15.06.2012
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 13.12.2011 – 6 K 1209/09 F
Aus Absicherungsgeschäften vereinnahmte Optionsprämien von Stillhaltern bei Anteilskäufen und -verkäufen sind auch bei Zusammenfassung der Geschäfte zu einer handelsrechtlichen Bewertungseinheit nicht Teil des steuerfreien Veräußerungsgewinns im Sinne des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe nach § 8b Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz 2001- KStG - steuerfreier Veräußerungsgewinne für in den Streitjahren 2003 bis 2005 vorgenommene Anteilsveräußerungen.
Die Klägerin, deren Unternehmensgegenstand die Beteiligung an anderen Unternehmen, die Geschäftsführung von Unternehmen und die Vermögensverwaltung ist, erzielte in den Streitjahren verschiedene Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, die - unstreitig - der Freistellung nach § 8b Abs. 2 KStG unterfallen. Im Zuge des Erwerbs und der Veräußerung dieser Anteile schloss die Klägerin als Stillhalterin Optionsgeschäfte in Form von Kauf- und Verkaufsoptionen ab. Für die Einräumung sog. Call- und Put-Optionen vereinnahmte sie in den Streitjahren Stillhalterprämien. Im Falle der Ausübung des Optionsberechtigten veräußerte die Klägerin anschließend Anteile aus ihrem Bestand oder erwarb neue Anteile.
Handelsrechtlich fasste die Klägerin die Geschäfte über den Erwerb und die Veräußerung von Anteilen als Grundgeschäft und die absichernden Optionsgeschäfte als Sicherungsgeschäft jeweils zu einer Bewertungseinheit (vgl. nunmehr § 254 HGB i.d.F. des Bilanzmodernisierungsgesetzes - BilMoG) zusammen. In ihren Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen sowie den Erklärungen zu den streitgegenständlichen Feststellungen des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12. 2003 bis 2005 übernahm sie das jeweilige Gesamtergebnis der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung gebildeten Bewertungseinheiten auch für die steuerliche Gewinnermittlung. Auf das Gesamtergebnis der jeweiligen Bewertungseinheit wendete die Klägerin insgesamt die körperschaftsteuerrechtliche Freistellung für Veräußerungsgewinne zu 95% nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG an.
Demgegenüber vertrat der Beklagte die Ansicht, dass bei der Ermittlung des körperschaftsteuerrechtlichen Einkommens ungeachtet handels- und bilanzsteuerrechtlicher Bewertungseinheiten zwischen dem § 8b Abs. 2 und 3 KStG unterfallenden Veräußerungsgeschäft an den Anteilen an Körperschaften und dem Optionsgeschäft zu trennen sei. Als Folge davon unterfielen die von der Klägerin vereinnahmten Optionsprämien nicht dem Freistellungsverfahren für Anteile an Körperschaften nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG.
Die gegen die dementsprechenden Festsetzungen gerichteten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Der Beklagte wies sie durch Einspruchsentscheidung vom 18.3.2009 zurück. Dabei betonte er unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - zu § 8b KStG vom 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292 (295) und die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - zur Behandlung von Optionsgeschäften (BFH, Urteil v. 18.12.2002 - I R 17/02, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2004, 126) die wirtschaftliche und rechtliche Selbständigkeit eines Optionsgeschäfts.
Gegen die ablehnenden Einspruchsentscheidungen richtet sich die Klage vom 27.3.2009. Mit ihrer Klage hält die Klägerin daran fest, dass die erhaltenen Optionsprämien als Teil des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei seien. Dies stützt sie auf die Bilanzierung von Optionsgeschäften und die Maßgeblichkeit handelsrechtlich gebildeter Bewertungseinheiten auch für die steuerrechtliche Gewinnermittlung. Die Regelungen im BilMoG begründeten nicht die nunmehr in § 5 Abs. 1a EStG geregelte spezielle Maßgeblichkeit, sondern dienten allein der Klarstellung. Von der handelsrechtlich einheitlichen Behandlung der Geschäfte gebe es steuerrechtlich keine Ausnahmevorschrift.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung der Bescheide über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.3.2009 die verbleibenden Verluste mit 81.211 EUR (zum 31.12.2003), 211.629 EUR (zum 31.12.2004) und 276.840 EUR (zum 31.12.2005) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er hält daran fest, dass die Anteilsveräußerung und das Optionsgeschäft jeweils zwei getrennte Geschäfte seien. Daran sei trotz der vom Bundesverfassungsgericht - BVerfG - im stattgebenden Kammerbeschluss zur Effektivität des einstweiligen Rechtsschutzes wiedergegebenen Zweifel an der getrennten Erfassung von Options- und Basisgeschäft bei der Einkommensteuer (BVerfG, Beschluss v. 11.10.2010 - 2 BvR 1710/10, juris, Rn. 23) festzuhalten. Zudem unterfalle das Optionsgeschäft nicht dem Wortlaut der Befreiungsvorschrift des § 8b Abs. 2 KStG.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2003 bis 2005 wenden im Ergebnis zu Recht die körperschaftsteuerliche Freistellung von Veräußerungsgewinnen nach § 8b Abs. 2 KStG nicht auf die von der Klägerin als Stillhalterin vereinnahmten Optionsprämien an.
1. Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens einer Körperschaft insbesondere Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes - EStG - gehören außer Ansatz. Die von der Klägerin veräußerten Anteile an Körperschaften unterfallen der Freistellung nach § 8b Abs. 2 KStG, dagegen sind die als Stillhalterin erhaltenen Optionsprämien nicht Teil des Veräußerungsgewinns im Sinne des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG.
a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist zwischen der Einräumung eines Optionsrechts und dem - möglicherweise folgenden - Übertragungsgeschäft hinsichtlich des Optionsgegenstandes zu trennen (BFH, Urteil v. 18.12.2002 - I R 17/02, BStBl. II 2004, 126 Rn. 23). Trotz der gegen diese Rechtsprechung zum Teil gerichteten Kritik im Allgemeinen (vgl. nur Häuselmann, Die Unternehmensbesteuerung - Ubg 2008, 391 [393 f.] m.w.N.) teilt der Senat jedenfalls für die vom Stillhalter erzielte Optionsprämie die Ansicht des BFH, dass der Optionsvertrag keinen Veräußerungs- oder veräußerungsähnlichen Vorgang begründet (BFH, Urteil v. 18.12.2002 - I R 17/02, BStBl. II 2004, 126 Rn. 21; zustimmend Schmid/Renner, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2005, 2059 [2060]; Frotscher, in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG/GewStG, § 8b KStG Rn. 41c [Aug. 2009]). Die Stillhalterprämie fällt unabhängig von der Veräußerung an und ist Gegenleistung für die Stillhalterleistung während der Laufzeit (Rödder/Schumacher, DStR 2003, 909 [912]). Sie fällt gerade unabhängig davon an, ob die Option ausgeübt wird oder verfällt. Dem Senat erscheint es wenig sachgerecht die Optionsprämie beim Stillhalter abhängig von der Ausübung der Option durch den Optionsberechtigten in das begünstigte Veräußerungsgeschäft einzubeziehen (dafür Schön, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht - JbFStR, 2005/2006, 211 f.), beim Verfall aber auszuklammern (so aber Dötsch/Pung, in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rn. 82 [Dez. 2010]).
b) Gegen die mehrheitlich in der Literatur befürwortete Einbeziehung von Optionsprämien in den Anwendungsbereich der Freistellung nach § 8b Abs. 2 KStG (Herzig, Der Betrieb - DB 2003, 1459 [1462]; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 909 [912]; Haarmann, JbFStR 2005/2006, 205 [209]; Gröbl/Adrian, in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., 2010, § 8b Rn. 117; Hahne, Steuern und Bilanzen - StuB 2008, 181 [184 ff.]; Häuselmann, Ubg 2008, 391 [400]; Dötsch/Pung, in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rn. 82 [Dez. 2010]; a.A. Schmid/Renner, DStR 2005, 2059 [2060 f.]) spricht entscheidend der Zweck der Befreiungsvorschrift. § 8b KStG soll als „Herzstück des neuen Körperschaftsrechts” bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen Doppel- und Mehrfachbelastungen mit Körperschaftsteuer in Gestalt sog. Kaskadeneffekte vermeiden (Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b Rn. 1; Blümich/Rengers, EStG/KStG/GewStG, § 8b KStG Rn. 1). Die Gesetzesbegründung rechtfertigt die Freistellung von Veräußerungsgewinnen an Kapitalgesellschaften ausdrücklich mit der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung (Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zum Steuersenkungsgesetz, Bundestags (BT)-Drucksache 14/2683, 96; bestätigend auch Antwort der Bundesregierung zur Steuerfreiheit der Gewinne aus Unternehmensveräußerungen, BT-Drucksache 16/2196, 2). Da Optionsprämien beim leistenden Optionsberechtigten aber anders als Dividenden und Veräußerungsgewinne an Anteilen an Körperschaften keiner Vorbelastung mit Körperschaftsteuer unterliegen, scheidet eine erweiternde Auslegung der Befreiungsnorm des § 8b Abs. 2 KStG aus. Auch die vom BVerfG aufgegriffenen Zweifel an der getrennten Erfassung von Options- und Basisgeschäft bei der Einkommensteuer (BVerfG, Beschluss v. 11.10.2010 - 2 BvR 1710/10, juris, Rn. 23) zwingen jedenfalls nicht zur einer erweiternden Auslegung der Körperschaftsteuerbefreiungsvorschrift über ihren Zweck hinaus.
