Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 26.04.2012

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 20.01.2012 – 4 K 7/11

    Von einem Zollschuldner wird verlangt, dass er sich über die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften anhand ihrer im Amtsblatt erfolgten Veröffentlichung informiert. Versäumt er dies, ist grundsätzlich von der Erkennbarkeit eines Irrtums im Sinne von Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex auszugehen. Gleichwohl kann die Erkennbarkeit zu verneinen sein, wenn die Zollstelle ihre der Zollbehandlung zugrunde gelegte irrtümliche Auffassung gegenüber dem Beteiligten durch zweimalige Auskunft - ohne rechtliche Bindungswirkung - zum Ausdruck gebracht hat.


    Tatbestand

    Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Einfuhrabgaben.

    Die Klägerin führte zwischen dem 16.09.2008 und dem 10.02.2009 in ... Fällen elektronische Bilderrahmen (...) ein. Dabei gab sie die Warennummer 8543 7090 99 0 (Zollsatz 3,7 %) an.

    Bereits am 04.08.2008 hatte die Klägerin bei der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) A die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft beantragt und die Einreihung in die Warennummer 8543 7090 99 0 vorgeschlagen.

    Am 04.10.2008 zog der Beklagte eine Probe zum Zwecke der Begutachtung durch die ZPLA B.

    Am 11.12.2008 trat die Verordnung (EG) Nr. 1156/2008 vom 20.11.2008 in Kraft. Sie wurde am 21.11.2008 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Danach waren elektronische Bilderrahmen in die Warennummer 8528 5990 (Zollsatz 14 %) einzureihen, gleichwohl wurden die elektronischen Bilderrahmen bis zum 10.02.2009 vom Beklagten - der Anmeldung folgend - nach der Warennummer 8543 7090 99 0 abgefertigt. Erst am 12.02.2009 wurde die Klägerin durch die ZPLA A von der Einreihungsverordnung in Kenntnis gesetzt.

    Am 19.02.2009 erstellte die ZPLA B ein Einreihungsgutachten, in dem die Warennummer 8528 5990 festgestellt wurde.

    Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie wegen der abweichenden Einreihung mit einer Nacherhebung rechnen müsse. Die Klägerin reagierte darauf mit Schreiben vom 26.02.2009, in dem sie beantragte, auf die Nacherhebung für den Zeitraum 16.09.2008 bis 10.2.2009 zu verzichten. Hierin führte die Klägerin aus, sie habe die Kaufverträge für die elektronischen Bilderrahmen erst geschlossen, nachdem ihr die Zollbehörden (u. a. ZPLA A) bestätigt hätten, dass die Einreihung in die Warennummer 8543 7090 99 0 zutreffend sei. Noch am 19.11.2008 habe sie mit einem Mitarbeiter der ZPLA A (Herrn C) telefoniert, dieser habe ihr die Einreihung in die Warennummer 8543 7090 99 0 empfohlen. Ungeachtet der Einreihungsverordnung vom 20.11.2008 habe ihr das Zollamt D noch mit E-Mail vom 21.11.2008 mitgeteilt, dass die Fotorahmen nur mit Fotofunktion weiterhin unter 8543 7090 99 0 eingereiht werden sollten (Sachakte Heft I Bl. 15). Erst am 12.02.2009 sei sie von der ZPLA A auf die Einreihungsverordnung hingewiesen worden. Von einer Nacherhebung sei wegen Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex abzusehen. Es liege ein aktiver Irrtum der zuständigen Zollbehörde vor, da von dort noch am Tage der Bekanntmachung der VO Nr. 1156/2008 mitgeteilt worden sei, die Ware sei in die Position 8543 7090 99 0 einzureihen. Sie, die Klägerin, habe auch gutgläubig gehandelt. Sie habe sich hinsichtlich der Richtigkeit ihrer Tarifierungsauffassung bei den Zollbehörden rückversichert. Den Irrtum habe sie nicht erkennen können, zumal die Tarifierungsfrage schwer zu beantworten gewesen sei.

    Über den Antrag der Klägerin vom 04.08.2008 wurde erst mit verbindlicher Zolltarifauskunft vom 17.03.2009 entschieden. Darin wurde die Ware entsprechend der Einreihungsverordnung in die Warennummer 8528 5990 90 0 eingereiht.

    Mit Bescheid vom 30.03.2010 erhob der Beklagte Einfuhrabgaben für Einfuhren im Zeitraum vom 11.12.2008 bis zum 10.02.2009 in Höhe von insgesamt 69.802,69 € nach. Eine Anwendung von Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex komme nicht in Betracht. Zwar liege ein aktiver Irrtum der Zollbehörde vor, dieser Irrtum sei aber für die Klägerin erkennbar gewesen, weil sich die richtige Tarifierung aus der im Amtsblatt der Europäischen Union am 21.11.2008 veröffentlichten VO Nr. 1156/2008 ergeben habe. Durch einfaches Nachlesen im Amtsblatt wäre der Irrtum daher erkennbar gewesen. Für den Zeitraum vom 16.09.2008 bis zum 10.12.2008 sah er unter Anwendung von Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex von einer Nacherhebung ab.

    Am 06.05.2010 legte die Klägerin gegen die Nacherhebung Einspruch ein. In Bezug auf die Erkennbarkeit des Irrtums verwies sie auf ihre regelmäßigen Nachfragen beim Beklagten und betonte, dass die Veröffentlichung einer Verordnung im Amtsblatt nicht zwingend zu Erkennbarkeit des Irrtums führe.

    Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 17.12.2010 aus den Gründen des Einfuhrabgabenbescheides vom 30.03.2010 zurückgewiesen.

    Mit ihrer am 14.01.2011 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex lägen vor. Ein aktiver Irrtum sei auch nach Auffassung des Beklagten gegeben. Dieser sei für sie nicht erkennbar gewesen. Angesichts der vielfachen Rückversicherungen und des auf die Einreihung in die Position 8543 zielenden Verhaltens der Zollbehörden habe sie nicht von einer Einreihung in die Position 8528 ausgehen können. Neben der Bestätigung ihrer Einreihungsauffassung zuletzt durch die E-Mail des Zollamts D vom 21.11.2008 habe auch die ZPLA A telefonisch zuletzt am 19.11.2008 mitgeteilt, dass die Ware in die Position 8543 einzureihen sei. Von dort sei ihr am 12.02.2009 auch noch telefonisch mitgeteilt worden, dass beraten werde, ob die von ihr eingeführten Fotorahmen wegen ihrer Größe entsprechend der VO Nr. 1156/2008 eingereiht werden könnten. Es müsse auch davon ausgegangen werden, dass die Mitgliedstaaten schon lange vor Erlass einer Einreihungsverordnung von dieser Kenntnis erhalten hätten. Dies müsse sich der Beklagte zurechnen lassen. Zudem sei die Rechtslage schwierig und komplex, was man schon daran sehe, dass die ZPLA A bis März 2009 nicht in der Lage gewesen sei, eine verbindliche Zolltarifauskunft zu erteilen. Die Komplexität der Rechtslage habe sich auch nach Erlass der VO Nr. 1156/2008 nicht geändert, weil dort die streitgegenständliche Ware nicht eindeutig bezeichnet sei. Gegen die Erkennbarkeit spreche auch die Dauer der irrigen Verwaltungspraxis. Über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr sei die Einreihung in die Position 8543 auch ihr gegenüber zollbehördlich bestätigt worden. Die Veröffentlichung der Verordnung im Amtsblatt sei für die Erkennbarkeit des Irrtums jedenfalls dann nicht ausreichend, wenn die Zollverwaltung gleichzeitig falsche Auskünfte erteile. Im Streitfall habe sie die Kaufverträge erst nach Rücksprache mit den Zollbehörden geschlossen und sich dabei nicht nur an die abfertigende Zollstelle, sondern auch an die ZPLA A gewandt.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid vom 30.03.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17.12.2010 insoweit aufzuheben, als für Einfuhren im Zeitraum vom 11.12.2008 bis zum 10.02.2009 Einfuhrabgaben nacherhoben werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er nimmt auf die Einspruchsentscheidung Bezug und betont, streitentscheidend sei allein die Frage, ob sein Irrtum für die Klägerin erkennbar gewesen sei. Dafür spreche, dass die Rechtslage jedenfalls nach Bekanntgabe der VO Nr. 1146/2008 nicht mehr kompliziert gewesen sei. Der Irrtum habe auch lediglich etwa sieben Monate fortbestanden. Die Klägerin sei zudem eine erfahrene Wirtschaftsbeteiligte. Sie habe versäumt, sich durch Lektüre des Amtsblattes der Europäischen Union über die Rechtslage zu informieren. Die lediglich unverbindlichen Auskünfte relativierten den Verstoß gegen die Informationspflicht nicht.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakten des Beklagten (Heft I - IV) Bezug genommen.

    Gründe

    Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

    I.

    Der Bescheid vom 30.03.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17.12.2010 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als für Einfuhren im Zeitraum vom 11.12.2008 bis zum 10.02.2009 Einfuhrabgaben nacherhoben werden, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    Rechtsgrundlage für die Nacherhebung des Einfuhrzolls ist Art. 220 Abs. 1 Zollkodex, wonach die mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag erfasste Zollschuld nachträglich erfasst werden kann.

    Dass die Nacherhebungsvoraussetzungen vorliegen, steht fest. Die Berechnung der für die streitgegenständlichen Einfuhren zu erhebenden Einfuhrabgaben erfolgte auf der Grundlage der Warennummer 8543 7090 99 0 und dem dafür geltenden Drittlandszollsatz von 3,7 %. Tatsächlich waren die von der Klägerin angeführten Bilderrahmen jedoch in die Warennummer 8528 5990 (Zollsatz 14 %) einzureihen, wie sich aus der Verordnung (EG) Nr. 1156/2008 der Kommission vom 20.11.2008 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (VO Nr. 1156/2008) ergibt. Der (nachträglichen) Erhebung der Einfuhrzollschuld steht jedoch die Vorschrift des Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex entgegen. Nach dieser Bestimmung erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat. Der ursprünglichen Berechnung der Zollschuld auf der Grundlage der Warennummer 8543 7090 99 0 lag ein aktiver Irrtum der Zollverwaltung zugrunde. Ein aktiver Irrtum setzt im Regelfall voraus, dass die Zollbehörde den Irrtum aktiv begehen muss und ihm nicht lediglich unterliegen darf, etwa weil sie ungeprüft die Angaben in der Zollanmeldung übernommen hat. Vielmehr muss der Irrtum auf ein Handeln der Zollbehörde zurückzuführen sein (BFH, Beschluss vom 28.11.2005, VII B 116/05). Die zuständige Zollbehörde muss deshalb die Angaben in der Zollanmeldung tatsächlich geprüft und das Ergebnis dieser Prüfung der Abgabenfestsetzung zu Grunde gelegt haben. Dies war hier der Fall. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin hat sie die Tarifierungsfrage bereits vor der ersten Einfuhr, aber auch innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums mit zuständigen Vertretern der Zollverwaltung (Zollamt D, ZPLA A) erörtert und von dort die Richtigkeit ihrer Tarifierungsauffassung bestätigt bekommen. Auch der Beklagte geht von einem aktiven Irrtum aus, weitere Ausführungen des Senats zu dieser Frage bedarf es insoweit nicht.

