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  • 23.03.2012

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 30.11.2011 – 4 K 61/10

    1. Für Waren mit Ursprung im israelisch kontrollierten Westjordanland wird keine Präferenz nach dem EG-Abkommen mit Israel gewährt (EuGH vom 25.02.2010, C-386/08).

    2. Eine Präferenzgewährung nach dem räumlich in Frage kommenden EG-Abkommen mit der PLO setzt das Vorliegen eines entsprechenden Ursprungszeugnisses voraus.


    Tatbestand

    Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Zollpräferenz für von ihr eingeführte Waren. Dabei handelt es sich um ... sowie Zubehör und ..., die der Lieferant der Klägerin, die Fa. A Ltd., Israel, in seiner Produktionsstätte in B hergestellt hat. Dieser Ort liegt in dem von Israel 1967 besetzten Westjordanland.

    1. Die Klägerin beantragte in der Zeit zwischen dem 13. Februar 2002 und dem 29. Juni 2002 mit insgesamt 62 Zollanmeldungen die Überführung der Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr. Als Ursprungsland wurde „Israel” angegeben und die Gewährung einer Zollpräferenz gemäß dem Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits (im Folgenden: Assoziierungsabkommen EG-Israel) beantragt. Dazu legte sie Rechnungen des Lieferanten und Ausführers vor, in denen bestätigt wurde, dass es sich um Ware mit Ursprung in Israel handele. Die israelische Zollverwaltung hatte dem Lieferanten eine Bewilligung als „ermächtigten Ausführer” gemäß Assoziierungsabkommen EG-Israel ausgestellt. Das beklagte Hauptzollamt gewährte vorläufig die begehrte Zollpräferenz. Im Rahmen eines nachträglichen Prüfungsverfahrens teilten ihm die israelischen Zollbehörden auf Ersuchen mit, die Prüfung habe ergeben, die Waren stammten aus einer Zone, die unter israelischer Zollzuständigkeit stehe; demgemäß handele es sich um Ursprungsware, die präferenzberechtigt im Sinne des Assoziierungsabkommens EG-Israel sei. Die weitere Nachfrage der hiesigen Zollbehörden, ob die Waren in den israelischen Siedlungsgebieten im Westjordanland, im Gazastreifen, in Ost-Jerusalem oder auf den Golanhöhen hergestellt worden seien, ließen die israelischen Behörden unbeantwortet. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den in dieser Sache (seinerzeitiges Aktenzeichen: 4 K 133/06) ergangenen Beschluss des Senats vom 30. Juli 2008 Bezug genommen. Mit Bescheid vom 25. September 2003 lehnte der Beklagte die Präferenzgewährung ab, weil nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne, dass die eingeführten Waren unter das Assoziierungsabkommen EG-Israel fielen, und erhob nachträglich ZOLL-EU in Höhe von EUR .... Den hiergegen am 10. Oktober 2003 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2006 als unbegründet zurück. Die Klägerin erhob am 10. Juli 2006 Klage.

    2. Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Gerichts vom 30. Juli 2008 (zum seinerzeitigen Aktenzeichen 4 K 133/06) entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 25. Februar 2010 (C-386/08): Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können die Gewährung der Präferenzbehandlung nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel verweigern, wenn die betreffenden Waren ihren Ursprung im Westjordanland haben. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können keine Wahlfeststellung treffen, indem sie die Frage offenlassen, ob im vorliegenden Fall das Assoziierungsabkommen EG-Israel oder das entsprechende Vorschriften umfassende Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits (im Folgenden Assoziierungsabkommen EG-PLO) anzuwenden ist und ob der Ursprungsnachweis von den israelischen oder von den palästinensischen Behörden stammen muss. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind im Rahmen des Verfahrens nach Art. 32 des Protokolls Nr. 4 im Anhang des Assoziierungsabkommens EG-Israel nicht an den vorgelegten Ursprungsnachweis und die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats gebunden, wenn diese Antwort keine im Sinne von Art. 32 Abs. 6 des Protokolls ausreichenden Angaben enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können, und sie sind nicht verpflichtet, die Sache als eine Streitigkeit über die Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs des Abkommens dem nach Art. 39 dieses Protokolls eingerichteten Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen vorzulegen.

