Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 12.06.2012

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 12.03.2012 – 6 K 2199/09 K

    - Die Verlustabzugsbeschränkung nach § 10 d Abs. 2 Satz 1 ist im Liquidationszeitraum einer GmbH mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Grundabzugsbetrag in Höhe von 1 Million für jedes Kalenderjahr anzusetzen ist, in dem Gewinne erzielt wurden (hier: Verdoppelung des Grundabzugsbetrags).


    - Die durch die sog. Mindestbesteuerung bewirkte zeitliche Streckung des Verlustvortrages ist auch in dem für die Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs. 1 KStG geltenden Abwicklungszeitraum nicht generell verfassungswidrig, soweit sie keine definitive Besteuerung auslöst.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob bei einer Veranlagung im Sinne des § 11 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in Verbindung mit § 11 Abs. 7 KStG einer insolventen GmbH i. I. für einen Zeitraum von drei Jahren aufgrund der Verlustabzugsbeschränkung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Verbindung mit § 11 Abs. 6 KStG trotz der Veranlagung für einen Zeitraum von drei Jahren Verluste aus Vorjahren nur bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 1 Million EUR unbeschränkt und darüber hinaus nur bis zu 60 % des 1 Million EUR übersteigenden Gesamtbetrages der Einkünfte abziehbar sind oder ob der Grundabzugsbetrag des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG in Höhe von 1 Million EUR drei Mal zu berücksichtigen ist. Außerdem ist streitig, ob die Verlustabzugsbeschränkung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG im Rahmen der Abwicklung einer insolventen GmbH i. L. gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstößt.

    Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts „X-Stadt” vom ”...”.12.2002 zum Insolvenzverwalter der „F-GmbH” (im Weiteren GmbH) bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde zum ”...”.01.2003 eröffnet.

    Mit Körperschaftsteuerbescheid für 2003 vom 06.10.2005 setzte der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Körperschaftsteuer der GmbH auf null EUR fest. Durch Bescheid auf den 31.12.2003 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer vom 06.10.2005 stellte der Beklagte den verbleibenden Verlust unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 17.501.688,00 EUR fest. Mit gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geändertem Körperschaftsteuerbescheid für 2003 vom 31.08.2006 setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung eines zu versteuernden Einkommens i. H. von 5.827.830,00 EUR und eines entsprechenden Verlustabzuges auf null EUR fest. Durch Bescheid auf den 31.12.2003 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer vom 31.08.2006 stellte der Beklagte den verbleibenden Verlust unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 11.673.858,00 EUR fest, nachdem der Verlustabzug zum 31.12.2002 17.501.688,00 EUR und der Verlustabzug in 2003 5.827.830,00 EUR betrug. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

    Für 2004 setzte der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Körperschaftsteuer am 06.10.2005 auf null EUR fest. Durch Bescheid vom gleichen Tag wurde der zum 31.12.2004 verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 17.501.688,00 EUR festgestellt. Durch gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2004 vom 31.08.2006 wurde die Körperschaftsteuer auf 54.870,00 EUR festgesetzt. Bei der Berechnung der Körperschaftsteuer wurde ein Jahresüberschuss i. H. von 1.486.526,00 EUR zzgl. nicht abziehbarer Aufwendungen i. H. von 62.179,00 EUR und ein Verlustabzug i. H. von 1.329.223,00 EUR berücksichtigt, so dass das zu versteuernde Einkommen 219.482,00 EUR betrug. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Durch Bescheid auf den 31.12.2004 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer vom 31.08.2006 wurde der verbleibende Verlust auf 10.344.635,00 EUR festgestellt. Der verbleibende Verlustabzug zum 31.12.2003 wurde um 1 Million und 60 % von 548.705,00 EUR = 329.223,00 EUR verringert. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

    Durch Körperschaftsteuerbescheid für 2005 vom 29.06.2007 setzte der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Körperschaftsteuer der GmbH auf null EUR fest. Dabei berücksichtigte der Beklagte einen negativen Jahresüberschuss i. H. von 1.703.473,00 EUR, der sich durch Hinzurechnungen auf 1.671.971,00 EUR verringert. Durch ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2005 vom 29.06.2007 wurde der verbleibende Verlustabzug auf 12.016.606,00 EUR festgestellt. Der verbleibende Verlustabzug zum 31.12.2004 i. H. von 10.344.635,00 EUR wurde um den Verlust für 2005 i. H. von 1.671.971,00 EUR erhöht.

    Im Jahre 2007 wurde bei der GmbH eine Betriebsprüfung u. a. für die Körperschaftteuer 2001 bis 2005 durchgeführt. Einzige Feststellung der Betriebsprüfung war, dass gemäß § 11 KStG für den Liquidationszeitraum vom ”...”.01.2003 bis zum 31.12.2005 eine einheitliche Gewinnermittlung zu erfolgen habe und eine einheitliche Körperschaftsteuerveranlagung durchgeführt werde. Dies habe zur Folge, dass der Verlustabzug gem. § 10 d Abs. 2 EStG begrenzt werde. Wegen der Einzelheiten des Betriebsprüfungsberichtes wird auf die Betriebsprüfungsakte des Beklagten Bezug genommen.

    Durch gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2003 bis 2005 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 06.08.2008 wurde die Körperschaftsteuer der GmbH auf 335.905,00 EUR festgesetzt. Dabei wurde ein Antrag der GmbH, den Verlust für 2005 um 958.455 EUR zu erhöhen, berücksichtigt. Die Berechnung des zu versteuernden Einkommens erfolgte aufgrund eines Bilanzgewinns i. H. von 4.254.714,00 EUR zzgl. nicht abziehbarer Aufwendungen i. H. von 104.340,00 EUR, insgesamt 4.359.054,00 EUR, der durch einen Verlustabzug in Höhe von 3.015.433,00 EUR verringert wurde. Unter Erläuterung heißt es in dem Bescheid, dass die Liquidationsbesteuerung gem. § 11 KStG durchgeführt wurde und der Liquiditationszeitraum vom ”...”.01.2003 bis zum 31.12.2005 läuft. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Durch gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid auf den 31.12.2005 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer vom 06.08.2008 wurde der verbleibende Verlustabzug auf 14.486.255,00 EUR festgestellt. Der verbleibende Verlust wurde berechnet aufgrund eines Ausgangsbetrages i. H. von 17.501.688,00 EUR und eines Verlustabzuges i. H. von 1 Million EUR und 60 % von 3.359.054,00 EUR. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

    Gegen die Bescheide wurden am 25.8.2008 Einsprüche eingelegt. Begründet wurden die Einsprüche damit, dass die Verlustabzugsbeschränkung des § 10 d EStG im Zusammenhang mit der Veranlagung für den Liquidationszeitraum ”...”. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005 unzutreffend angewendet worden sei. § 10 d Abs. 2 EStG sei jeweils jährlich – d. h. insgesamt dreimal – zu berücksichtigen. Durch Einspruchsentscheidung vom 11.05.2009 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führt der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Anwendung des § 10 d EStG in Verbindung mit § 11 KStG dem Gesetzeswortlaut entspreche. Im Streitfall seien die Zeiträume ab Insolvenzeröffnung am ”...”.01.2003 bis zum 31.12.2005 gemäß § 11 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 11 Abs. 7 KStG zutreffend zu einem dreijährigen Besteuerungszeitraum zusammengefasst worden. § 10 d Abs. 2 EStG, der gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG anwendbar sei, sehe für einen Veranlagungszeitraum nur eine einmalige Berücksichtigung des Sockelbetrages von 1 Million EUR vor und darüber hinaus nur zu 60 % des Gesamtbetrages der Einkünfte. Dies gelte auch im Falle der Liquidationsbesteuerung im Insolvenzverfahren.

    Nach Ablauf der Liquidationsbesteuerung ergäben sich gem. R 51 Abs. 1 Satz 6 KStR 2008 wieder reguläre jährliche Veranlagungszeiträume. Da das Insolvenzverfahren der GmbH noch nicht abgeschlossen und die Gesellschaft nicht im Handelsregister gelöscht worden sei, stünden der GmbH mindestens vier weitere Veranlagungszeiträume zur Verfügung, in dem der Verlustvortrag zur Verrechnung genutzt werden könne. Im Übrigen könne der Vortrag des Verlustes auf Zeiträume nach der Liquidationsbesteuerung kein Argument für eine Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellen, da auch bei natürlichen Personen mit jährlichen Veranlagungen im Falle eines Todes des Steuerpflichtigen der Verlust nicht weiter genutzt werden könne (BFH-Beschluss vom 17.12.2007 GrS 2/04).

    Der Kläger hat am 12. Juni 2009 Klage erhoben.

    Zur Begründung seiner Klage beruft sich der Kläger darauf, dass die Anwendung des § 10 d Abs. 2 EStG auf der Generalverweisungsnorm des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG beruhe. Diese Generalverweisung stehe jedoch unter dem Vorbehalt der Besonderheiten des Körperschaftsteuergesetztes. Eine Besonderheit des Körperschaftsteuerrechts sei die Regelung in § 11 KStG, die die Einkommensermittlungsvorschriften gem. § 8 Abs. 1 KStG ergänze. Gleichzeitig wiederhole § 11 Abs. 6 KStG auch die Generalverweisung aus § 8 Abs. 1 KStG. Es widerspreche dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, wenn unklare gesetzliche Regelungen zu Lasten des Steuerpflichtigen angewandt werden.

    Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 KStG sei die Körperschaftsteuer – wie die Einkommensteuer – eine Jahressteuer. Die Grundlagen für die Festsetzung seien gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 KStG jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. Das Einkommensteuerrecht gehe ausschließlich von einem jährlichen Rhythmus der Veranlagungen aus. Demgegenüber enthalte das Körperschaftsteuerrecht mit § 11 KStG eine singuläre Spezialvorschrift, mittels der die in den Abwicklungszeitraum fallenden Jahre zu einem Besteuerungszeitraum zusammengefasst würden, um den in diesem Zeitraum erzielten Gewinn der Besteuerung zuzuführen. Es handele sich dabei um eine eigenständige Einkommensermittlungsvorschrift, die vor allem helfen solle, den so genannten Totalgewinn zu erfassen. Die Besonderheit des § 11 KStG sei in dem Umstand zu sehen, dass nicht das Kalenderjahr als Regel-Gewinnermittlungszeitraum diene, sondern der so genannte Liquidationszeitraum, wobei § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG einschränkend formuliere, dass dieser Besteuerungszeitraum drei Jahre nicht überschreiten solle. Daraus ergebe sich die Frage, wie bei einer, einen längeren Zeitraum als ein Jahr umfassenden, Besteuerung mit einer Verweisung umzugehen sei, bei der sich die Vorschrift, auf die verwiesen werde, auf eine regelmäßige jährliche Besteuerung beziehe.

    Außerdem ergebe sich die Frage, wie § 10 d Abs. 2 EStG überhaupt mit dem Ziel der Totalgewinnermittlung in Einklang gebracht werden könne, wenn es um die Besteuerung im Abwicklungszeitraum gehe. Die vom Gesetz vorausgesetzte Möglichkeit der Streckung der Verlustverrechnung über mehrere Veranlagungszeiträume durch den Verlustvortrag in spätere Veranlagungszeiträume scheitere an der faktischen zeitlichen Grenze infolge Abwicklung bzw. Insolvenz der Gesellschaft. Dies verstoße gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

    Der Hinweis der Finanzverwaltung, dass ab 2006 wieder jährliche Veranlagungen mit der jährlichen Anwendung des § 10 d Abs. 2 EStG stattfinden würden, zeige, dass es nicht folgerichtig sei, bei einem dreijährigen Besteuerungszeitraum den Sockelbetrag von 1 Million EUR nur einmal anzuwenden.

    Widersprüche bestünden im Bereich der Ertragsteuern auch zu der Regelung im Gewerbesteuerrecht. Dort verhelfe § 16 Gewerbesteuerdurchführungsverordnung dazu, dass der im Zeitraum der Abwicklung entstandene Gewerbeertrag auf die Jahre des Abwicklungszeitraums verteilt werde. Daran anknüpfend könne dann die kalenderjährliche Erhebung der Gewerbesteuer durchgeführt werden, für die das Gewerbesteuergesetz im Hinblick auf die Verlustverrechnung mit § 10 a GewStG eine dem § 10 d EStG vergleichbare Regelung vorsehe.

    Erstmals seit 2004 seien mit dem Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003 (so genanntes Korb II-Gesetz) Verrechnungsmöglichkeiten bei Verlustvorträgen in Folgejahren der Höhe nach begrenzt worden. Nach der Gesetzbegründung zur letzten Änderung des § 10 d Abs. 2 EStG sei beabsichtigt gewesen, den Ansatz von Verlusten zeitlich zu strecken (BT-Drucksache 15/1518, 13). Es sei nicht beabsichtigt worden, Verlustvorträge endgültig zu verwehren. Die hinter der Streckung der Verrechnung von Verlustvorträgen stehende Motivation sei darin zu sehen, eine Verstetigung der Staatseinnahmen zu gewährleisten und eine bessere Kalkulation für die öffentliche Haushalte zu ermöglichen (BT-Drucksache 15/1518, 13). Das gewaltige Verlustvortragspotential der Unternehmen sollte so auf mehrere Jahre verteilt werden. Bei dieser gesetzlichen Änderung sei offenbar nicht erkannt worden, dass für den Fall der Liquidation einer Gesellschaft ein neues Problem geschaffen werde, in dem Verlustvorträge im Veranlagungszeitraum der Liquidation trotz eines verrechenbaren Gewinnes verloren gehen könnten.

    Der Sinn und Zweck der in § 10 d Abs. 2 EStG verankerten Mindestbesteuerung spreche gegen eine Mindestbesteuerung im Veranlagungszeitraum der Liquidation/Insolvenz. In diesem Zeitraum könne es nicht mehr – wie vom Gesetzgeber vorgegeben – um eine Streckung von Verlustvorträgen gehen. Vielmehr sei spätestens im Rahmen der Liquidation eine Endabrechnung mit vorgetragenen Verlusten vorzunehmen.

    Das objektive Nettoprinzip gebiete es, nicht lediglich Erträge, sondern auch Aufwendungen bei der steuerlichen Veranlagung zu berücksichtigen. Steuerlich erfasst werden solle nur der erwirtschaftete Reinvermögenszuwachs nach Anzug der durch die Einkünfteerzielung veranlassten Aufwendungen, also auch der Verluste. Wenn der Gesetzgeber in § 10 d Abs. 2 EStG dennoch eine faktische Beschränkung des objektiven Nettoprinzips vornehme, müsse sich die dadurch hervorgerufene Auswirkung an den verfassungsrechtlichen Grenzen messen lassen. Wenn Verlustvorträge wegen der Beschränkung in § 10 d Abs. 2 EStG ersatzlos wegfielen, obwohl die Möglichkeit zur Berücksichtigung bestanden habe, stehe der Nichtberücksichtigung der Verluste der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entgegen. § 10 d Abs. 2 EStG sei somit nur verfassungsgemäß, wenn der Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip auf der Grundlage eines sachlichen Grundes erfolge, der einen Verstoß gegen das Willkürverbot ausschließe. Ein solcher sachlicher Grund sei im Hinblick auf die zwingende Mindestbesteuerung im Veranlagungszeitraum der Liquidation nicht ersichtlich. Weder der Grundsatz einer periodengerechten Besteuerung noch die im Gesetzgebungsverfahren angeführten Gründe „gerechtes Steuerrecht”, „nur zeitliche Verschiebung der Besteuerung” oder „Verstetigung der Staatseinnahmen” ließen Anknüpfungspunkte für einen sachlichen Grund erkennen.

    Der Kläger beantragt,

    den Körperschaftsteuerbescheid für 2003 bis 2005 der „F-GmbH” vom 6. August 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2009 insoweit zu ändern, dass die Körperschaftsteuer auf null EUR festgesetzt wird,

    hilfsweise den Körperschaftsteuerbescheid für 2003 bis 2005 gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO hinsichtlich des eingeschränkten Verlustabzuges gemäß § 10 d EStG für vorläufig zu erklären,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    den Hauptantrag als unbegründet abzuweisen.

    Zur Begründung seines Antrags beruft er sich darauf, dass § 11 Abs. 6 KStG für Zwecke der Ausgestaltung der Einkommensermittlung auf die Anwendung der auch bei der herkömmlichen Einkommensermittlung geltenden allgemeinen Vorschriften und damit auch auf § 10 d EStG verweise. Die Argumentation des Klägers, dass für Zwecke der Einkommensermittlung des § 11 KStG die Regelung über den Verlustabzug i. S. des § 10 d EStG abweichend auszulegen sei und der Verlustvortrag entgegen der bisherigen Handhabung auch bei einem mehrjährigen Besteuerungszeitraum mehrfach und somit in jedem Jahr vorgenommen werden solle, sei nicht durch § 11 KStG gedeckt. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG bestimme nämlich, dass bei einer Abwicklung nur der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn für die Besteuerung maßgeblich sei. § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG sehe daher vor, dass für die Zwecke der Besteuerung im Liquidations- bzw. Insolvenzverfahren ein mehrjähriger Besteuerungszeitraum gebildet werde, der grundsätzlich einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten solle. Durch die zeitliche Begrenzung des mehrjährigen Besteuerungszeitraums wolle der Gesetzgeber vorrangig einem möglichen Steuerausfall begegnen, der auf Grund einer überlangen Abwicklung oder einer nicht ohne weiteres erkennbare Scheinliquidation beruhe. Aufgrund der Sonderregelung in § 11 Abs. 1 KStG werde die Regel der jährlichen Veranlagung außer Kraft gesetzt, so dass der mehrjährige Besteuerungszeitraum im Liquidationsverfahren den maßgebenden Veranlagungszeitraum bilde. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Einkommensermittlung, auf die § 11 Abs. 6 KStG verweise, könne der Verlustabzug aber nur jeweils für einen Veranlagungszeitraum vorgenommen werden. Die davon abweichende Argumentation der Klägerin lasse das Prinzip der veranlagungszeitraumbezogenen Besteuerung außer Betracht.

    Die Ansicht, dass die nachfolgenden Besteuerungszeiträume, die sich dem mehrjährigen Streiteitraum anschließen, lediglich den Charakter von Zwischenveranlagung hätten, sei nach der klaren Aussage in R 51 Abs. 4 KStR 2004 unzutreffend. Jeder Besteuerungszeitraum bilde für Zwecke der Besteuerung einen eigenständigen Veranlagungszeitraum.

    Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung der Mindestbesteuerung im Besteuerungszeitraum 2003 bis 2005 bestünden nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH werde eine Beschränkung des Verlustausgleichs durch das allgemeine Leistungsfähigkeitsprinzip nicht grundsätzlich ausgeschlossen, so lange die tatsächlich entstandenen Verluste auch in einem anderen Veranlagungszeitraum steuerlich berücksichtigt werden können (BFH-Beschlüsse vom 09.05.2011, BStBl II 2001, 552 und vom 15.12.2000, BStBl II 2001, 411; Bundesverfassungsgericht-Beschluss, BVerfGE 99, 88). Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) entfalte seine Wirkung grundsätzlich auch veranlagungszeitraumübergreifend (BFH-Urteil vom 11.02.1998,BStBl II 1998, 485; BFH-Beschluss vom 27.01.2006,BFH/NV 2006, 1150). Im Streitfall gehe der zum Ende des Besteuerungszeitraums 2003 bis 2005 bestehende Verlustvortrag nicht unter, sondern könne in den darauf folgenden Besteuerungszeiträumen genutzt werden. Im Veranlagungszeitraum 2006 seien von dem verbleibenden Verlustabzug 567.131,00 EUR und im Veranlagungszeitraum 2007 1.018.105,00 EUR genutzt worden.

    Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung am 12.03.2012 über die im Streitfall zu berücksichtigenden Gewinne und Verluste – wie folgt – geeinigt: Der Gewinn des Jahres 2003 wird um 260.247,21 EUR erhöht, der Gewinn des Jahres 2004 wird um 35.490,27 EUR verringert und der Verlust des Jahres 2005 wird um 1.407.629,19 EUR erhöht. Die Auswirkungen der Änderungen für die Jahre 2003 bis 2005 betragen insgesamt minus 1.182.872,25 EUR. Der Gewinn für den Liquidationszeitraum 2003 bis 2005 beträgt 3.469.566,00 EUR. Die Gewerbesteuerrückstellung beträgt, wie vom Prozessbevollmächtigten des Klägers berechnet, 49.365,00 EUR. Dieser Betrag ändert sich auch nicht, wenn man den Sockelbetrag von 1.000.000,00 EUR zweimal berücksichtigen würde. Wegen der Zahlen im Einzelnen wird auf die Seite 3 des Klägerschriftsatzes vom 08.03.2012 und die Anlage 1 des Schriftsatzes des Beklagten vom 05.03.2012 (Bl. 164 d. FG-Akte) Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist teilweise begründet.

    Der Beklagte hat bei der Anwendung der Verlustabzugsbeschränkung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 11 Abs. 6 KStG zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die streitige Veranlagung einen Zeitraum von drei Kalenderjahren betrifft, von denen in zweien Gewinne erzielt wurden, und die Verlustabzugsbeschränkung daher mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass der Abzugsbetrag des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG in Höhe von 1 Million zu verdoppeln ist. Außerdem ist die angefochtene Steuerfestsetzung gemäß § 165 AO hinsichtlich des Verlustabzuges für vorläufig zu erklären.

    1. Gemäß § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG sind aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen stammende nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 1 Million EUR unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des 1 Million EUR übersteigenden Gesamtbetrages der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen. Im Ergebnis werden 40 % des positiven Gesamtbetrags der laufenden Einkünfte eines Veranlagungszeitraums unabhängig von etwaigen Verlusten in früheren Perioden der Besteuerung unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. EUR überschreiten.

    Diese durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2004 (vgl. § 52 Abs. 25 Satz 3 EStG) eingeführte Beschränkung des Verlustabzuges wurde im Regierungsentwurf damit begründet, dass „der Grund für die Beschränkung…in dem gewaltigen Verlustvortragspotenzial der Unternehmen zu sehen (sei), das diese vor sich herschieben. Um das Steueraufkommen für die öffentlichen Haushalte kalkulierbarer zu machen, ist es geboten, den Verlustvortrag zu strecken. Nur so ist auf Dauer eine Verstetigung der Staatseinnahmen gewährleistet.” Darüber hinaus wird ausgeführt, dass durch die sog. Mindestbesteuerung „keine Verluste endgültig verloren” gehen würden (BT-Drucks. 15/1518, S. 13).

    In der Literatur wird die sog. Mindestbesteuerung wegen der durch die „Deckelung” des Abzugsbetrages bewirkten zeitlichen Streckung des Verlustvortrages für verfassungswidrig gehalten (Lang/Englisch, StuW 2005, 3; Eckhoff, DStJG 28 (2005), S. 11, 34; Hey, StuW 2011, 131, 140; Röder, StuW 2012, 18, 21). Andere Literaturstimmen nehmen einen Verfassungsverstoß nur in den Fällen an, in denen ein Verlust nicht nur zeitlich gestreckt, sondern von einer Wirkung auf die Ermittlung des Einkommens endgültig ausgeschlossen wird (Wendt, DStJG 28 (2005), S. 41, 77; Orth, FR 2005, 515, 530; Geist, GmbHR 2008, 969, 975; vgl. auch BFH-Beschluss vom 26.8.2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, HFR 2010, 1289 m. w. N.).

    Der Senat hält die durch die „Deckelung” des Abzugsbetrages bewirkte zeitliche Streckung des Verlustvortrages nicht generell für verfassungswidrig. Der BFH hat im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht entschieden, dass die Grundkonzeption der zeitlichen Streckung des Verlustvortrages auch angesichts des Zins- bzw. Liquiditätsnachteils den verfassungsrechtlichen Anforderungen noch entsprechen dürfte. Wenn sich der maßgebliche Zeitpunkt der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung eines gewinnmindernden Aufwands, also das Wann, nicht das Ob der Besteuerung, nicht mit Hilfe des Maßstabs wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit oder des objektiven Nettoprinzips bestimmen lasse, dürfte eine „Verluststreckung” verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein. Dabei liege es auch innerhalb der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis, dass die zeitliche Streckung des Verlustvortrags das Risiko für den einkommenswirksamen Abzug des Verlustes erhöhe, da „naturgemäß keine Gewissheit besteht, die Verluste in Zukunft verrechnen zu können” (BFH-Beschluss vom 26.8.2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, HFR 2010, 1289). Das FG Berlin-Brandenburg hält die Beschränkung der Verlustnutzung durch § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG zwar für einen erheblichen Eingriff in das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es geht aber zu Recht davon aus, dass die Beschränkung – noch – mit dem Grundgesetz vereinbar ist, weil sie eine zulässige Einschränkung des Prinzips der objektiven Nettobesteuerung darstellt. Dies begründet es damit, dass aus dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in seiner gleichheitsrechtlichen Ausprägung zwar folge, dass der Gesetzgeber sich für eine Beschränkung der Verlustberücksichtigung auf sachliche Gründe berufen können müsse. Einen solchen sachlichen Grund sieht das FG Berlin-Brandenburg zu Recht in der laut Gesetzesbegründung angestrebten Verstetigung des Steueraufkommens der Gebietskörperschaften. Die vorausschauende Kalkulierbarkeit der dem Staat zur Verfügung stehenden Einnahmen sowie die Verstetigung des Zuflusses dieser Einnahmen stellen wichtige Belange des Gemeinwohls dar. Die vielfältigen staatlicherseits fortlaufend zu finanzierenden Aufgaben – etwa im sozialstaatlichen Bereich – verlangen zwingend, dass dem Staat Einnahmen in Form von Steuern mit einer gewissen Stetigkeit in zeitlicher wie betraglicher Hinsicht zur Verfügung stehen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.9.2010 12 K 8212/06 B, Revision vom BFH zugelassen, Az. des BFH: I R 9/11; vgl. auch FG München, Urteil vom 4.8.2010 1 K 608/07, EFG 2010, 1914, Az. des BFH: IV R 36/10 zu § 10 a GewStG; FG Hamburg, Urteil vom 2.11.2011 1 K 208/10, EFG 2012, 434, Az. des BFH: IV R 60/11 zu § 10 a GewStG; Kube, DStR 2011, 1781, 1789). Zwar schätzt die Bundesregierung die Körperschaftsteuermindereinnahmen für 2004 bei vollständigem Verzicht auf die Mindestgewinnbesteuerung nach § 10 d EStG auf „nur” 1,1 Milliarden EUR, wobei dieser Betrag aber konjunkturbedingt stark schwanken kann (vgl. BT-Drucks. 17/4653 S. 17). In der öffentlichen Anhörung des BT-Finanzausschusses ist man aber wohl von deutlich höheren Steuerminderungen ausgegangen, denn die körperschaftsteuerlichen Verlustvorträge wurden auf 250 Milliarden EUR geschätzt (Orth, FR 2005, 515, 516 m. w. N.). Die Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung” schätzt die Steueraufkommenswirkung der Mindestbesteuerung für ein konjunkturell gutes Jahr auf eine Größenordnung von gut 3 Milliarden EUR (ansteigend bis 2025 auf rund 5 Milliarden EUR) (vgl. BMF-Bericht der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung” Wesentliche Ergebnisse vom 15.09.2011 S. 5). Da zum 31.12.2004 die Verlustvorträge zur Körperschaftsteuer 506 Milliarden EUR betrugen und sie bis zum 31.12.2006 auf 603 Milliarden EUR angewachsen sind (vgl. BMF Bericht der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung” S. 22), gibt es ein berechtigtes Interesse des Gesetzgebers die Kalkulierbarkeit der dem Staat zur Verfügung stehenden Einnahmen sowie die Verstetigung des Zuflusses dieser Einnahmen sicherzustellen. Die Beschränkung der Verlustverrechnung ist ein geeignetes und, solange sie nicht zum endgültigen Ausschluss der Verlustnutzungsmöglichkeit führt, verhältnismäßiges Mittel, dieses Ziel zu erreichen.

    Der BFH hat mehrfach entschieden, dass die Abzugsfähigkeit von Verlusten nicht in ihrem Kernbereich betroffen und gänzlich ausgeschlossen sein dürfe (BFH-Urteile vom 11.2.1998 I R 81/97, BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485; vom 5.6.2002 I R 115/00, HFR 2003, 9; BFH-Beschluss vom 26.8.2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, HFR 2010, 1289). Die Grenze zum Kernbereich der Gewährleistung eines Verlustausgleichs könnte nach Auffassung des BFH überschritten sein, wenn auf der Grundlage eines inneren Sachzusammenhangs bzw. einer Ursachenidentität der sog. Mindestbesteuerung („konkret”) die Wirkung zukommt, den Verlustabzug gänzlich auszuschließen (BFH-Beschluss vom 26.8.2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, HFR 2010, 1289). Dies könnte der Fall sein, wenn ein Verlustvortrag infolge des Zusammentreffens der Mindestbesteuerung und § 8c KStG völlig entfällt. Es ist nach Auffassung des BFH auch nicht von vornherein auszuschließen, dass dieser Fallgruppe gleichzustellen ist, wenn eine Verlustverrechnung aufgrund der Eigenheiten der Einkunftserzielung (z.B. zeitlich begrenzt tätige Objektgesellschaften) oder eines anderen „tatsächlichen oder rechtlichen Grundes” (s. insoweit BFH-Beschluss vom 29.4.2005 XI B 127/04, BFHE 209, 379, BStBl II 2005, 609) zum endgültigen Ausschluss der Verlustnutzungsmöglichkeit führt (vgl. auch Buciek, FR 2011, 79; Fischer, FR 2007, 281, 286; Lindner, BB 2010, 3133).

    Wann die Abzugsfähigkeit von Verlusten in ihrem Kernbereich betroffen oder gänzlich ausgeschlossen ist, ist noch nicht geklärt. Unklar ist, ob jedweder Verlust ohne zeitliche Grenze sich irgendwann steuerlich auswirken muss. Das BVerfG hat einen sieben Jahre umfassenden Verlustverrechnungszeitraum ausdrücklich als relativ langen Zeitraum bezeichnet und als offensichtlich ausreichend angesehen. Wenn nach diesem Zeitraum dann wieder der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung als Ausfluss des Grundsatzes der Rechtssicherheit Platz greife, so könne dies im Rahmen der Gewichtung von Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit nicht als unverhältnismäßig und damit als sachwidrig bezeichnet werden (BVerfG-Beschluss vom 22.7.1991 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423). Nur der völlige Ausschluss der Verlustverrechnung bei laufenden Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände nach § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs. 1 GG (BVerfG-Beschluss vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 99; HFR 1999, 44).

    Da im Streitfall bei Erlass des angefochtenen Bescheides die Liquidation noch nicht abgeschlossen war, stand noch nicht fest, in welchem Umfang Verluste nicht verrechnet werden können. Der Senat kann und braucht daher nicht zu entscheiden, ob die Abzugsfähigkeit von Verlusten in ihrem Kernbereich betroffen ist. Dies ist erst mit Abschluss der Liquidation eindeutig feststellbar und daher allenfalls zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen. Wenn man im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG den Tatbestand um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass die Mindestbesteuerung nur eingreift, soweit sie keine definitive Besteuerung auslöst, ergänzt, müsste man ggfs. den streitigen Steuerbescheid gemäß § 165 AO oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ändern (vgl. BFH-Beschluss vom 26.8.2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, HFR 2010, 1289; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.9.2010 12 K 8212/06 B, Revision vom BFH zugelassen, Az. des BFH: I B 168/10; Fischer, FR 2007, 281, 286). Eine generelle Nichtanwendung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG in Insolvenz- und sonstigen Liquidationsfällen unabhängig von der tatsächlich möglichen Verlustverrechnung hält der Senat nicht für geboten, da er – wie oben näher dargelegt – die zeitliche Streckung des Verlustvortrages nicht generell für verfassungswidrig hält und dies auch für Insolvenz- und sonstige Liquidationsfälle gilt, insbesondere wenn sie – wie im Streitfall – schon fast 10 Jahre dauern.

    2. Der Senat hält jedoch die Auslegung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 11 Abs. 6 KStG und § 11 Abs. 1 KStG durch die Finanzverwaltung und die h. M., in dem Sinne, dass bei einer Veranlagung im Sinne des § 11 Abs. 1 KStG Veranlagungszeitraum im Sinne des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG der Abwicklungszeitraum oder der Drei-Jahres-Zeitraum des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG ist, mit der Folge, dass der Grundabzugsbetrag des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG in Höhe von 1 Millionen EUR nur einmal zu berücksichtigen ist, nicht für zutreffend (a. A. Lambrecht in Gosch, KStG, 2. Aufl., § 11 Rz. 77; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, § 11 KStG Rz. 33; Graffe in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, § 11 KStG nF Rz. 22; Lenz in Erle/Sauter, KStG , 3. Aufl., § 11 Rz. 40).

    Aus der Begründung des Regierungsentwurfes ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber von einem längeren Veranlagungszeitraum als einem Jahr ausgegangen ist. Denn die Einkommensteuer ist gemäß § 2 Abs. 7 EStG und die Körperschaftsteuer gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 KStG eine Jahressteuer und die Grundlagen für ihre Festsetzung sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. Nur im Körperschaftsteuergesetz gibt es für die Liquidationsbesteuerung in § 11 Abs. 1 KStG mit dem Abwicklungszeitraum einen längeren Besteuerungszeitraum, der drei Jahre nicht übersteigen soll, aber übersteigen kann (BFH-Urteil vom 18.9.2007 I R 44/06, BFHE 219, 61, BStBl II 2008, 319 zu einem Besteuerungszeitraum von 1991 bis 1997). Dass auch dieser Abwicklungszeitraum als Veranlagungszeitraum im Sinne des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG gelten soll, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht. Ein Eingehen auf diese Frage hätte jedoch nahegelegen, da streitig ist, wie der oder die Veranlagungszeiträume im Sinne des § 11 Abs. 1 KStG zu bestimmen sind. Die Finanzverwaltung (R 51 Abs. 1 Satz 6 KStR 2008) und Teile der Literatur (Frotscher, KStG/GewStG/UmwStG, § 11 KStG Rz. 38) vertreten die Auffassung, dass nach dem ersten Drei-Jahres-Zeitraum in den Folgejahren wieder zu normalen jährlichen Veranlagungen überzugehen ist. Vom FG Brandenburg (Urteil vom 23.1.2002 2 K 2272/98 K,U,F, EFG 2002, 432) und in der Literatur (Lambrecht in Gosch, KStG, 2. Aufl., § 11 Rz. 41) wird aber auch die Auffassung vertreten, dass in diesen Fällen mehrere aufeinanderfolgende selbständige Liquidationszeiträume – also Drei-Jahres-Zeiträume – gebildet werden müssten und außerdem wird die Auffassung vertreten, dass alle Veranlagungen innerhalb des Abwicklungszeitraums lediglich vorläufige Zwischenveranlagungen seien, die nach Abschluss der Liquidation durch eine abschließende Veranlagung für den gesamten Liquidationszeitraum ersetzt würden (vgl. Holland in Ernst & Young, KStG, § 11 KStG Rz. 41 m. w. N.; Lenz in Erle/Sauter, KStG , 3. Aufl., § 11 Rz. 39; Olgemöller in Streck, KStG, 6. Aufl., § 11 Rz. 6; a. A. R 51 Abs. 4 KStR 2008). Der BFH hat diese Frage bisher offen gelassen. Er spricht aber beim Drei-Jahres-Zeitraum auch vom Zwischenveranlagungszeitraum (BFH-Urteil vom 22.2.2006 I R 67/05, BFHE 213, 301, BStBl II 2008, 312).

    Nach Auffassung des Senates ist es nicht sachgerecht, die Wirkung der Verlustabzugsbeschränkung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG davon abhängig zu machen, ob der Liquidationszeitraum ein, zwei oder zehn Jahre dauert und wie viele Veranlagungen durchgeführt werden. Die Auffassung der Finanzverwaltung, den Grundabzugsbetrag des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG in Höhe von 1 Millionen EUR in den ersten drei Jahren der Liquidation nur einmal und danach jedes Jahr zu berücksichtigen, überzeugt im Hinblick auf den Zweck des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG, den Verlustvortrag zu strecken, um eine Verstetigung der Staatseinnahmen zu gewährleisten, nicht. Dieser Zweck wird auch erreicht, wenn für jedes der drei Jahre, in dem ein Gewinn erzielt wurde, der Grundabzugsbetrag des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG in Höhe von 1 Millionen EUR berücksichtigt wird. Außerdem wird der Steuerpflichtige bei dieser Auslegung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG geringer belastet, so dass diese Auslegung vorzugswürdig ist. Der Senat hält es allerdings nicht für richtig, den Grundabzugsbetrag des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG in Höhe von 1 Millionen EUR auch für Jahre des Drei-Jahres-Zeitraumes zu gewähren, in denen Verluste erzielt wurden. Denn in einem Verlustjahr hätte sich dieser Grundabzugsbetrag auch bei jährlichen Veranlagungen, die der Konzeption des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG zugrunde liegen, nicht ausgewirkt.

    3. Die angefochtene Steuerfestsetzung ist mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO hinsichtlich des Verlustabzuges für vorläufig zu erklären, weil nach dem BFH-Beschluss vom 26.8.2010 (I B 49/10, BFHE 230, 445, HFR 2010, 1289) ungewiss ist, ob die Mindestbesteuerung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG nicht anwendbar ist, wenn nach Abschluss der Liquidation feststeht, dass die Mindestbesteuerung nur eingreift, soweit sie keine definitive Besteuerung auslöst.

    Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Die Übertragung der Steuerberechnung auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 136 Abs. 1, 137 FGO. Die Kosten waren, soweit sie auf den berichtigten Gewinnermittlungen beruhen, dem Kläger aufzuerlegen.

    VorschriftenEStG § 10 d Abs. 2 Satz 1, KStG § 11 Abs. 1, KStG § 11 Abs. 6, KStG § 11 Abs. 7, AO § 165 Abs. 1 Satz 1