24.01.2012
Finanzgericht Köln: Urteil vom 19.10.2011 – 9 K 1772/10
Die Umsetzung geänderter Feststellungen nach §180 Abs. 5 Nr. 2 AO in einer Anrechnungsverfügung nach §§ 182 Abs. 1 S. 2, 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO unterliegt nicht der zeitlichen Begrenzung des § 171 Abs. 10 AO.
Urteil
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtlicher Richter … Ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 19. Oktober 2011
für Recht erkannt:
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt gewesen ist, die Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid der Klägerin für das Jahr 2001 nachträglich zu ändern.
Die Klägerin erzielte im Veranlagungszeitraum 2001 u.a. gewerbliche Einkünfte aus einer Beteiligung an der A & B GmbH & Co. in C.
Am 19.07.2002 übersandte das für diese Gesellschaft zuständige Feststellungsfinanzamt C dem für die Einkommensteuerveranlagung der Klägerin zuständigen Finanzamt D, dem Beklagten, eine Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2001, wonach für die Klägerin durch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid vom 19.07.2002 die in der Mitteilung aufgeführten Anteile festgestellt bzw. die sonstigen Entscheidungen getroffen worden seien. Am 21.08. und 18.09.2002 erhielt der Beklagte Mitteilungen darüber, dass dieser Feststellungsbescheid geändert worden sei und der Vorbehalt der Nachprüfung bestehen bleibe. In dem zuletzt ergangenen geänderten Feststellungsbescheid wurden für die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.646.114 DM sowie ein anteiliger Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 54.094,50 DM festgestellt. Desweiteren wurde die auf diesen Gewinnanteil entfallende abzugsfähige Kapitalertragsteuer mit 337.500 DM, der Solidaritätszuschlag mit 18.562,50 DM sowie die anrechenbare Körperschaftsteuer mit 578.570 DM festgestellt.
Im erstmaligen Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 25.10.2002 berücksichtigte der Beklagte u.a. diese Mitteilung des Finanzamts C sowohl bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb als auch bei der abzugsfähigen Kapitalertragsteuer und dem Solidaritätszuschlag sowie der anrechenbaren Körperschaftsteuer.
Der Einkommensteuerbescheid für 2001 wurde in der Folgezeit mehrfach aus für das vorliegende Verfahren nicht bedeutsamen Gründen geändert.
Am 25.04.2006 übersandte das Finanzamt C dem Beklagten eine geänderte Mitteilung hinsichtlich der Beteiligung der Klägerin an der A & B GmbH & Co. KG. Aus dieser Mitteilung war ersichtlich, dass die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bezüglich dieser Gesellschaft am 25.04.2006 nach § 164 Abs. 2 AO geändert worden war. Die Einkünfte der Klägerin aus dieser Gesellschaft betrugen nunmehr nur noch 717.544,86 DM. Der anteilige Gewerbesteuermessbetrag wurde mit 56.443,50 DM angegeben.
Die auf diesen Gewinnanteil entfallende anrechenbare Körperschaftsteuer sowie die abzugsfähige Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag wurden jeweils mit 0 DM festgestellt.
Daraufhin erließ der Beklagte am 10.05.2006 einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2001, in dem nunmehr die Beteiligungseinkünfte der Klägerin an der A & B GmbH & Co. KG nur noch in Höhe von 717.545 DM bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb Berücksichtigung fanden.
Nicht geändert wurden hingegen in der Anrechnungsverfügung dieses Einkommensteuerbescheids der Abzugsbetrag bei der einbehaltenen Kapitalertragsteuer, der Solidaritätszuschlag sowie die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dies führte zu einer im Abrechnungsteil dieses Steuerbescheids ausgewiesenen zu erstattenden Einkommensteuer in Höhe von 241.261,25 EUR.
In den Erläuterungen zu diesem Bescheid wurde seitens des Beklagten ausgeführt, dass die Änderung auf einer geänderten Mitteilung des Finanzamts C vom 25.04.2006 über die Einkünfte aus der Beteiligung an der A & B GmbH & Co. KG beruhe.
Aufgrund einer beim Beklagten ab dem Frühjahr 2008 durchgeführten Rechnungsprüfung wurde der gesamte Vorgang erneut aufgegriffen und dabei festgestellt, dass die geänderten Werte zur einbehaltenen Kapitalertragsteuer sowie zur anrechenbaren Körperschaftsteuer in der Anrechnungsverfügung des geänderten Einkommensteuerbescheids vom 10.05.2006 nicht übernommen worden waren.
Daher erließ der Beklagte am 08.07.2008 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, der in der Anrechnungsverfügung nunmehr – entsprechend der Mitteilung des Finanzamts C – keine anrechenbare Körperschaftsteuer und keine abzugsfähige Kapitalertragsteuer sowie keinen Solidaritätszuschlag aus der Beteiligung der Klägerin an der A & B GmbH & Co. mehr berücksichtigte. Dies führte, auch im Hinblick auf die bereits erstatteten Beträge, zu einer noch zu zahlenden Einkommensteuer in Höhe von 468.379 EUR, Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von 147.530 EUR, einen noch zu zahlenden Solidaritätszuschlag in Höhe von 12.754 EUR und mithin zu einem noch zu zahlendem Gesamtbetrag in Höhe von 628.663 EUR. Im Kopf dieses Bescheids wies der Beklagte darauf hin, dass es sich um einen nach § 129 AO berichtigten und nach § 130 AO teilweise zurückgenommen Bescheid handelt.
Gegen den Abrechnungsteil zum Einkommensteuerbescheid 2001 vom 08.07.2008 legte die Klägerin am 30.07.2008 Einspruch ein.
Mit Schreiben vom 08.08.2008 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er ihren Einspruch gegen die geänderte Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid 2001 als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids ansehe.
Am 28.08.2008 erteilte der Beklagte der Klägerin einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO, der entsprechend der geänderten Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid 2001 vom 08.07.2008 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin einen Gesamtbetrag an Einkommensteuer, Zinsen sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 628.663,96 EUR zu zahlen habe.
Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die unzutreffende Anrechnung einbehaltener Steuerabzugsbeträge und anrechenbarer Körperschaftsteuer zu Recht im Bescheid vom 08.07.2008 nach den Korrekturvorschriften der §§ 129, 130 Abs. 2 Nr. 4 AO berichtigt worden sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 10.09.2008 Einspruch ein und wies zur Begründung darauf hin, dass im Streitfall Denkfehler oder ähnliche fehlerhafte rechtliche Erwägungen beim Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2001 hinsichtlich des Abrechnungsteils nicht ausgeschlossen werden könnten. Der Änderung vom 10.05.2006 habe ein Bericht des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung bezüglich der A & B GmbH & Co. KG zugrunde gelegen. Zum Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter dieser Gesellschaft hätten die Anteile an der A & B GmbH gehört, die von der Klägerin zu 90 % gehalten worden seien. Die Gewinnausschüttungen dieser GmbH seien im Veranlagungszeitraum 2001 phasengleich bei der GmbH & Co. als Sonderbetriebseinnahmen erfasst worden. So sei die im Jahre 2002 für das Jahr 2001 ausgeschüttete Dividende bei der KG bereits im Jahre 2001 als Einnahme bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns hinzugerechnet worden. Dies habe dazu geführt, dass für diese Gewinnausschüttung irrtümlich noch Steuerbescheinigungen nach dem Anrechnungsverfahren ausgestellt worden seien, obwohl die Ausschüttung bei der A & B GmbH bereits zutreffend nach dem Halbeinkünfteverfahren erfolgt sei. Wegen der unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen sei diese Dividende durch die Betriebsprüfung erst im Jahr des Zuflusses, d.h. im Jahre 2002 erfasst worden. Hierzu werde im Betriebsprüfungsbericht ausgeführt, dass die anrechenbare Körperschaftsteuer laut Betriebsprüfung 0 DM betrage, die bisher für das Jahr 2001 anrechenbare Körperschaftsteuer bei der Klägerin in Höhe von 578.570 DM entfalle daher.
Nach Ansicht der Klägerin handele es sich bei der Nichtberücksichtigung der auf 0 DM festgestellten Anrechnungsbeträge für Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag nicht um ein schlichtes Versehen, sondern um einen Denkfehler, der wie folgt zustande gekommen sein müsse: Als der Veranlagungsbeamte sich angeschickt habe, die ESt 4B-Mitteilung auszuwerten, habe er sich die Frage stellen müssen, wie sich die reduzierte Steuerbemessungsgrundlage nach Betriebsprüfung auf die neue Einkommensteuerfestsetzung 2001 und wie sich die auf 0 DM festgestellten Anrechnungsbeträge im Rahmen der zu korrigierenden Steuerabrechnung 2001 auswirkten. Die erste Prüfung habe der Veranlagungsbeamte offensichtlich zutreffend vorgenommen. Bei der zweiten Prüfung sei der Veranlagungsbeamte zu einem falschen Ergebnis gekommen, da er angenommen habe, dass sich die auf 0 DM festgestellten Anrechnungsbeträge laut Bp im Rahmen der zu korrigierenden Steuerabrechnung 2001 nicht auswirken würden. Hier liege ein typischer Denkfehler des Sachbearbeiters vor. Hieraus sei ersichtlich, dass fehlerhafte rechtliche Erwägungen im Streitfall nicht ausgeschlossen werden könnten.
Dieser Abrechnungsfehler sei außerdem für die Klägerin auch nicht ohne weiteres erkennbar und damit nicht offenbar gewesen. Die Klägerin sei in steuerlichen Dingen nicht bewandert. Als Hausfrau und Mutter dreier Kinder habe sie weder Kenntnisse über Steuer- oder Abrechnungsbescheide noch über Betriebsprüfungsberichte. Darüberhinaus sei die Klägerin auch nie berufstätig gewesen.
Die Klägerin habe auch keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Abrechnungsverfügung gehabt, so dass auch die Korrekturvorschrift des § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO im Streitfall nicht zur Anwendung gelangen könne.
Den steuerlichen Beratern der Klägerin sei der berichtigte Einkommensteuerbescheid 2001 vom 10.05.2006 erst im Juli 2008 bekannt geworden.
Darüber hinaus sei im Streitfall Zahlungsverjährung eingetreten. Denn die Zahlungsverjährungsfrist habe mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erste Einkommensteuerbescheid nebst Anrechnungsverfügung für 2001 erlassen worden sei, also mit Ablauf des Jahres 2002, begonnen und habe somit Ende 2007 geendet.
In diesem Einspruchsschreiben vom 10.09.2008 wandte sich die Klägerin erstmalig gegen die geänderte Zinsfestsetzung und machte geltend, auch die Zinsfestsetzung habe nach §§ 233 a Abs. 5, 239 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht geändert werden dürfen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 07.05.2010 wurde der Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Dabei stellte der Beklagte im Wesentlichen darauf ab, dass im Streitfall die Voraussetzungen der Berichtigungsvorschrift des § 129 AO gegeben seien. Das Übersehen der geänderten Anrechnungsbeträge bei Auswertung der ESt 4B-Mitteilung habe nicht auf einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung, sondern auf einem mechanischen Versehen beruht. Die Nichtberücksichtigung der in einem Grundlagenbescheid getroffenen Regelungen im Folgebescheid mache diesen fehlerhaft.