    3. Die Klägerin verfolgt ihr Klageziel auch nach Erlass des Urteils des EuGH weiter. Sie meint, dass auch bei Zugrundelegung der sich aus dem Urteil des EuGH ergebenden Feststellungen die begehrte Präferenzbehandlung zu gewähren sei. Die vorgelegten Ursprungszeugnisse seien wirksam und die Gemeinschaftsbehörden seien verpflichtet, sie anzuerkennen, weil die israelischen Zollbehörden im Jahr 2002 für das Gebiet von B die Hoheitsrechte mit Einverständnis der PLO hätten ausüben dürfen.

    Für die rechtliche Beurteilung sei streng zu unterscheiden zwischen der Benennung bzw. der Zuordnung von Gebieten im Abkommen einerseits und den Hoheitsbefugnissen für die Ausstellung von Ursprungszeugnissen andererseits. Für die Frage der Präferenzgewährung komme neben den Assoziierungsabkommen auch den bilateralen Abkommen zwischen Israel und der PLO, nämlich dem Gaza-Jericho-Abkommen vom 29. April 1994 (Gaza-Jericho-Abkommen 1994) und dem israelisch-palästinensischen Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gaza-Streifen vom 28. September 1995 (Interimsabkommen 1995, auch als „Oslo II - Abkommen” bekannt), rechtliche Erheblichkeit zu.

    Selbst wenn das Gebiet von B völkerrechtlich nicht zum Staatsgebiet Israel zähle, gehöre es doch präferentiellrechtlich zu Israel. Das Gebiet liege in der nach dem israelisch-palästinensischen Interimsabkommen 1995 zu der unter israelischer Hoheit stehenden Zone „C”. Hierher stammende Erzeugnisse seien jedenfalls unter der Zustimmung der PLO als Ursprungserzeugnisse Israels anzusehen. In diesem Fall habe das israelisch-palästinensische Interimsabkommen 1995 ursprungsrechtlich zugleich die Wirkung einer Ursprungskumulierung mit der Konsequenz, dass es für die Ursprungsbegründung nicht auf eine strenge gebietliche Zuordnung ankomme. Eine in diesem Gebiet hergestellte Ware habe israelischen oder palästinensischen Ursprung, je nachdem, welche Behörde für welche Ware in dem Gebiet die Zollhoheit ausübe und somit in der Lage sei, ein Ursprungszertifikat zu erteilen. Auch durch den Inhalt von Art. 18 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 des Assoziierungsabkommens EG-Israel, nach dem die Warenverkehrsbescheinigungen von den Zollbehörden des Ausfuhrlandes ausgestellt würden, sei klargestellt, dass das Ausfuhrland nicht in jeder Hinsicht mit den Gebieten nach Maßgabe des Assoziierungsabkommens identisch sein müsse. Aus dem Urteil des EuGH vom 25. Februar 2010 ergebe sich, dass eine grundsätzlich durch den räumlichen Geltungsbereich der Assoziierungsabkommen begründete Ausschließlichkeit der Zuständigkeit der Zollbehörden des Ausfuhrstaates zur Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigung durchbrochen werde, soweit die PLO zustimme, so dass die israelischen Zollbehörden für Waren aus dem Gebiet der Zone „C” die sich aus dem Assoziierungsabkommen EG-PLO ergebenden Rechte ausüben dürften.

    In tatsächlicher Hinsicht seien in dem Gebiet der Zone „C”, in dem sich seinerzeit die Produktionsstätte der eingeführten Waren befunden habe, die verwaltungsmäßigen und sonstigen, insbesondere auch alle zollrechtlichen Hoheitsrechte von Beamten der israelischen Zollverwaltung ausgeübt worden, nicht jedoch von Beamten der PLO. In diesem Gebiet habe seit 1967 israelisches Recht gegolten und auch die Abgabenhoheit für das Gebiet habe seitdem bei Israel gelegen.

    Aus den bilateralen Abkommen zwischen Israel und der PLO (insbes. Anhang IV des Gaza-Jericho-Abkommens 1994, Anlage V und Anhang I Art. IV und III Art. VI Ziff. 4 des Interimsabkommens 1995) folge, dass die Hoheitsrechte Israels für das Gebiet der Zone „C” - und damit alle Rechte in Ausfuhrangelegenheiten einschließlich ursprungsrechtlicher Bescheinigungen - ausschließlich bei den israelischen Behörden verblieben seien und die PLO-Verwaltung keine Hoheitsrechte gehabt habe, insbesondere nicht im Hinblick auf israelische Unternehmen. Die PLO-Verwaltung habe auch in tatsächlicher Hinsicht keine Möglichkeit gehabt, wirksam Ursprungszeugnisse zu erteilen und gegebenenfalls erforderliche Prüfungen vorzunehmen.

    Die Klägerin ist der Meinung, dieses Ergebnis stehe nicht im Widerspruch zu dem Urteil des EuGH vom 25. Februar 2010. Der EuGH habe in seiner Entscheidung maßgeblich auf den völkerrechtlichen Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen abgestellt und gemeint, die Gewährung der Präferenz nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel widerspreche diesem Grundsatz, nach dem ein Vertrag nur zwischen den Vertragsparteien wirke und nicht zu Lasten Dritter - hier der PLO - wirken dürfe. Nach ihrer Ansicht werde der Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen gar nicht berührt, wenn der von ihr vertretenen Auslegung gefolgt werde. Denn bereits vor Abschluss des Assoziierungsabkommens EG-Israel habe sich die PLO in den Abkommen mit Israel damit einverstanden erklärt, dass Israel in dem Gebiet der Zone „C” weiterhin die Zollhoheit ausübe und diese Verpflichtung im Verhältnis der PLO zu Israel sei durch das später geschlossene Assoziierungsabkommen EG-PLO unberührt geblieben. Das Urteil des EuGH vom 25. Februar 2010 selbst enthalte den ausdrücklichen Vorbehalt, dass auch für Produkte, die in Ostjerusalem/B hergestellt seien, Ursprungszeugnisse von Israel erteilt werden dürften. Bei einem anderen Verständnis der streitgegenständlichen Assoziierungsabkommen würde der völkerrechtliche Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen vielmehr zu Lasten Israels verletzt werden.

    Der EuGH habe sein Urteil gesprochen, ohne die bilateralen Abkommen zwischen Israel und der PLO zu berücksichtigen, und habe diese Abkommen bei seiner Entscheidung auch nicht berücksichtigen können. Denn sie seien nicht Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens gewesen. Außerdem unterfalle die Auslegung der bilateralen Abkommen zwischen Israel und der PLO nicht der Auslegungskompetenz des EuGH. Soweit der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens die genannten Abkommen Israels mit der PLO gleichwohl angesprochen habe, seien aus ihnen nicht die zutreffenden Schlüsse gezogen worden.

    Die Verwendung von Ursprungsbescheinigungen der israelischen Behörden sei im Übrigen von der Europäischen Kommission bis zum Jahr 2000 auch ohne Weiteres anerkannt worden. Die Klägerin behauptet, es gebe einen entsprechenden Schriftwechsel zwischen der israelischen Zollverwaltung und der deutschen Finanzbehörde, der in diesem Verfahren durch das Gericht vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) und vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland anzufordern sei. Im Übrigen sei durch die jahrelange Anerkennung der von der israelischen Zollverwaltung für die seit 1967 beherrschten Gebiete völkerrechtliches Gewohnheitsrecht entstanden.

    Hilfsweise beruft sich die Klägerin auf den Tatbestand der höheren Gewalt. Als Ursprung der Waren stehe B im Westjordanland mit Sicherheit fest. Der Ausführer und sie hätten die gebotene Sorgfalt angewendet, um die Bescheinigungen EUR1 zu erhalten. Die israelische Zollverwaltung habe gegenüber dem Ausführer ausdrücklich erklärt, dass allein sie und nicht die PLO-Verwaltung für die präferenzrechtliche Abfertigung seiner Waren aus B zuständig sei. Nur sie sei berechtigt, wirksame Ursprungszeugnisse auszustellen und Prüfungen vorzunehmen. Der Ausführer habe nach Konsultationen der zuständigen israelischen Ministerien und aufgrund eingeholten Rechtsrates davon ausgehen müssen, dass eine Bescheinigung durch eine palästinensische Behörde objektiv unrichtig gewesen wäre, diese insbesondere nicht zur Ausstellung einer solchen Bescheinigung befugt gewesen wäre.

