerlich günstigste zu wählen (vgl. BFH-Urteile vom 12. September 1995 IX R 54/93, BFHE 178, 542, BStBl. II 1996, 158; vom 18. Juli 2001, I R 48/97 BFHE 196, 128, BFH/NV 2001, 1636). Andererseits geht die Gestaltungsfreiheit des Einzelnen nicht so weit, dass die kraft Gesetzes bestehende Steuerpflicht umgangen werden könnte (Tipke/Kruse, § 42 AO, Rz. 4).
Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte bzw. vorgegebene typische Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern hierfür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (vgl. BFH-Urteile vom 18. Oktober 2011 IX R 15/11, BFH/NV 2012, 83; vom 7. Dezember 2010 IX R 40/09, BFHE 232, 1, BStBl II 2011, 427, und vom 29. Mai 2008 IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl II 2008, 789, m.w.N.).
Unangemessen ist danach im allgemeinen eine rechtliche Gestaltung, die verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels, als unpassend nicht wählen würden (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991 607; vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541 m. w. N). Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst, einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist in der Regel der einfachste rechtliche Weg der angemessene. Unangemessene Rechtsgestaltungen sind hingegen umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt u. ä. (vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1337). Ein Gestaltungsmissbrauch liegt jedoch nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zu Grunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll, ansonsten aber nicht (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 1993, I R 124/91, BFHE 172, 37, BStBl II 1993, 889; vom 23. Oktober 1996 I R 55/95, BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90; vom 19. August 1999 I R 77/96, BStBl II 2001, 43; Schmieszek in Beermann, a. a. O. § 42 AO Rz 15, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Entscheidungserhebliche Frage ist in diesem Zusammenhang, ob die von den Klägern gewählte rechtliche Gestaltung unangemessen ist, also überhaupt keinem wirtschaftlichen Zweck dient (vgl. BFH-Urteile vom 7. Juli 1998 VIII R 10/96, BFHE 186, 534, BStBl. II 1999, 729; vom 19. August 1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43; vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 19. Juni 1985 I R 115/82, BFHE 144, 264, BStBl II 1985, 680), bzw. ob sie durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Urteile vom 16. Januar 1996 IX R 13/92, BFHE 179,400, BStBl II 1996, 214; vom 25. Januar 1994 IX R 97, 98/90, BFHE 174, 386, BStBl II 1994, 738).
c. Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist die im Streitfall gewählte Rechtsgestaltung zumindest insgesamt als unangemessen zu beurteilen. Den Schriftsätzen des Beraters der Klägerin ist mehrfach zu entnehmen, dass der wirtschaftliche Zweck der gewählten Konstellation in der Absicht bestand, Steuern zu sparen. Dies ist auch der einzig erkennbare Grund der vorliegenden Gestaltung. Betrachtet man das äußere Erscheinungsbild der verschmolzenen Firmen vor und nach dem Verschmelzungsakt, erscheint die Verfahrensweise untypisch, umständlich und wirtschaftlich – von der vermeintlich möglichen Nutzung des Verlustvortrags abgesehen – widersinnig.
aa. Im Streitfall haben die beteiligten Gesellschaften von den durch das UmwStG geschaffenen Umwandlungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht. Der gewählte Verschmelzungsvorgang an sich mit den damit in Zusammenhang stehenden formellen Änderungen ebenso wie die tatsächliche Durchführung des Vertrages und die Umsetzung der gefassten Beschlüsse sind unstreitig zulässig. Ebenso ist es – entsprechend der klägerischen Ansicht – grundsätzlich möglich und auch gängige Praxis, bei Verschmelzungen ohne nennenswerten Gesellschafterwechsel das Vermögen aus steuerlichen Gründen auf diejenige Gesellschaft zu übertragen, bei der der höhere Verlustvortrag entstanden ist (vgl. BGH-Urteil vm 05. Dezember 1996 IX ZR 61/96, NJW 1997, 1001 = DB 1997, 523; gleicher Auffassung auch: Widmann, in: Widmann/ Mayer, § 12 UmwStG, Rz. 786). Isoliert betrachtet handelt es sich bei der erfolgten Verschmelzung auf die Klägerin also um eine zivilrechtlich zulässige und daher auch nicht unübliche Gestaltung.
