23.03.2012
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 25.05.2011 – 4 K 205/07
1. Erstattet der Grundstücksverkäufer dem Käufer die gesamten Anschaffungsnebenkosten, ermäßigt sich die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht nachträglich gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wenn die Vertragsbeteiligten nicht ausdrücklich im Kaufvertrag festgelegt haben, dass diese Leistungen den vereinbarten Kaufpreis mindern.
2. Der Antrag auf Herabsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 5 Abs. 2 BewG setzt voraus, dass der tatsächliche Wert des erworbenen Grundstücks herabgesetzt wurde. Die Übernahme der Erwerbsnebenkosten berührt nicht den Wert des Grundstücks.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 4. Senat … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25. Mai 2011
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
Am 24. Juni 2005 unterbreitete der Kläger der Fa. f. I. AG ein notarielles Angebot zum Erwerb des Sondereigentums an der Wohnung Nr. 4 verbunden mit dem Miteigentumsanteil von 950/10.000 an dem in der Gemarkung D.-A. Flurstück … belegenen Grundstück. Der Kaufpreis betrug 98.000 EUR. Gemäß § 8 des Angebots sollte die Kosten der Löschung nicht bestehend bleibender Rechte der Verkäufer tragen. Die übrigen Kosten des Vertrages, seines Vollzugs und die Grunderwerbsteuer trage der Käufer. Der Verkäufer verpflichtete sich, dem Käufer diese Kosten zu erstatten, wenn die Zahlung des Kaufpreises sichergestellt war. Mit notarieller Erklärung vom 20. Juli 2005 nahm die Fa. f. I. AG das Kaufangebot an.
Mit Bescheid vom 08. August 2005 setzte das beklagte Finanzamt gegen den Kläger die Grunderwerbsteuer auf 3.430 EUR fest. Als Bemessungsgrundlage wurde der Kaufpreis in Höhe von 98.000 EUR zugrunde gelegt.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2006 beantragte der Kläger beim Beklagten eine Änderung der Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der Verkäufer habe inzwischen die gesamten Anschaffungsnebenkosten (Notarkosten, Grundschuldbestellungsgebühren, Grunderwerbsteuer sowie Finanzierungskosten) in einer Gesamtgrößenordnung von 8.968,27 EUR erstattet, wodurch sich die Bemessungsgrundlage gemindert habe. Mit Bescheid vom 16. März 2006 wurde der Antrag abgelehnt. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2007 zurückgewiesen wurde. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 beantragte der Kläger die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Bewertungsgesetz (BewG). Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 26. August 2009 abgelehnt, wogegen der Kläger Einspruch einlegte. Das Einspruchsverfahren ist bislang nicht abgeschlossen.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Mit dem Kaufpreis sei nicht nur der Grund und Boden sowie die darauf befindliche Eigentumswohnung erworben worden, sondern daneben auch die Übernahme der Notargebühren, der Kosten für Grundschuldbestellung, die zu zahlende Grunderwerbsteuer, die Maklergebühren und die Finanzierungskosten. Diese ergäben insgesamt eine Summe von 11.902,10 EUR. Nachdem dieser Betrag vom Verkäufer erstattet worden ist, sei die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer um den Betrag zu mindern. Dies ergebe sich auch aus § 5 Abs. 2 Satz 2 Bewertungsgesetz (BewG), auf den sich der Kläger ergänzend berufe. Sowohl § 16 Abs. 3 GrEStG als auch § 5 Abs. 2 BewG seien austauschbare Korrekturvorschriften. Entscheidend sei allein, dass der maßgebliche Sachverhalt dem Finanzamt unterbreitet worden ist, was erfolgt sei. Im Klageverfahren reduzierte der Kläger – nach Hinweis des Beklagten, dass die Grunderwerbsteuer nicht zur Bemessungsgrundlage gehöre – sein Anliegen, die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nunmehr nur noch um 8.172,10 EUR zu mindern.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2007 und des Ablehnungsbescheides vom 16. März 2006 die Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 08. August 2006 dahingehend zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer um 8.172,10 EUR gemindert wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt habe zutreffend die Bemessungsgrundlage mit 98.000 EUR zugrunde gelegt, denn gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gelte bei einem Kauf der Kaufpreis als Gegenleistung. Die im notariellen Vertrag vorgesehene und realisierte Kostenerstattung der Anschaffungsneben- und Finanzierungskosten berühre den vereinbarten Kaufpreis nicht, so dass sich deren Erstattung auch nicht auf die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage auswirke. Das Verfahren nach § 5 Abs. 2 BewG sei ein eigenständiges Verfahren. Der Kläger habe insoweit die Antragsfrist von einem Jahr nach Bedingungseintritt nicht eingehalten. Der am 15. Februar 2006 gestellte Änderungsantrag nach § 16 Abs. 3 GrEStG könne nicht in einen Antrag auf Herabsetzung der Gegenleistung nach § 5 Abs.2 BewG umgedeutet werden.
Zum Vorbringen der Beteiligten und zum Sachverhalt im Einzelnen wird auf die im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsätze und den Inhalt der Rechtsbehelfsakte sowie auf das in der mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2011 protokollierte Vorbringen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat in dem angefochtenen Bescheid vom 08. August 2005 zutreffend den vertraglich vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 98.000 EUR als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt. Eine Herabsetzung der Gegenleistung ist nicht erfolgt.
Gemäß § 16 Abs. 3 GrEStG wird auf Antrag die Grunderwerbsteuer niedriger festgesetzt, wenn die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt wird. Die Herabsetzung muss innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer erfolgen.