    Der Irrtum konnte von der gutgläubigen Klägerin vernünftigerweise auch nicht erkannt werden. Die Erkennbarkeit des Irrtums ist unter Berücksichtigung seiner Art, das heißt unter Berücksichtigung der Komplexität der betreffenden Regelung, der Berufserfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers und der von ihm aufgewandten Sorgfalt zu beurteilen. Von Bedeutung ist insoweit auch die Länge des Zeitraums, in dem die Behörde in ihrem Irrtum verharrte (BFH, Urteil vom 07.06.2011, VII R 36/10). Diese Voraussetzungen sind in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zu überprüfen. Der Umstand, dass die Zollstelle dem Irrtum unterlegen ist, rechtfertigt für sich genommen noch kein Absehen von der Nacherhebung. Durch den Begriff „vernünftigerweise” hat der Verordnungsgeber indes deutlich gemacht, dass Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex nicht eng auszulegen ist. Vor dem Hintergrund, dass das berechtigte Vertrauen des Zollschuldners in das Handeln der Behörde geschützt werden soll, ist insbesondere auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (FG Hamburg, Urteil vom 03.05.2011, 4 K 63/11). Die Umstände des Einzelfalls sind vorliegend insbesondere geprägt durch die zunächst komplexe, durch die VO Nr. 1156/2008 aber weithin geklärte Rechtslage, die allgemeinen Erfahrungen der Klägerin als Wirtschaftsbeteiligte, nicht jedoch speziell bei der Einfuhr von elektronischen Bilderrahmen und die Sorgfalt, die die Klägerin bei der Einfuhr dieser Bilderrahmen im Hinblick auf deren zolltarifliche Einreihung hat walten lassen, die auch angesichts des Umstandes, dass sie keine Kenntnis vom Erlass der VO Nr. 1156/2008 genommen hat, als ausreichend erscheint. In der Gesamtschau hält der Senat das Vertrauen der Klägerin in die Richtigkeit der ursprünglichen Abgabenerhebung für schützenswert.

    Dem Beklagten ist zuzugeben, dass sich die Rechtslage, die zu Beginn des Einfuhrgeschäftes auch nach seiner Auffassung komplex und keinesfalls eindeutig war, weil sich die Frage, ob es sich bei den elektronischen Bilderrahmen um elektronische Geräte mit eigener Funktion (Position 8543) oder um Monitore (Position 8528) handelte, mit dem Elektronischen Zolltarif allein nicht beantworten ließ, nach Erlass der VO Nr. 1156/2008 vom 20.11.2009 im Wesentlichen geklärt hat. Zwar hat der in der VO Nr. 1156/2008 beschriebene Bilderrahmen eine etwas kleinere Diagonale und eine höhere Auflösung als der streitgegenständliche Bilderrahmen, allerdings trifft die Warenbeschreibung in der VO Nr. 1156/2008 ansonsten auch auf die streitgegenständlichen Bilderrahmen zu, so dass - was die Klägerin letztlich auch nicht bestreitet - im Prinzip klar ist, dass es sich bei den elektronischen Bildschirmen um Monitore für mehrfarbiges Bild der Unterposition 8528 5990 handelt. Insofern war die Rechtslage jedenfalls in Bezug auf die hier interessierenden Einfuhren ab dem 11.12.2008 eindeutig, die Klägerin hat allerdings - wie die mit den Einfuhren befassten Zollbehörden auch - von der im Amtsblatt veröffentlichten Verordnung keine Kenntnis erlangt. Allerdings würde es zu kurz greifen, der Klägerin den Vertrauensschutz schon aus diesem Grunde zu versagen, weil für die gebotene Gesamtbetrachtung der gesamte streitgegenständliche Einfuhrzeitraum ab dem 16.09.2008 in den Blick genommen werden muss. Dabei kommt der Senat zu der Überzeugung, dass sich die Klägerin mit angemessener Sorgfalt um die Frage, unter welcher Warennummer die elektronischen Bilderahmen angemeldet werden müssen, befasst hat und insofern der Vertrauensschutz letztlich überwiegt.

    Die Klägerin ist unbestritten eine erfahrene Wirtschaftsbeteiligte und auch mit dem Einfuhrgeschäft vertraut. Ihre Erfahrungen erstreckten sich aber im streiterheblichen Zeitraum nicht auf die Einfuhr von elektronischen Bilderrahmen, da es sich bei dieser Ware, wie die Beteiligten übereinstimmend vorgetragen haben, um ein auf dem deutschen Markt neues Produkt gehandelt hat, so dass es allgemein noch keine Erfahrungen mit der Tarifierung dieser Ware gab. Die Erfahrungen der Klägerin erstreckten sich vielmehr allgemein auf die Einfuhr von Waren aus Drittländern. Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen hat sie sich bei der Vorbereitung und Durchführung der streitigen Einfuhren so verhalten, wie dies von einem sorgfältig handelnden Kaufmann zu erwarten ist. Da die Rechtslage zu Beginn des Einfuhrzeitraums aus den dargelegten Gründen unklar war, hat sie sich - unstreitig - bereits vor den streitgegenständlichen Einfuhren und auch während des streitgegenständlichen Zeitraums mehrfach mit dem abfertigenden Zollamt (Zollamt D) und auch mit der für Tarifierungsfragen innerhalb der Zollverwaltung fachlich zuständigen ZPLA A, der auch der bereits am 04.08.2008 gestellte Antrag der Klägerin auf Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft vorlag, in Verbindung gesetzt. Von beiden Stellen wurde ihr - ebenfalls unstreitig - die Einreihung der elektronischen Bilderrahmen in die vorgeschlagene Codenummer 8543 7090 99 0 empfohlen (Vermerk des Beklagten in der Sachakte Heft III Bl. 4). Zuletzt erhielt sie vom Zollamt D am 21.11.2008 eine E-Mail, mit der ihr mitgeteilt wurde, „der Fotorahmen nur mit Fotofunktion sollte weiterhin unter 8543 7099 99 0 in den EZT einzureihen sein”. Aus Sicht der Klägerin, auf die hier abzustellen ist, war damit klar, dass das zuständige Zollamt weiterhin von der Richtigkeit der Einreihung in die genannte Warennummer ausgeht. Den in der E-Mail enthaltenen Hinweis, die Klägerin könne sich vielleicht mit der ZPLA E kurzschließen, sollten sich noch weitere Schwierigkeiten bei der Einreihung ergeben, musste die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten nicht dahin verstehen, dass die Tarifierungsfrage ungeklärt sei. Weitere Schwierigkeiten musste die Klägerin in Bezug auf die streitigen Waren nicht befürchten, weil sie diese Frage als in ihrem Sinne geklärt ansehen konnte. Den Hinweis auf mögliche weitere Schwierigkeiten durfte die Klägerin daher auf andere Waren beziehen, zumal in dieser E-Mail auch auf andere Waren Bezug genommen wird. Für die Sorgfalt, mit der die Klägerin tätig geworden ist, spricht auch, dass sie noch vor den Einfuhren am 04.08.2008 einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft gestellt hat. Dass darüber nicht zeitnah entschieden worden ist, kann ihr nicht vorgeworfen werden. Der Annahme, dass die Klägerin die erforderliche Sorgfalt an den Tag gelegt hat, steht auch der Umstand nicht entgegen, dass sie vom Erlass der VO Nr. 1156/2008 zunächst keine Kenntnis erlangt hat. Erst durch die telefonische Mitteilung der ZPLA A vom 12.02.2009 wurde sie über den Erlass dieser Einreihungsverordnung informiert. Dabei übersieht der Senat nicht, dass von einem Zollschuldner verlangt wird, dass er sich über die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften anhand ihrer im Amtsblatt erfolgten Veröffentlichung informiert und er nicht davon ausgehen kann, dass die Rechtsänderungen schon jeder Zollstelle bekannt sind (EuGH, Urteil vom 26.11.1998, C-370/96; Alexander in Witte, Art. 220 Zollkodex Rn. 30 m. w. N.). Ein Wirtschaftsbeteiligter kann sich nicht auf die Unkenntnis der im Amtsblatt veröffentlichten Rechtsvorschriften berufen (BFH, Urteil vom 07.06.2011, VII R 36/10). Dieser Rechtssatz gilt jedoch nicht absolut mit der Folge, dass die Erkennbarkeit eines Irrtums zwingend in jedem Fall festzustellen wäre, wenn ein Einführer von einer Verordnung nicht unmittelbar nach deren Bekanntgabe Kenntnis erlangt. Vielmehr ist hinsichtlich der Beurteilung der Sorgfalt wiederum eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, wobei die Verpflichtung eines Zollschuldners, sich über die geltende Rechtslage durch die Lektüre des Amtsblattes zu informieren, einen wesentlichen Bestandteil der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten darstellt. Versäumt es der Zollschuldner, sich über die geltende Rechtslage zu informieren, führt dies grundsätzlich dazu, dass der Irrtum als vom Zollschuldner vernünftigerweise erkennbar anzusehen ist. Zu einer anderen Betrachtung kann man unter Würdigung der Gesamtumstände nur in besonders gelagerten und begründeten Einzelfällen gelangen. In diesem Sinne versteht der Senat den Gerichtshof der Europäischen Union, der mit Urteil vom 26.06.1990 (C-64/89) auf die Frage des Bundesfinanzhofs, ob Erkennbarkeit anzunehmen ist, wenn der Beteiligte den Irrtum anhand der maßgebenden - veröffentlichten -, weder unklaren noch unvollständigen Vorschriften hätte feststellen können, oder ob der Irrtum auch dann, als nicht erkennbar zu werten sei, wenn die Zollstelle ihre der Zollbehandlung zugrunde gelegte irrtümliche Auffassung gegenüber dem Beteiligten durch zweimalige Auskunft - ohne rechtliche Bindungswirkung - zum Ausdruck gebracht habe, geantwortet, dass der wiederholte Irrtum der Zollbehörden ein Anhaltspunkt dafür sei, dass das zu lösende Problem verwickelt gewesen sei. Offenbar hält der Gerichtshof der Europäischen Union einen Irrtum also nicht bereits deshalb stets für erkennbar, weil er sich aus den maßgebenden Vorschriften erschließt, sondern hält es für möglich, dass ein Irrtum gleichwohl nicht erkennbar ist, wenn der Beteiligte seitens der Zollverwaltung wiederholt gegenteilige Auskünfte erhalten hat. Dieses Urteil ist zwar noch zu Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 1697/79 ergangen, kann aber wegen der wesentlichen Inhaltsgleichheit mit Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex noch Geltung beanspruchen.

    Der Senat hält diese Wertung auch im Streitfall für zwingend. Zwar muss sich ein Einführer vor Abgabe der Zollanmeldung über die Frage der Tarifierung informieren; hierfür ist die Lektüre der im Amtsblatt veröffentlichten Vorschriften grundsätzlich das gebotene und naheliegende Mittel. Auch ist der Senat der Auffassung, dass ein Einführer seiner Informationspflicht nicht allein durch eine unverbindliche Anfrage bei (irgend-)einem Zollamt nachkommen kann. Der Streitfall ist jedoch durch besondere Umstände gekennzeichnet. Die Klägerin hat sich an das für die Einfuhrabfertigung zuständige Zollamt D und insbesondere an die für die Einreihung von Waren des nämlichen Kapitels zuständige ZPLA A gewandt und damit von uneingeschränkt kompetenter und grundsätzlich verlässlicher Stelle Informationen eingeholt. Zudem hat sie am 04.08.2008 eine verbindliche Zolltarifauskunft bei der ZPLA A beantragt. Dort hat die Klägerin auch nach der Antragstellung nachgefragt, zuletzt am 19.11.2008. Die Klägerin konnte also davon ausgehen, dass die ihr erteilten Auskünfte aufgrund einer intensiven Befassung mit der Ware im Rahmen der rechtlichen Prüfung der Tarifierungsfrage erteilt worden sind. Auch wenn sie formal unverbindlich waren, durfte die Klägerin ihnen daher dennoch ein erhebliches Gewicht beigemessen und auf deren Richtigkeit vertrauen. Da sie in regelmäßigem Kontakt insbesondere mit der ZPLA A stand, durfte sie auch davon ausgehen, dass sie von dort unverzüglich über die Änderung der Einreihungsauffassung in Kenntnis gesetzt wird, wie es schließlich auch - wenn auch deutlich verspätet - telefonisch am 12.02.2009 geschehen ist.

    Unter Berücksichtigung der vorstehend beschriebenen Besonderheiten dieses Falles gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass der aktive Irrtum des Beklagten für die Klägerin nicht erkennbar gewesen ist.

    Dass die Klägerin im Übrigen gutgläubig war und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat, steht für den Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte fest. Auch der Beklagte bestreitet dies nicht.

    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.