    Im Übrigen wäre es der Klägerin aus Gründen, auf die sie keinen Einfluss gehabt habe, seinerzeit auch unmöglich gewesen, Warenverkehrsbescheinigungen für die von ihrem Lieferanten ausgeführten Waren von der PLO zu erhalten. Abgesehen von dem Umstand, dass den Stellen der PLO insoweit die erforderlichen Hoheitsrechte gefehlt hätten, hätten die palästinensischen Behörden nachträglich auch gar nicht mehr prüfen können, ob die Angaben in den Rechnungen mit den entsprechenden Unterlagen übereinstimmten.

    Die Klägerin beantragt,

    den Einfuhrabgabenbescheid vom 25. September 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2009 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte meint, die israelischen Zollbehörden seien - auch unter Berücksichtigung etwaiger bilateraler Abkommen Israels mit der PLO - nicht dazu berechtigt gewesen, für in B hergestellten Waren Warenverkehrsbescheinigungen oder eine entsprechende Ermächtigung des Ausführers zu erteilen. Erst recht habe eine derartige Bescheinigung nicht die - sachlich falsche - Erklärung enthalten dürfen, Ursprungsland der Ware sei Israel gewesen.

    Der Beklagte meint, das Gaza-Jericho-Abkommen 1994 könne deswegen nicht berücksichtigt werden, weil sein räumlicher Geltungsbereich den Produktionsstandort B nicht umfasst habe und vor den streitgegenständlichen Einfuhren durch das Interimsabkommen 1995 ersetzt worden sei. Mit dem Abschluss des Interimsabkommens 1995 sei - anders als die Klägerin meine - von palästinensischer Seite kein Verzicht auf Hoheitsrechte, auch nicht im Hinblick auf die Ausstellung von Ursprungsbescheinigungen, zugunsten von Israel erklärt worden. Es könne aufgrund der Gesamtkonstellation und der asymmetrischen Verhandlungspositionen der Vertragsparteien auch nicht davon ausgegangen werden, die PLO habe auf derartige Rechte - aus mit Dritten zu schließenden Abkommen - zugunsten Israels verzichten wollen. Weil die PLO tatsächlich überhaupt nicht in der Lage gewesen sei, einen Anspruch auf die Ausübung derartiger Aufgabenbereiche durchzusetzen, sofern Israel diese nicht aus freien Stücken überlassen habe, könne eine Einschränkung ihrer Hoheitsbefugnisse nicht als vertraglicher Verzicht der PLO zugunsten Israels angesehen werden, das diese Befugnisse aufgrund des erzwungenen Status quo tatsächlich ausgeübt habe. Der Beklagte trägt vor, dass nach Auskunft des BMF weder dort noch beim Auswärtigen Amt ein Schriftwechsel mit israelischen Behörden des von der Klägerin angesprochenen Inhalts habe aufgefunden werden können.

    Außergewöhnliche Umstände, die das Begehren der Klägerin trotz Fehlens eines wirksamen Ursprungszeugnisses begründen könnten, lägen nicht vor. Aus- und Einführer hätten nicht die gebotene Sorgfalt angewendet, um die im Protokoll des Abkommens - hier des Assoziierungsabkommens EG-PLO - vorgesehenen Nachweise zu erhalten. Wenn - wie die Klägerin meint - die palästinensischen Behörden für die Ausstellung von Ursprungsbescheinigungen für das Gebiet, zu dem B gehöre, keine Hoheitsmacht gehabt hätten, dann hätten die Voraussetzungen für eine Präferenzregelung des Assoziierungsabkommens EG-PLO ebenso wenig erfüllt werden können wie die des Assoziierungsabkommens EG-Israel, dessen Geltungsbereich sich nicht auf diesen Ort erstreckt habe.

    4. Dem Gericht lagen außer den Schriftsätzen der Beteiligten nebst Anlagen vor:

    - ein Ordner Beklagtenakte (305 Blatt),

    - aus dem EuGH-Verfahren (Gerichtsakte Heft I Bl. 110 bis 193) vor allem

    - die Stellungnahme der Klägerin,

    - die Stellungnahme der Kommission,

    - der Sitzungsbericht des EuGH,

    - die Schlussanträge des Generalanwalts,

    - das Urteil des EuGH.

    Ergänzend wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 30. November 2011 Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

    Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat für die von der Klägerin eingeführten Waren zu Recht Zoll nacherhoben. Denn die Klägerin kann für diese Waren weder nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel (1) noch nach dem Assoziierungsabkommen EG-PLO (2) eine Zollpräferenz beanspruchen.

    1. Die Präferenz ist nicht nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel (ABl. L 2000/147, S. 1) zu gewähren.

    a) Gemäß Protokoll Nr. 4 des Assoziierungsabkommens EG-Israel setzt die Gewährung der Präferenz voraus, dass die materiellen Bedingungen zum Ursprung der Ware in Israel gemäß Titel II bis IV erfüllt sind und ein israelisches Ursprungszeugnis gemäß Titel V vorgelegt wird.

    Der EuGH hat in seinem Urteil vom 25. Februar 2010 verbindlich entschieden, dass die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats die Präferenzbehandlung nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel verweigern können, wenn die betreffenden Waren ihren Ursprung im Westjordanland haben. Art. 83 des Assoziierungsabkommens EG-Israel ist in dem Sinne auszulegen, dass die Erzeugnisse mit Ursprung im Westjordanland nicht in den räumlichen Geltungsbereich dieses Abkommens und folglich nicht unter die durch dieses Abkommen eingeführte Präferenzregelung fallen (EuGH-Urteil, Rdnr. 53)

    Für Überlegungen, ob das Assoziierungsabkommen EG-Israel anders als vom EuGH im Urteil vom 25. Februar 2010 entschieden ausgelegt werden könnte, nämlich so, dass das Gebiet B - etwa im Hinblick auf eine mit Zustimmung der PLO erfolgte Ausübung der Hoheitsrechte durch israelische Zollbehörden - doch als von diesem Abkommen umfasst anzusehen ist, bleibt dem Finanzgericht nach der Entscheidung des EuGH über den Inhalt des Assoziierungsabkommens EG-Israel kein Raum. Die von der Klägerin nunmehr angesprochenen Gesichtspunkte, so etwa die bilateralen Abkommen Israels mit der PLO oder die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse in dem Gebiet, zu dem B gehört, könnten für die hier zu entscheidende Frage, ob die Klägerin für die eingeführten Waren einen Anspruch auf Präferenzgewährung nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel hat, allein aufgrund einer entsprechenden Auslegung des Assoziierungsabkommens EG-Israel berücksichtigt werden. Sollten die Abkommen Israels mit der PLO, wie die Klägerin vorträgt, für die Anwendung des Assoziierungsabkommens EG-Israel von Bedeutung sein, so ergebe sich diese Bedeutung im Rahmen der Auslegung dieses Assoziierungsabkommens und damit - anders als die Klägerin meint - im Zuständigkeitsbereich des EuGH. Die Auslegung des Abkommens ist durch den EuGH insoweit jedoch bereits im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens verbindlich und eindeutig vorgenommen worden. Eine Vorlage an den EuGH durch das nationale Gericht ist nur vorgesehen, wenn die Auslegung des Unionsrechts zweifelhaft ist. Dass die Klägerin die aus Sicht des erkennenden Senats klare Rechtsprechung des EuGH in Zweifel zieht, rechtfertigt eine erneute Vorlage für sich genommen nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit die Klägerin mit dem Inhalt der bilateralen Abkommen zwischen Israel und der PLO argumentiert. Sofern in einem Verfahren vor dem EuGH Tatsachen von entscheidender Bedeutung unberücksichtigt geblieben sind, sieht das europäische Verfahrensrecht die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens vor, Art. 44 des Protokolls (Nr. 3) über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Amtsblatt der Europäischen Union C 83/210 vom 30. März 2010). Da die Wiederaufnahme allerdings nicht durch ein nationales Gericht, sondern gegebenenfalls von einem Beteiligten des EuGH-Verfahrens zu bewirken ist, ist es für die vorliegende Entscheidung ohne rechtliche Bedeutung, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme vorliegen - was indes vor dem Hintergrund der Vorschrift in Art. 44 Abs. 1 des genannten Protokolls fraglich erscheint. Nach dieser Vorschrift kann die Wiederaufnahme des Verfahrens beim Gerichtshof nur dann beantragt werden, wenn eine Tatsache von entscheidender Bedeutung bekannt wird, die vor Verkündung des Urteils dem Gerichtshof und der die Wiederaufnahme beantragenden Partei unbekannt war. Das israelisch-palästinensische Interimsabkommen 1995, auf das die Klägerin in ihrer Argumentation wesentlich abstellt, wurde allerdings in ihrer Stellungnahme zum Vorabentscheidungsverfahren von der Klägerin selbst angesprochen und der Generalanwalt hat es in seinem Schlussantrag dargestellt (Rdnr. 38 ff) und rechtlich sogar gewürdigt (Rdnr. 128 ff).

    b) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn die übrigen Voraussetzungen einer Präferenzgewährung erfüllt wären, die Klage abzuweisen wäre.

    Gemäß Art. 32 Abs. 6 des Protokolls des Assoziierungsabkommens EG-Israel müssen die Zollbehörden, die die Prüfung beantragt haben, die Gewährung der Präferenzbehandlung ablehnen, wenn die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats keine ausreichenden Angaben enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können. Im Rahmen der nachträglichen Prüfung haben die israelischen Zollbehörden auf das Schreiben der deutschen Zollbehörden, mit dem überprüft werden sollte, ob die betreffenden Erzeugnisse in den israelischen Siedlungen im Westjordanland, im Gazastreifen, in Ost-Jerusalem oder auf den Golanhöhen hergestellt wurden, jedoch keine konkrete Antwort gegeben. Das Schreiben der deutschen Zollbehörden vom 6. Februar 2003 blieb sogar unbeantwortet. Wie der EuGH in seinem Urteil vom 25. Februar 2010 ausführt, liegen unter solchen Umständen keine im Sinne von Art. 32 Abs. 6 des Protokolls des Assoziierungsabkommens EG-Israel ausreichenden Angaben der israelischen Zollbehörden vor, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können. Die bloße Bestätigung dieser Behörden, dass die betreffenden Waren unter die Präferenzbehandlung des Assoziierungsabkommens EG-Israel fallen, bindet demgemäß die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats nicht. Nach der zitierten Vorschrift in Art. 32 Abs. 6 des Abkommensprotokolls lehnen die Zollbehörden, die die Prüfung beantragt haben, die Gewährung der Präferenzbehandlung ab, sofern kein Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände vorliegt.

    c) Vorliegend kann eine Präferenz auch nicht wegen Vorliegens „außergewöhnlicher Umstände” gewährt werden. Das würde voraussetzen, dass der Ausführer Umständen ausgesetzt gewesen ist, die außerhalb seines Einflussbereiches gelegen haben und deren Konsequenzen er trotz Einhaltens sämtlicher Sorgfaltsmaßnahmen nicht hat vermeiden können (vgl. EuGH C-12/92 Huygen, Slg. 1992 I-6381 Rz. 31; C-334/93 Bonapharma Slg. 1995 I-319 Rz. 17).

    Die Konsequenzen eines Irrtums über die im Rahmen der EG-Abkommen vorzunehmende Zuordnung von B, nämlich zum Abkommensgebiet (auch) des Assoziierungsabkommens EG-Israel, wären für den Ausführer jedenfalls vermeidbar gewesen. Insoweit wird beispielhaft Bezug genommen auf den Hinweis der Europäischen Kommission vom 23. November 2001 (Amtsblatt C 325/6) an die Mitgliedstaaten, für alle in Israel ausgestellten Präferenznachweise Nachprüfungsersuchen einzuleiten, wenn für die betreffenden Warenlieferungen der begründete Verdacht bestand, dass sie aus den von Israel besetzten Siedlungsgebieten im Westjordanland, dem Gazastreifen, Ostjerusalem beziehungsweise den Golanhöhen stammen könnten. Da der Lieferant der Waren, die Fa. A Ltd., in einer mitveröffentlichten Aufstellung des diesbezüglichen BMF-Erlasses III B 5 - Z - 4215 -14/00 vom 20. April 2000 sogar ausdrücklich genannt worden war (GA Bl. 84), hätte er - und auch die Klägerin - Kenntnis davon haben können, dass die Zuordnung des Gebiets zu Israel zumindest unsicher gewesen ist und er sich auf Auskünfte israelischer Behörden nicht einfach verlassen konnte.

    2. Die Präferenz ist auch nicht nach dem Assoziierungsabkommen EG-PLO (ABl. L 1997/187, S. 1) zu gewähren. Das Assoziierungsabkommen EG-PLO setzt - ebenso wie das Assoziierungsabkommen EG-Israel - nach der verbindlichen Auslegung des EuGH voraus, dass nicht nur die materiellen Voraussetzungen eines Warenursprungs im Abkommensgebiet gegeben sind, sondern darüber hinaus auch ein entsprechendes Ursprungszeugnis einer der in dem betreffenden Abkommen namentlich bezeichneten Behörden oder eines von ihnen ermächtigten Ausführers vorliegt (EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010, Rdnr. 50, GA 187). Der EuGH hat weiter ausgeführt, dass das Erfordernis eines gültigen Ursprungsnachweises keine bloße Formalität ist, die unbeachtet bleiben kann, falls der Ursprungsort durch andere Beweismittel festgestellt wird. Bescheinigungen, die von anderen Behörden ausgestellt wurden als den namentlich in dem betreffenden Assoziierungsabkommen bezeichneten, können nicht als gültig anerkannt werden (EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010, Rdnr. 57, GA Bl. 188). In räumlicher Hinsicht liegen die Voraussetzungen für die begehrte Präferenz zwar vor, denn das Assoziierungsabkommens EG-PLO umfasst nach der verbindlichen Entscheidung des EuGH räumlich das Gebiet B.

    Indes liegt eine Bescheinigung, die den im diesem Sinne dieses Abkommens palästinensischen Ursprung abkommensgemäß - d. h. nach dem Urteil des EuGH allen formalen Anforderungen entsprechend - bescheinigt, nicht vor.

    Dabei kann hier dahinstehen, ob und gegebenenfalls, inwieweit die israelischen Behörden - unmittelbar oder durch von ihr ermächtigte Ausführer - ein wirksames Ursprungszeugnis nach dem Assoziierungsabkommen EG-PLO abgeben können. Art. 16 Abs. 1 des Protokolls Nr. 3 des Assoziierungsabkommens EG-PLO bestimmt, dass die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats erteilt wird. Der im Abkommen nicht legaldefinierte Begriff der „Zollbehörden des Ausfuhrstaats” ist auslegungsbedürftig. Im Rahmen der Auslegung könnte den von der Klägerin angesprochenen israelisch-palästinensischen Abkommen, namentlich dem Interimsabkommen 1995, das das Gebiet von B einer Zone „C” zuordnet und auch Regelungen zur Ausübung von Hoheitsbefugnissen enthält, eine Bedeutung zukommen, etwa dass auch eine israelische Zollbehörde eine Zollbehörde des Ausfuhrstaats im Sinne des Abkommens sein kann oder jedenfalls unter bestimmten Bedingungen für eine solche Zollbehörde handeln kann. Ob eines oder beide Abkommen in der Weise auf die Auslegung des Assoziierungsabkommens EG-LPLO ausstrahlen, bedarf unter Berücksichtigung des Inhalts der streitgegenständlichen Ursprungszeugnisse hier indes keiner Klärung. Denn die vorliegenden Ursprungszeugnisse, nämlich die Erklärung des Ausführers in seinen Rechnungen und gegebenenfalls die Antworten der israelischen Zollbehörden auf die Nachprüfungsgesuche, geben als Ort des Ursprungs jeweils Israel an und sind somit im Hinblick darauf, dass B abkommensrechtlich, wie der EuGH verbindlich entschieden hat, nicht zum Gebiet Israels gehört, materiell unrichtig im Sinne des Assoziierungsabkommens EG-PLO. Bereits deswegen können sie das Erfordernis eines wirksamen Ursprungsnachweises nicht erfüllen. Im Übrigen dürfte, selbst wenn die israelischen Zollbehörden Ursprungszeugnisse wirksam hätten erteilen oder hierzu ermächtigen dürfen, das gescheiterte Nachprüfungsersuchen (siehe oben Gliederungspunkt 1 b) der Entscheidungsgründe) der begehrten Präferenzgewährung entgegenstehen.

    3. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass sich aus einer von der Klägerin behaupteten früheren Praxis der Anerkennung israelischer Ursprungszeugnisse für Waren aus dem Westjordanland ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Präferenzbehandlung begründen lässt, und hält weitere Ermittlungen insoweit nicht für erforderlich. Das gilt auch für den von der Klägerin angesprochenen Schriftwechsel zwischen israelischen Zollbehörden und deutschen Finanzbehörden.

    4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 FGO.