Die notariell erklärte Annahme des Angebots vom 24. Juni 2005 führte zum Abschluss eines Kaufvertrages, der gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt. Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gilt bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen als Gegenleistung. Den Kaufpreis haben hier die Vertragsbeteiligten i. H. v. 98.000 EUR vereinbart (vgl. § 3 des Kaufvertrages).
Der Kaufpreis ist in Übereinstimmung mit dem Bürgerlichen Recht (§ 433 Abs. 2 BGB) das Entgelt für den Kaufgegenstand „Grundstück”. Der Kaufpreis muss grundsätzlich in Geld bestehen. Was im Einzelfall Kaufpreis ist, ergibt sich jeweils aus dem Kaufvertrag. Bei der Pflicht zur Kaufpreiszahlung handelt es sich um die im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Verpflichtung des Verkäufers stehende Hauptpflicht des Käufers. Zum Kaufpreis gehört alles, was der Käufer vereinbarungsgemäß an den Verkäufer leisten muss, um den Kaufgegenstand zu erhalten. Auf die Bezeichnung durch die Parteien kommt es insoweit nicht an. Hat der Erwerber neben dem eigentlichen Kaufpreis weitere nicht unmittelbar auf Zahlung von Geld gerichtete Leistungen zu erbringen (z. B. Forderungsverzicht oder Eintritt in einen gegenseitigen Vertrag), so können diese als „sonstige Leistungen” im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bestandteil der Gegenleistung sein (Sack in Boruttau, GrESt-Kommentar, 16. Auflage, § 9 Rdn. 206, m. w. N.).
Im Streitfall hat der Kläger für den Erwerb des Grundstücks 98.000 EUR hingegeben. Dies war seine Hauptpflicht. Im Gegenzug hatte der Veräußerer das Grundstück zu übertragen. Welche anderen Pflichten der Verkäufer außer der Verpflichtung, das Eigentum an dem Grundstück zu übertragen, noch zu erbringen hatte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Bei der Gegenleistung im Sinne des § 9 GrEStG, die gem. § 8 Abs. 1 GrEStG bei der Bemessung der Steuer zugrunde zu legen ist, kommt es auf die von dem Kläger als Erwerber zu erbringenden Leistungen an und nicht auf die Leistungen, zu denen sich der Veräußerer zusätzlich verpflichtet. Derartige Leistungen sind allenfalls dann zu berücksichtigen, wenn die Vertragsbeteiligten ausdrücklich in dem Kaufvertrag festgelegt haben, dass evt. Geldleistungen des Veräußerers an den Erwerber den vereinbarten Kaufpreis entsprechend mindern sollen (vgl. FG Münster vom 24. Januar 2008 8 K 4674/04, EFG 2008, 134). Eine derartige Vereinbarung haben die Vertragsbeteiligten im Streitfall gerade nicht getroffen. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die von den Vertragsbeteiligten getroffene Regelung wirtschaftlich sich im Ergebnis dahingehend auswirkt, dass der gezahlte Kaufpreis dem Veräußerer nicht in voller Höhe verbleibt. Hierauf kommt es rechtlich nicht an, weil es sich bei den vereinbarten Leistungen des Veräußerers nicht um eine Kaufpreisminderung, sondern rechtlich um der Kaufpreisforderung gegenüberstehende selbständige Verpflichtung handelt.
Somit fehlt es im Streitfall an einer nachträglichen Herabsetzung des Kaufpreises. Aus diesem Grund hat das beklagte Finanzamt den Antrag auf Herabsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 3 GrEStG zutreffend abgelehnt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag auf Herabsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 5 Abs. 2 BewG in dem Änderungsantrag vom 15. Februar 2006 enthalten war, denn auch dieser Antrag verhilft nicht dem klägerischen Begehren zum Erfolg. Nach § 5 Abs. 1 BewG werden Wirtschaftsgüter, die unter einer auflösenden Bedingung erworben worden sind, wie unbedingt erworben behandelt. Tritt die Bedingung ein, so ist die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen (§ 5 Abs. 2 GrEStG). Die Vorschrift findet grundsätzlich auch für die Grunderwerbsteuer Anwendung. Nach Auffassung des Senats ist jedoch durch die Übernahme der Kosten durch den Veräußerer nicht der tatsächliche Wert des erworbenen Grundstücks herabgesetzt worden. Vielmehr wurden nur Nebenkosten übernommen, ohne dass der Wert des Grundstücks, der mit 98.000 EUR zugrunde gelegt wurde, berührt wird.
Der Senat war nicht gehalten, Herrn W. als Zeugen zu hören. Es handelt sich dabei um den Makler, der mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 seine Provision aus dem Kaufpreis von 98.000 EUR in Rechnung stellte. Der Makler hat zwar den Verkauf vermittelt, er war jedoch nicht am notariellen Vertrag beteiligt. Überdies entspricht die tatsächliche Durchführung des Vertrages nicht dem Beweisthema. Es wurde nicht der Kaufpreis gemindert, sondern nur die Nebenkosten erstattet, die nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Käufer zu tragen hat und die nicht in der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sind (vgl. Boruttau, § 9 Rdnr. 278). Der Kläger hatte auch nach der Kostenübernahme durch den Verkäufer den Betrag von 98.000 EUR für den Erwerb des Grundstücks an diesen zu entrichten. Dementsprechend hat der Kläger auch ertragsteuerlich den Betrag von 98.000 EUR dahingehend aufgeteilt, dass 9.800 EUR auf Grund und Boden und 88.200 EUR auf die Wohnung entfallen (Afa-Bemessungsgrundlage).
Soweit sich der Kläger auf eine Verfügung der OFD beruft, ist darauf hinzuweisen, dass diese keine Bindungswirkung für das Gericht entfaltet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO: