17.07.2012
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 13.09.2011 – 5 K 5283/07
Aufwendungen einer GbR, die im Zusammenhang mit der Entlassung aus der Haftung für einen Immobilienkredit mit offenen Zins- und Tilgungsrückständen erfolgen und zur Mitwirkung am Verkauf der Immobilie verpflichten, sind nicht als (Sonder-)Werbungskosten abzugsfähig, da sie nicht der Erfüllung der ursprünglichen Darlehensverpflichtung dienen.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 5. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. September 2011 durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts …, den Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … und …
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt, werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand:
Die Beklagten streiten über die Frage, ob Aufwendungen, die dem Beigeladenen im Zusammenhang mit der Entlassung aus einem von der Klägerin begründeten Kreditverhältnis entstanden sind, als Sonderwerbungskosten anzuerkennen sind.
Die Herren B. und der Beigeladene waren Gesellschafter der Klägerin, die im Streitjahr das Grundstück K. in C. verwaltet hat. Zur Finanzierung des Erwerbs der Immobilie nahmen die Gesellschafter im Namen der Klägerin ein Darlehen bei der Hypo-Vereinsbank auf, das wegen einer Krise auf dem Immobilienmarkt nur teilweise zurückgezahlt wurde.
In einer am 21. und 24.3.2005 unterzeichneten Vereinbarung zwischen dem Beigeladenen und der finanzierenden Bank einigten sich diese dahingehend, dass der Beigeladene gegen eine Zahlung von 625.000 EUR aus dem Darlehensvertrag entlassen werden sollte. Zugleich verpflichtete sich der Beigeladene, bei einem freihändigen, mit Billigung der Bank zu Stande kommenden Verkauf der Immobilie mitzuwirken. Im Gegenzug verpflichtete sich die Hypo-Vereinsbank, die noch offene Forderung aus dem Darlehen in Höhe von 11.034.142,54 EUR nicht mehr gegenüber dem Beigeladenen geltend zu machen. Die Erklärung sollte auch dann wirksam bleiben, wenn ohne Verschulden des Beigeladenen ein Kaufvertrag nicht zu Stande kommen oder vollzogen werden sollte.
Unter dem 15.09.2005 teilte die Hypo-Vereinsbank dem Beigeladenen mit, dass die Rückstände aus fälligen Zinsen und Verzugszinsen sich auf etwa insgesamt 800.000 EUR beliefen.
Mit ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr machte die Klägerin Sonderwerbungskosten in Höhe von 625.000 EUR geltend. Diese Aufwendungen seien im Zusammenhang mit einem Darlehen entstanden, welches zum Erwerb des Grundstücks aufgenommen worden sei.
Der Beklagte lehnte die Berücksichtigung der Sonderwerbungskosten mit Bescheid vom 02.11.2006 ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch vom 21.11.2006, den der Beklagte mit Entscheidung vom 09.07.2005 als unbegründet zurückwies. In der Begründung führte er aus, dass die geltend gemachten Aufwendungen nicht dem Erwerb, der Sicherung sowie der Erhaltung von Einnahmen gedient hätten. Die Klägerin habe der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit der Zahlung das Versprechen gegeben, am Verkauf der Immobilie mitzuwirken. Die Zahlung sei ersichtlich nicht auf die Schuldzinsen erfolgt und ähnle einer Vorfälligkeitsentschädigung. Sie sei lediglich erfolgt, damit die Klägerin aus der Haftung für das Darlehen entlassen werde. Für die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten bedürfe es eines objektiven Zusammenhangs mit angestrebten zufließenden Einnahmen. Daran fehle es hier.
