01.02.2012
Finanzgericht Hamburg: Gerichtsbescheid vom 11.11.2011 – 3 K 192/11
1. a) Eine Pfändungsverfügung muss den Schuldgrund nur in einer Summe bezeichnen.
b) Die erforderlichen näheren, den Schuldgrund konkretisierenden Angaben können dem Vollstreckungsschuldner auch in der an ihn gerichteten Mitteilung über die Pfändung gemacht werden; sie müssen nicht schon in einer Anlage zur Pfändungsverfügung aufgenommen werden.
2. a) EU-Betreibungshilfe kann auch aufgrund eines nur durch E-Mail übermittelten ausländischen Vollstreckungstitels erfolgen.
b) An seinen früheren Bedenken, wonach eine amtliche Ausfertigung oder beglaubigte Kopie erforderlich sei, hält der Senat nicht mehr fest.
3. a) Die Gültigkeit von EU-Rechtsakten, z. B. die Vereinbarkeit von Ausführungsverordnungen der Kommission mit (höherrangigen) Richtlinien des Rates, kann ein Instanzgericht zwar prüfen und bejahen, es hat jedoch keine Verwerfungskompetenz.
b) Eine Ungültigerklärung würde eine Vorlage zum EuGH erfordern, entgegen dem Wortlaut von Art. 267 Abs. 2 AEUV auch durch ein Instanzgericht.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Pfändungsverfügung, die im Rahmen der Vollstreckung einer spanischen Steuerhaftungsschuld vom beklagten Finanzamt - FA - erlassen wurde.
I.
1. a) Der in Hamburg wohnhafte Kläger ist deutscher ... und spanischer ”...” (...), geschäftsansässig in Hamburg und A (Finanzgerichtsakte - FG-A - Bl. 8R). Er war zudem einziger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer (administrador único) der spanischen Gesellschaft „B”, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung spanischen Rechts (sociedad de responsabilidad limitada), ansässig im A. Gegenstand der Gesellschaft ist gemäß Artikel 2 ihrer Satzung Vermietung, Kauf, Verkauf, Bau und Unterhaltung von Grundstücken und Gebäuden sowie Erschließung und Parzellierung von Grundstücken.
b) Aufgrund einer Steuerprüfung im Februar 2003 wurde gegen die Gesellschaft in Spanien Körperschaftsteuer 2000 (impuesto sobre sociedades) festgesetzt, die von dieser nicht beglichen wurde und die in Spanien wegen dortiger Vermögenslosigkeit der Gesellschaft auch nicht vollstreckt werden konnte. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens gegen die Gesellschaft überreichte deren Rechtsvertreterin am 17. April 2007 dem spanischen Finanzamt - FA - eine Auflistung von Gegenständen, die in den Büchern der Gesellschaft geführt wurden, im Gesamtwert von 200.011 Euro. Es handelt sich im Wesentlichen um Mobiliar (z. B. Teppiche, Sofas, Esstisch, Schränke, Fernseher, Heizkörper, Rasenmäher, Fahrräder), kategorisiert in Esszimmer, Wohnzimmer, Küche, Waschküche, Hauptschlafzimmer, Zimmer I, Zimmer II, Zimmer III, Zimmer IV, Gästezimmer, Empfangshalle, Büro, Badezimmer I, Badezimmer II, Badezimmer III, Geräte für den Außenbereich und Sonstiges. Angaben zum Gebrauchszustand oder zur Wertermittlung enthielt die Auflistung nicht (Anlageband 3 K 205/10, Fach Schriftsatz 20.10.2011, Anlage K 6). Am 10. August 2007 teilte die Vertreterin der Gesellschaft dem FA mit, die beweglichen, pfändbaren Güter befänden sich unter der Anschrift „Dr. C, X-Straße, D, E, Deutschland” (Anlageband 3 K 205/10, 1.Fach „zu Bl. 22 f”, nicht foliiert).
c) Gleichwohl kündigte das spanische FA dem Kläger mit Verfügung vom 19. September 2007 die Haftungsinanspruchnahme an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme (Übersetzung Anlageband 3 K 205/10, 1.Fach „zu Bl. 22 f”, nicht foliiert).
d) Mit Haftungsbescheid (Acuerdo de Derivación de Responsabilidad) vom ... 2007 nahm das örtliche FA für Steuererhebung auf den F den Kläger wegen rückständiger Körperschaftsteuer 2000 (impuesto sobre sociedades) in Höhe vom 177.612,47 Euro in Anspruch (105.425,86 Euro Steuer zur Rechnungsnummer [clave de liquidación] XXX-5 und 72.186,61 Strafzuschlag zur Rechnungsnummer XXX-6, Anlageband 3 V 254/09 Anlage AS 8). Der Bescheid wurde dem Kläger am 20. ... 2007 zugestellt.
e) Hiergegen erhob der Kläger am 06. Februar 2008 Steuerbeschwerde (Anlageband 3 V 254/09 Anlage AS 4), die mangels Abhilfe durch das FA in einen Rechtsstreit vor dem regionalen Finanzgericht der F mündete. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war im spanischen Verwaltungsverfahren erfolglos.
f) Die Steuerbeschwerde wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass das spanische FA den Kläger nicht hätte in Anspruch nehmen dürfen, ohne vorher auf die Güter der Gesellschaft zurückzugreifen. Nach spanischem Steuerrecht setze eine Inanspruchnahme des Klägers als subsidiären Schuldners voraus, dass der Hauptschuldner ausgefallen sei. Soweit das spanische FA in dem Haftungsbescheid einen Nachweis der Zugehörigkeit des Mobiliars zum Vermögen der Gesellschaft sowie der zutreffenden Bewertung fordere, habe es diese Forderung vor Erlass des Haftungsbescheides nie erhoben. Die Güter entstammten früheren Vermietungsaktivitäten der Gesellschaft; nach dem Verkauf der Immobilien seien die Ausstattungsgegenstände nach Deutschland geschafft worden, wo der Gesellschafter und Geschäftsführer ansässig sei.
g) Das regionale Finanzgericht der F (Tribunal Económico-Administrativo Regional de F) wies die Klage mit Urteil vom ... (Aktenzeichen: ...) ab (Anlageband 3 K 205/10 Fach 25.10.2011). Es führt in seinen Entscheidungsgründen (Fundamentos de Derecho) unter 4. (Cuarto) aus, die Haftung sei dem Grunde nach gerechtfertigt, weil der Kläger gegen seine Sorgfaltspflichten bei der Abgabe der Körperschaftsteuererklärung 2000 der Gesellschaft verstoßen habe, diese sei erheblich inkorrekt gewesen (UA S. 4 f.). Unter 5. (Quinto) führt es aus, das die Haftungsinanspruchnahme zwar voraussetze, dass der primäre Schuldner für ausgefallen erklärt werde. Dies wiederum setze nach der spanischen höchstrichterlichen Rechtsprechung aber nicht voraus, dass der primäre Schuldner zahlungsunfähig oder über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass die Steuerverwaltung mit der normalen oder gewöhnlichen Sorgfalt vollstreckungsfähige Güter des primären Schuldners zu ermitteln versuche, indem sie namentlich ihre eigenen Datenbestände und öffentliche Register überprüfe, und dann mit einer vernünftigen Würdigung zu dem Schluss komme, dass entweder vollstreckungsfähige Güter nicht bekannt oder bekannte Güter nicht realisierbar oder nicht ausreichend für die Deckung der Steuerschuld seien. Der Kläger habe aber über das mögliche Ergebnis einer Vollstreckung gegen die Gesellschaft nur Vermutungen angestellt, die Existenz und Werthaltigkeit der vom Kläger benannten, nicht auf spanischem Staatsgebiet, sondern in Deutschland befindlichen Güter sei nur spekulativ. Bloß eventuelle oder hypothetische Vollstreckungsmöglichkeiten brauche die Steuerbehörde bei ihrer Entscheidung über den Ausfall des primären Schuldners aber nicht zu berücksichtigen (UA S. 5 f.).
h) Gegen das am ... 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger - wie er vorträgt - Rekurs zum Zentralfinanzgericht eingelegt. Die Rechtsmittelbegründungsschrift hat der Kläger nicht vorgelegt, das Aktenzeichen des Rechtsmittelgerichts nicht angegeben.
i) Die Gesellschaft hat gegen den spanischen KSt-Bescheid ebenfalls gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen. Den Verfahrensstand hat der Kläger trotz Nachfrage nicht vorgetragen.
j) Erst im Verfahren 3 K 205/10 (siehe unten V. 1.), nicht schon im spanischen, hat der Kläger auf Nachfrage zum Sachverhalt erläutert:
Die spanische Gesellschaft habe im Rahmen ihres Geschäftszwecks ein Bauernhaus auf A erworben. Durch eine Möblierung werde nach der dort üblichen Handhabe die Verkehrsfähigkeit von Immobilien, insbesondere für ausländische Interessenten, erhöht, weswegen die Gesellschaft das angegebene Inventar angeschafft habe. Es habe sich jedoch dann die Möglichkeit eines unmöblierten Verkaufs ergeben. Das dabei zurückgebliebene Inventar habe der Kläger nach Deutschland transportieren lassen und unter der dem spanischen FA angegebenen Anschrift eingelagert, weil dort eine günstige Lagermöglichkeit bestanden habe.
Der Kläger erklärt, nicht mehr genau angeben zu können, warum er seinerzeit, als er bei der versuchten Vollstreckung des spanischen FA gegen die Gesellschaft diesem die Inventarliste habe übermitteln lassen, das Vermögen der Gesellschaft nicht als Geschäftsführer selbst verwertet habe, um damit die spanische Steuerschuld - ggf. teilweise - zu befriedigen. Er vermute, er habe in Anbetracht des Umstandes, dass die spanische Steuerforderung gegen die Gesellschaft streitig gewesen sei, den Aufwand für die Verwertung des Restvermögens der Gesellschaft nicht auch noch selbst übernehmen wollen.
Die in der dem spanischen FA übermittelten Inventarliste angegebenen Werte hätten sich nach den Einkaufspreisen gerichtet, da das Inventar bei der Verbringung nach Deutschland weitestgehend neuwertig gewesen sei. Es sei allerdings nicht mehr verpackt, sondern schon gebraucht gewesen. Einkaufsrechnungen oder eine Wertschätzung durch Sachverständige könne er nicht vorlegen.
k) Inzwischen hat der Kläger das Mobiliar von der dem spanischen FA seinerzeit angegebenen Anschrift abgeholt und in seinem ebenfalls in E befindlichen, zur ... genutzten Haus aufgestellt. Dessen Anschrift hat er trotz Nachfrage des FA nicht genannt.
2. Nachdem der Kläger auf den Haftungsbescheid ... 2007 (oben 1.d) nicht gezahlt hatte, erließ das Regionalfinanzamt der F am ... 2008 eine Vollstreckungsanordnung (Providencia de Apremio) gegen den Kläger über 126.511,03 Euro (105.425,86 Euro Steuer und 20 % Säumniszuschlag 21.085,17 Euro) (FG-A Bl. 55). Die Vollstreckungsanordnung ist vom Leiter des Regionalfinanzamtes (El Jefe de la Dependencia Regional de Recaudación) unterschrieben und weist als Rechnungsnummer (clave de liquidación) XXX-5 aus. Die Vollstreckungsanordnung wurde dem Rechtsanwalt des Klägers am 15. Februar 2008 zugestellt (FG-A 3 V 254/09 Bl. 121).
II.
1. Mit E-Mail vom 22. Juni 2009 (FG-A 3 V 254/09 Bl. 108) übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in G über das CCN/CSI-Netz an das Bundeszentralamt für Steuern elektronisch ein Beitreibungsersuchen. Der E-Mail waren zwei Dateien angefügt, im pdf-Format die oben I.2. genannte Vollstreckungsanordnung und im Word-Format das ausgefüllte Pendelformular „Ersuchen um Beitreibung gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2008/55/EG” (Auszug Vo-Akte 2009 Bl. 1 bis 8). In diesem Formular sind u. a. folgende Kästchen angekreuzt:
Forderung ist nicht älter als 5 Jahre
Forderung ist Gegenstand eines Vollstreckungstitels
Forderung ist angefochten, aber die Gesetze, Verordnungen und die Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates erlauben die Beitreibung einer angefochtenen Forderung
im ersuchenden Staat wurden bereits ordnungsgemäße Beitreibungsmaßnahmen durchgeführt, die jedoch nicht zu einer vollständigen Tilgung der Forderungen führen werden
Ratenzahlung nur nach Rücksprache zulässig
betroffene Person ist Hauptschuldner
Das beigefügte pdf-Dokument wurde wie folgt identifiziert: „Enforcement Instrument for Income Tax (period 2000) Reg. no. XXX-5”.
Weiter wurden folgende Angaben gemacht:
Festsetzungsdatum: 17.09.2004
Zustellungsdatum: 02.11.2007
Hauptforderung: 126.511,03 Euro
Bis zum Datum des Ersuchens angefallene Zinsen: 8.552,49 Euro
Gesamtbetrag: 135.063,52 Euro
Datum, ab dem die Vollstreckung zulässig ist: 20.02.2008
Letzter Tag der Verjährungsfrist: 15.04.2012
2. Das Bundeszentralamt leitete die E-Mail an die Hamburger Finanzbehörde weiter, die diese wiederum mit E-Mail vom 23. Juli 2009 an das beklagte deutsche FA weiterleitete.
III.
1. Das deutsche FA erließ am 24. Juli 2009, abgesandt am 27. Juli 2009, eine Zahlungsaufforderung an den Kläger über 135.063,52 Euro, zu zahlen bis 10. August 2009. Darin wird ausgeführt, der Kläger schulde der „spanischen Steuerbehörde” „Einkommensteuer 2000” 126.511,03 Euro und „Nebenleistungen” 8.552,49 Euro. Weitere Angaben, z. B. eine Steuer- oder Rechnungsnummer, sind in der Zahlungsaufforderung nicht enthalten (Auszug Vo-Akte 2009 Bl. 12).
2. Gegen die Zahlungsaufforderung legte der Kläger mit Schreiben vom 21. August 2009, eingegangen am 25. August 2009, Einspruch ein und beantragte zugleich Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung. Das Leistungsgebot habe keine Rechtsgrundlage. Eine vorherige Anhörung sei nicht erfolgt, die erforderliche Begründung des Entschlusses zur Amtshilfe fehle. Der zu vollstreckende Steuerbescheid sei nicht klar konkretisiert, hierzu sei die Angabe von Steuernummer, Veranlagungsjahr, Steuerart und Steuerschuldner erforderlich. Das Leistungsgebot sei daher zu unbestimmt. Außerdem seien keine Angaben enthalten über den Zugang des Rechtshilfeersuchens aus Spanien, zu in Spanien durchgeführten Vollstreckungsversuchen und zur Vollstreckbarkeit bzw. dortigen Rechtsmittelverfahren. Ein persönlicher Einkommensteuerbescheid sei dem Kläger in Spanien nie bekanntgegeben worden (Auszug Vo-Akte 2009 Bl. 14).
3. Die deutschen Einkommensteuerbescheide des Klägers für 2001 und 2002 wurden am 28. Juli 2009 bzw. am 4. August 2009 geändert, woraus sich für den Kläger Erstattungsansprüche in Höhe von 63.918,54 Euro ergaben. Diese Beträge zahlte das FA zunächst nicht an den Kläger aus.
4.a) Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 27. August 2009 pfändete das FA bei sich selbst als Drittschuldner alle gegenwärtigen und zukünftigen Steuererstattungsansprüche des Klägers aus den Veranlagungsjahren 2001 und 2002 und ordnete die Einziehung an (Auszug Vo-Akte 2009 Bl. 28). Der Schuldgrund, wegen derer die Pfändung erfolgte, ist darin wie folgt bezeichnet: Der Kläger „schuldet der spanischen Steuerbehörde, ..., öffentlich-rechtliche Abgaben in Höhe von EUR 135.063,52.” Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung stellte das FA sich selbst durch seinen Vollziehungsbeamten am 28. August 2009 um 8.00 Uhr zu (Auszug Vo-Akte 2009 Bl. 30). Mit Schreiben vom 28. August 2009 an sich selbst, eingegangen am 17. September 2009, gab das FA die Drittschuldnererklärung dahingehend ab, dass die Pfändung der einzeln aufgeführten Erstattungsansprüche, insgesamt 63.918,54 Euro, anerkannt werde und die Bereitschaft bestehe, bei Fälligkeit zu leisten, allerdings eingeschränkt dahingehend, dass der „Pfändungs- und Überweisungsbeschluss” nur einen Ehegatten als Pfändungsschuldner ausweise und von der Pfändung daher nur dessen Anteil am Erstattungsanspruch erfasst werde (Auszug Vo-Akte 2009 Bl. 32).
b) Mit Schreiben vom 31. August 2009, abgesandt am 01. September 2009, übersandte das FA dem Kläger die für diesen bestimmte Abschrift der Pfändungs- und Einziehungsverfügung. Dabei teilte es das Datum der Zustellung an den Drittschuldner mit sowie Namen und Anschrift des spanischen FA, Steuernummer, Steuerart und Zeitraum, Festsetzungsdatum sowie Betrag von Hauptforderung und Zinsen (Auszug Vo-Akte 2009 Bl. 35).
5. Ebenfalls mit Schreiben vom 31. August 2009, ebenfalls abgesandt am 01. September 2009, nahm das FA zu dem Einspruchsschreiben Stellung und holte Angaben zum Leistungsgebot nach. Als Rechtsgrundlage bezeichnete es § 117 Abs. 4 AO i. V. m. § 114 AO i. V. m. § 254 AO. Es führte auch in diesem Schreiben die Angaben aus dem Beitreibungsersuchen aus, u. a. den Namen der spanischen Steuerbehörde und die Steuernummer, ferner die Steuerart, das Jahr, das Datum der spanischen Steuerfestsetzung sowie den Betrag der Hauptforderung und der Zinsen. Zugleich lehnte das FA eine Aussetzung der Vollziehung ab (Auszug Vo-Akte 2009 Bl. 33).
IV.
1. Mit Schriftsatz vom 4. November 2009 (vermutlich Schreibfehler, gemeint wohl 4. Dezember 2009), eingegangen bei Gericht am 7. Dezember 2009, beantragte der Kläger beim Gericht Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des Leistungsgebots vom 24. Juli 2009 (3 V 254/09). Er führte ergänzend u. a. an, Haftungsforderungen seien nicht vom Katalog der Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 EG-BeitrG umfasst. Ein spanischer Titel liege nicht in Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift vor. Die spanische Steuerbehörde habe in Spanien keinen Vollstreckungsversuch gegen den Kläger selbst, nur gegen die Gesellschaft unternommen.
2. Mit Beschluss vom 4. Februar 2010 (3 V 254/09, EFG 2010, 848, IStR 2010, 253, Juris) gewährte der erkennende Senat Aussetzung der Vollziehung, jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in voller Höhe, und ließ die Beschwerde zu.
a) Zwar habe der Kläger eine unbillige Härte weder substantiiert noch glaubhaft gemacht. Auch könne die spanische Steuerforderung grundsätzlich gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 EG-BeitrG vollstreckt werden. § 1 Abs. 2 Nr. 7 EG-BeitrG umfasse auch Haftungsforderungen. Das Leistungsgebot sei neben dem ausländischen Titel zulässig gewesen. Das Leistungsgebot sei auch durch die nachgereichten Angaben hinreichend konkretisiert, diese Angaben hätten das ursprünglich zu unbestimmte Leistungsgebot wirksam geheilt. Auf eine - unheilbare - Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung komme es nicht an, da diese ausdrücklich nicht Verfahrensgegenstand sei. Im Hinblick auf einen als fehlend gerügten Vollstreckungsversuch im ausländischen Staat sei es ausreichend, dass der ersuchende Staat bestätige, dass dort Vollstreckungsmaßnahmen ergebnislos verlaufen seien; eine insoweit unzutreffende Bestätigung sei vor den Gerichten des ersuchenden Staates anzufechten. Im Übrigen könne ein völlig aussichtsloser Vollstreckungsversuch nicht verlangt werden, der Kläger habe aber auf Nachfrage keinerlei eigene Vermögensgegenstände in Spanien bezeichnet, in die die spanische Steuerbehörde hätte vollstrecken können.
b) Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Leistungsgebots ergäben sich jedoch daraus, dass der vollstreckbare Titel nicht in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorliege. Für eine Ersetzung dieser Form durch elektronische Übermittlung fehlten wirksame unionsrechtliche Grundlagen.
3. Auf die Beschwerde des FA hob der Bundesfinanzhof - BFH - mit Beschluss vom 30. August 2010 (VII B 48/10, BFH/NV 2010, 2235, Juris) den Beschluss des erkennenden Senats auf und lehnte den Antrag des Klägers auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des Leistungsgebots ab.
Die Zahlungsaufforderung vom 24. Juli 2009 enthalte keine eigenständige, den Kläger belastende Regelung. Die Ankündigung der Vollstreckung stelle eine verwaltungsinterne, lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Maßnahme dar. Bei der Zahlungsaufforderung handele es sich daher nicht um ein Leistungsgebot i. S. v. § 254 Abs. 1 AO. Dieses sei vielmehr bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden gewesen, wodurch die Vollstreckung in Deutschland unmittelbar möglich sei.
V.
1. Mit seiner Klageschrift im Verfahren 3 K 205/10 vom 29. November 2010, eingegangen am 3. Dezember 2010, wandte sich der Kläger weiter gegen die Vollstreckung der spanischen Steuerschuld, nunmehr im Wege der Unterlassungs-, hilfsweise der Feststellungsklage.
2. Obwohl das FA die Auffassung vertritt, ein elektronisch übermitteltes Beitreibungsersuchen sei wirksam, hat es im Hinblick auf die Bedenken des erkennenden Senats die spanische Steuerbehörde um Übersendung eines Vollstreckungstitels in Papierform gebeten.
Diese übersandte die Vollstreckungsanordnung vom 1. Februar 2008 in Papierform, versehen mit einem unterschriebenen und mit Dienstsiegel gestempelten Beglaubigungsvermerk des spanischen Finanzministeriums vom 14. Januar 2011 (Original: FG-A 3 K 205/10 Bl. 73, Kopien: FG-A 3 K 205/10 Bl. 55-60), beim FA eingegangen am 15. Februar 2011 und beim Gericht eingegangen am 3. März 2011.
3. Der Kläger hat im Verfahren 3 K 205/10 zur Begründung der Klage vorgetragen:
Sowohl das spanische Beitreibungsersuchen als auch die Vollstreckung hieraus in Deutschland seien rechtswidrig, ungeachtet der Frage nach der Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden spanischen Steuerbescheide.
Es fehle bereits an einer Rechtsgrundlage für die Vollstreckung. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 EG-BeitrG sei zu unbestimmt, jedenfalls wenn es nicht um die Vollstreckung rechtskräftiger ausländischer Urteile, sondern um die Vollstreckung ausländischer Verwaltungsakte gehe, wie hier. Die Verordnung (EG) Nr. 1179/2008 sei eine reine Durchführungsverordnung und enthalte selbst keine Rechtsgrundlage.
Ferner verstoße die Vollstreckung auch gegen das EG-BeitrG selbst. Auf Haftungsansprüche finde dieses keine Anwendung, wie sich aus der Definition seines Anwendungsbereiches durch § 1 Abs. 2 EG-BeitrG ergebe. Der spanische Titel habe zunächst nicht im Original oder einer beglaubigten Abschrift vorgelegen. Die Nachreichung entsprechender Unterlagen könne eine Heilung im Vollstreckungsverfahren nicht bewirken. Auch fehle dem Beitreibungsersuchen die notwendige Übersetzung der Haftungsbescheide ins Deutsche.
Außerdem verstoße der gegen den Kläger erlassene spanische Haftungsbescheid gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung (ordre public) und dürfe deswegen hier nicht vollstreckt werden. Der spanische Haftungsbescheid gegen den Kläger sei ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig gewesen, weil das spanische FA nicht vorgängig in das in Deutschland befindliche Vermögen der Gesellschaft vollstreckt habe. Im Unterschied zur Vollstreckung rechtskräftiger ausländischer Gerichtsentscheidungen verlange die Vollstreckung angefochtener ausländischer Verwaltungsentscheidungen im Hinblick auf das aus dem Grundgesetz folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes eine besonders gründliche Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen den ordre public.
Schließlich habe das deutsche FA das spanische Beitreibungsersuchen inhaltlich nicht geprüft und keine Ermessenserwägungen angestellt, ob dieses in Deutschland vollstreckt werden solle. Sowohl aus Art. 12 Abs. 2 Unterabsatz 2 der EG-Beitreibungsrichtlinie als auch aus § 4 Abs. 1 Satz 2 des EG-BeitrG ergebe sich zumindest in dem Fall, dass nicht ein rechtskräftiges Urteil oder ein bestandskräftiger Bescheid vollstreckt werden solle, sondern ein Bescheid, der im ersuchenden Mitgliedstaat bereits vor dem Ersuchen angefochten worden sei - wie hier -, ein Ermessen des deutschen FA auch über das Ob der Vollstreckung. Davon gehe auch die Finanzverwaltung aus, wie sich aus dem „Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung (Beitreibung)” (BMF-Schreiben vom 19.01.2004, AO-Handbuch Anhang 52) ergebe, dort Tz. 3.1 Buchstabe c) und v. a. Tz. 3.2.6 Absatz 4 (”...entscheidet das FA, ob und ggf. welche Vollstreckungsmaßnahmen zu treffen sind”). Es liege somit ein Ermessensausfall vor.
4. Der Senat hat mit Urteil vom 26. Oktober 2011 die Unterlassungsklage als unzulässig und die Feststellungsklage als zulässig, aber unbegründet abgewiesen und die Revision zugelassen. Er hat ausgeführt, das EG-BeitrG sei eine geeignete Rechtsgrundlage, nicht nur für rechtskräftige ausländische Urteile, sondern auch für vollstreckbare ausländische Verwaltungsakte und auch für Haftungsforderungen. Bedenken, ob ein elektronisch übersandter Titel den Formerfordernissen des EG-BeitrG und der EG-Beitreibungsrichtlinien entspreche, seien durch Übersendung einer beglaubigten Abschrift in Papierform für künftige weitere Vollstreckungsmaßnahmen gegenstandslos; es könne offen bleiben, ob eine etwaige Rechtswidrigkeit der bereits durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen geheilt worden sei. Eine Übersetzung des spanischen Titels in die deutsche Sprache sei nicht erforderlich, da der aus Spanien stammende und dort als ... zugelassene Kläger naturgemäß auch ohne Übersetzung in der Lage sei, seine Rechte wahrzunehmen. Ein Verstoß gegen den ordre public liege nicht vor, weil zum einen nach deutschem Recht die Haftung des Geschäftsführers nicht subsidiär sei und daher nicht voraussetze, dass zunächst Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Steuerschuldner ergriffen würden; zum anderen sei die Ergiebigkeit einer Sachpfändung in das vom Kläger benannte Mobiliar ausgesprochen zweifelhaft. Weder aus dem EG-BeitrG noch aus der EG-Beitreibungsrichtlinie ergebe sich ein Entschließungsermessen des deutschen Vollstreckungsfinanzamtes, so dass auch kein Ermessensausfall vorliege.
VI.
1. Mit Schreiben vom 25. September 2009, beim FA eingegangen am 28. September 2009, legte der Kläger gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 27. August 2009 (oben III.4.) ebenfalls Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor: Die Pfändungsverfügung beruhe auf der ihrerseits rechtswidrigen Zahlungsaufforderung vom 24. Juli 2009; es fehle daher das notwendige vorherige Leistungsgebot. Fehlerhafte Leistungsgebote könnten nicht nachträglich geheilt werden (Rechtsbehelfsakte - Rb-A - Bl. 18).
2. Mit Einspruchsentscheidung vom 12. September 2011, abgesendet mit einfacher Post am selben Tage, wies das FA den Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung als zulässig, aber unbegründet zurück. Es führte aus: Das Leistungsgebot sei bereits im spanischen Haftungsbescheid enthalten gewesen, wie der BFH in seinem Beschluss vom 30. August 2010 (VII B 48/10, oben IV.3.) festgestellt habe. Ein Titel in Papierform müsse der deutschen Vollstreckungsbehörde trotz der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EG-BeitrG nicht vorliegen, weil Art. 21 Abs. 1 der seit 1. Januar 2009 unmittelbar geltenden EG-Beitreibungsverordnung die elektronische Übermittlung des Vollstreckungstitels vorschreibe. Selbst wenn man die Vorlage eines Titels in Papierform aufgrund unionsrechtlicher Zweifel für notwendig erachten sollte, wäre dies lediglich eine Formvorschrift, deren Verletzung gemäß § 127 AO nicht zur Aufhebung der Pfändungsverfügung führen würde, weil diese in der Sache richtig gewesen sei (Rb-A Bl. 21).
VII.
Hiergegen erhob der Kläger am 13. Oktober 2011 die hiesige Klage. Er trägt vor, sowohl die Zahlungsaufforderung vom 24. Juli 2009 als auch die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 27. August 2009 seien hinsichtlich der Steuerschuld, wegen derer die Pfändung erfolgt sei, unbestimmt und daher rechtswidrig. Eine Heilung von Vollstreckungsmaßnahmen sei nicht möglich, so dass es auf das Schreiben des FA vom 31. August 2009 nicht ankomme.
Der Kläger beantragt (FG-A Bl. 8), die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 27. August 2009 (ersatzlos) aufzuheben.
Das FA beantragt (FG-A Bl. 18), die Klage abzuweisen.
Für die Pfändung sei die Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung an den Drittschuldner entscheidend, bei der gemäß § 309 Abs. 2 Satz 2 AO die Angabe der Schuldsumme ohne Steuerart und Zeitraum ausreichend sei. Bei der anschließenden Übersendung der Ausfertigung an den Kläger als Vollstreckungsschuldner sei der Schuldgrund hinreichend konkretisiert worden.
VIII.
1. Aufgrund der „Richtlinie 76/308/EWG des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen” (im Folgenden: BeitreibungsRL a. F.) und der „Richtlinie 2002/94/EG der Kommission vom 09. Dezember 2002 zur Festlegung ausführlicher Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 76/308/EWG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen” (im Folgenden: DurchführungsRL a. F.) erließ der deutsche Gesetzgeber das „Gesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG-Beitreibungsgesetz - EG-BeitrG)”. Verschiedene Änderungen der zugrunde liegenden Richtlinien führten auch zu Änderungen des deutschen Gesetzes, insbesondere wurde der Anwendungsbereich, der sich ursprünglich auf Zölle und den Agrarmarkt beschränkte, auf Steuern erweitert.
2. Die BeitreibungsRL a. F. wurde ersetzt durch die „Richtlinie 2008/55/EG des Rates vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen” (im Folgenden: BeitreibungsRL n. F.), wobei gemäß Art. 25 Abs. 2 BeitreibungsRL n. F. Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie als Bezugnahmen auf die neue Richtlinie gelten nach Maßgabe der Entsprechungstabelle. Die BeitreibungsRL n. F. trat am 30. Juni 2008 in Kraft.
3. Die DurchführungsRL a. F. wurde ersetzt durch die „Verordnung (EG) Nr. 1179/2008 der Kommission vom 28. November 2008 zur Festsetzung der Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 2008/55/EG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen” (im Folgenden: DurchführungsVO n. F.), wobei gemäß Art. 31 Abs. 2 der DurchführungsVO n. F. Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie als Bezugnahmen auf die neue VO gelten. Die DurchführungsVO n. F. trat am 1. Januar 2009 in Kraft.
4. Die BeitreibungsRL n. F. ihrerseits wiederum wird ersetzt werden durch die „Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen” (im Folgenden: BeitreibungsRL künftige Fassung), wobei gemäß Art. 29 Abs. 2 BeitreibungsRL künftige Fassung Verweisungen auf die damit aufgehobene Beitreibungs-RL n. F. als Verweisungen auf die künftige Richtlinie gelten. Die BeitreibungsRL künftige Fassung ist gemäß ihrem Art. 28 Abs. 2 ab dem 1. Januar 2012 anzuwenden.
5. Die BeitreibungsRL a. F., die DurchführungsRL a. F., die BeitreibungsRL n. F. und die BeitreibungsRL künftige Fassung waren bzw. sind an die Mitgliedsstaaten gerichtet. Die DurchführungsVO n. F. ist gemäß ihrem Art. 32 Abs. 2 in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
6. Art. 7 Abs. 1 BeitreibungsRL a. F. und insoweit unverändert auch Art. 7 Abs. 1 BeitreibungsRL n. F. bestimmt, dass dem Ersuchen um Beitreibung einer Forderung eine amtliche Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie des in dem ersuchenden Staat ausgestellten Vollstreckungstitels beizufügen ist. Dementsprechend setzt die Vollstreckung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EG-BeitrG voraus, dass die ersuchende Behörde einen in ihrem Staat vollstreckbaren Titel in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorlegt.
7. a) Art. 22 BeitreibungsRL a. F. und insoweit unverändert Art. 22 BeitreibungsRL n. F. und Art. 26 BeitreibungsRL künftige Fassung ermächtigen die Kommission zum Erlass von Durchführungsbestimmungen im sog. Regelungsverfahren (Komitologie) zu bestimmten Artikeln der BeitreibungsRL, u. a. Art. 7 (a. F. = n. F.) bzw. Art. 12 (künftige Fassung), sowie zu bestimmten Gegenständen, u. a. zu den Kommunikationsmitteln, deren sich die Behörden bedienen können.
b) Art. 21 Abs. 1 DurchführungsRL a. F. bestimmte, dass alle gemäß dieser RL schriftlich erteilten Informationen soweit möglich auf elektronischem Wege übermittelt werden, mit Ausnahme von a) Zustellungsersuchen nebst zuzustellendem Dokument und b) Beitreibungsersuchen nebst entsprechendem Vollstreckungstitel. Gemäß Art. 21 Abs. 2 konnten die Behörden der Mitgliedsstaaten untereinander vereinbaren, auf die Übermittlung der vorgenannten Ersuchen und Instrumente in Papierform zu verzichten.
c) Art. 21 Abs. 1 DurchführungsVO n. F. bestimmt, dass alle Ersuchen, Vollstreckungstitel und Abschriften sowie alle übermittelten Informationen wenn möglich elektronisch über das CCN/CSI-Netz zu übermitteln sind und dass solche elektronisch übermittelten Dokumente oder deren Ausdrucke ebenso rechtsverbindlich sind wie postalisch übermittelte Dokumente. Art. 21 Abs. 2 bestimmt, dass bei der Übersendung einer Abschrift des Vollstreckungstitels die Übereinstimmung der Abschrift mit dem Original auf der Abschrift in der Amtssprache des ersuchenden Staates durch die Worte „beglaubigte Abschrift” zu bescheinigen ist und der Name des beglaubigenden Bediensteten sowie das Datum der Beglaubigung anzugeben ist. Gemäß Art. 21 Abs. 4 wird ein Ersuchen, wenn es nicht elektronisch übermittelt werden kann, per Post übersandt. In einem solchen Fall ist es von einem zur Stellung eines solchen Ersuchens ordnungsgemäß bevollmächtigten Bediensteten der ersuchenden Behörde zu unterzeichnen.
d) Art. 22 Abs. 1 DurchführungsRL a. F. und insoweit unverändert Art. 22 Abs. 1 DurchführungsVO n. F. sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat eine zentrale Stelle bestimmt, die in erster Linie für die elektronische Kommunikation mit den anderen Mitgliedsstaaten zuständig ist und an das CCN/CSI-Netz angeschlossen sein muss.
e) Gemäß E-Mail-Schreiben des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) vom 02. Februar 2010 regeln die jeweiligen Mitgliedsstaaten, wie viele Bedienstete und welche Zugang zum CCN-Netz haben. Es ist daher dem BZSt nicht bekannt, wie der Zugang zum CCN-Netz bei der Staatsbehörde für Steuerverwaltung in G geregelt ist und ob und wie diese die von den lokalen Steuerbehörden eingehenden E-Mails auf Authentizität überprüft (FG-A 3 V 254/09 Bl. 150).
8. Art. 21 Abs. 1 Unterabsatz 2 der BeitreibungsRL künftige Fassung bestimmt, dass der Vollstreckungstitel auf elektronischem Wege zu übermitteln ist, es sei denn, dies ist aus technischen Gründen nicht durchführbar.
IX.
Die Rechtsbehelfsakte „Pfändungs- und Einziehungsverfügung” lag vor. Der Hefter „Auszug Vo-Akte 2009 St.-Nr. .../.../... ...”, welcher anlässlich des Verfahrens 3 K 205/10 dem Senat im Original vorgelegen hat, wurde in Kopie zum hiesigen Anlageband genommen. Ferner lagen vor die Akten FG Hamburg 3 V 254/09 und 3 K 205/10, jeweils einschließlich Anlageband.
Gründe
B.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Pfändungsverfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
I.
Die Pfändungsverfügung ist nicht rechtswidrig, weil es an einer Rechtsgrundlage für die Vollstreckung insgesamt fehlen, das EG-BeitrG nicht für Haftungsforderungen gelten oder eine notwendige deutsche Übersetzung des Titels fehlen würde oder weil ein Verstoß gegen den ordre public oder ein Ermessensausfall vorläge. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit Bezug auf sein Urteil vom 26. Oktober 2011 (3 K 205/10, oben A.V.4., Abdruck FG-A Bl. 26), den Beteiligten durch Zustellung am 3. November 2011 bekannt.
II.
Die Pfändungsverfügung ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil darin der Schuldgrund (die spanische Haftungsforderung) nicht hinreichend genau bezeichnet wäre.
1.a) Der BFH hat in seinem - nach Einfügung der Vorschrift des § 309 Abs. 2 Satz 2 in die AO mit Wirkung ab 1. Januar 1987 erlassenen - Urteil vom 18. Juli 2000 ausgeführt:
aa) Die Angabe, wegen welcher Forderung gepfändet wird, gehört zum notwendigen Inhalt der Pfändungsverfügung. Denn die Rechtswirkung der Pfändungsverfügung besteht in dem Entstehen eines Pfändungspfandrechts der Vollstreckungsbehörde an der Forderung des Pfändungsschuldners gegen den Drittschuldner, also in der Belastung derselben mit dem Recht des Pfändungsgläubigers, aus der Sache Befriedigung für eine Forderung zu suchen. Es besteht mithin eine für das Pfandrecht wesentliche Beziehung zwischen der gepfändeten Forderung und einer bestimmten Forderung des Pfändungspfandgläubigers. Die gepfändete Forderung sichert nur dessen Anspruch auf Befriedigung für diese bestimmte Forderung, nicht für irgendwelche sonstigen Ansprüche, die er noch gegen den Pfändungsschuldner haben oder nach der Pfändung noch hinzuerwerben mag. Wird in der Pfändungsverfügung die Forderung des Vollstreckungsgläubigers nicht bezeichnet, so fehlt es mithin an der Angabe eines wesentlichen Merkmals einer solchen Verfügung. Deshalb muss der Bezug auf eine Forderung, welche durch das Pfandrecht gesichert wird, in der Pfändungsverfügung hinreichend zum Ausdruck kommen (BFH, Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BStBl II 2001, 5, Juris Rn. 10 f.).
bb) Die Pfändungsverfügung wird mit der Zustellung an den Drittschuldner wirksam, weswegen das Datum dieser Zustellung auch dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen ist; die Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner ist nicht lediglich eine Mitteilung von dem anderweit erfolgten Erlass eines Verwaltungsaktes. Es gibt daher nur eine einzige Pfändungsverfügung, die Pfändungsschuldner und Drittschuldner bekanntzugeben ist (BFH, Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BStBl II 2001, 5, Juris Rn. 11).
cc) Für diese eine Pfändungsverfügung sieht § 309 Abs. 2 Satz 2 AO vor, dass es ausreicht, wenn der beizutreibende Betrag nur in einer Summe bezeichnet wird - wie hier geschehen - ohne Angabe der Steuerarten und Zeiträume, für die er geschuldet wird (BFH, Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BStBl II 2001, 5, Juris Rn. 15 f.; ebenso Kögel in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 309 AO Rn. 62 und 101; Dißars in Schwarz, § 260 AO Rn. 7; Brockmeyer in Klein, § 309 AO Rn. 20).
b) aa) Zwar muss bei der anschließenden Mitteilung der Pfändungsverfügung (und des Datums ihrer Zustellung an den Drittschuldner) dem Vollstreckungsschuldner die beizutreibende Forderung möglichst genau bezeichnet werden, damit dieser die Berechtigung der Forderung prüfen und sich ggf. auch gestützt auf ein Bestreiten der Forderung oder ihrer Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit gegen die Pfändung zur Wehr setzen kann (vgl. BFH, Urteil vom 8. Februar 1983 VII R 93/76, BStBl II 1983, 435, Juris Rn. 11; ebenso Geist in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 260 AO Rn. 6; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 309 AO Rn. 38; Brockmeyer in Klein, § 260 AO Rn. 2 und § 309 AO Rn. 20 und 24; Kögel in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 309 AO Rn. 97).
bb) Das Schreiben des FA vom 31. August 2009, mit dem dem Kläger die Pfändungsverfügung übersendet wurde, hat die erforderlichen näheren Angaben jedoch enthalten (oben A.III.4.b), namentlich Name und Anschrift des spanischen Finanzamtes, unter „Aktenzeichen” die spanische Steuernummer („N.I.F.”) des Klägers, die sowohl im spanischen Haftungsbescheid also auch in der spanischen Vollstreckungsanordnung genannt war, Steuerart und Zeitraum, Festsetzungsdatum, Datum der Zustellung des spanischen Haftungsbescheids (mit Zahlendreher: 2. ... 2007 statt 20. ... 2007), Datum und Nummer des Beitreibungsersuchens, Betrag der Hauptforderung (126.511,03 Euro, entspricht dem Betrag der spanischen Vollstreckungsanordnung), aufgelaufene Zinsen (8.552,49 Euro) und Gesamtbetrag (135.063,52 Euro) (Auszug Vo-Akte 2009 Bl. 35 f.). Aufgrund dieser umfassenden Angaben kann nach Ansicht des Senats kein vernünftiger Zweifel entstehen, welche Forderung Gegenstand der Pfändungsverfügung war.
2. Soweit in der Literatur teilweise vertreten wird, bereits die ursprüngliche Pfändungsverfügung in der Vollstreckungsakte müsse diese Angaben enthalten, folgt der Senat dem nicht.
a) aa) Explizit formuliert Dißars, dass die Einschränkung des § 309 Abs. 2 Satz 2 AO nur für die dem Drittschuldner zuzustellende Ausfertigung der Pfändungsverfügung gelte. Für die Bestimmung des Inhalts der Forderung erlange die bei den Vollstreckungsakten verbleibende Anordnung der Pfändung wesentliche Bedeutung (Dißars in Schwarz, § 309 AO Rn. 23).
bb) Ähnlich äußern sich mehrere Autoren dahingehend, die gemäß § 260 AO erforderlichen Angaben seien in einer Anlage zur Pfändungsverfügung aufzuführen (Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 260 AO Rn. 9; Geist in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 260 AO Rn. 6; Kögel in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 309 AO Rn. 63 f.). Dies könnte dahin verstanden werden, dass eine Spezifizierung des Schuldgrundes nur in dem Übersendungsschreiben an den Vollstreckungsschuldner, das das Datum der Zustellung an den Drittschuldner mitteilt und deswegen regelmäßig zeitlich erst nach dieser Zustellung ergeht, oder auf sonstige Art und Weise außerhalb der Pfändungsverfügung selbst nicht ausreicht.
cc) Auch die sog. „Vollstreckungsanweisung” (Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung vom 13. März 1980, BStBl I 1980, 112, abgedruckt z. B. im Amtlichen AO-Handbuch 2011 Anhang 37), dort Tz. 41 Abs. 2 Nr. 2, bestimmt ausdrücklich, dass die Pfändungsverfügung enthalten muss: ”... 2. ... und den Schuldgrund, zum Beispiel Steuerart, Entrichtungszeitraum (§ 260 AO), wobei es genügt, wenn diese Angaben aus einer der Pfändungsverfügung beigefügten Anlage hervorgehen; ...”.
b) Hiergegen spricht jedoch, dass gemäß § 124 Abs. 1 AO ein Verwaltungsakt mit dem Inhalt wirksam wird, mit dem er bekannt gegeben wird. Es ist außerdem allgemein anerkannt, dass die Pfändung mit Zustellung an den Drittschuldner wirksam wird; die anschließende Bekanntgabe auch an den Vollstreckungsschuldner (Zustellung ist bei diesem in § 309 Abs. 2 AO nicht vorgeschrieben, anders § 829 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ist zwar erforderlich, damit dieser seine Rechte wahrnehmen kann und um ihm gegenüber die Einspruchsfrist in Lauf zu setzen, für die Wirksamkeit der Pfändung aber unerheblich (BFH, Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 80/84, BStBl II 1987, 251, Juris Rn. 14; BFH, Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BStBl II 2001, 5, Juris Rn. 11 f.; BFH, Beschluss vom 14. November 2006 IX B 186/05, BFH/NV 2007, 388, Juris Rn. 2; Beermann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 309 AO Rn. 99 und 116; Kögel in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 309 AO Rn. 96; Dißars in Schwarz, § 309 AO Rn. 25 und 27; Brockmeyer in Klein, § 309 AO Rn. 24). Die Angabe, wegen welcher Forderung gepfändet wird, gehört jedoch zum notwendigen Inhalt der Pfändungsverfügung (ausführlich oben II.1.a.aa). Der Inhalt der Pfändung als Verwaltungsakt kann daher nicht von Aktenbestandteilen der Vollstreckungsakte abhängig sein, die für die Wirksamkeit der Pfändung gar nicht bekanntgegeben werden müssen. Der Inhalt der Pfändung muss bereits aus der dem Drittschuldner zugestellten Ausfertigung der Pfändungsverfügung ersichtlich sein, eine Konkretisierung anhand zusätzlicher, (noch) nicht bekanntgegebener Aktenbestandteile scheidet aus.
c) Die Literaturansicht, die auf das Original der Pfändungsverfügung in der Vollstreckungsakte abstellt, ergibt sich vermutlich aus Missverständnissen.
aa) Sie gründet sich zum einen auf das Urteil des BFH vom 8. Februar 1983 VII R 93/76, BStBl II 1983, 435, das jedoch noch zu § 334a RAO und insbesondere vor Einfügung von § 309 Abs. 2 Satz 2 AO durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 mit Wirkung ab 1. Januar 1987 erging. Ausführungen in diesem Urteil zur Substantiierung des Schuldgrundes in der Pfändungsverfügung sind durch die gesetzliche Neuregelung aber obsolet.
bb) Der BFH hat in seinem Urteil vom 18. Juli 2000 dementsprechend klargestellt, dass die (neue) Regelung des § 309 Abs. 2 Satz 2 AO die bisherigen Regelungen über den Inhalt der Pfändungsverfügung modifiziert hat (BFH, Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BStBl II 2001, 5, Juris Rn. 15).
cc) Möglicherweise könnten einzelne Sätze der vorgenannten neueren BFH-Entscheidung ohne Beachtung ihres Zusammenhangs im Sinne dieser Literaturansicht missverstanden werden, etwa wenn der BFH ausführt: „Wird in der Pfändungsverfügung die Forderung des Vollstreckungsgläubigers nicht bezeichnet, so fehlt es mithin an der Angabe eines wesentlichen Merkmals einer solchen Verfügung...” (a. a. O. Juris Rn. 10), „Deshalb muss der Bezug auf eine Forderung ..., welche durch das Pfandrecht gesichert wird, in der Pfändungsverfügung hinreichend zum Ausdruck kommen ... Es ergeht also nicht etwa eine Pfändungsverfügung gegenüber dem Drittschuldner und eine gesonderte weitere Verfügung gegenüber dem Pfändungsschuldner, so dass der Inhalt der einen unabhängig von den Anforderungen an den Inhalt der anderen bestimmt werden könnte” (a. a. O. Juris Rn. 11), „Dass in der Pfändungsverfügung der Zusammenhang zwischen den beizutreibenden Beträgen und der Pfändungsmaßnahme herzustellen ist, ...” (a. a. O. Juris Rn. 13) und „§ 30 Abs. 1 AO ... vermöchte auch in der Tat nichts daran zu ändern, dass die Konkretisierung, wegen welcher Vollstreckungsforderung die Pfändung erfolgt ..., aus den erläuterten Gründen des Vollstreckungsrechts zum notwendigen Inhalt einer Pfändungsverfügung ... gehört ...” (a. a. O. Juris Rn. 16).
Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass der BFH (a. a. O. Juris Rn. 15) klargestellt hat, dass § 309 Abs. 2 Satz 2 AO den notwendigen Inhalt der Pfändungsverfügung modifiziert (nämlich reduziert) hat.
III.
Die Pfändung ist schließlich auch nicht deswegen rechtswidrig, weil zum Zeitpunkt des Erlasses der Pfändungsverfügung der ausländische Titel nicht in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie und damit eine Vollstreckungsvoraussetzung nicht vorgelegen hätte.
1. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 4. Februar 2010 (3 V 254/09, EFG 2010, 848, IStR 2010, 253, Juris, vgl. oben A.IV 2.) im AdV-Verfahren Zweifel geäußert. Diese beruhten auf folgenden Erwägungen:
a) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EG-BeitrG muss der ausländische Titel in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorliegen. Zum Pfändungszeitpunkt lag ein Titel in Papierform nicht vor, lediglich eine von der Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid als der ersuchenden spanischen Behörde an das BZSt per E-Mail übersandte Datei im sog. pdf-Format (portable document format), die hier mittels geeigneter Lesesoftware (z. B. Adobe Reader, Acrobat Reader) am Computerbildschirm betrachtet oder ausgedruckt werden kann.
b) Eine per E-Mail übersandte Datei entspricht nicht dem deutschen Sprachgebrauch von „in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie”.
c) Zwar ist zu beachten, dass das EG-BeitrG gemäß seinem § 1 Abs. 1 der Umsetzung der BeitreibungsRL (a. F.) und der DurchführungsRL (a. F.) dient, so dass seine Vorschriften im Lichte dieser europäischen Rechtsnormen auszulegen sind. Art. 7 Abs. 1 BeitreibungsRL a. F. bestimmte jedoch entsprechend, dass dem Ersuchen um Beitreibung einer Forderung eine amtliche Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie des in dem ersuchenden Staat ausgestellten Vollstreckungstitels beizufügen ist. Art. 21 Abs. 1 DurchführungsRL a. F. bestimmte, dass speziell Beitreibungsersuchen nebst entsprechendem Vollstreckungstitel gerade nicht auf elektronischem Wege zu übermitteln waren. Ein von dem üblichen deutschen Sprachgebrauch abweichender gemeinschaftsrechtlicher Begriff von „in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie” kann daher nicht festgestellt werden.
d) Eine der Papierform rechtlich gleichwertige Datei als Vollstreckungstitel könnte sich daher nur aus Art. 21 Abs. 1 DurchführungsVO n. F. ergeben. Die DurchführungsVO gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat und würde daher, soweit an-wendbar und gültig, entgegenstehenden Vorschriften des EG-BeitrG vorgehen.
e) Der Senat hatte seinerzeit Zweifel an der Gültigkeit von Art. 21 Abs. 1 DurchführungsVO n. F. Denn bei BeitreibungsRL und DurchführungsVO handelt es sich um ein sog. „gestuftes Sekundärrechtsverhältnis”: Der Rat überträgt Rechtssetzungsbefugnisse auf die Kommission zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften (Art. 202 Spiegelstrich 3, Art. 211 Spiegelstrich 4 des EG-Vertrages [EGV] in der zum Zeitpunkt des Erlasses der DurchführungsVO noch geltenden Fassung, inzwischen Art. 290 Abs. 1 und 3, Art. 291 Abs. 2 und 4 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]). Die BeitreibungsRL ist der sog. „Basisrechtsakt”. Zweifelhaft erschien, ob noch eine „Durchführung” der Richtlinie des Rates vorliegt, wenn die Kommission in Art. 21 Abs. 1 DurchführungsVO n. F. vorschreibt, dass Vollstreckungstitel elektronisch zu übermitteln und elektronisch übermittelte Dokumente oder deren Ausdrucke ebenso rechtsverbindlich sind wie postalisch übermittelte Dokumente. Denn eine Computerdatei ist nach üblichem Sprachgebrauch keine amtliche Ausfertigung oder beglaubigte Kopie, und die Übersendung einer Datei per E-Mail entspricht auch nicht der Vorstellung von „beifügen” im herkömmlichen Sinne. Sinn und Zweck der Beifügung einer amtlichen Ausfertigung oder beglaubigten Kopie ist der Nachweis der Authentizität.
2. Nach dem zweifelnden Beschluss des Senats im AdV-Verfahren vom 4. Februar 2010 hat der Rat jedoch am 16. März 2010 die BeitreibungsRL künftige Fassung erlassen. Durch diesen Basisrechtsakt ist nunmehr zweifelsfrei klargestellt, dass der Rat als Gesetzgeber der Union die Übermittlung auch des Vollstreckungstitels mittels E-Mail in seinen Willen aufgenommen hat (Art. 21 Abs. 1 Unterabsatz 2 BeitreibungsRL künftige Fassung). Die Bedenken des Senats gegen die Gültigkeit von Art. 21 Abs. 1 DurchführungsVO n. F. bestehen daher nicht mehr fort. Die Übermittlung des ausländischen Vollstreckungstitels war auch im elektronischen Rechtsverkehr zulässig.
3. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er hinsichtlich der Gültigkeit von Art. 21 Abs. 1 DurchführungsVO n. F. auch gar keine Verwerfungskompetenz hätte. Auch als nicht letztinstanzliches Gericht darf er zwar die Gültigkeit selbst prüfen und bejahen, eine Ungültigerklärung ist jedoch dem EuGH vorbehalten und würde daher - entgegen dem Wortlaut von Art. 267 Abs. 2 AEUV - eine Vorlage zum EuGH erfordern (EuGH, Urteil vom 22. Oktober 1987 314/85 „Foto-Frost”, NJW 1988, 1451, Rn. 13-17; zustimmend Kotzur in Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art. 267 AEUV Rn. 20).
IV.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
2. Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO.
Die Frage, ob der Schuldgrund bereits in der in der Vollstreckungsakte verbleibenden Urschrift der Pfändungsverfügung genau konkretisiert sein muss, wird in der Literatur auch im Anschluss an das Urteil des BFH vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BStBl II 2001, 5 unterschiedlich beurteilt. Eine weitere Klarstellung ist daher in Anbetracht der hohen Praxisrelevanz wünschenswert.