Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 13.03.2012

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Gerichtsbescheid vom 28.12.2011 – 6 K 3822/11

    1. § 17 Abs. 1 S. 4 EStG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 S. 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 ist insoweit verfassungsgemäß, als lediglich Wertsteigerungen erfasst werden, die nach dem 31.3.1999 entstanden sind.

    2. Das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung „innerhalb der letzten fünf Jahre” i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG ist nicht für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der jeweils geltenden Beteiligungsgrenze i. S. d. § 17 Abs. 1 S. 4 EStG zu bestimmen, sondern richtet sich rückwirkend für fünf Jahre nach der im Jahr der Veräußerung geltenden Wesentlichkeitsgrenze.


    Im Namen des Volkes

    Gerichtsbescheid

    hat der 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg am 28. Dezember 2011 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht …

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob ein am 1. Dezember des Streitjahres 1999 erzielter Veräußerungsgewinn steuerpflichtig ist, soweit der Gewinn seit dem 31. März entstand.

    Der Kläger war Inhaber einer Beteiligung an der X AG mit einem Aktienbestand

    bis 28. Dezember 1997 von 13,52 %

    seit 29. Dezember 1997 von 9,98 % und

    seit 27. Dezember 1998 von 9,22 %.

    Durch das am 31. März 1999 im Bundesgesetzblatt (BGBl I S. 402) verkündete Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 wurde die wesentliche Beteiligungsgrenze in § 17 Abs. 1 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) von bisher 25 % auf 10 % gesenkt. Diese Fassung des Gesetzes war gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden.

    Am 1. Dezember 1999 veräußerte der Kläger … Stück dieser Aktien aus seinem Bestand unter Realisierung eines Veräußerungsgewinns. Diesen setzte der Beklagte erstmals mit Bescheid vom … und nach einer zwischenzeitlich abgeschlossenen Betriebsprüfung mit Einkommensteuerbescheid vom …, der Gegenstand des bereits laufenden Einspruchsverfahrens wurde, in Höhe von xx.xxx.xxx DM fest.

    Dieses Einspruchsverfahren ruhte zunächst im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren VIII R 25/02. Mit Urteil vom 1. März 2005 entschied der BFH, das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung „innerhalb der letzten fünf Jahre” im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 sei nicht für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der jeweils geltenden Beteiligungsgrenze im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG zu bestimmen, sondern richte sich nach der im Jahr der Veräußerung geltenden Wesentlichkeitsgrenze (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2005, 436).

    Dieses Urteil wurde mittels Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. Juli 2010 (2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1783/05) aufgehoben und das Verfahren an den BFH zurückverwiesen (Deutsches Steuerrecht -DStR- 2010, 1733). Die Entscheidungsformel lautet wie folgt:

    „§ 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999…. verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind und die entweder – bei einer Veräußerung bis zu diesem Zeitpunkt – nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder – bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes -sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können.”

    Am … erließ der Beklagte einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999. Der Gewinn nach § 17 EStG wurde bezugnehmend auf das BMF-Schreiben vom 20. Dezember 2010 (BStBl. I 2011, 16) zur rückwirkenden Absenkung der Beteiligungsgrenze in § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in Höhe von x.xxx.xxx DM ermittelt; dabei wurde der Veräußerungsgewinn insoweit besteuert, als er auf den Zeitraum nach dem 31. März 1999 entfiel.

    Der Einspruch wurde in der Einspruchsentscheidung vom …, auf die Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.

    Dagegen richtet sich die Klage vom …; hierauf wird Bezug genommen. Der Kläger sei, gemessen an der jeweils gesetzlich relevanten Beteiligungsschwelle, zu keinem Zeitpunkt wesentlich im Sinne des § 17 EStG beteiligt gewesen; er sei zu keinem Zeitpunkt zumindest 25% beteiligt gewesen und habe noch vor der gesetzlichen Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle auf eine Beteiligung von mindestens 10% seine Beteiligung auf 9,22 % abgesenkt.

    Der Kläger beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid 1999 vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … abzuändern und einen Veräußerungsgewinn in Höhe von x.xxx.xxx DM nicht zu berücksichtigen,

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Kläger sei innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Verkauf zu mindestens 10% beteiligt gewesen. Diese Regelung entspreche den Vorgaben des BVerfG, das die fünfjährige Rückwirkung bei der Absenkung der Beteiligungsgrenze nicht beanstandet habe.

    In dieser Sache ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (Az 6 V 407/11) am 1. August 2011 ein abweisender Beschluss ergangen; diesbezüglich ist beim BFH unter dem Az IX B 146/11 ein Beschwerdeverfahren anhängig.

    Unter den Beteiligten ist keine Übereinstimmung dahingehend erzielt worden, dass das hiesige Verfahren im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren Az. IX R 8/10 ruht.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, sowie die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    1. a) § 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ist im Streitfall anwendbar. Das BVerfG hat diese Normen lediglich insoweit für nichtig erklärt, als in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind, und weitere Voraussetzungen erfüllt sind. All diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen („und”), um die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes insoweit zu bejahen. Im Streitfall besteuert der Beklagte lediglich Wertsteigerungen, die nach dem 31. März 1999 entstanden sind. Da somit die Voraussetzung „… in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind” bereits nicht erfüllt ist, können die weiteren vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen per se nicht mehr zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führen.

    b) Der Senat folgt bei der Auslegung der streitbefangenen Norm insoweit der Rechtsprechung des BFH, wonach das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung „innerhalb der letzten fünf Jahre” i.S. des § 17 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 nicht für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der jeweils geltenden Beteiligungsgrenze i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG zu bestimmen ist, sondern sich nach der im Jahr der Veräußerung geltenden Wesentlichkeitsgrenze richtet. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung hat der Gesetzgeber das mit der fünfjährigen Rückanknüpfung verfolgte Ziel aber ausschließlich durch die Fünfjahresfrist und nicht zusätzlich dadurch umgesetzt, dass die veräußerten Teile zu irgendeinem Zeitpunkt Teil einer wesentlichen Beteiligung hätten sein müssen (BFH-Urteil vom 1. März 2005 VIII R 25/02, BStBl II 2005, 436).

    Somit erfüllte der Kläger den Tatbestand des § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002. Denn er war zwar im Jahr 1999 nicht mehr zu mindestens 10 v.H. an der X AG beteiligt, wohl aber innerhalb der letzten fünf Jahre vor dieser Veräußerung.

    2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

    VorschriftenEStG § 17 Abs. 1 S. 1, EStG § 17 Abs. 1 S. 4, EStG § 52 Abs. 1 S. 1