bb. Die Verschmelzung der ursprünglichen Autohaus XYZ GmbH auf die Klägerin, die ihren Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hatte, war aber gerade im vorliegenden Fall in ihrer Gesamtheit ein ungewöhnlicher Weg, um den Betrieb der ursprünglichen Autohaus XYZ GmbH fortzuführen, der nur gewählt wurde, um zur steuerlichen Berücksichtigung der von der Auto GmbH erwirtschafteten Verluste zu gelangen.
Die ursprüngliche Autohaus „XYZ” GmbH in XYZ-Stadt war ein wirtschaftlich gesundes und am Markt etabliertes Unternehmen. Die Auto GmbH A-Stadt hatte dagegen bereits zum 30. September 2003 den Geschäftsbetrieb eingestellt, das Gewerbe abgemeldet, hatte im Jahr der Verschmelzung keine Geschäftsräume mehr, keine Lohnkosten, lediglich noch nachgelagerte Umsätze und hatte die Geschäftsleitung an den Ort ihrer Muttergesellschaft verlegt. Faktisch befand sich die Auto GmbH A-Stadt in Abwicklung. So führt die Klägerseite selbst auf Seite 10 der Klagebegründung (Bl. 67 der Gerichtsakte) aus, dass es „aus wirtschaftlichen Gründen völlig unsinnig gewesen wäre, den Betrieb der Fa. Auto GmbH aufrechtzuerhalten”.
Nach der erfolgten Verschmelzung ist die ursprüngliche Auto GmbH A-Stadt wirtschaftlich untergegangen. Der Name, der Sitz, der Geschäftsführer, die Buchhaltung und das wirtschaftliche Betätigungsfeld sind komplett von der „alten” Autohaus XYZ GmbH übernommen worden. Die wenigen Bilanzpositionen der Auto GmbH, die in die Buchführung der Autohaus XYZ GmbH übernommen worden sind, wurden spätestens zum 31.12. des zweiten auf die Verschmelzung folgenden Jahres aufgelöst.
Im Ergebnis sollte die ursprüngliche Autohaus XYZ GmbH völlig unverändert fortbestehen, die Auto GmbH A-Stadt sollte dagegen abgewickelt werden. Dieses Ziel wäre mit einer Verschmelzung der Auto GmbH A-Stadt auf die Autohaus XYZ GmbH einfach und wirtschaftlich nachvollziehbar erreichbar gewesen. Es hätte damit weder einer Namensänderung, noch einer Sitzverlegung oder eines Wechsels des Geschäftsführers bedurft. Selbst wenn man den Klägervortrag als wahr unterstellt, wonach eine Fusion, egal in welche Richtung, eine Minderung des Eigenkapitals zur Folge gehabt hätte, so dass eine Erhöhung des Eigenkapitals in jedem Fall erforderlich gewesen wäre, so wäre aber – und diese ist ein nicht unwesentlicher Teil der ungewöhnlichen und damit unangemessenen Gestaltung – bei angemessener Gestaltung (Verschmelzung der nicht mehr aktiven Verlustgesellschaft auf die aktive und wirtschaftlich letztlich fortgeführte Gewinngesellschaft) vor der Verschmelzung zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 8 Abs. 4 KStG eine Kapitalerhöhung bei der nicht mehr aktiv am Geschäftsleben teilnehmenden Auto GmbH A-Stadt i.H.v. 511.250 EUR zumindest nicht erforderlich gewesen. Auch die von der Klägerin genannten bestehenden Verträge bei der Auto GmbH hätten durch die Gesamtrechtsnachfolge erfüllt werden können, denn die übernehmende Kapitalgesellschaft tritt in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein.
Zwar wird im Schrifttum auch die Ansicht vertreten, dass eine – nicht unter die Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG fallende – Verschmelzung der Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft nicht ungewöhnlich und damit nicht rechtsmissbräuchlich sei. So führt auch Widmann (in Widmann/Mayer, UmwStG, § 12 UmwStG, Rz. 786) ausdrücklich aus: „Steht die Verschmelzung der Verlustgesellschaft auf die Gewinngesellschaft und die Verschmelzung der Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft zur Wahl und käme bei der Verschmelzung der Verlustgesellschaft auf die Gewinngesellschaft § 12 Abs. 3 Satz 2 zur Anwendung, liegt keine missbräuchliche Gestaltung vor, wenn die Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft verschmolzen wird und durch die Verschmelzung der Verlustvortrag der Verlustgesellschaft nicht gem. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG gefährdet ist. Die Verschmelzung der Gewinngesellschaft ist keine ungewöhnliche Gestaltung gegenüber der Verschmelzung der Verlustgesellschaft.” Dieser Ansicht folgt der erkennende Senat ausdrücklich nicht.
cc. Die gewählte Gestaltung – Verschmelzung der Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft war nämlich nach den Wertungen des Gesetzgebers, die der Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG zu Grunde liegen, ungewöhnlich und sollte damit der Steuerumgehung dienen.
Der Wille des Gesetzgebers wird durch § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG deutlich. Sowohl die Regelung des § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG a. F. als auch § 8 Abs. 4 KStG a. F., dem die gleiche gesetzgeberische Interessen- und Regelungsproblematik zu Grunde liegt, sind nach ihrem Sinn und Zweck darauf gerichtet, die Verrechnung von Verlusten aus nicht fortgeführten Geschäftsbetrieben einer Körperschaft, deren Anteilseigner gewechselt haben oder die auf eine andere Körperschaft verschmolzen wurde, mit Gewinnen aus anderen Geschäftsbetrieben, die wirtschaftlich mit dem ursprünglichen Geschäftsbetrieb nicht identisch sind, allein wegen steuerlicher Gestaltungen ausschließen, wenn der ursprüngliche Geschäftsbetrieb endgültig beendet wird (vgl. auch: FG Münster, Urteil vom 23. April 2004 9 K 6368/01 K, EFG 2004, 1251). Dem Gesetzgeber kam es also darauf an, eine Verlustnutzung in solchen Fällen zu verhindern, in denen die übernehmende Gesellschaft lediglich ein Interesse an dem bestehenden Verlustvortrag, hingegen kein Interesse an dem Geschäftsbetrieb der übertragenden Gesellschaft hatte.
Danach soll es nicht möglich sein, einen bloßen Verlustvortrag völlig losgelöst von dem den Verlust verursachenden Betrieb oder Betriebsteil nutzen zu können. § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG deckt daher Fallgestaltungen ab, die von § 8 Abs. 4 KStG nicht erfasst werden. Da bei einer Verschmelzung einer „gesunden” Gesellschaft auf eine „kranke Gesellschaft” mit Verlustvorträgen im Regelfall § 8 Abs. 4 KStG greift, bedarf es seitens des Gesetzgebers auch keiner weiterführenden Regelungen. Die Wirkung des § 8 Abs. 4 KStG kann lediglich in Fällen vermieden werden, bei denen an beiden Gesellschaften im Wesentlichen gleiche Gesellschafter beteiligt sind und daher vor der Verschmelzung eine ausreichende Kapitalerhöhung bei der „kranken” Gesellschaft erfolgt, was bei fremden Gesellschaftern praktisch nicht denkbar wäre.