Nach der Rechtsprechung des BFH stelle das Übersehen eines Grundlagenbescheids eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO dar. Dies gelte auch für eine unrichtige oder unvollständige Auswertung eines Grundlagenbescheids. Die Finanzbehörde habe den Inhalt des Grundlagenbescheids mechanisch zu übernehmen. Rechtliche Erwägungen seien dabei in keiner Weise vorzunehmen. Die von der Klägerin dargelegten Möglichkeiten rechtlicher Überlegungen des Sachbearbeiters bei der fehlerhaften Auswertung der ESt 4B-Mitteilung könnten daher nicht vorliegen, da das Finanzamt bei der Auswertung einer ESt 4B-Mitteilung keine eigenen rechtlichen Erwägungen vorzunehmen habe. Fehle es aber an jeglichen Anhaltspunkten für einen Rechts- oder Tatsachenirrtum, so liege eine offenbare Unrichtigkeit vor.
Diese Unrichtigkeit sei auch offenbar gewesen, da der erhebliche Fehler im Abrechnungsteil für die Klägerin ohne Weiteres erkennbar gewesen sei. Die Klägerin sei als Gesellschafterin der A & B GmbH & Co. KG und als Empfangsbevollmächtigte in Kenntnis der für sie auf 0 DM berichtigten anrechenbaren Beträge gewesen. Sie habe somit als Adressatin des Einkommensteuerbescheids vom 10.05.2006 und des Feststellungsbescheids vom 25.04.2006 ohne Weiteres erkennen können, dass bei der Umsetzung der Beteiligungseinkünfte hinsichtlich der anrechenbaren Steuer ein Fehler unterlaufen sei.
Darüberhinaus lägen auch die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO vor, da der Klägerin sowohl die Werte des der ESt 4B-Mitteilung zugrundeliegenden Feststellungsbescheides als auch die Unrichtigkeit der im Einkommensteuerbescheid vorgenommenen Anrechnung bekannt gewesen seien.
Im Rahmen ihrer hiergegen fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass im Streitfall eine offenbare Unrichtigkeit der Anrechnungsverfügung nicht vorliege, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass rechtliche Erwägungen seitens des Sachbearbeiters vorgenommen worden seien.
So sei festzustellen, dass es sich nicht lediglich um einen Schreib- oder Rechenfehler oder einen damit vergleichbaren Fehler handele, weil nicht nur eine Position, sondern drei Positionen nicht ausgewertet worden seien. Dies sei mit einem typischen Schreibfehler, der regelmäßig nur eine einzige Position betreffe, nicht vergleichbar. Dass drei Positionen, und zwar drei logisch miteinander verbundene Positionen betreffend die anrechenbaren Steuern und nicht nur eine Position falsch ausgewertet worden sei, lasse darauf schließen, dass der Sachbearbeiter als Ergebnis eines Denkvorgangs die bewusste Entscheidung getroffen habe, die drei Postionen der anrechenbaren Steuern nicht jeweils auf 0 EUR zu reduzieren, sondern sie unverändert bei den anrechenbaren Beträgen in der bisherigen Höhe zu belassen. Es sei nicht auszuschließen, dass der Sachbearbeiter an der Nahtstelle des Übergangs vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren zu dem Schluss gekommen sei, auf eine Ausschüttung des Jahres 2001 das Anrechnungsverfahren und nicht das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden, da er den Betriebsprüfungs-Bericht, der dem Finanzamt vorlag und aus dem die Verschiebung der Ausschüttung aus dem Jahre 2001 ins Jahr 2002 ersichtlich gewesen sei, sichtbar nicht richtig ausgewertet habe.
Gegen eine Anwendung des § 129 AO spreche im Streitfall vor allen Dingen auch, dass der Grundlagenbescheid gerade nicht mechanisch ausgewertet worden sei. Das könne man daran erkennen, dass die Position Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Anteil am Gewerbesteuermessbetrag übernommen worden seien, hingegen die Anrechnungsbeträge nicht zum Ansatz gebracht worden seien. Es erscheine insoweit nicht denkbar, dass die einen Beträge des Grundlagenbescheides erkannt und verarbeitet werden würden und die anderen, auf demselben Bescheid befindlichen Beträge übersehen werden könnten. Von daher könne im Streitfall nicht ausgeschlossen werden, dass das Weglassen der drei Positionen der anrechenbaren Steuer das Ergebnis eines Denkvorgangs des Sachbearbeiters gewesen sei. Es sei möglich, dass der Sachbearbeiter deswegen die anrechenbare Steuer habe unverändert stehen lassen, weil er gedacht habe, auf die Dividende müsse letztmals das Anrechnungsverfahren und nicht das damals noch neue Halbeinkünfteverfahren angewendet werden. Dieser Rechtsirrtum sei auch nicht nur theoretisch denkbar. Hierfür spreche zum einen die Komplexität der Übergangsregelung betreffend den Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren. Zudem sei das Halbeinkünfteverfahren damals noch neu gewesen, so dass ein solcher Fehler auch bei einem durchschnittlich ausgebildeten Veranlagungssachbearbeiters nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne.
Auf jeden Fall sei im Streitfall mit Ablauf des Jahres 2007 Zahlungsverjährung eingetreten, sodass eine Änderung der Anrechnungsverfügung nicht mehr habe erfolgen dürfen.
Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der BFH mit den Urteilen vom 12.07.2008 (VII R 33/06) und 27.10.2009 (VII R 51/08) seine Rechtsprechung geändert habe. Nach der neueren Rechtsprechung komme es für den Beginn des Laufs der Zahlungsverjährungsfrist nicht mehr darauf an, ob die Anrechnungsverfügung zu einer Nachzahlung oder zu einer Erstattung geführt habe. In beiden Fällen beginne der Lauf dieser Frist mit der ursprünglichen Anrechnungsverfügung. Dies habe der BFH zudem in seine Entscheidung vom 09.12.2010 (VII R 3/10) noch einmal bestätigt.
Letztlich habe auch die Zinsfestsetzung nach §§ 233 a Abs. 5, 239 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht geändert werden dürfen.
Die Klägerin beantragt,
den Abrechnungsbescheid zum Einkommensteuerbescheid 2001 vom 28.08.2008 unter Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 07.05.2010 dahingehend zu ändern, dass die geänderte Steueranrechnungsverfügung im Abrechnungsteil des Einkommensteuerbescheids vom 08.07.2008 aufgehoben wird und es bei der Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid vom 10.05.2006 verbleibt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er steht auf dem Standpunkt, dass die unterlassene oder fehlerhafte Auswertung eines Grundlagenbescheids eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO, mithin ein bloß mechanisches Versehen darstelle.
Da das für den Erlass des Folgebescheids zuständige Finanzamt die Feststellungen im Grundlagenbescheids ohne weitere tatsächlichen Ermittlungen und rechtliche Überprüfungen und ohne Ausübung irgendwelcher Ermessenspielräume zu übernehmen habe, könne im Streitfall auch kein sonstiger Fehler, tatsächlicher oder rechtlicher Irrtum gegeben sein.
Auch wenn zwei Positionen aus der Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2001 übernommen worden seien, drei Positionen hingegen nicht, sei dies kein Hinweis darauf, dass seitens des Bearbeiters eine rechtliche Würdigung – in welcher Art auch immer – vorgenommen worden sei. Die einheitliche Nichtübernahme der drei unmittelbar untereinander stehenden Werte spreche vielmehr eindeutig dafür, dass diese schlicht übersehen worden seien.
Angesichts der Höhe der sich aus der fehlerhaften Auswertung des geänderten Feststellungsbescheids ergebenden Steuererstattung könne auch davon ausgegangen werden, dass die Fehlerhaftigkeit der Anrechnungsverfügung für die Klägerin ohne Weiteres erkennbar gewesen sei.
Somit lägen auch die Voraussetzungen für die Anwendung der Korrekturvorschrift des § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO vor. Wenn statt einer zu erwartenden Nachzahlung von ca. 270.000 EUR eine Erstattung von ca. 286.000 EUR festgesetzt werde, sei die Fehlerhaftigkeit eines solchen Bescheids selbst für einen steuerlichen Laien ohne weiteres erkennbar.
In der Rechtsbehelfsakte befindet sich eine dienstliche Äußerung der Sachbearbeiterin Frau E vom 22.10.2008, wonach diese versichert, dass sie bei der Auswertung der ESt 4B-Mitteilung vom 25.04.2006 lediglich die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb überprüft und dementsprechend geändert habe. Sie habe dabei komplett übersehen und daher nicht geprüft, dass aufgrund der vorhergehenden Mitteilung bereits Steuerabzugsbeträge angerechnet worden seien, die sie hätte ändern müssen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Beklagte hat zu Recht die Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 10.05.2006 im Einkommensteuerbescheid vom 08.07.2008 geändert. Der die Rechtmäßigkeit dieser Änderung der Anrechnungsverfügung bestätigende Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO ist daher ebenfalls zu Recht ergangen.
I. Der Beklagte hat zu Recht den Einspruch der Klägerin gegen die geänderte Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid vom 08.07.2008 als einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids ausgelegt. Denn bei Streitigkeiten über die Anrechnung von Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträgen muss die Finanzbehörde durch Erlass eines Abrechnungsbescheids gemäß § 218 Abs. 2 AO entscheiden. Will also der Steuerpflichtige gegen die Anrechnungsverfügung Einwendungen erheben, kann er gegen diese Einspruch einlegen, weil die Anrechnungsverfügung einen Verwaltungsakt darstellt. Mit dem Einspruch gegen die Anrechnungsverfügung wird gleichzeitig auch deutlich, dass Streitigkeiten im Sinne des § 218 Abs. 2 AO bestehen. In einem solchen Fall hat die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid über die strittigen Fragen zu entscheiden, weil das Verfahren gemäß § 218 Abs. 2 AO Vorrang gegenüber dem eigenständigen Verfahren auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Anrechnungsverfügung besitzt (vgl. Intemann in Pahlke/König, Kommentar zur Abgabenordnung, 2. Auflage 2009, § 218 Rn. 25 ff., 27 m. w. N. zur Rspr. des BFH).
Insoweit hat der Beklagte daher zu Recht auf die Einwendungen der Klägerin gegen die Änderung der Anrechnungsverfügung mit dem Erlass eines Abrechnungsbescheids reagiert. Die Klägerin hat hiergegen, zur Weiterverfolgung ihrer Einwendungen, berechtigterweise Einspruch erhoben. Die Beteiligten haben im Streitfall somit die richtige Verfahrensweise zur Abklärung der Frage gewählt, ob der Beklagte die Anrechnungsverfügung vom 10.05.2006 am 08.07.2008 noch ändern dürfte.
II. Der Beklagte hat im Rahmen des angegriffenen Abrechnungsbescheids zu Recht festgestellt, dass eine Änderung der Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid vom 10.05.2006 noch rechtlich zulässig ist, ihm insbesondere für die Durchführung dieser Berichtigung eine Korrekturnorm zur Verfügung steht.
Denn der Beklagte war im Streitfall gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet die Anrechnungsverfügung des Einkommensteuerbescheids vom 10.05.2006 dahingehend zu berichtigen, dass die abzugsfähige Kapitalertragsteuer, der Solidaritätszuschlag sowie die anrechenbare Körperschaftsteuer aus der Beteiligung der Klägerin an der A & B GmbH & Co. KG mit jeweils 0 EUR angesetzt werden. Der Beklagte hat die Anrechnungsverfügung vom 10.05.2006 daher zu Recht im Einkommensteuerbescheid vom 08.07.2008 geändert.
1. Grundsätzlich befasst sich das Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach §§ 179, 180 AO nur mit der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und nicht mit Fragen, die dem Erhebungsverfahren zuzurechnen sind. Dem Erhebungsverfahren zuzurechnen ist hingegen die Frage, welche Steuervorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge sowie welche anrechenbaren Körperschaftsteuerbeträge auf die festgesetzte Einkommensteuer eines Feststellungsbeteiligten anzurechnen sind und bei der Berechnung der zu leistenden Einkommensteuerabschlusszahlung bzw. des Erstattungsbetrages zu berücksichtigen sind. Die Feststellung der anrechenbaren Körperschaftsteuer und der einbehaltenen Kapitalertragsteuer ist mithin dem Erhebungsverfahren und gerade nicht dem Steuerfestsetzungsverfahren bzw. der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zuzurechnen.
Als Ausnahme hiervon sieht jedoch § 180 Abs. 5 Nr. 2 AO vor, dass die Vorschriften über die einheitliche und gesonderte Feststellung entsprechend anwendbar sind, soweit Steuerabzugsbeträge und Körperschaftsteuer auf die festgesetzte Steuer anzurechnen sind. Hält somit eine Mitunternehmerschaft Anteile an einer Kapitalgesellschaft, so kann im Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung auch mit Bindungswirkung festgestellt werden, welche anrechenbare Körperschaftsteuerbeträge und welche einbehaltene Kapitalertragsteuer bzw. welcher Zinsabschlag für den einzelnen Mitunternehmer bei dessen Einkommensteuerfestsetzung anzurechnen sind. Insoweit ordnet § 182 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz AO an, dass die Regelung über die Bindungswirkung solcher Feststellungen nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO entsprechend anwendbar sind. Demgemäß wird in einem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen mit verbindlicher Wirkung festgestellt, welche anrechenbare Körperschaftsteuer bzw. welche Steuerabzugsbeträge zugunsten des jeweiligen Mitunternehmers zu berücksichtigen sind, soweit die Mitunternehmerschaft zugleich Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält.
2. Ohne eine besondere gesetzliche Regelung würde sich allerdings die Frage stellen, ob die einheitliche und gesonderte Feststellung der Steuerabzugsbeträge und der anrechenbaren Körperschaftsteuer auch mit verbindlicher Wirkung für entsprechende Folgebescheide bzw. Folgeanrechnungen geändert werden kann. Da es sich bei der Feststellung der Steuerabzugsbeträge und der anrechenbaren Körperschaftsteuer nicht um die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen handelt, können die Vorschriften über die Korrektur von Steuerbescheiden gemäß §§ 172 ff. AO nicht unmittelbar zur Anwendung gelangen. Da sich die Korrektur solcher Anrechnungsverfügungen und Abrechnungsbescheide vielmehr nach den §§ 129 bis 131 AO richtet, stünde an sich keine passende Berichtigungsvorschrift für eine Umsetzung von Änderungen im Bereich der Feststellungen zur anrechenbaren Körperschaftsteuer bzw. zu den Steuerabzugsbeträgen zur Verfügung.
Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber mit dem Steuerbereinigungsgesetz vom 22.12.1999 (BGBl. I 2601) in § 182 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz AO angeordnet, dass für den Fall, dass ein Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 5 Nr. 2 AO erlassen, aufgehoben oder geändert wird, der Verwaltungsakt, für den dieser Feststellungsbescheid Bindungswirkung entfaltet, in entsprechender Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden kann. Dies bedeutet, dass in einem Folgebescheid auch die Änderung der Feststellung zu den Steuerabzugsbeträgen sowie der anrechenbaren Körperschaftsteuer über die Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu erfolgen hat.
3. Grundsätzlich berechtigt die Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO solange zur Änderung eines Folgebescheides, wie sich die darin angesetzten Besteuerungsgrundlagen nicht mit den bindenden Feststellungen des entsprechenden Grundlagenbescheids decken. Die Bindungswirkung des § 182 AO bewirkt eine absolute Anpassungsverpflichtung, die weder durch eine unvollständige noch eine unrichtige oder gänzlich unterlassene Anpassung des Folgebescheids beseitigt wird. Das Finanzamt ist daher grundsätzlich solange berechtigt eine Änderung des Folgebescheides vorzunehmen, bis sämtliche im Feststellungsbescheid enthaltenen Besteuerungsgrundlagen zutreffend und vollständig in dem Folgebescheid übernommen worden sind (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Urteile vom 09.08.2006 II R 24/05, BStBl. II 2007, 87 sowie vom 28.11.2007 X R 11/07, BStBl. II 2008, 335).
Aus diesem Grunde lagen auch im Streitfall die Voraussetzungen für eine erneute Änderung der Anrechnungsverfügung vom 10.05.2006 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vor. Denn durch die geänderte Anrechnungsverfügung vom 10.05.2006 war der geänderte Feststellungsbescheid vom 25.04.2006 hinsichtlich der anrechenbaren Körperschaftsteuer und der abzugsfähigen Kapitalertragsteuer noch nicht vollständig und zutreffend umgesetzt worden. Somit war der Beklagte nach dieser Korrekturvorschrift nicht nur berechtigt, sondern aufgrund der Bindungswirkung des § 182 AO grundsätzlich auch verpflichtet, für eine umfassende und richtige Umsetzung der Vorgaben aus dem Feststellungsbescheid vom 25.04.2006 nicht nur hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen, sondern auch bezüglich der den Erhebungsbereich betreffenden Feststellungen zu sorgen.
4. Eine zeitliche Grenze wird dieser unbedingten Anpassungsverpflichtung – jedenfalls im Bereich der Besteuerungsgrundlagen – allerdings über die Grundsätze der Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung gesetzt. Eine Anpassung des Folgebescheides ist mithin nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO zulässig. Die Festsetzungsfrist endet dabei allerdings aufgrund der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.
Diese zeitliche Begrenzung kann nach Meinung des erkennenden Senats jedoch im Streitfall nicht ohne entsprechende Modifizierungen übernommen werden. Denn die Feststellungen zu Umständen, die dem Erhebungsbereich zuzuordnen sind, unterliegen keiner Feststellungsverjährung, sodass auch eine zweijährige Ablaufhemmung mangels einer solchen Verjährungsfrist keine Bedeutung erlangt.
Zu denken wäre allenfalls daran, dass in Anbetracht der Tatsache, dass Anrechnungsverfügungen der fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist des § 228 AO unterliegen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 27.10.2009 VII R 51/08, BStBl. 2010, 382), über eine sinngemäße Anwendung des § 171 Abs. 10 AO eine zweijährige Ablaufhemmung dieser Zahlungsverjährungsfrist ab Bekanntgabe des die Anrechnungsgrundlagen verändernden Feststellungsbescheids einsetzt. Dies würde im Streitfall bedeuten, dass in Anbetracht der erstmaligen Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid vom 25.10.2002 die Frist zur Änderung dieser Verfügung gemäß §§ 229 Abs. 1 Satz 1, 220 Abs. 1 AO i. V. m. § 36 Abs. 4 EStG regulär am 31.12.2007 geendet hätte, dieser Fristablauf nach Bekanntgabe des geänderten Feststellungsbescheids vom 25.04.2006 aufgrund der Regelung des § 171 Abs. 10 AO jedoch bis zum 28.04.2008 gehemmt gewesen wäre, sodass die Änderung der Anrechnungsverfügung am 08.07.2008 jedenfalls zu spät erfolgt wäre.
Dem steht jedoch entgegen, dass der Gesetzeswortlaut in § 182 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz AO ausdrücklich nur die Anwendung der Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vorsieht, die Regelung des § 171 Abs. 10 AO zur zeitlichen Begrenzung der Umsetzung eines Grundlagenbescheids in einen Folgebescheid hingegen nicht übernimmt. Ebenso geben die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/1514, 2035, 2070) keinen Hinweis darauf, dass der in § 171 Abs. 10 AO enthaltene Regelungsgedanke auch für die nach § 180 Abs. 5 Nr. 2 AO zu treffenden Feststellungen Wirkung entfalten soll.
Auch die Tatsache allein, dass die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, die ansonsten nur für die geänderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gilt, im Bereich der Feststellungen nach § 180 Abs. 5 Nr. 2 AO zur Anwendung gelangt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass damit auch zugleich die Regelung des § 171 Abs. 10 AO, sozusagen als Komplementärregelung, übernommen werden muss.
Gegen die Anwendung des § 171 Abs. 10 AO auf solche geänderten Feststellungen, die zum Erhebungsbereich gehören, spricht vielmehr, dass sich die Vorschriften der §§ 169 – 171 AO grundsätzlich mit der Festsetzungsverjährung und der Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung oder für die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen befassen und für die Vorschriften des Erhebungsverfahrens und damit für die Anrechnungsverfügung und den Abrechnungsbescheid gerade keine Geltung beanspruchen.
Hierfür spricht insbesondere auch, dass das Gesetz an anderer Stelle deutlich zu erkennen gibt, wann die Frist des § 171 Abs. 10 AO zur Anwendung gelangen soll und wann nicht. Dies zeigt ein Blick auf die Vorschriften des § 191 Abs. 3 Satz 4 AO sowie des § 181 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz AO. Auch die Regelung der §§ 169 Abs. 1 Satz 2 AO, 171 Abs. 2 AO zeigt, dass die Grundsätze der Festsetzungsverjährung und ihre Ablaufhemmung nur für Steuerbescheide Geltung haben und nicht für sonstige Verwaltungsakte.
Grundsätzlich unterliegen die Verwaltungsakte der Steuerfestsetzung sowie der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen einem eigenständigen Regelungssystem der Bestandskraft und der Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung, das auch spezifische An- und Ablaufhemmungen umfasst. Für die dem Erhebungsverfahren zuzuordnenden Verwaltungsakte, die auf die Zahlung von Abgabenforderungen oder ihre Erstattung gerichtet sind, gelten hingegen die Grundsätze der Zahlungsverjährung sowie der Verjährungsunterbrechung. Die Unterschiedlichkeit dieser Regelungssysteme trägt dabei den strukturellen und dogmatischen Besonderheiten der Steuerfestsetzung sowie der Steuererhebung Rechnung. Diesem bestehenden Dualismus würde man nicht gerecht, wenn man Regelungen zur Ablaufhemmung bei der Steuerfestsetzungsverjährung ohne zwingende sachliche Notwendigkeit in den Bereich der Zahlungsverjährung implementieren würde. Dies umso weniger, als den Gesichtspunkten des Rechtsfriedens, der Rechtssicherheit sowie des Vertrauensschutzes durch die allgemeinen Grundsätze der Zahlungsverjährung in ausreichendem Maße Rechnung getragen werden kann.
Von daher kann die Regelung des § 171 Abs. 10 AO zu keiner zeitlichen Beschränkung der Anwendung der Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO im Bereich der §§ 180 Abs. 5 Nr. 2, 182 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz AO führen.
5. Im Streitfall steht der Korrektur der Anrechnungsverfügung gemäß Bescheid vom 08.07.2008 auch nicht der Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist gemäß §§ 228, 229 AO entgegen.
a) Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in den letzten Jahren dahingehend geändert hat, dass, soweit abgeführte Steuerabzugsbeträge in einer Anrechnungsverfügung nicht berücksichtigt worden sind, diese Anrechnung nach Ablauf der durch die Anrechnungsverfügung in Lauf gesetzten Zahlungsverjährungsfrist nicht mehr nachgeholt werden kann. Ebenso hat der Bundesfinanzhof festgestellt, dass durch die Bekanntgabe der Steuerfestsetzung die Frist für die Zahlungsverjährung der festgesetzten Steuer in Lauf gesetzt wird. Eine Änderung der Anrechnungsverfügung nach Ablauf dieser Frist ist danach ungeachtet dessen, ob diese zu einer Erhöhung oder einer Verminderung der Abschlusszahlung oder eine Rückforderung der Steueranrechnungsbeträge führt, unzulässig (vgl. BFH-Urteile vom 12.02.2008 VII R 33/06, BStBl. II 2008, 504; vom 27.10.2009 VII R 51/08, BStBl. II 2010, 382 sowie vom 09.12.2010 VII R 3/10, BFH/NV 2011, 750).
Nach diesen Entscheidungen wird durch die Bekanntgabe der Steuerfestsetzung die Frist für die Zahlungsverjährung nach § 228 AO in Lauf gesetzt und zwar ungeachtet dessen, ob diese Festsetzung mit der Ausweisung eines Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO oder mit einer Abschlusszahlung gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG verbunden wird. Die Anrechnung kann daher nach Ablauf der in § 228 Satz 2, 229 Abs. 1 AO geregelten Frist weder zugunsten noch zu Lasten des Steuerpflichtigen geändert werden. Der BFH vertritt insoweit den Standpunkt, dass das Institut der Zahlungsverjährung dafür sorgen soll, dass nach Ablauf einer angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber einkehrt, was der Steuerpflichtige aufgrund der Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen und Abzugssteuern noch zu zahlen hat bzw. was von ihm zu erstatten ist, so dass nicht nur fällig gewordene steuerliche Ansprüche nach Ablauf der Fünfjahresfrist nicht mehr geltend gemacht werden können, sondern auch auf fällig gewordene Steuern nichts mehr angerechnet und dadurch ein Erstattungsanspruch im Sinne des § 37 Abs. 2 AO nicht mehr ausgelöst werden kann. Die Änderung einer Anrechnungsverfügung nach Ablauf der durch die Bekanntgabe der Steuerfestsetzung nach §§ 220 Abs. 2 Satz 2, 229 Abs. 2 AO in Lauf gesetzten Frist des § 228 AO ist danach ungeachtet dessen ausgeschlossen, ob es um die nachträgliche Anrechnung durch Steuerabzug entrichteter Beträge und eine daraus folgende Verringerung der Abschlusszahlung (§ 36 Abs. 4 EStG) oder gleichsam umgekehrt um die Korrektur einer solchen Anrechnung zu Lasten des Steuerpflichtigen geht, sei es dass diese Korrektur zu einer Erhöhung der Abschlusszahlung, sei es dass sie zu einer Erstattungsforderung des Finanzamts führt.
b) Diese Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betrifft jedoch eine Fallkonstellation, die im Streitfall nicht gegeben ist, sodass diese Rechtsprechung vorliegend auch nicht einschlägig sein kann.
aa) So behandeln die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Fälle, in denen es gerade nicht um eine geänderte Steuerfestsetzung ging, die zu einer Änderung der zu zahlenden Steuerbeträge bzw. Erstattungsbeträge im Abrechnungsteil geführt haben.
In den genannten Entscheidungen ging es vielmehr darum, dass aufgrund einer nachgereichten Steuerbescheinigung bzw. aufgrund der Feststellung, dass zuvor eingereichte Steuerbescheinigungen unzutreffend – gefälscht – gewesen sind, eine Änderung der Anrechnungsverfügung erforderlich wurde. In diesen Fällen wurden mithin nicht die Steuerfestsetzungen aufgrund veränderter Umstände berichtigt, sondern es ging allein um die Änderung der Anrechnungsverfügungen aufgrund nachträglicher Erkenntnisse über den tatsächlichen Umfang anrechenbarer Körperschaftsteuer bzw. einbehaltener Steuerabzugsbeträge, ohne dass die Steuerfestsetzung als solche hierdurch verändert wurde.
In diesen Fällen ist es einsichtig, dass es bei dem einmal eingetretenen Beginn des Ablaufs der Zahlungsverjährungsfrist mit der Bekanntgabe der ursprünglichen Steuerfestsetzung verbleibt. Die bloße Änderung der Anrechnungsverfügung kann insoweit zu keiner Änderung hinsichtlich des Ablaufs der Zahlungsverjährungsfrist führen.
Im Streitfall hat der geänderte Feststellungsbescheid vom 25.04.2006 hingegen zu einer geänderten Steuerfestsetzung im Bescheid vom 10.05.2006 geführt und ebenso zu einem geänderten Ausweis der noch zu zahlenden bzw. zu erstattenden Steuer. Diese geänderte Steuerfestsetzung einschließlich der geänderten Abrechnung setzt jedoch eine neue Zahlungsverjährungsfrist nach §§ 228, 229, 220 AO in Gang.
Dass dies nicht anders sein kann, zeigt auch die folgende Kontrollüberlegung: Stellt sich nämlich nach Ablauf von fünf Jahren nach Erlass des erstmaligen Steuerbescheides – etwa im Anschluss an eine Außenprüfung oder ein Rechtsbehelfsverfahren – heraus, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung dieser Steuerfestsetzung gegeben sind und damit einhergehend auch die Notwendigkeit für eine Änderung der Anrechnungsverfügung, so könnte zwar in Anbetracht der wirksamen Ablaufhemmung noch eine Korrektur der Steuerfestsetzung erfolgen. Die sich daraus ergebende notwendige Korrektur der Anrechnungsverfügung könnte jedoch nicht mehr vorgenommen werden, da inzwischen bereits die für die Anrechnungsverfügung geltende fünfjährige Zahlungsverjährungsfrist abgelaufen wäre. Dies zeigt in aller Deutlichkeit, dass mit einer geänderten Steuerfestsetzung auch der Lauf einer neuen Zahlungsverjährungsfrist für die sich aus der Berichtigung der Steuerbeträge ergebenden Abschlusszahlungen und Erstattungen in Gang gesetzt wird. Denn die Zahlungsverjährung kann grundsätzlich nicht vor der Festsetzungsverjährung eintreten, letztere praktisch überholen.
bb) Desweitern beruhte die Änderung der Anrechnungsverfügung im Streitfall auf dem Erlass eines geänderten Grundlagenbescheids, der sowohl im Bereich der Steuerfestsetzung als auch im Bereich der anzurechnenden Körperschaftsteuer und der abzugsfähigen Kapitalertragsteuer zu Änderungen geführt hat, die aufgrund der Bindungswirkung des § 182 AO zwingend in dem Folgebescheid, den Einkommensteuerbescheid der Klägerin zu übernehmen waren. Auch insoweit zeigt sich, dass der Rechtsstandpunkt der Klägerin nicht zutreffend sein kann. Denn ergeht ein Grundlagenbescheid erst nach Ablauf von fünf Jahren und damit nach Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist für die Nachzahlungen oder Erstattungen aus dem ursprünglichen Bescheid, so mag der betreffende Folgebescheid zwar noch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden können. Er könnte jedoch erhebungstechnisch nicht mehr umgesetzt werden, da ja aufgrund der absoluten Zahlungsverjährungsfrist sämtliche Nachzahlungs- oder Erstattungsforderungen verjährt wären. Wäre mithin im Streitfall die Änderung des Feststellungsbescheids betreffend die A & B GmbH & Co. KG nicht im Jahre 2006, sondern im Jahre 2008 erfolgt, so hätte diese Änderung zwar noch im Steuerfestsetzungsbereich berücksichtigt werden können, im Erhebungsbereich wegen der vermeintlich zum 31.12.2007 eingetretenen absoluten Zahlungsverjährung jedoch nicht mehr durchgesetzt werden können.
Es erscheint dem erkennenden Senat weder vom Gesetz gewollt noch sinnvoll, dass die Zahlungsverjährung für einen Erstattungs- oder Nachzahlungsanspruch bereits zu einem Zeitpunkt eintreten kann, bevor durch einen geänderten Feststellungsbescheid erst die Voraussetzungen für eine Änderung der betreffenden Anrechnungsverfügung geschaffen werden. Weder aus Gründen der Rechtssicherheit noch aus anderen Gerechtigkeitserwägungen heraus erscheint es angebracht, einen so frühzeitigen Eintritt der Zahlungsverjährungsfrist anzunehmen.
cc) Entscheidend ist nach Auffassung des erkennenden Senats somit, dass durch den geänderten Feststellungsbescheid und die darauf beruhende Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2001 am 10.05.2006 eine neue Steuerfestsetzung erfolgt ist, die auch zum Beginn einer neuen Zahlungsverjährungsfrist hinsichtlich der in ihr ausgewiesenen Steuererstattungs- bzw. Steuernachzahlungsbeträge geführt hat.
Dieser zum 10.05.2006, mit der Fälligkeit dieses geänderten Steuerbescheids einsetzende Lauf der Zahlungsverjährungsfrist von fünf Jahren war mithin im Jahre 2008 noch nicht abgelaufen, so dass der Beklagte zu Recht am 08.07.2008 eine Änderung der Anrechnungsverfügung vom 10.05.2006 vorgenommen hat.
6. Der Rechtmäßigkeit der Änderung der Anrechnungsverfügung vom 10.05.2006 steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte im Rahmen der geänderten Anrechnungsverfügung vom 08.07.2008 auf die Korrekturvorschriften der §§ 129, 130 AO als im Streitfall einschlägige Rechtsgrundlagen für die Durchführung der Änderung Bezug genommen hat. Denn auch unter Berücksichtigung der Bestimmtheits- und Begründungserfordernisse für Verwaltungsakte nach den §§ 119 und 121 AO ist es grundsätzlich nicht maßgeblich, auf welche Korrekturvorschrift sich das Finanzamt beim Erlass eines Änderungsbescheides stützt. Entscheidend ist allein, dass der Erlass des betreffenden Änderungsbescheides überhaupt durch eine Korrekturvorschrift gedeckt ist. Auf die zutreffende Benennung der insoweit einschlägigen Korrekturvorschrift kommt es hingegen nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 14.09.1993 VIII R 9/93, BStBl. II 1995, 2).
III. Vor dem Hintergrund des Umstands, dass der Beklagte somit bereits aufgrund der Korrekturnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO berechtigt gewesen ist, die Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid vom 10.05.2006 zu ändern und dies im Rahmen der geänderten Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid vom 08.07.2008 auch in rechtmäßiger Art und Weise getan hat, sieht der Senat davon ab, auch das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Korrekturvorschriften der §§ 129, 130 Abs. 2 Nr. 4 AO im Streitfall zu überprüfen.
IV. Soweit sich die Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der geänderten Zinsfestsetzung im Bescheid vom 08.07.2008 unter Verjährungsgesichtspunkten wendet, so hat ihr Klagebegehren auch insoweit keinen Erfolg. Denn abgesehen von der Frage, ob nicht die Regelung des § 239 Abs. 1 Satz 3 AO eine geänderte Zinsfestsetzung auch noch nach der Änderung einer Anrechnungsverfügung gestattet, ist Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens allein der Abrechnungsbescheid vom 28.08.2008 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 07.05.2010.
Ihren Einwand, eine Änderung der Zinsfestsetzung habe aufgrund der eingetretenen Festsetzungsverjährung nach §§ 233 a Abs. 5, 239 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht mehr erfolgen dürfen, hätte die Klägerin mit einem Einspruch gegen die Zinsfestsetzung vom 08.07.2008 geltend machen müssen. Zwar hat die Klägerin die Zinsfestsetzung im Rahmen ihres Einspruchs vom 10.09.2008 gegen den Abrechnungsbescheid vom 28.08.2008 angegriffen. Aber abgesehen von der Frage, ob die geänderte Zinsfestsetzung damit nicht bereits bestandskräftig geworden ist und eine Klage hiergegen zumindest unbegründet ist, hat der Beklagte über diesen Einspruch jedenfalls bislang noch nicht durch Einspruchsentscheidung entschieden, sodass es auch an der für die Zulässigkeit einer solchen Klage erforderlichen vorherigen Durchführung des Vorverfahrens nach § 44 Abs. 1 FGO fehlt.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
VI. Der Senat lässt im Streitfall die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, da die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob die Umsetzung geänderter Feststellungen nach § 180 Abs. 5 Nr. 2 AO in einer Anrechnungsverfügung nach §§ 182 Abs. 1 Satz 2, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO der zeitlichen Begrenzung des 171 Abs. 10 AO unterliegt.