24.01.2012
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 02.11.2011 – 1 K 208/10
Die Mindestbesteuerung nach § 10a Sätze 1 und 2 GewStG ist grundsätzlich mit dem GG vereinbar. Die Beschränkung des Verlustabzugs ist im Streitfall mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, da sie durch die Gewährleistung der kommunalen Finanzhoheit gerechtfertigt ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit des begrenzten Verlustausgleichs im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags.
Die Klägerin wurde mit Co-Produktionsvertrag vom ... 2004 zwischen der A GmbH (jetzt: AA GmbH, Amtsgericht B, HRB ..., im Folgenden: AA GmbH) und der C GmbH & Co. Beteiligungs KG (jetzt: Amtsgericht D, HRA ..., im Folgenden C KG) gegründet. Gegenstand der Klägerin ist die Herstellung und Verwertung des Films ”...”. Mit Vertrag vom ... 2006 wurde die E GmbH (jetzt: F GmbH, Amtsgericht B, HRB ..., im Folgenden F GmbH) an der Koproduktion beteiligt. Im Jahr 2004 entstanden der Klägerin Filmproduktionskosten in Höhe von über eine Million EUR. Der Film kam am ... 2007 erstmalig in die Kinos. Im Jahr 2008 kam der Film zum Verleih in die Videotheken. Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben fielen bei den Gesellschaftern der Klägerin in den Jahren 2004 bis 2006 nicht an bzw. führten bei der F GmbH im Jahr 2006 zu einem Sonderbetriebsergebnis von 0 EUR. Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 23.09.2008 den vortragsfähigen Gewerbeverlust der Klägerin auf den 31.12.2006 auf ... EUR fest. Die Klägerin erzielte im Streitjahr einen Gewerbeertrag vor Verlustabzug in Höhe von über eine Million EUR (... EUR nach Gesamthandelsbilanz, ... EUR nach Sonderbilanz für die F GmbH), der nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel - wie die Jahre zuvor - allein der Gesellschafterin C KG zugerechnet wurde. Mit Gewerbesteuermessbescheid 2007 vom 21.07.2009 setzte der Beklagte einen Gewerbesteuer-Messbetrag in Höhe von ... EUR fest. Dabei kürzte der Beklagte gemäß § 10a Sätze 1 und 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) den Gewerbeertrag zunächst um 1 Million Euro und den darüber hinausgehenden Gewerbeertrag zu 60 % (= ... EUR) im Hinblick auf den festgestellten Verlustvortrag auf den 31.12.2006. Gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2007 legte die Klägerin am 20.08.2009 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 17.09.2010 zurückwies. Hiergegen richtet sich die Klage vom 20.10.2010. Die Klägerin trägt vor, sie könne die vorgetragenen Verluste wegen ihrer zeitlich und auf einen Film begrenzten Tätigkeit niemals nutzen. Die Klägerin meint, es sei verfassungswidrig, wenn dennoch ein Gewerbesteuer-Messbetrag festgesetzt werde. Der in englischer Sprache produzierte Film habe den erwarteten wirtschaftlichen Erfolg wegen der schlechten Filmkritiken und des Misserfolgs in den US-amerikanischen Kinos nicht erbracht. Künftige Erträge, die ein Aufbrauchen des Verlustvortrages ermöglichen könnten, seien nicht mehr zu erzielen. Erträge aus den Folgejahren (2008 bis 2014) ergäben sich lediglich aus der Auflösung einer im Jahr 2007 gebildeten Abgrenzung eines Teils der in 2007 zugeflossenen Erlöse sowie aus dem Weltvertrieb. Diese Erträge reichten jedoch nicht aus, den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag zu verbrauchen. Es verbleibe ein Verlustvortrag in Höhe von über eine Million Euro. Die Klägerin habe deshalb wegen des Misserfolgs des Films einen Totalverlust erzielt, der nicht zu einer Festsetzung eines positiven Gewerbesteuer-Messbetrags führen dürfe. Sie könne nicht einen anderen Film produzieren, da dann die gewerbesteuerlichen Verluste mangels Unternehmensidentität entfielen. Die Regelung des § 10a GewStG führe bei der Klägerin zu einer echten Substanzbesteuerung, was verfassungswidrig sei. Die Besteuerung von Scheingewinnen, wie sie im Rahmen der Mindestbesteuerung vorgesehen sei, könne zu existenzgefährdenden Eingriffen bei Steuerpflichtigen führen, da typischerweise keine Liquidität zur Zahlung der Steuer vorhanden sei. Im Übrigen sei der Erlass der Gewerbesteuer als Billigkeitsmaßnahme geboten. Dies sei bereits im Rahmen der Festsetzung zu berücksichtigen, da wegen einer Ermessensreduzierung auf Null von vornherein feststehe, dass die Steuer zu erlassen sei. Der Gesetzgeber habe den Verlustabzug lediglich zeitlich strecken, nicht jedoch vollständig untergehen lassen wollen.
Die Klägerin beantragt, den Gewerbesteuermessbescheid 2007 vom 21.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.09.2010 in der Weise zu ändern, dass der Gewerbesteuer-Messbetrag auf 0 EUR festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er meint, die Anwendung der Regelungen des § 10a Sätze 1 und 2 GewStG sei auch im konkreten Fall verfassungsgemäß. Der Zweck des Gesetzes, die Verstetigung der steuerlichen Gemeindefinanzierung, reiche aus, das objektive Nettoprinzip zu durchbrechen. Ein endgültiger Verlustwegfall sei nicht erkennbar und nicht nachvollziehbar. Zudem sei die Klägerin erst nach In-Kraft-Treten der gewerbesteuerlichen Regelung begründet worden und habe sich deshalb auf die Gesetzeslage einstellen können.
Dem Gericht haben vorgelegen die Gewerbesteuerakte Band I, die Betriebsprüfungsakte Band I, die Umsatzsteuerakte Band I sowie die Rechtsbehelfsakte „GewSt 2007, GewStMB 2007, GewStVerlust 2007” des Finanzamtes B, jeweils zur Steuernummer .../.../....
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2011 verwiesen.
Gründe
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Gewerbesteuermessbescheid 2007 vom 21.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.09.2010 ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Beklagte hat den maßgebenden Gewerbeertrag in rechnerisch richtiger Höhe gemäß den Regelungen in § 10a Sätze 1 und 2 GewStG gekürzt. Der gesamte Gewerbeertrag (einschließlich des Gewinns aus der Sonderbilanz der Gesellschafterin F GmbH) sowie der Höchstbetrag nach § 10a Satz 1 GewStG sind gemäß § 10a Satz 5 GewStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (Gesetz vom 13.12.2006, BGBl I 2006, 2878) entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel der Gesellschafterin C KG allein zuzurechnen. Der gesamte auf den 31.12.2006 festgestellte Fehlbetrag ist der Gesellschafterin C KG zuzurechnen und mit dem ihr ebenfalls allein zuzurechnenden Gewerbeertrag 2007 zu verrechnen. Es kann dahin gestellt bleiben, ob bei der Anwendung des § 10a GewStG im Rahmen der mitunternehmerbezogenen Berechnung des Fehlbetrages auf den allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel gemäß § 10a Satz 4 GewStG in der im Streitjahr geltenden Fassung oder - weil der Fehlbetrag vor dem Erhebungszeitraum 2007 entstanden ist - auf den Gewinnverteilungsschlüssel unter Einbeziehung der Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben abzustellen ist (vgl. hierzu auch Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 16.02.1994, XI R 50/88, BFHE 173, 374, BStBl II 1994, 364). Denn der Fehlbetrag ist nach beiden Möglichkeiten allein der Gesellschafterin C KG zuzurechnen, da in den Jahren 2004 bis 2006 Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben den entstandenen Fehlbetrag nicht beeinflussten. Gesellschafter schieden in den Jahren 2004 bis 2007 aus der Klägerin nicht aus. Soweit die F GmbH im Jahr 2006 an der Koproduktion beteiligt wurde, beeinflusst dies die der C KG allein zuzurechnenden Verluste nicht. Denn § 10a GewStG stellt nicht auf Beteiligungsidentität, sondern auf die Unternehmeridentität ab.
2. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen § 10a GewStG teilt der Senat nicht.
a) Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ist nicht in verfassungswidriger Weise verletzt.
aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (ständige Rechtsprechung, z. B. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 17.11.2009, 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1, BFH/NV 2010, 803 m. w. N.). Aus dem Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber allerdings unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig umzusetzen. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Die Entscheidung darüber, ob die Einbeziehung einer Personengruppe oder eines Sachverhalts in den Anwendungsbereich eines Steuergesetzes zur Auswahl und damit zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstandes zählt, bei der dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zusteht, oder ob dies eine Frage der Differenzierung innerhalb des Steuergegenstandes ist mit der Folge einer engeren Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit, kann nicht nach abstrakten Kriterien getroffen werden, sondern muss jeweils in Ansehung der konkreten Umstände des in Rede stehenden Steuergegenstandes und der betreffenden Vergleichsgruppen erfolgen. Dabei kommt es regelmäßig wesentlich darauf an, inwieweit die Gruppe oder der Sachverhalt, um deren oder dessen Einbeziehung es geht, durch Merkmale geprägt ist, die gerade den Steuergegenstand, dessen Ausgestaltung in Frage steht, unter dem Gesichtspunkt des steuerbaren Vorteils kennzeichnen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts typisieren darf, wobei allerdings die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen müssen und die gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen darf, sondern sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren muss (BVerfG-Beschluss vom 15.01.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 m. w. N.).
bb) Welche Sachverhaltselemente so wesentlich sind, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, hat zunächst der Gesetzgeber zu entscheiden (vgl. z. B. BVerfG-Beschluss vom 26.04.1988, 1 BvL 84/86, BVerfGE 78, 104 m. w. N.). Der Gesetzgeber ist grundsätzlich frei, die Merkmale der Vergleichspaare zu bestimmen, die für Gleichheit oder Ungleichheit der gesetzlichen Regelung maßgebend sein sollen (vgl. z. B. BVerfG-Beschluss vom 30.09.1987, 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 m. w. N.). Danach ist maßgebendes Unterscheidungskriterium nach der Regelung des § 10a Sätze 1 und 2 GewStG die Höhe des in dem jeweiligen Erhebungszeitraum erzielten Gewerbeertrags, wenn die vortragsfähigen Fehlbeträge für die vorangegangenen Erhebungszeiträume 1 Million Euro übersteigen. Gewerbetreibende, die - wie die Klägerin - im Erhebungszeitraum Gewerbeerträge über 1 Million Euro erzielen, können anders als Gewerbetreibende mit Gewerbeerträgen bis zu einer Million Euro den Ertrag nicht betragsmäßig unbeschränkt um vortragsfähige Fehlbeträge kürzen.
cc) Die Regelung in § 10a Sätze 1 und 2 GewStG ist allerdings gerechtfertigt. Nach den vorgenannten Grundsätzen betrifft die Unterscheidung zur Kürzung des Gewerbeertrags nach der Höhe des Fehlbetrags der vorangegangenen Erhebungszeiträume gemäß § 10a Sätze 1 und 2 GewStG nicht den Steuergegenstand, sondern stellt eine Differenzierung innerhalb des Steuergegenstandes dar. Steuergegenstand ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG jeder im Inland betriebene stehende Gewerbebetrieb. Da § 10a Sätze 1 und 2 GewStG jedoch an den maßgebenden Gewerbeertrag des jeweiligen Gewerbebetriebs als Steuergegenstand der Gewerbesteuer anknüpft, stellt die Vorschrift eine Norm dar, die lediglich zur Differenzierung innerhalb des Steuergegenstands führt. Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des Senates in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Einschränkung des Leistungsfähigkeitsprinzips vorgenommen, die eine Ungleichbehandlung der Klägerin im Vergleich zu den Gewerbetreibenden, deren Gewerbeertrag bis zu 1 Million Euro im Erhebungszeitraum beträgt und die einen 1 Million Euro übersteigenden Fehlbetrag in den vorangegangenen Erhebungszeiträumen hatten, rechtfertigt.
(1) Mit dem grundsätzlich möglichen Verlustvortrag berücksichtigt der Gesetzgeber das abschnittsübergreifende objektive Nettoprinzip als (zumindest) einfachgesetzliche Ausprägung des aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzips (vgl. BVerfG-Beschluss vom 22.07.1991, 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423). Dabei ist es nach bisheriger Rechtsprechung des BFH aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wenn der Verlustausgleich über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 27.01.2006, VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150 m. w. N.).
(2) Das objektive Nettoprinzip wird allerdings durch einen beschränkten Verlustabzug, wie ihn § 10a Sätze 1 und 2 GewStG vorsehen, eingeschränkt. § 10a Sätze 1 und 2 GewStG bewirken einen zeitlich unbeschränkten, aber betragsmäßig beschränkten Verlustabzug (Kleinheisterkamp, in Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Rz. 2). Die Einschränkung des Leistungsfähigkeitsprinzips durch die Beschränkung des Verlustabzugs ist nach Auffassung des Senates verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber mit dieser Beschränkung ein anderes Ziel, nämlich die Gewährleistung der kommunalen Selbstverantwortung in finanzieller Eigenverantwortung (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 GG), verfolgt und § 10a Sätze 1 und 2 GewStG in Verfolgung dieses Ziels verhältnismäßig sind. (a) Der Gesetzgeber verfolgte mit der Einfügung von § 10a Sätze 1 und 2 GewStG durch das Gesetz vom 23.12.2003 (BGBl I 2003, 2922) das Ziel, das Gewerbesteueraufkommen der Gemeinden zu verstetigen, um den Gemeinden eine verlässliche, wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 GG für deren finanzielle Eigenverantwortung zu gewährleisten. Ausgangspunkt war der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Gewerbesteuer, der die „Fortentwicklung” der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer vorsah und die Verstetigung der kommunalen Steuereinnahmen bezweckte (Bundesrats-Drucksache - BR-Drucks. 561/03, S. 22 f., 24). In Anlehnung an die Änderung des § 10d EStG durch das Gesetz vom 22.12.2003, BGBl I 2003, 2840 (vgl. hierzu BR-Drucks. 560/03), die entsprechend für die beabsichtigte Gemeindewirtschaftsteuer gelten sollte, sollte dieses Ziel erreicht werden (BR-Drucks. 561/03, S. 25 f.; Bundestags-Drucksache - BT-Drucks. - 15/1517, S. 12, 19). Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens empfahl der Vermittlungsausschuss die dann beschlossene Gesetzesfassung (BT-Drucks. 15/2248, S. 2), wobei die Grenze der vollständig zu berücksichtigenden Fehlbeträge von 100.000 EUR auf 1 Million Euro heraufgesetzt wurde. Das vorgenannte Ziel ist nicht mit dem allgemeinen Zweck von Steuern, Einnahmen zu erzielen, gleichzustellen, der ggf. nicht als legitimes Ziel anzusehen wäre. Die Regelungen zur Besteuerung verteilen lediglich in zeitlicher Hinsicht ein bestimmtes Steueraufkommen, was nicht einer steuerlichen Mehrbelastung infolge beabsichtigter Einnahmenvermehrung gleichzustellen ist (vgl. hierzu Finanzgericht - FG - Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.09.2010, 12 K 8212/06 B, Juris, Revisionsaktenzeichen: I R 9/11; a. A. möglicherweise BFH-Beschluss vom 26.08.2010, I B 49/10, BFHE 230, 445, BFH/NV 2010, 2356). (b) Die Regelungen des § 10a Sätze 1 und 2 GewStG sind geeignet, das vorgenannte Ziel zu erreichen. Die Gemeinden erhalten auf Grund dieser Regelungen