Die in Konzernen somit durchaus mögliche Sanierungsfusion geschieht jedoch – wie der Name bereits sagt – vor dem Hintergrund der Sanierung des notleidenden Unternehmens oder Unternehmensteils. Eine derartige Sanierungsfusion liegt hier aber nicht vor, denn die Auto GmbH A-Stadt sollte gerade nicht saniert, sondern lediglich abgewickelt werden. Zum Zeitpunkt der Verschmelzung war der laufende Geschäftsbetrieb bereits seit fast einem Jahr eingestellt. Vorliegend ging es daher ausschließlich um die isolierte Rettung eines steuerlichen Verlustvortrags und nicht um die Zusammenführung verschiedener Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen.
dd. Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht aus der BFH-Entscheidung vom 17.10.2001 I R 97/00, BFHE 197, 63, BFH/NV 2002, 240 und dem dort angesprochenen Gedanken zum Rechtsmissbrauch gemäß § 42 AO und zur Nutzbarmachung von Verlustvorträgen (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 19. August 1999 I R 77/96, a.a.O.) herleiten. In der zitierten Entscheidung hat der BFH die Übertragung einer Einkunftsquelle auf eine Körperschaft mit erheblichen Verlustvorträgen zur Verrechnung der Einkünfte aus der übertragenen Einkunftsquelle mit diesen Verlustvorträgen als nicht rechtsmissbräuchlich angesehen. Eine Gestaltung, die es einer Körperschaft ermögliche, ihr eigenes Verlustausgleichspotenzial mit eigenen künftigen Einkünften umfassend auszunutzen, sei nicht rechtsmissbräuchlich, da letztlich die Ausschöpfung des Verlustabzugs dem Ziel einer Gesamtbesteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit diene.
Die in dieser Entscheidung entwickelten Gedanken des BFH sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Im Streitfall ist keine Einkunftsquelle übertragen worden, sondern es sollen Gewinne von einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft mit eingestelltem Geschäftsbetrieb übergeleitet werden.
Soweit das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht in seinem Urteil vom 23. Februar 2005 2 K 54/02, EFG 2005, 926 bezogen auf die Anerkennung eines Übernahmeverlusts aus der Verschmelzung einer GmbH auf ein Einzelunternehmen unter Bezugnahme auf das vorzitierte BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 97/00, a.a.O. ausführt, die vom BFH getroffene Wertung gelte als Grundsatz entsprechend für andere Gestaltungen, die der Rettung eines vom Verfall bedrohten Verlustabzugs dienten, folgt der erkennende Senat diesem allgemeinen Grundsatz zumindest nicht im Streitfall. Letztlich kam es in dem Fall, der dem Urteil des Schleswig-Holsteinische Finanzgericht vom 23. Februar 2005 2 K 54/02, a.a.o. zugrunde lag, auf diese Erwägungen ersichtlich auch gar nicht an, da als Motive für die gewählte Gestaltung dort anerkennenswerte außersteuerliche Gründe vorlagen.
Eine andere Wertung ergibt sich nach Überzeugung des erkennenden Senats auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 I R 202/82 BFHE 148, 153, BStBl II 1987, 308. Soweit der BFH darin entschieden hatte, dass § 6 StAnpG (§ 42 AO 1977) der Anerkennung von Verlusten einer Muttergesellschaft nicht entgegenstehe, nachdem das gesamte Vermögen einer Tochterkapitalgesellschaft unter Ausschluss der Abwicklung gemäß den Vorschriften des UmwG auf ihre Mutterkapitalgesellschaft übertragen und anschließend der Name der Mutterkapitalgesellschaft in den der bisherigen Tochterkapitalgesellschaft geändert wurde, folgt hieraus für den vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis. Denn in der fraglichen Entscheidung des BFH scheiterte die Anwendung des § 6 StAnpG (§ 42 AO 1977) lediglich daran, dass sie auf solche Gestaltungen beschränkt ist, die einer besonderen und ggf. vom Zivilrecht abweichenden steuerrechtlichen Beurteilung zugänglich sind. Dieses Problem stellt sich im vorliegenden Streitfall aber ersichtlich nicht.
ee. Diese ungewöhnliche Gestaltung hatte den ausschließlichen Zweck der Steuerersparnis. Die unangemessene und wirtschaftlich widersinnige Verschmelzung in der umgekehrten Richtung erfolgte ausschließlich zum Zweck der Steuerminderung in Form der Verlustnutzung durch Umgehung des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG.
Der verbleibende Verlustvortrag der Auto GmbH A-Stadt wäre mit einer Verschmelzung der Auto GmbH A-Stadt auf die Autohaus XYZ GmbH nicht auf die Autohaus XYZ GmbH übergegangen. Denn § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG hätte vorausgesetzt, dass der Betrieb der Auto GmbH A-Stadt über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird, was dann aber nicht der Fall gewesen wäre.
ff. Die durch die Klägerseite vorgetragenen außersteuerlichen Gründe rechtfertigen gerade die im Streit stehende Verschmelzung der Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft nicht. So ergibt sich insbesondere aus der Aussage des Zeugen Müller lediglich, dass es wirtschaftliche Gründe für eine Umstrukturierung gab, insbesondere dass es sich wirtschaftlich nicht lohnte, die Verlustgesellschaft, d.h. die Auto GmbH A-Stadt fortzuführen und dass zur Kostensparung im Wege der Verschmelzung galt, aus zwei Gesellschaften mit zwei Geschäftsführern, zwei Buchhaltungen, zwei Jahresabschlüssen und zweimal zu erstellenden Steuererklärungen usw. einen Rechtsträger zu machen. Wirtschaftliche, außersteuerliche Gründe dafür, die ursprüngliche Autohaus XYZ GmbH A-Stadt in wesentlich komplizierterer Weise gerade auf die Verlustgesellschaft zu verschmelzen, gab es gerade nicht. So hätten die Ausgleichansprüche nach § 89b HGB auch bei einfacher angemessener, unkomplizierter Verschmelzung der Autohaus GmbH auf die ursprüngliche Autohaus XYZ GmbH A-Stadt erhalten werden können, da diese als Rechtsnachfolgerin Anspruchsinhaberin geblieben wäre. Das Grundstück der Autohaus GmbH war angemietet, so dass die ursprüngliche Autohaus XYZ GmbH A-Stadt nach einer Verschmelzung der Autohaus GmbH auf sie problemlos als deren Rechtsnachfolgerin in die Mietverträge und die bestehenden Gewährleistungsverpflichtungen aus dem operativen Geschäft der Auto GmbH hätte eintreten können.
gg. Da ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt, entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs.1 S.2 AO). Bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Verschmelzung der Auto GmbH A-Stadt auf die ursprüngliche Autohaus XYZ GmbH XYZ-Stadt wäre der verbleibende Verlustvortrag der Auto GmbH A-Stadt mit einer Verschmelzung der Auto GmbH A-Stadt auf die Autohaus XYZ GmbH nicht auf die Autohaus XYZ GmbH übergegangen. Denn nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG hätte das vorausgesetzt, dass der Betrieb der Auto GmbH A-Stadt über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird, was dann aber nicht der Fall gewesen wäre. Dadurch ist die Berücksichtigung des von der Auto GmbH A-Stadt verursachten Verlustvortrags bei der Klägerin unter Anwendung des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG zu versagen. Gleiches gilt in entsprechender Anwendung für den vortragsfähigen Gewerbeverlust gem. § 19 Abs. 2 UmwStG i.V.m. § 10a GewStG. Eine Änderung der angefochtenen Bescheide entsprechend dem Begehren der Klägerin kommt daher nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Der Bundesfinanzhof hat bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob der Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG eine Sperrwirkung dahingehend zukommt, dass eine Verschmelzung der Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft wegen fehlender gesetzlicher Regelung nicht als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 42 AO angesehen werden kann.