Mit ihrer am 13.08.2007 eingegangenen Klage macht die Klägerin geltend, dass der Kapitaldienst gegenüber der Hypo-Vereinsbank wegen der Schieflage der Immobilie nicht mehr habe erbracht werden können. Wenn Zinsen zum Erwerb einer Immobilie nicht gezahlt würden, verlören sie nicht ihren Zinscharakter. Sofern sie zu einem späteren Zeitpunkt gezahlt würden, seien sie als Werbungskosten abzugsfähig. Wenn der Beigeladene die fragliche Summe nicht an die Bank gezahlt hätte, hätte diese in sein gesamtes persönliches Vermögen vollstreckt. In diesem Fall hätte ein Vollstreckungserlös nach § 367 BGB aufgeteilt werden müssen. Nur weil die Zahlung freiwillig erfolgt sei, um eine Vollstreckung zu verhindern, könne dies nicht dazu führen, dass sich die Qualität der Zahlung ändere. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Zahlung auch nicht vergleichbar mit einer Vorfälligkeitsentschädigung. Diese entstehe durch die vorzeitige Kündigung eines Kredits. Sie, die Klägerin, habe jedoch nichts unternommen, da der Zins- und Tilgungsrückstand durch das Ausbleiben der vertragsgemäßen Zahlungen entstanden sei. Die Vereinbarung mit der Bank besage nur, dass die Klägerin einem freihändigen Verkauf durch die Bank zustimme, um aus der persönlichen Haftung entlassen zu werden. Dies heiße jedoch nicht, dass die Bank auf die aufgelaufenen Zinsen verzichtet habe. Diese hätten sich zum 31.03.2005 auf über 1.000.000 EUR belaufen. Die Zahlung des Beigeladenen könne gemäß der nach § 367 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Reihenfolge nur auf die Zinsen angerechnet werden. Eine abweichende Bestimmung über die Anrechnung sei der Vereinbarung mit der Hypo-Vereinsbank nicht zu entnehmen. Unter dem 26.9.2006 habe die Hypo-Vereinsbank dem weiteren Gesellschafter, Herrn B., bestätigt, dass im Jahr 2005 Zinsen in Höhe von 180.174,80 EUR gezahlt worden seien. Weiter habe die Bank dem Beigeladenen unter dem 10.10.2006 mitgeteilt, dass die im Jahr 2005 von ihm und Herrn B. erbrachten Zahlungen auch auf die per 31.3.2003 offenen Zinsrückstände verrechnet worden seien.
Im Übrigen habe der Bundesfinanzhof – BFH – mit Urteil vom 15.11.2005 (IX R 3/04) entschieden, dass auch nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht vorab entstandene vergebliche Werbungskosten abziehbar seien, wenn der Steuerpflichtige sie tätige, um sich aus einer gescheiterten Investition zu lösen und so die Höhe der vergeblich aufgewendeten Kosten zu begrenzen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 8.5.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.07.2007 dahingehend zu ändern, dass Sonderwerbungskosten i.H.v. 625.000 EUR für den Beigeladenen anerkannt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass der Beigeladene das Klageverfahren offensichtlich nicht für die Klägerin, sondern für sich selbst betreibe, da Gegenstand der Klage ausschließlich die von diesem geltend gemachten Sonderwerbungskosten seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei § 367 BGB nicht einschlägig. Der Gesellschafter habe nicht etwa einen Teilbetrag seiner Schulden erfüllt, sondern er habe den Betrag gezahlt, um darlehensfrei zu sein. Die Zahlung und die Verpflichtung zur Mitwirkung am Verkauf der Immobilie könnten nicht voneinander getrennt beurteilt werden, da sie untrennbare Bestandteile der Vereinbarung seien. Die Zahlung habe in kausalem Zusammenhang mit dem Verkauf des Grundstücks gestanden.
Mit Beschluss vom 13.9.2011 hat der Senat Herrn A. beigeladen.
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Gerichtsakte ein Band „Vertragsakten” sowie ein Band „einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte” (Bd. III, blattiert bis Bl. 52) des Beklagten vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klage in zulässiger Weise durch den Beigeladenen für die Klägerin erhoben worden, der nach dem Gesellschaftsvertrag alleinvertretungsberechtigt ist. Der Vertrag ist zwar nicht vorgelegt worden, der Vortrag ist aber vom Beklagten nicht bestritten worden.
Die Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat der Beklagte die Anerkennung der streitgegenständlichen Zahlung als Sonderwerbungskosten versagt. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz – EStG – in der hier maßgeblichen Fassung sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind Werbungskosten Aufwendungen, die dem Erwerb, der Sicherung und Erhaltung von Einnahmen dienen. Hierunter fallen auch persönliche Aufwendungen, die einem an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligten Gesellschafter entstehen, die in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang mit der Beteiligung stehen, aber keinen Eingang in die Überschussrechnung auf der Gesellschaftsebene gefunden haben (so genannte Sonderwerbungskosten, vergleiche Kreft in: Herrmann/Heuer/Raupach EStG/KStG, Kommentar, § 9 Rn. 50). Erforderlich für die Anerkennung als Werbungskosten ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, dass die Aufwendungen im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen und durch die Erzielung steuerbarer Einnahmen veranlasst sind (Urteil vom 14.01.2004 – IX R 34/01, BFH/NV 2004, 1091). Das Vorliegen eines solchen Veranlassungszusammenhangs ist danach zu beurteilen, ob das für die in Frage stehenden Aufwendungen auslösende Moment der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzurechnen ist.
Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung scheiden Werbungskosten dann aus, wenn die Belastung mit einer Zahlung im Zusammenhang mit der Veräußerung eines vermieteten Grundbesitzes steht. So hat der BFH für die Vorfälligkeitsentschädigungen entschieden, dass in diesem Fall der Zuordnungszusammenhang mit der Erzielung steuerbarer Einnahmen unterbrochen werde, weil die Zahlung dem Veräußerungsvorgang zurechnen sei (Urteil vom 06.12.2000 – VIII R 34/04, BStBl. II 2006, 265).
So aber liegt es auch hier, weil die Zahlung ausweislich der zwischen der Klägerin und der HypoVereinsbank im März 2005 geschlossenen Vereinbarung in unlösbarem Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie stand. Dies folgt schon daraus, dass sich der Beigeladene darin verpflichtet hat, an der Veräußerung der Immobilie mitzuwirken. Die Zahlung erfolgte folglich nicht in Erfüllung der ursprünglichen Darlehensverpflichtung, sondern diente nach dem erkennbaren Willen der Beteiligten gerade dazu, die HypoVereinsbank zur Auflösung des Darlehensvertrages zu bewegen. Den von der Klägerin vorgelegten Bestätigungen der HypoVereinsbank vom 26.9.2006 und dem 10.10.2006 ist nichts dafür zu entnehmen, dass überhaupt und – wenn ja – in welcher Höhe die Zahlung des Beigeladenen auf die Zinsen verrechnet worden ist. Dafür, dass diese tatsächlich auf die Zinsen erfolgt ist, trägt die Klägerin die Darlegungslast.
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf § 367 BGB. Diese Vorschrift fände nämlich nur dann Anwendung, wenn die Leistung des Beigeladenen auf den ursprünglichen Schuldgrund erbracht worden wäre. Daran fehlt es hier aber, weil der Beigeladene und die Bank eine neue Vereinbarung getroffen haben, die an die Stelle des Darlehensvertrages getreten ist.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich eine abweichende rechtliche Beurteilung auch nicht mit Blick auf das Urteil des BFH vom 15.11.2005 (IX R 3/04, BStBl II 2006, 258). Auf diese Entscheidung kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil die streitigen Ausgaben – anders als in dem der genannten Entscheidung zugrunde liegenden Fall – nicht im Zusammenhang mit dem Erwerb der Immobilie, sondern deren Veräußerung standen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO i.V.m. § 139 Abs. 4 FGO. Es entspricht billigem Ermessen, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht aufzuerlegen, weil dieser einen Antrag nicht gestellt und sich einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat.