01.02.2012
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 07.07.2011 – 3 K 1285/09
1. Der Vorbezug eines im Inland ansässigen Steuerpflichtigen, der von einer öffentlich-rechtlichen Schweizerischen Pensionskasse zum Erwerb einer Eigentumswohnung gewährt wird, ist als Abfindung einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Nr. 3 EStG steuerfrei.
2. Arbeitgeberbeiträge an eine Schweizerische öffentlich-rechtlich organisierte Versicherungskasse sind nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung in der Sitzung vom 07. Juli 2011 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
1. Unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids vom 17. April 2009 wird die Einkommensteuer auf …EUR festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu 90 % und die Kläger zu 10 % tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung von mehr als 1.500 EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrags erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung oder durch Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1964 geborene Kläger und die 1972 geborene Klägerin sind Eheleute, die für den Veranlagungszeitraum 2005 (Streitjahr) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Die Kläger sind seit dem 6. Dezember 2004 verheiratet.
Die Kläger haben ihren Wohnsitz im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG 2005) in K. und sind dort auch ansässig im Sinne von Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) in der Fassung des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) – DBA-Schweiz 1971/1992 –.
Die Kläger haben eine Ausbildung als Magister der Soziologie bzw. als DiplomPsychologin (in der Bundesrepublik Deutschland) abgeschlossen. Die Funktionsbezeichnung für ihre Tätigkeit lautet jeweils: Diplom-Sozialpädagoge II.
Der Kläger arbeitet seit dem 15. Mai 1998 als öffentlich-rechtlicher Angestellter beim Jugendheim Kanton S (Hinweis auf die Zustimmungserklärung vom 15. Mai 1998 des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons S; vgl. im Übrigen Art. 6 Abs. 3 der Verordnung über den Staatsdienst vom 5. März 1996, Amtliche Gesetzessammlung des Kantons S –sGS– www.gallex.ch) und zwar in Teilzeit (Beschäftigungsgrad: 90 % [s. Versicherungsausweis per 30. April 2005]). Das Jugendheim dient der Unterbringung von zivil- und strafrechtlich eingewiesenen Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen. Der Kläger ist Leiter der geschlossenen Wohngruppe X (wegen weiterer Einzelheiten: s. www.platanenhof.sg.ch).
Die Klägerin arbeitet seit dem 1. März 2000 ebenfalls als öffentlich-rechtliche Angestellte beim Jugendheim als Mitglied des Teams (und zwar in Teilzeit [Beschäftigungsgrad im Streitjahr: 40 %]; vgl. die Verfügungen vom 23. Februar 2000 und 7. Februar 2001 des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons S, und den Versicherungsausweis per 30. April 2005).
Seit ihrer Arbeitsaufnahme in der Schweiz unterliegen die Kläger –insoweit zu Recht unstreitig zwischen den Beteiligten– mit den vom Justiz- und Polizeidepartement des Kantons S bezogenen Einkünften aus unselbständiger Arbeit als Grenzgänger im Sinne des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 der Besteuerung im Inland (Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 27. August 2008 I R 10/07 [BStBl II 2009, 94] und 1 R 64/07 [BStBl II 2009, 97]).
Mit Beginn seiner Tätigkeit für das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons S wurde der Kläger Mitglied der Versicherungskasse für das Staatspersonal des Kantons S (im Folgenden: Versicherungskasse; Hinweis auf: www.pensionskasse.sg.ch.). Die Versicherungskasse dient der Sicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen des Alters, der Invalidität, des Todes und der unverschuldeten Nichtwiederwahl (Art. 1 Abs. 1 der im Streitjahr geltenden Fassung der Verordnung über die Versicherungskasse für das Staatspersonal vom 5. September 1989, sGS 143.7 –VVK–). Sie ist gemäß Art. 1 Abs. 2 VVK eine unselbständige (vgl. hierzu: Pittet, Die öffentlichen Pensionskasse in der Schweiz, zu VII 2. b: Brühwiler in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, Ulrich Meyer [Hrsg.] 2. Aufl., – im Folgenden: Meyer/Bearbeiter – M Obligatorische berufliche Vorsorge Rn. 24 ff.) öffentlich-rechtliche Anstalt des Staates und eine registrierte Vorsorgeeinrichtung nach Art. 48 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 –BVG– ‚Systematische Sammlung des Bundesrechts’ – SR – 831.40, www.admin.ch, „direkt zu Bundesgesetze”; im Übrigen wird hingewiesen auf die tatsächlichen rechtlichen Feststellungen zu öffentlich-rechtlichen Personalfürsorgeeinrichtungen in der Schweiz im Senatsurteil vom 28. April 2010 3 K 1464/08 –nicht rechtskräftig, Revision eingelegt, BFH.Az.: X R 33/10 – juris, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2011, 1798; Meyer/Walser, a.a.O., N, Weitergehende berufliche Vorsorge, Rn. 76 ff.).
Die Versicherung umfasst die nach dem BVG obligatorisch zu versichernden Arbeitnehmer des Staates (Art. 2 Abs. 1 VVK). Das BVG enthält Mindestvorschriften. Aus dem BVG ergibt sich, welche Personen Versicherungsleistungen erhalten und wie hoch diese Leistungen im Alter, im Todesfall oder im Invaliditätsfall mindestens sein müssen. Diese Leistungen werden als BVG-Mindestleistungen und das entsprechende Versicherungssystem als BVG-Obligatorium bezeichnet. (Tz. 2.1 der Informationsbroschüre für die Versicherten der Versicherungskasse für das Staatspersonal des Kantons S –im Folgenden: Informationsbroschüre–).
In welcher Höhe Vorsorgeleistungen im Alter, im Todesfall oder im Invaliditätsfall tatsächlich bezahlt werden, ergibt sich jedoch primär nicht aus dem BVG, sondern aus den reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung im VVK. Diese Leistungen werden als reglementarische Vorsorgeleistungen bezeichnet. Wenn diese höher sind als die BVG-Mindestleistungen, spricht man vom Überobligatorium. Soweit die Versicherungskasse mehr als die Mindestleistungen gewährt, gelten (für die weitergehende berufliche Vorsorge) nur die in Art. 49 Abs. 2 BVG genannten Vorschriften des BVG (Meyer/Walser, a.a.O., N Rn. 9 ff.). Da die Versicherungskasse nicht in die Rechtsform einer Stiftung gekleidet ist, kommt Art. 89 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches – ZGB – nicht zur Anwendung. Zudem ergeben sich die auf das Überobligatorium anzuwendenden Vorschriften nur aus der Verweisung in Art. 49 Abs. 2 BVG.
Die reglementarischen Vorsorgeleistungen der Versicherungskasse sind in der Regel höher als die BVG-Mindestleistungen. Sollte dies ausnahmsweise nicht zutreffen, bezahlt die Versicherungskasse nicht die reglementarischen Vorsorgeleistungen gemäß VVK, sondern die höheren Mindestvorsorgeleistungen nach dem BVG.
Die BVG-Mindestleistungen (aber auch nur diese) werden von der Versicherungskasse in jedem Fall gewährleistet. Aus diesem Grund führt die Versicherungskasse in jedem Fall für jede Versicherte Person zwei Versicherungsverhältnisse, nämlich ein Versicherungsverhältnis gemäß VVK und ein Versicherungsverhältnis gemäß BVG-Obligatorium. Das Versicherungsverhältnis gemäß BVG-Obligatorium wird als Vergleichsrechnung geführt zur Sicherstellung der BVG-Mindestleistungen. Es wird als BVG-Schattenrechnung bezeichnet (Tz. 2.2 der Informationsbroschüre).
Die Versicherung der Versicherungskasse gliedert sich in die:
| Risikoversicherung | |
| Rentenversicherung | |
| Sparversicherung | |
| Ruhegehaltsordnung für Magistratspersonen (Art. 5 VVK). |
Der Kläger leistete im Streitjahr insgesamt Beiträge (vgl. Art. 27 VVK) an die Versicherungskasse in Höhe von 7.370 CHF (= 6.172,80 CHF [regelmäßige Beiträge + 1.197,60 CHF [Nachzahlungen, s. den vorgenannten Auszug und die Mitteilung der Versicherungskasse zu den Nachzahlungen im Streitjahr vom 26. Januar 2005). Die (regelmäßigen) Beiträge seines Arbeitgebers beliefen sich im Streitjahr auf 6.294 CHF und für Nachzahlungen auf 1.197,60 CHF (insgesamt: 7.491,60CHF).
Die Klägerin gehörte seit ihrem Eintritt in die Versicherungskasse zunächst vom 1. März 2001 bis zum 24. August 2004 dem Vorsorgeplan Rentenversicherung an und seit diesem Zeitpunkt der Sparversicherung (Art. 8 BVG), deren Beiträge (Art. 75 VVK) und Leistungen (Art. 78 VVK) sich nach dem Beitragsprimat errechnen.
Die Beiträge der Klägerin an die Versicherungskasse betrugen im Streitjahr 3.409 CHF (s. die Angaben im Lohnausweis für das Streitjahr zu I. A D) darin enthalten der „Beitrag SV AN” von 2.154 CHF und „die Beiträge AG vom AN unb. Urlaub (AN)” von 1.254,75 CHF (Konto 0000029944), diejenigen ihres Arbeitgebers auf 3.405,75 CHF (= 2.151 CHF [Beitrag SV AG, + 1.254,75 CHF [Beiträge AG vom AN unb. Urlaub AG).
Mit den Anträgen vom Juli 2005 machten der Kläger und die Klägerin bei der Versicherungskasse einen Kapitalbezug zur Wohneigentumsförderung geltend (sog. Vorbezug für Wohneigentum nach Art. 30 Buchstaben a-g BVG für den obligatorischen Bereich und nach Art. 331 Buchstaben d und e des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Fünfter Teil: Obligationenrecht] vom 30.März 1911 – OR – [SR 220] für den überobligatorischen Bereich, jeweils in Verbindung mit den Vorschriften der Verordnung über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge vom 3. Oktober 1994 in der im Streitjahr geltenden Fassung – WEFV – SR 831.411 und Art. 65 VVK, Hinweis auf Senatsurteil vom 28. April 2009 3 K 1285/08 – nicht rechtskräftig, Revision eingelegt, BFH Az.: VIII R 39/10 – juris, EFG 2011, 1799). Der Vorbezug sollte verwendet werden zur Erstellung von Wohneigentum für den eigenen Bedarf der Kläger auf dem Grundstück in K. Die Klägerin machte einen Betrag von 21.000 CHF, der Kläger von 80.000 CHF geltend.
Nach positiver Prüfung der Anträge durch die Versicherungskasse wurden 19.740 CHF (= 21.000 CHF ./. 1.260 CHF [einbehaltene und an die Eidgenössische Steuerverwaltung – ESTV – abgeführte Quellensteuer]) und 74.890 CHF (= 80.000 CHF ./. 5.110 CHF [Quellensteuer]) auf das von den Klägern genannte Konto bei der S-Bank in K per überwiesen. Von dort erfolgten dann die Überweisungen zur Finanzierung der inzwischen von den Klägern eigengenutzten Wohnung in K.
Der Vorbezug zugunsten der Klägerin erfolgte in Höhe von 7.064 CHF aus dem Obligatorium, der zugunsten des Klägers in Höhe von 34.234,25 CHF.
Die von den Klägern an die ESTV gerichteten Anträge auf Rückerstattung der Quellensteuer wurden unter (konkludentem) Hinweis auf das Kassenstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 abgelehnt (s. die Verfügungen des Kantonalen Steueramts [Finanzdepartement des Kantons S] vom 30. Mai 2008). Die Kläger sind nicht mit den insoweit in der Schweiz in Betracht kommenden Rechtsbehelfen (Einsprachen) gegen die vorgenannten Verfügungen vorgegangen. Die Ablehnung steht in Übereinstimmung mit den Angaben im von der ESTV herausgegebenen Merkblatt (Stand: 1. Juli 2005) über die Quellenbesteuerung von öffentlich-rechtlichen Vorsorgeleistungen (Hinweis im Übrigen auf das Merkblatt des Kantonalen Steueramts des Kantons S über die Besteuerung an der Quelle von öffentlich-rechtlichen Vorsorgeleistungen an Personen ohne Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz, gültig ab 1. Januar 2011 zu IV.1.; Quellensteuer-Verfügung vom 10. April 2006 der Steuerverwaltung des Kantons Thurgau).
In der am 6. Juli 2006 beim Beklagten (dem Finanzamt – FA –) für das Streitjahr eingereichten Einkommensteuererklärung machten die Kläger zwar zum Grunde und zur Höhe des Vorbezugs Angaben, gingen jedoch ersichtlich davon aus, dass die in diesem Zusammenhang erfolgten Zahlungen nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen seien. Die lt. Anlage N-Gre vorgesehene Berechnung der als Lohnzuwendung steuerpflichtigen Beiträge des Arbeitgebers zur Versicherungskasse nahmen sie nicht vor. Angaben zur Höhe dieser Beiträge machten die Kläger nicht.
Im Einkommensteueränderungsbescheid vom 17. April 2009, der gemäß § 68 Satz 1 FGO in zulässiger Weise zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde, setzte das FA den Vorbezug der Kläger von insgesamt 101.000 CHF als Einnahmen aus sonstigen Bezügen an und zwar als andere Leistung im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG 2005. Deren Höhe berechnete es auf 65.145 EUR (= 101.000 CHF [nach dem im Streitjahr maßgeblichen durchschnittlichen Umrechnungskurs von 100 CHF = 64,50 EUR./. 32.573 EUR (nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Sätze 3 und 4 EStG 2005 „steuerfreier Teil der Rente”). Unter Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrags von jeweils 102 EUR ergaben sich sonstige Einkünfte des Klägers von 25.698 EUR und solche der Klägerin von 6.670 EUR.
Den Hinweis des Berichterstatters auf den (im BFH-Urteil vom 3. Dezember 2009 VI R 4/08 [BStBl II 2010, 698, s. hierzu die „Nichtanwendungsverfügung” der Oberfinanzdirektion Karlsruhe – OFD – vom 18. Oktober 2010 S 227.5/51 – St 217/CH]) zur Umrechnung von Einnahmen und Ausgaben von CHF in EUR gefundenen „goldenen Mittelweg” (Anm. Gs in Deutsches Steuerrecht – DStR – 2010, 479) auf der Grundlage der monatlichen Durchschnittsreferenzkurse nahmen die Beteiligten entgegen und veranlassten –wie üblich– nichts.
Die vom FA der Höhe nach auf 7.370 CHF ermittelten Arbeitgeberbeiträge zur Versicherungskasse (den Kläger betreffend) und von 3.409 CHF (die Klägerin betreffend) beurteilte das FA insgesamt als nach „§ 3 Nr. 62 EStG” steuerfrei (s. dessen Schreiben vom 7. Mai 2005 zu c). Diese Beiträge rechnete das FA im Rahmen der Ermittlung der Sonderausgaben den abziehbaren Vorsorgeauswendungen hinzu (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 2005). Zur Ermittlung des letztlich als Sonderausgaben abziehbaren Betrages zog das FA von den – um den Übergangsfaktor von 60 % gekürzten – Vorsorge – aufwendungen (§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG 2005) den zuvor angegebenen steuerfreien Arbeitgeberanteil zur Versicherungskasse wieder ab (§ 10 Abs. 3 Satz 5 EStG 2005).
Die eigenen Beiträge des Klägers an die Versicherungskasse in Höhe von 7.370 CHF und diejenigen der Klägerin in Höhe von 3.409 CHF berücksichtigte das FA bei der Ermittlung des abziehbaren Teils der Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG 2005 in vollem als Beiträge zu einer gesetzlichen Rentenversicherung.
Die von der Versicherungskasse vom Vorbezug einbehaltene Schweizerische Quellensteuer in Höhe von insgesamt 6.370 CHF (= 4.108,65 EUR unter Berücksichtigung des für das Streitjahr festgelegten jährlichen Umrechnungskurses) zog das FA nach § 34c Abs. 1 (Satz 2) EStG 2005 auf Antrag der Kläger lediglich in Höhe von 2.932 EUR aus sachlichen Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) von der tariflichen Einkommensteuer ab unter Hinweis auf die Anweisungen im von der baden-württembergischen Finanzverwaltung herausgegebenen sog. „Grenzgängerhandbuch” zu Fach A Teil 2 Nr. 2 (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 8. Dezember 2010 I R 92/09, BStBl II 2011, 488; Vorentscheidung: Senatsurteil vom 24. September 2009 3 K 4130/08, EFG 2010, 780). Bei der Berechnung der anzurechnenden Steuer ging das FA davon aus, dass die Kläger Grenzgänger seien, und deshalb die anzurechnende Quellensteuer auf 4,5 % des Vorbezugs zu begrenzen sei (s. Art. 19 Abs. 5 DBA-Schweiz 1971/1992 in Verbindung mit Art. 15a Abs. 3 Buchstabe a DBA-Schweiz 1971/1992). Welche Schweizer Bundes-, Gemeinde- und Kantonssteuer der Quellensteuerabzug betrifft, lässt sich den Verfügungen der ESTV nicht entnehmen.
Die Kläger sind auch im Klageverfahren weiterhin der Auffassung, dass der Vorbezug nicht der Einkommensteuer unterliegt.
Die Kläger beantragen, den Einkommensteueränderungsbescheid vom 17. April 2009
unter Wegfall des Vorbezugs in Höhe von 101.000 CHF zu ändern,
hilfsweise
die Revision zuzulassen
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im wesentlichen begründet. Zu Unrecht hat das FA im angegriffenen Einkommensteueränderungsbescheid den Vorbezug (vgl. hierzu grundlegend: Stauffer, Berufliche Vorsorge, 2005, Rn. 953 ff.) der Kläger in Höhe von insgesamt 101.000 CHF zur Errichtung der Eigentumswohnung in Konstanz, Zogelmannstraße 6 B zum eigenen Bedarf als nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG 2005 steuerpflichtige Einnahme aus sonstigen Einkünften beurteilt (siehe nachfolgend zu I.). Im Übrigen hat das FA zu Unrecht die gesamten Beiträge des Arbeitgebers der Kläger (des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons S) zur beruflichen Vorsorge an die Versicherungskasse als nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2005 steuerfreie Lohnzuwendung behandelt (siehe nachfolgend zu II.). Diese Arbeitgeberbeiträge sind auch nicht teilweise nach § 3 Nr. 63 EStG 2005 steuerfrei (siehe nachfolgend zu III.).
I. Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG 2005 (in Verbindung mit § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG 2005) rechnen zu den Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie (wie im Streitfall) nicht zu den § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkünften gehören –soweit für den Streitfall allein in Betracht kommend–andere Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen.
1.a) Der erkennende Senat hat im Urteil vom 28. April 2010 3 K 1464/08 (nicht rechtskräftig – Revision eingelegt, BFH-Az.: X R 33/10 – juris, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2011, 1798) entschieden, dass das Vorsorgeverhältnis zwischen einer öffentlich-rechtlichen Pensionskasse und einem Vorsorgenehmer/Arbeitnehmer – ausgehend vom Schweizerischen Recht (Hinweis in diesem Zusammenhang auf die Erwägungen im BFH-Urteil vom 29. April 2009 X R 31/08, BFH/NV 2009, 1625, zu II. 1.b; vgl. im Übrigen: Pittet, a.a.O., zu VII) – sowohl im Obligatorium als auch im Überobligatorium im Wege einer typisierenden Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung der Administrierbarkeit und Praktikabilität der inländischen (einkommensteuerrechtlichen) Vorschriften dem Versicherungsverhältnis zwischen dem Träger der Rentenversicherung (§ 125 Sozialgesetzbuch [SBG] Sechstes Buch [VI] – Gesetzliche Rentenversicherung–) und einem versicherungspflichtigen Arbeitnehmer (§ 1 SGB VI) in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entspricht (anders zum Vorsorgeverhältnis zwischen einer privatrechtlichen Pensionskasse und einem Arbeitnehmer/Vorsorgenehmer in der Schweiz: s. zuletzt die Erwägungen im Senatsurteil vom 12. Mai 2011 3 K 147/10, nicht rechtskräftig – Revision eingelegt, BFH.Az.: VIII R 40/11 – juris). Hieran hält der erkennende Senat weiterhin fest.
b) Des Weiteren hat der erkennende Senat im Urteil in EFG 2011, 1798 die Auffassung vertreten, dass die Freizügigkeitsleistung (Austrittsleistung) in Gestalt der Barauszahlung (aus dem Obligatorium wie auch aus dem Überobligatorium) an einen Vorsorgenehmer/Arbeitnehmer bei einem Austritt aus einer öffentlich-rechtlichen Pensionskasse infolge der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mit einem in der Schweiz ansässigen Arbeitgeber und anschließendem endgültigem Verlassen der Schweiz durch den Arbeitnehmer/Vorsorgenehmer (Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [Freizügigkeitsgesetz, FZG] vom 17. Dezember 1993 in der im Streitjahr geltenden Fassung, SR 831.42; s. Art. 25f Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 2 FZG in der ab dem 1. Juni 2007 geltenden Fassung; Protokoll zu Anhang II des Abkommens über die Freizügigkeit [Berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge] zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit – Schlussakte – Gemeinsame Erklärungen – Mitteilung über das Inkrafttreten der sieben Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft in den Bereichen Freizügigkeit, Luftverkehr, Güter- und Personenrechte auf Schiene und Straße, öffentliches Beschaffungswesen, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit, gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewegungen und Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft – ABl.– L 114 Seite 6 – nachfolgend: FZA –; vgl. hierzu: Mitteilungen über die berufliche Vorsorge des Bundesamts für Sozialversicherungen [MBSV] vom 18. Dezember 2006 Nr. 96 Ziff. 567, www.bsv.admin.ch) in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht eine (steuerbare) andere Leistung im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG 2005 aus einer gesetzlichen Rentenversicherung sei. Der Freizügigkeitsfall gemäß Art. 2 Abs. 1 FZG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b FZG ist ein in der beruflichen Vorsorge der Schweiz versichertes Risiko bzw. ein versicherter Tatbestand besonderer Art und die Barauszahlung (Freizügigkeitsleitung/Austrittsleistung) eine Versicherungsleistung sui generis (Alfred Maurer/Gustavo Scartazzini/Marc Hürzeler, Bundessozialversicherungsrecht, 3. Aufl., § 14 Berufliche Vorsorge, Rn. 52). Auch hieran hält der erkennende Senat fest.
c) Schließlich hat der erkennende Senat entschieden (Urteile in EFG 2011, 1798 und vom 28. April 2010 und 3 K 1285/08 – nicht rechtskräftig, Revision eingelegt, BFH-Az.: VIII R 39/10– EFG 2011, 1799), dass die Freizügigkeitsleistung/Austrittsleistung (auch in Gestalt des Vorbezugs zur Wohneigentumsförderung: Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts – BGer – vom 16. August 2006 B 8/06, Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts – BGE – 132 V 332, Erwägungen zu 3.; Bundesrätliche Botschaft über die Wohneigentumsförderung mit den Mitteln der beruflichen Vorsorge vom 19. August 1992 – im Folgenden: Botschaft I – Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft – BBl. – 1992, Seiten 237 zu Tzn. 133.2 [Seite 249] und 146), soweit sie eine gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG steuerbare andere Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist, nach § 3 Nr. 3 EStG 200 5 eine steuerfreie Kapitalabfindung aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherung beinhaltet (s. auch Senatsurteil vom 28. April 2010 3 K 4156/08 – nicht rechtskräftig, Revision eingelegt, BFH.Az.: VIII R 38/10 – EFG 2011, 1716). Die Austrittsleistung ist (auch) bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Abfindung für den (ggf. nur teilweise erfolgten) Austritt aus der (öffentlich-rechtlichen) Pensionskasse. Hiervon abzuweichen sieht der erkennende Senat keine Veranlassung.
d) Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist der Vorbezug der Kläger von der Versicherungskasse (einer öffentlich-rechtlichen Pensionskasse nach Art. 1 VVK) zwar eine gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG 2005 steuerbare andere Leistung aus einer (ausländischen) gesetzlichen Rentenversicherung, diese stellt jedoch eine gemäß § 3 Nr. 3 EStG 2005 steuerfreie Abfindung aufgrund einer (ausländischen) gesetzlichen Rentenversicherung dar (vgl. Senatsurteile in EFG 2011, 1798; in EFG 2011, 1799, jeweils mit umfangreichen Nachweisen).
aa) Die Vorschrift des § 3 Nr. 3 EStG 2005 umfasst nicht nur Abfindungen aus (inländischen) gesetzlichen Rentenversicherungen, sondern auch Abfindungen aus ausländischen (im Streitfall: Schweizerischen) gesetzlichen Rentenversicherungen. Ihr Wortlaut schließt eine solche Auslegung nicht aus. Eine überzeugende Begründung dafür, dass zu den nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG 2005 steuerbaren anderen Leistungen auch diejenigen aus einer (ausländischen) gesetzlichen Rentenversicherung und zu den gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG 2005 als Sonderausgaben abziehbaren Beiträgen auch diejenigen zu den (ausländischen) gesetzlichen Rentenversicherungen gehören, dies aber für Abfindungen aus einer (ausländischen) gesetzlichen Rentenversicherung (§ 3 Nr. 3 EStG 2005) nicht gelten soll, ist nicht erkennbar. Eine Auslegung gegen den Wortlaut stünde im Übrigen in Widerspruch zu den bei der Auslegung von Steuergesetzen zu berücksichtigenden methodologischen Grundsätzen, wonach gleichlautende Begriffe jedenfalls bei der im Streitlall gegebenen Gesetzeslage dasselbe bedeuten (BFH-Urteil vom 22. Mai 2003 IX R 23/01, BFH/NV 2003, 1551; zur Auslegung gleichlautender Gesetzesbegriffe allgemein: Drüen in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 4 AO Rn. 265; Wernsmann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rn. 688, jeweils mit weiteren Nachweisen).
bb) Aus dem nach dem Streitjahr in Kraft getretenen § 3 Nr. 3 EStG in der Fassung von Art. 1 Nr. 2 Buchstabe a und Art. 20 Abs. 1 des Jahressteuergesetzes vom 13. Dezember 2006 –JStG 2007– (BStBl I 2007, 4, BGBl I S. 2878 vom 18. Dezember 2006) mag sich evtl. eine andere Motivlage des Gesetzgebers für die Regelung in § 3 Nr. 3 EStG 200 5 ergeben (vgl. hierzu: Myßen/Ohletz, NWB F 3, 14795; BT-Drs. 16/3036, 8 und 9 [zu 6. Empfehlung des federführenden Ausschusses I. Allgemeiner Teil]; BR-Drs 622/06, Seite 4 zu 2.). Der Regelungsinhalt des § 3 Nr. 3 EStG 2005 wird jedoch durch das Motiv des Gesetzgebers nicht begrenzt, weil es sich in der für das Streitjahr geltenden Fassung nicht ausdrückt (BFH-Urteil vom 22. Januar 1997 I R 152/94, BStBl II 1997, 358 zu Bezügen aus [ausländischen] öffentlichen Mitteln im Sinne von § 3 Nr. 6 EStG). Das Gleiche gilt für die im Rahmen des Gesetzentwurfs zum Steuerreformgesetz 1999 geäußerte (und nicht verwirklichte) Auffassung, der Wegfall der Steuerfreiheit für Rentenabfindungen habe keine Auswirkung, da sie ohnehin zu keiner Einkunftsart im Sinne des Einkommensteuerrechts gehörten (BT-Drs 13/7480, S. 190 zu § 3 Nr. 3 Abs. 2; von Beckerath in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 3 Nr. 3 Rn. B 3/4; Senatsurteil vom 24. September 2009 3 K 14/07 –nicht rechtskräftig, Revision eingelegt, BFH Az.: VIII R 31/10– EFG 2011, 461, Entscheidungsgründe zu II. 2.).
2. Da der Vorbezug nach den zuvor dargelegten Erwägungen in voller Höhe nicht der Einkommensteuer unterfällt, bedarf es keiner Entscheidung dazu, wie –bei Annahme einer gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG 2005 steuerpflichtigen anderen Leistung aus einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherung– die aus dem Vorbezug an die ESTV abgeführte Quellensteuer von insgesamt 6.370 CHF zu behandeln ist (in Verbindung mit der Quellensteueranrechnung durch das FA im Billigkeitswege).
3. Der Besteuerung des Vorbezugs der Kläger aus der Versicherungskasse im Inland stünden im Falle einer Steuerpflicht nach der insoweit allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG 2005 keine abkommensrechtlichen Vorschriften entgegen. Das (ausschließliche) deutsche Besteuerungsrecht ergibt sich insoweit aus Art. 21 DBA-Schweiz 1971/1992.
a) Der BFH hat in seinem Beschluss in BStBl II 2011, 488 (dem der erkennende Senat folgt) entschieden, dass die Altersrente aus einer öffentlich-rechtlichen (Schweizer) Pensionskasse nicht unter den abkommensrechtlichen Begriff des Ruhegehalts in Art. 18, 19 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 fällt, wenn die Versorgungsleistungen (wie z.B. die Zahlung einer Altersrente; vgl. allgemein zum Begriff der Versorgungsleistungen im Abkommensrecht: Express-Antwort-Service der Abteilung für Internationales Steuerrecht des österreichischen Bundesministeriums der Finanzen [öBMF] –EAS–vom 26. März 2006, Österreichische Steuer-Zeitung –ÖStZ– 2007, 90), ganz oder teilweise, gesetzlich verpflichtet oder auf freiwilliger Basis wirtschaftlich vom Arbeitnehmer selbst durch Beitragszahlungen veranlasst worden sind (Gosch, Entscheidungen des BFH für die Praxis der Steuerberatung – BFH-PR– 2011, 243). Für Einmalzahlungen (Abfindungen) einer Pensionskasse mit Versorgungscharakter (vgl. hierzu: BMFSchreiben vom 25. März 2010 IV C 6 – 1301 Schz – 101/92, BStBl I 2010, 268) kann nach Auffassung des erkennenden Senats nichts anderes gelten (umstritten: Vogel/Ismer, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl., Art. 18 Rn. 42; Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 18 OECD-Musterabkommen [MA], Rn. 12; Schuch/Stefaner in: Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer [Hrsg.], Arbeitnehmer im Recht der Doppelsteuerungsabkommen, 2003, Seite 251 ff. [zu III.], jeweils mit weiteren Nachweisen; EAS vom 12. Dezember 2000, GZ B 183/2-IV/4/00 [https://findok.bmf.gv.at, zum Vorbezug von Pensionsleistungen eines Schweizerischen Kantonsspitals] und 1365 vom 23. November 1998, SWI 1999, Seite 5; Ismer, IStR 2011, 577, zu 2.2.). Nach diesen Rechtsgrundsätzen ergibt sich im Streitfall Folgendes:
b) Der Vorbezug der Kläger aus der Versicherungskasse zur Wohneigentumsförderung hat Versorgungscharakter (a.A.[wohl]: Verfügung der OFD Karlsruhe vom 26. Oktober 2010 S 2300 45 – StO, juris zu 2.2). Denn es handelt sich bei dem damit unterstützten Erwerb von Wohneigentum durch die Kläger um eine besondere Form der Altersvorsorge (Cardinaux, Basile, Das Personenfreizügigkeitsabkommen und die schweizerische berufliche Vorsorge, Dissertation –Diss– der Universität Freiburg im Üechtland, 2008, Rn. 348) in Gestalt einer besonderen Bezugsart der Vorsorgeleistungen, gewissermaßen um einen zweckgebundenen (Erwerb von Wohneigentum), mit Auflagen verknüpften Vorschuss auf später fällig werdende Leistungen bei Alter, Tod und Invalidität (Cardinaux, a.a.O., Rn. 1506; Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, 6. Aufl., Art. 331d Rn. 2, jeweils mit umfangreichen Nachweisen). Da der Vorbezug teilweise durch die auf gesetzlicher Grundlage erfolgten Beitragszahlungen der Kläger an die Versicherungskasse (Art. 27 ff. VVK betreffend die Rentenversicherung des Klägers bzw. Art. 75 ff. VVK betreffend die Sparversicherung der Klägerin) wirtschaftlich (und rechtlich) von diesen veranlasst wurde, handelt es sich nicht um eine „Vergütung … für erbrachte Dienste” im Sinne von Art. 18, 19 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992, sondern um Einkünfte im Sinne der Auffangvorschrift des Art. 21 DBA-Schweiz 1971/1992, für die der Ansässigkeitsstaat der Kläger (die Bundesrepublik Deutschland) das ausschließliche Besteuerungsrecht hat (BFH-Beschluss in BStBl II 2011, 488).
c) Eine Anrechnung der von der Versicherungskasse vom Vorbezug (nach den zuvor darlegten Erwägungen) abkommenswidrig einbehaltenen und an die ESTV abgeführten Quellensteuer im Wege der Saldierung (s. hierzu nachfolgend zu II. 2.a und b) ist nicht zulässig (BFH-Beschluss in BStBl II 2011, 488, II. 3.). Das Vorsorgeverhältnis zwischen den Klägern und der Versicherungskasse entspricht in der Schweiz sowohl im Obligatorium als auch im Überobligatorium im Wege einer typisierenden Betrachtungsweise und der Administrierbarkeit und Praktikabilität der inländischen (einkommensteuerrechtlichen) Vorschriften dem Versicherungsverhältnis zwischen dem Träger der Rentenversicherung (§ 125 Sozialgesetzbuch [SBG] Sechstes Buch [VI] –Gesetzliche Rentenversicherung–) und einem versicherungspflichtigen Arbeitnehmer (§ 1 SGB VI).
d) Soweit das FA im Streitfall gleichwohl eine teilweise Anrechnung der abgeführten Quellensteuer vorgenommen hat, ist dies als Billigkeitserweis im Sinne von § 163 AO zu verstehen. Dieser ist nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Festsetzungsverfahrens (BFH-Beschluss in BStBl II 2011, 488, zu II. 3.d).
II. Die Beteiligten gehen übereinstimmend (in Übereinstimmung mit der dem erkennenden Senat bekannten Auffassung der baden-württembergischen Finanzverwaltung) davon aus, dass die gesamten –zur beruflichen Vorsorge im Obligatorium wie auch im Überobligatorium an die (öffentlich-rechtlich organisierte) Versicherungskasse geleisteten– Beiträge des Arbeitgebers der Kläger nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG als steuerfreier Arbeitslohn zu beurteilen sind. Dem ist (auch) für Arbeitgeberbeiträge an eine öffentlichrechtliche (Schweizerische) Einrichtung der berufliche Vorsorge nicht zu folgen.
1. Der erkennende Senat hat (zuletzt) im Urteil vom 18. November 2010 3 K 273/07 (nicht rechtskräftig, Revision eingelegt, BFH.Az.: VI R 6/11, juris) entschieden, dass an eine –privatrechtlich organisierte Schweizer Pensionskasse– gezahlte Beiträge des Arbeitgebers zur obligatorischen wie auch zur überobligatorischen beruflichen Vorsorge Lohnzuwendungen im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) an die betroffenen Arbeitnehmer darstellen, wenn diesen ein unmittelbarer und unentziehbarer Anspruch auf die Vorsorgeleistungen zusteht. Im übrigen hat er ausgeführt, dass sich die Frage der Steuerpflicht bzw. der Steuerfreiheit der Arbeitgeberbeiträge an eine privatrechtlich organisierte Schweizer Vorsorgeeinrichtung ausschließlich auf der Grundlage des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG beurteilt, wenn der Arbeitnehmer nicht von der Versicherungspflicht in der Schweizer obligatorischen Vorsorge (der eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung –AHV/IV– bzw. der obligatorischen beruflichen Vorsorge, s. Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Aufl., § 1 Rn. 33 ff.) befreit ist (s. auch Senatsurteil vom 12. Mai 2011 3 K 147/10 –nicht rechtskräftig, Revision eingelegt BFH.Az.: VIII R 40/01– juris). Dabei ist –so der erkennende Senat weiter– nur der Teil der Arbeitgeberbeiträge aufgrund einer sozialversicherungsrechtlichen oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Schweizer Bestimmung geleistet und damit eine steuerfreie Lohnzuwendung (§ 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2005), der im Obligatorium aufgrund der Vorschriften der Art. 8, 16 und 66 Abs. 1 Satz 2 BVG an eine (privatrechtlich organisierte) Schweizer Pensionskasse abgeführt wurde. Zwar begründet Art. 331 Abs. 3 Satz 1 OR auch im Überobligatorium eine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen. Gleichwohl sind diese Beiträge nach Auffassung des erkennenden Senats keine gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfreie Lohnzuwendung, weil sie aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht abgeführt werden (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 14 April 2011 VI R 24/10, BStBl II 2011, 767; Senatsurteil vom 23. April 2009 3 K 4/07, rechtskräftig, juris, Rn. 84 ff.).
2. Diese Rechtsgrundsätze sind im Hinblick auch auf das Gleichbehandlungsgebot entsprechend auf die Beiträge eines Arbeitgebers an eine öffentlich-rechtliche Schweizer Einrichtung der beruflichen Vorsorge anzuwenden. Dies bedeutet, dass nur die auf der Grundlage der Art. 8, 16 und Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BVG im Obligatorium geleisteten Arbeitgeberbeiträge gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG als steuerfreie Lohnzuwendung zu beurteilen sind. Die vorgenannten BVG-Vorschriften gelten auch für registrierte öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen im Obligatoriumsbereich (Streiff/von Kaenel, a.a.O., Art, 331 Rn. 9; Art. 49 Abs. 2 BVG). Im Überobligatoriumsbereich ergibt sich die (gesetzliche) Verpflichtung des Arbeitgebers zur (paritätischen) Zahlung von Beiträgen für die berufliche Vorsorge nicht aus Art. 331 Abs. 3 Satz 1 OR (BGer, Urteil vom 26. November 2001 2A.100/2000, BGE 128 II 24 Erwägungen zu 3.b; Streiff/von Kaenel, a.a.O., Art. 331 Rn. 9 mit weiteren Nachweisen), sondern nach Art. 342 Abs. 1 Buchstabe a OR aufgrund des jeweiligen Reglements (Art. 27 VVK den Kläger betreffend bzw. Art. 75 VVK die Klägerin betreffend), das den Charakter von Gesetzesrecht hat (Senatsurteil in EFG 2011, 1798, juris, Rn. 13 ff.). Gleichwohl sind die im Überobligatorium an eine öffentlich-rechtliche Pensionskasse geleisteten Arbeitgeberbeiträge keine im Sinne von § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2005 steuerfreien Lohnzuwendungen, weil sie aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (BFH-Urteil in BStBl II 2011, 767) vom Arbeitgeber abgeführt werden (Senatsurteil 3 K 4/07, juris, Rn. 84 ff.). Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich im Streitfall folgendes:
a) Da die Kläger aufgrund des VVK (Art. 34 ff. VVK den Kläger und Art.78 die Klägerin betreffend) einen unmittelbaren und unentziehbaren Anspruch auf die Vorsorgeleistungen gegen die Versicherungskasse erworben haben, sind die Beiträge ihres Arbeitgebers an die Versicherungskasse in jeweils voller Höhe von 7.491 CHF (den Kläger betreffend) und von 3.405 CHF (die Klägerin betreffend) als steuerbarer Arbeitslohn zu qualifizieren.
b) Der auf das Obligatorium entfallende Beitrag beträgt bezüglich des Klägers von 2.741 CHF (= ½ [Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BVG] von 10 v.H. [Art. 16 BVG –Alter des Klägers im Streitjahr: 41 Jahre] von 54.825 CHF [koordinierter Lohn gemäß Art. 8 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 5 der im Streitjahr geltenden Fassung der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 18. April 1984 –BVV 2– SR 831.441.1]) und bezüglich der Klägerin von 147 CHF (= ½ [Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BVG] von 7 v.H. [Art. 16 BVG –maßgebliches Alter der Klägerin im Streitjahr: 33 Jahre–] von 4.475 CHF [27.050 CHF –versicherte Besoldung lt. Versicherungsausweis per 30. April 2005 [vgl. Helbling, a.a.O., Tz. 16.36]– ./. 22.575 CHF – www.ahv-iv.info –), und sie beinhalten steuerfreie Lohnzuwendungen an die Kläger, weil die Arbeitgeberbeiträge aufgrund von (Schweizerischen) gesetzlichen Verpflichtungen (Art. 8, 16 und 66 Abs. 1 Satz 2 BVG) geleistet wurden und Ihnen –wie im Überobligatorium–keine freiwillig übernommene Rechtspflicht zugrunde liegt. Die darüber hinaus vom Arbeitgeber an die Versicherungskasse geleisteten Beiträge von 5.020 CHF (den Kläger betreffend) bzw. von 3.258 CHF (die Klägerin betreffend) sind als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusetzen. Sie beruhen auf einer freiwillig übernommenen Rechtspflicht.
c) Eine (ggf.) weitere Steuerbefreiung der Arbeitgeberbeiträge an die Versicherungskasse nach § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG 2005 (in Verbindung mit § 3 Nr. 62 Sätze 2 und 3 EStG 2005) scheidet im Streitfall aus, weil weder der Kläger noch die Klägerin von der Beitragspflicht in der obligatorischen Schweizer Altersvorsorge (in der AHV/IV bzw. in der Beruflichen Vorsorge) befreit waren.
d) Diese Erhöhung des Jahresarbeitslohns der Kläger (s. zuvor zu b) ist mit dem Wegfall der gemäß § 22 Nr. 1 EStG 2005 sonstigen Einkünfte der Kläger zu saldieren. Hinsichtlich der Umrechnung dieser Beträge in EUR folgt der erkennende Senat dem übereinstimmenden Berechnungsansatz der Beteiligten.
III. Die zuvor darlegten Arbeitgeberbeiträge sind nach § 3 Nr. 63 EStG 2005 keine (teilweise) steuerfreien Lohnzuwendungen. Dies schon deshalb nicht, weil im Hinblick auf die möglichen Freizügigkeitsleistungen der Versicherungskasse Ansprüche auf Leistungen der Kläger vor Eintritt der (biometrischen) Risiken Alter, Tod, Invalidität entstehen können (von Beckerath in Kirchhof/Sohn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 63 Rn. B 63/82; Senatsurteil in EFG 2011, 1716).
IV.1. Die Beiträge des Klägers an die Versicherungskasse von 7.370 CHF und der Klägerin von 2.154 CHF sind vom FA im angegriffenen Einkommensteueränderungsbescheid zutreffend als Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG 2005 angesetzt worden. Das Vorsorgeverhältnis zwischen den Klägern und der Versicherungskass, in dessen Durchführung die Kläger zur Beitragsleistung verpflichtet sind (Art. 27 VVK und Art 75 VVK), entspricht auf der Grundlage einer typisierenden Betrachtungsweise und der Administrierbarkeit und Praktikabilität der inländischen (einkommensteuerrechtlichen) Vorschriften sowohl im Obligatorium als auch im Überobligatorium dem Versicherungsverhältnis zwischen dem Träger der Rentenversicherung (§ 125 Sozialgesetzbuch [SBG] Sechstes Buch [VI] –Gesetzliche Rentenversicherung–) und einem versicherungspflichtigen Arbeitnehmer (§ 1 SGB VI) in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (s. zuvor zu II. 1.a). Demzufolge sind diese Beiträge als Sonderausgaben im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG 2005 abziehbar (s. zuvor zu II.1. d).
2. Zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG 2005 als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen gehören auch die von den Klägern unter Berücksichtigung des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2005 als Arbeitslohn zu versteuernden Arbeitgeberbeiträge an die Versicherungskasse (Senatsurteil 3 K 147/10, juris, Rn. 111, mit weiteren Nachweisen). Der Höhe nach belaufen sie sich auf 5.020 CHF (den Kläger betreffend) und auf 3.258 CHF (die Klägerin betreffend; s. zuvor zu II.2.a).
3. Die nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2005 steuerfreien Arbeitgeberbeiträge an die Versicherungskasse von 2.741 CHF (den Kläger betreffend) und von 147 CHF (die Klägerin betreffend) sind gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 EStG 2005 den Beiträgen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG 2005 hinzuzurechnen. Zur Ermittlung des letztlich als Sonderausgaben abziehbaren Betrages sind die steuerfreien Arbeitgeberanteile von den um den Übergangsfaktor von 60 % gekürzten Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG 2005) wieder abzuziehen (§ 10 Abs. 3 Satz 5 EStG 2005).
V. Die Berechnung der –auf der Grundlage der dargelegten Rechtsgrundsätze sich ergebenden– Einkommensteuer wurde vom FA im Auftrag des erkennenden Senats durchgeführt.
VI. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die verhältnismäßige Teilung, die erforderlich wurde, weil die Beteiligten teils obsiegt haben, teils unterlegen sind, beruht auf einer Schätzung.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung im Kostenpunkt beruht auf §§ 151 Abs. 3 Satz 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 ZPO–.
VII. Die Revision war zuzulassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 FGO).