2. Für die erst auf der zweiten Stufe der Einkommensermittlung außerbilanziell vorzunehmende Freistellung nach § 8b KStG (Herzig, DB 2003, 1459 [1460]; Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b Rn. 140) kommt es - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht auf die handels- und steuerbilanzielle Behandlung der Optionsprämien, sondern allein auf die Auslegung der Befreiungsvorschrift des § 8b Abs. 2 KStG an.
Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass auch in der Literatur auf die handels- und steuerbilanzielle Behandlung der Optionsprämie abgestellt wird. (Herzig, DB 2003, 1459 [1462]; Haarmann, JbFStR 2005/2006, 205 [209]). Dass erhaltene Optionsprämien handelsrechtlich im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften Bestandteil der Anschaffungskosten oder des Veräußerungserlöses sind, begründet indes nicht bereits eine Freistellung nach § 8b KStG. Zu Recht vertritt der Beklagte - ohne ausdrückliche Bezugnahme - die zutreffende Position der Finanzverwaltung, wonach selbst im Fall der Bildung von Bewertungseinheiten strikt zwischen der Gewinnermittlung, der Einkommensermittlung und der Verlustverrechnung (§§ 3 Nr. 40, 3c und 15 Abs.4 EStG und § 8b KStG) zu trennen ist (BMF-Schreiben an den Bankenverband zur steuerlichen Gewinnermittlung bei der Bildung von Bewertungseinheiten v. 25.8.2010, DB 2010, 2024; übereinstimmend Oberfinanzdirektion -OFD-Rheinland, Verfüg. v. 11.3.2011 - S 2133-211/0002-ST141, DB 2011, 737). Für die von der Klägerin begehrte gesamtbetrachtende Übernahme der bilanziellen Bewertungseinheit in die körperschaftsteuerrechtliche Einkommensermittlung mit der Folge einer 95%igen Freistellung des Gesamtveräußerungsgewinns aus dem Grund- und Absicherungsgeschäft nach § 8b KStG (dafür Hahne, StuB 2008, 181 [184 ff.]) fehlt die Rechtsgrundlage. Vielmehr ist selbst eine bilanzielle Bewertungseinheit der Gewinnermittlung bei der Ermittlung des Einkommens der Körperschaft in Einzelgeschäfte zu zerlegen und die Befreiungsvorschrift des § 8b KStG nur auf die ihr unterfallenden Gewinne anzuwenden (Herzig/Briesemeister, Ubg 2009, 157 [160]). Dabei kommt es nicht darauf an, ob auch bei der Klägerin als Stillhalterin überhaupt bei sämtlichen Optionsgeschäften die Voraussetzungen für die Bildung einer Bewertungseinheit erfüllt sind. Unerheblich ist entgegen der Ansicht der Klägerin weiterhin, ob der erst nach den Streitjahren durch das BilMoG eingeführten Normierung in § 5 Abs. 1a EStG tatsächlich nur klarstellende Wirkung zukommt. Denn selbst bei Bildung von Bewertungseinheiten sprechen der innerbilanzielle Zweck des § 5 Abs. 1a EStG und der - beschriebene - Zweck der Steuerfreistellung nach § 8b KStG (näher Meinert, Die Bildung objektübergreifender Bewertungseinheiten nach Handels- und Steuerrecht, 2010, 257-265) auch gegen die von der Klägerin erstrebte körperschaftsteuerrechtliche Einkommensrelevanz bilanzieller Bewertungseinheiten.
3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - zugelassen. Denn die Fragen der Auswirkungen der bilanz(steuer)rechtlichen Behandlung von Optionsgeschäften auf das körperschaftsteuerliche Freistellungsverfahren nach § 8b KStG im Allgemeinen und speziell die der steuerrechtlichen Behandlung von Optionsprämien von Stillhaltern bei Anteilskäufen und -verkäufen haben Breitenwirkung, werden in der Literatur kontrovers beurteilt und sind bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.