23.03.2012
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 18.01.2012 – 12 K 12205/10
1. Das FA kann nicht pro von ihm als solcher identifizierter Pflichtverletzung ein Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b AO in Höhe des Mindestbetrages von 2.500 EUR festsetzen (ebenso Hessisches FG v. 8.8.2011 8 V 1281/11).
2. Das schließt nicht aus, dass im Einzelfall wegen erheblicher Verletzung der Mitwirkungspflicht ein über dem Mindestbetrag liegendes Verzögerungsgeld festgesetzt werden kann.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 12. Senat – mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 18. Januar 2012 durch den Präsidenten des Finanzgerichts … die Richterin am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter …
für Recht erkannt:
Die Festsetzung des Verzögerungsgeldes in Höhe von EUR 5 000 vom … 2010 und die Einspruchsentscheidung vom … 2010 werden aufgehoben.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes.
Die Klägerin ist eine im Jahre 2005 gegründete GmbH mit Sitz in …. Der Beklagte ordnete für die Klägerin am 18. September 2009 eine Außenprüfung für die Jahre 2005 bis 2007 über Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer an; am 23. November 2009 erweiterte er die Prüfungsanordnung auf Steuerabzugsbeträge nach § 50a des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Veranlagungszeiträume 2005 bis 2007. Die Prüfung begann am 17. November 2009. Am 24. November 2009 forderte die Prüferin diverse Unterlagen an, darunter die Nachweise über die sonstigen Rückstellungen und die Verträge zwischen der Klägerin und der C. Außerdem bat die Prüferin darum, die Kosten für die D zu erläutern. Am 25. November 2009 bat sie telefonisch insbesondere um den Nachweis für eine im Jahre 2006 gebildete Rückstellung „management creativ 1.2006” in Höhe von EUR 20 000. Am 01. Dezember 2009 stellte sich anlässlich einer Betriebsbesichtigung und Besprechung heraus, dass aufgrund anderweitiger Prüfung durch ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen die von dem Beklagten angeforderten Unterlagen erst beschafft werden mussten. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 setzte die Prüferin eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 22. Januar 2010. Die Klägerin reagierte darauf nicht; der Beklagte erinnerte daher mit Schreiben vom 03. Februar 2010 an die Erledigung des Schreibens vom 14. Dezember 2009 nunmehr bis zum 25. Februar 2010. Auch darauf reagierte die Klägerin nicht. Am 23. März 2010 fand die Schlussbesprechung statt, in deren Verlauf die Prüferin wiederum auf die ausstehenden Unterlagen und Erläuterungen hinwies. Am 12. April 2010 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass die Unterlagen unterwegs seien. Am 23. April 2010 gab er an, dass die Unterlagen noch nicht vollständig seien, er sie aber am selben Tage absenden würde. Gleichwohl gingen bei dem Beklagten keine Unterlagen ein. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 forderte der Beklagte die Klägerin erneut auf, die Nachweise für die Bildung der Rückstellung „management creativ 1.2006” sowie die Verträge mit der C (Darlehensverträge, Managementverträge u.ä.) vorzulegen und die Kosten für D zu erläutern. Er setzte eine Frist bis zum 25. Mai 2010 und wies darauf hin, dass er ein Verzögerungsgeld von mindestens EUR 2 500 und maximal EUR 250 000 festsetzen werde, wenn die Klägerin die Unterlagen nicht fristgerecht und vollständig einreichen werde. Die Klägerin kam der Aufforderung nicht nach. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom … 2010 setzte der Beklagte das angedrohte Verzögerungsgeld in Höhe von EUR 5 000 fest. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin folgende Unterlagen nicht eingereicht habe:
Nachweise für die Bildung der Rückstellung „management creativ 1.2006”
Verträge zwischen der Klägerin und der C (Darlehensverträge, Managementverträge u.ä.)
Erläuterung der Kosten für die D.
Die Höhe des Verzögerungsgeldes ergebe sich aus der Dauer der Fristüberschreitung und der dadurch entstandenen Beeinträchtigung für die Beendigung der Außenprüfung.
Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom … 2010 zurückwies. In der Einspruchsentscheidung erläuterte der Beklagte, dass das Verzögerungsgeld für zwei Pflichtverletzungen, nämlich hinsichtlich des Nachweises der Rückstellung „management creativ 1.2006” und des Nachweises der Kosten für die D festgesetzt und jeweils nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbetrag von EUR 2 500 bemessen worden sei.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Festsetzung des Verzögerungsgeldes unangemessen sei. Sie, die Klägerin, habe der Prüferin im Laufe der Außenprüfung die Gründe für die Verzögerung der Einreichung der Unterlagen bzw. Abgabe der Erläuterungen genannt. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Außenprüfung habe eine Due Diligence der Gesamtgesellschaft stattgefunden, weshalb die bestehenden Vertragswerke in … bzw. … zusammengetragen worden seien. Insbesondere die Vertragsgrundlage für die Management Fee im Jahre 2006 sei nicht auffindbar gewesen. Zudem sei die für sie, die Klägerin, tätige Buchhalterin aus einem Urlaub über den Jahreswechsel 2009/2010 nicht zurückgekehrt, weil ihr Ehemann in dieser Zeit in … sechs Wochen im Koma gelegen habe. Weitere persönliche Umstände seien hinzugetreten. Zudem habe der Beklagte unmittelbar nach Festsetzung des Verzögerungsgeldes den Prüfungsbericht fertiggestellt und die ausstehenden Unterlagen und Erläuterungen zu ihrem, der Klägerin, Nachteil verwertet. Insbesondere hält die Klägerin die Festsetzung des Verzögerungsgeldes für zwei Pflichtverletzungen für nicht angemessen. Gerade die Anforderung des Nachweises der Kosten für die D sei nicht nachvollziehbar. Die Gründe für die Management Fee seien in ihrer, der Klägerin, Entwicklung nachvollziehbar und erläutert worden. Sie ergäben sich zudem aus der Gesamtkonstruktion, die der Prüferin ebenfalls bekannt gewesen sei. Aufgrund der Gründung einer deutschen Gesellschaft, die auf Erfahrungen und Unterstützung aus Großbritannien angewiesen gewesen sei und diese von einem dort ansässigen Geschäftsführer ohne Gehaltszahlung erhalten habe, sei die Zahlung einer Management Fee erforderlich gewesen, um die Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Zurverfügungstellen von know how und sonstiger Beratungsleistungen abzugelten. Die Rechnungen selbst und ihre Höhe seien nicht zu beanstanden gewesen. Auch der fehlende Nachweis hinsichtlich der Rückstellung „management creativ 1.2006” rechtfertige nicht die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes. Die Rückstellung sei ohnehin im Folgejahr aufgelöst worden, da der Jahresabschluss 2006 bereits fertiggestellt worden war und eine Abrechnung der Management Fee nicht stattgefunden habe. Ein Nachweis habe nicht erbracht werden können, da die Rückstellung nicht aufgrund einer Vereinbarung, sondern aufgrund der kaufmännischen Einschätzung ihrer, der Klägerin, Geschäftsführung gebildet worden sei.
Insgesamt meint die Klägerin, dass die Festsetzung des Verzögerungsgeldes in ihrem Fall unverhältnismäßig gewesen sei. Es liege ein Ermessensfehlgebrauch vor, da sie, die Klägerin, ihren Mitwirkungspflichten insofern nachgekommen sei, als jegliche Aufzeichnungen, die zum Verständnis beigetragen hätten, auch zur Einsichtnahme und Prüfung vorgelegt worden seien. Schließlich könne es nicht dem Gesetzeszweck entsprechen, in ihrem Falle von einem doppelten Fehlverhalten auszugehen. Wollte man die Nichtvorlage jedes einzelnen Belegs oder Vertragsdokuments mit einem Verzögerungsgeld in Höhe von EUR 2 500 bis EUR 250 000 belegen, so würde dies nach Auffassung der Klägerin eine nicht mehr kontrollierbare Ermessensausübung bedeuten, die dem Sinn und Zweck des Verzögerungsgeldes nicht gerecht werde.
Die Klägerin beantragt,
die Festsetzung des Verzögerungsgeldes in Höhe von EUR 5 000 vom … 2010 und die Einspruchsentscheidung vom … 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes in Höhe von je EUR 2 500 pro Pflichtverletzung (Nichtvorlage der Unterlagen hinsichtlich der Rückstellung „management creativ 1.2006” einerseits sowie Nichterläuterung der Kosten für D andererseits) gerechtfertigt sei.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung [FGO]).
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Festsetzung des Verzögerungsgeldes war rechtswidrig.
a) Nach § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO) – eingeführt durch Artikel 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (Bundesgesetzblatt [BGBl] I 2008, 2794 ff., 2828) – kann ein Verzögerungsgeld von EUR 2 500 bis EUR 250 000 festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert hat. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist demnach die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes insbesondere wegen der Säumnis im Hinblick auf Mitwirkungspflichten im Rahmen einer Außenprüfung auch ohne jeglichen Bezug zu einer Verlagerung der Buchführung in das Ausland zulässig, obwohl eine solche Regelung systematisch eher im Bereich des § 200 AO hätte angesiedelt werden können (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2011 – IV B 120/10, DStR 2011, 1423, unter II.2.a) der Gründe; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011 – 13 K 13246/10, juris, unter 2. der Gründe).
Sind die Voraussetzungen für eine Festsetzung erfüllt, kann die Behörde ein Verzögerungsgeld festsetzen. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Die Finanzbehörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie ein Verzögerungsgeld festsetzt (Entschließungsermessen) und in welcher Höhe dies geschieht (Auswahlermessen). Da die Vorschrift des § 146 Abs. 2b AO – im Unterschied zu den in § 152 Abs. 2 AO enthaltenen Regelungen zum Verspätungszuschlag – keine ausdrücklichen Ermessensleitlinien oder -grenzen vorsieht, hat die Behörde die anzustellenden Ermessenserwägungen nach den in § 5 AO geregelten allgemeinen Grundsätzen auszurichten (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 01. Februar 2011 – 3 K 64/10, EFG 2011, 846, 847; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, juris; Hessisches FG, Beschluss vom 08. August 2011 – 8 V 1281/11, juris).
Die Entscheidung der Finanzbehörde unterliegt nach FGO nur der eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung dahingehend, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Bei dieser gerichtlichen Prüfung ist auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen (v. Groll in: Gräber, FGO, Kommentar, 7. Auflage 2010, § 102 Rn. 13).
b) Die Festsetzung des Verzögerungsgeldes durch den Beklagten erweist sich bei Zugrundelegung dieser Voraussetzungen als rechtswidrig.
aa) Zwar lagen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO vor. Gegenüber der Klägerin ist am 18. September 2009 eine Außenprüfung angeordnet worden. Der Beklagte hat im Rahmen dieser Außenprüfung von der Klägerin die Vorlage von Unterlagen und Erläuterungen zu einem bestimmten Sachverhalt verlangt. Die dazu gesetzten Fristen waren angemessen. Der Beklagte hatte bereits im November 2009 um die Unterlagen und Erläuterungen gebeten. Die Klägerin hat diese Unterlagen jedoch nicht vorgelegt.
bb) Der Beklagte hat jedoch sein Ermessen überschritten.
(1) Der Senat kann offen lassen, ob der schematische Hinweis des Beklagten auf die durch die Nichtvorlage der Unterlagen und die fehlenden Erläuterungen entstandene Beeinträchtigung der Außenprüfung für die Begründung des Entschließungsermessens hinreichend ist. Daran bestehen deshalb Zweifel, weil mit guten Gründen die Ansicht vertreten werden kann, dass das Entschließungsermessen nicht dergestalt vorgeprägt ist, dass eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Außenprüfung zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes regelmäßig ausreicht und insbesondere Verschuldensaspekte beim Entschließungsermessen nicht zu berücksichtigen sind. Nach dieser Ansicht sind in das Entschließungsermessens alle entscheidungserheblichen Umstände einzubeziehen, insbesondere Verschuldensaspekte, auch wenn diese, anders als etwa beim Verspätungszuschlag nach § 152 AO, im Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO nicht genannt würden, weil eine Beschränkung der Ermessensgesichtspunkte § 146 Abs. 2b AO nicht zu entnehmen sei (so Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 01. Februar 2011 – 3 K 64/10, EFG 2011, 846, 847 f.). Folgte man dieser Ansicht, so hätte der Beklagte schon sein Entschließungsermessen fehlerhaft ausgeübt, weil er auf die Gründe der Säumnis der Klägerin – insbesondere die Schwierigkeiten der Beschaffung der geforderten Unterlagen sowie den Ausfall einer Mitarbeiterin nach dem Unfall ihre Lebensgefährten – nicht eingegangen ist.
(2) Jedenfalls hat der Beklagte aber sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt, indem er das Verzögerungsgeld mit EUR 2 500 pro von ihm als solcher identifizierter Pflichtverletzung bemessen hat und damit der Sache nach zwei getrennte Verzögerungsgelder, jeweils in Höhe des Mindestbetrages, festgesetzt hat. Der Senat folgt der Auffassung, dass eine Vervielfältigung des Mindestbetrages von EUR 2 500 bei mehreren Pflichtverletzungen nicht zulässig ist (ebenso auch Hessisches FG, Beschluss vom 08. August 2011 – 8 V 1281/11, juris; offen gelassen von BFH in DStR 2011, 1423, unter II.2.b)cc) der Gründe). Zunächst einmal spricht § 146 Abs. 2b AO davon, dass die Möglichkeit besteht, ein Verzögerungsgeld – und gerade nicht mehrere Verzögerungsgelder – festzusetzen, wenn der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen – durchaus also auch mehrerer Aufforderungen – nicht nachkommt. Anders als in § 332 Abs. 2 AO betreffend Zwangsmittel ist in § 146 Abs. 2b AO gerade nicht vorgesehen, dass für jede Verpflichtung getrennt ein Verzögerungsgeld anzudrohen oder festzusetzen ist. Vielmehr ist ein einheitliches Verzögerungsgeld festzusetzen, dessen Höhe sich nach der Schwere der Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen zu richten hat.
Gegen eine schlichte Multiplikation des Mindestverzögerungsgeldes in Höhe von EUR 2 500 mit der Anzahl der Pflichtverletzungen spricht auch der Umstand, dass die Möglichkeit der Atomisierung der Pflichtverletzungen besteht, die zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes von in der Summe unverhältnismäßiger Höhe führen könnte. Nicht selten werden in Außenprüfungen nämlich nicht nur zwei, sondern eine ganze Reihe von Unterlagen angefordert. Das Abstellen auf die einzelne Pflichtverletzung gibt der Finanzbehörde zudem die Möglichkeit, willkürlich eine Vielzahl einzelner Pflichtverletzungen zu benennen oder verschiedene Pflichtverletzungen zu einer oder zu wenigen Pflichtverletzungen zusammenzufassen. Das zeigt sich gerade an dem hier zu entscheidenden Fall. In der Androhung des Verzögerungsgeldes stellte der Beklagte darauf ab, dass die Klägerin drei Pflichten (Nachweis für Bildung der Rückstellung „management creativ 1.2006”, Vorlage der Verträge mit der C und Erläuterungen hinsichtlich der Management Fee) verletzt habe, während er bei der Bemessung des Verzögerungsgeldes und in den Erläuterungen der Einspruchsentscheidung von zwei Pflichtverletzungen ausgeht. Denkbar wäre sogar, vier Pflichtverletzungen anzunehmen, wenn man auf die ebenfalls ausstehende Vorlage der Verträge mit der C, und hier einerseits auf die Darlehensverträge und andererseits auf die Managementverträge, abstellt. Erschwerend kommt hinzu, dass das Verzögerungsgeld nicht angedroht zu werden braucht (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Juli 2011 – 1 V 1151/11, juris). Der Steuerpflichtige sieht sich daher u.U. ohne Vorwarnung mit der Sanktionierung einer von ihm nicht vorhersehbaren Anzahl von Pflichtverletzungen konfrontiert.
Insgesamt ist also ein Verständnis des § 146 Abs. 2b AO dahingehend, dass pro Pflichtverletzung ein Verzögerungsgeld in Höhe des Mindestbetrages festgesetzt werden kann, nicht nur von dem Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt, sondern auch kaum willkürfrei praktikabel. Das schließt es nicht aus, bei erheblichen Pflichtverletzungen, die sich auch aus dem Umfang der nicht vorgelegten Unterlagen bzw. nicht gegebenen Erläuterungen ergeben können, im Einzelfall wegen erheblicher Verletzung der Mitwirkungspflicht ein über dem Mindestbetrag liegendes Verzögerungsgeld festzusetzen. Dies muss die Behörde dann aber entsprechend – auch im Hinblick auf die Dauer der Verzögerung und den dadurch eintretenden Schaden – begründen, wobei die Schwere der Pflichtverletzung im jeweiligen Einzelfall zu gewichten und zu bewerten ist. Der bloße Hinweis auf die Verletzung von mehr als einer Pflicht reicht dazu jedenfalls nicht aus.
Da der Senat sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens des Beklagten setzen darf, ist der angegriffene Bescheid aufzuheben.
2. Die Revision zum Bundesfinanzhof war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulas- sen, da die Frage, ob ein Verzögerungsgeld durch Multiplikation der Pflichtverstöße mit dem in § 146 Abs. 2b AO festgelegten Mindestbetrag bemessen werden kann, von grundsätzlicher Bedeutung ist und eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes dazu noch aussteht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).