Gewerbesteuer trotz hoher Verlustvorträge der Gewerbetreibenden. Die Regelungen führen dazu, dass Gewerbesteuer auf die 1 Million Euro übersteigenden Gewerbeerträge teilweise anfällt, obwohl Verlustvorträge ohne die Regelungen des § 10a Sätze 1 und 2 GewStG zu keiner Gewerbesteuer führen würden. (c) Die Regelungen sind zur Erreichung des Ziels erforderlich. Ein gleich geeignetes, aber milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Jegliche Veränderung des Betrages, bis zu dem die Fehlbeträge vollständig zu berücksichtigen sind, würde nicht gleich geeignet sein. Ein niedrigerer Betrag wäre im Vergleich zur getroffenen Regelung für die Steuerpflichtigen zudem kein milderes Mittel, da bereits bei niedrigeren Beträgen die bestehenden Verlustvorträge nicht in gleichem Maße ausgeschöpft werden könnten. Ein höherer Betrag wäre nicht gleich geeignet, da dadurch nicht derselbe Betrag den Gemeinden zu Gute käme. (d) Die Regelungen des § 10a Sätze 1 und 2 GewStG sind angemessen. Gemessen an dem Ziel, eine gewisse Finanzhoheit der Gemeinden zu gewährleisten, beeinträchtigen die Regelungen das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht in unverhältnismäßiger Art und Weise. Grundsätzlich geht ein Verlustvortrag nicht endgültig verloren, sondern wird infolge der betragsmäßigen Begrenzung weiter zeitlich gestreckt (vgl. auch BT-Drucks. 15/1518, S. 13; BT-Drucks. 15/1665, S. 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Erhebungszeitraum nicht feststeht, dass der Verlustvortrag endgültig verloren ist (vgl. auch Hessisches FG, Urteil vom 20.09.2010, 8 K 2285/09, EFG 2011, 260, Revisionsaktenzeichen: IV R 43/10). Nach Auffassung des Senates entspricht diese Situation der Frage, ob Verluste ausländischer Betriebsstätten bzw. Tochterkapitalgesellschaften „final” sind. In diesen Fällen wäre eine Berücksichtigung ebenso allenfalls im „Finalitätsjahr” möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 09.11.2010, I R 16/10, BFHE 231, 554, BFH/NV 2011, 524; BFH-Urteil vom 09.06.2010, I R 107/09, BFHE 230, 35, BFH/NV 2010, 1744). Gründe, die für eine Endgültigkeit der Verluste der Klägerin im Erhebungszeitraum sprechen könnten, liegen nicht vor. So ist die Klägerin nicht bis zum streitigen Erhebungszeitraum zeitlich beschränkt. Eine Kündigung (§§ 723 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) oder Auflösung (§§ 726 ff. BGB) der Klägerin im Erhebungszeitraum fand nicht statt. Des Weiteren erzielt die Klägerin nach eigenen Angaben in den folgenden Erhebungszeiträumen positive Gewerbeerträge, auch wenn diese nach ihren Angaben nicht geeignet sind, einen vollständigen Verlustausgleich zu ermöglichen. Ein Wegfall des Verlustes wegen fehlender Unternehmensidentität oder Unternehmeridentität liegt im Streitjahr nicht vor. Der Gesetzgeber hat zudem in angemessener typisierender Weise Fehlbeträge erst über 1 Million Euro nur teilweise nicht zum Abzug zugelassen. Diese Regelung trifft sämtliche Gewerbetreibende, wobei der Gesetzgeber mit der betragsmäßigen Höhe die Leistungsfähigkeit kleinerer und mittlerer Betriebe nach Auffassung des Senates angemessen berücksichtigte. Denn die Änderung des berücksichtigungsfähigen Fehlbetrages von 100.000 EUR auf 1 Million Euro beruhte auf den Empfehlungen des Finanzausschusses im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu dem Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz, das zur Änderung des § 10d EStG führte (BR-Drucks. 735/1/03). Der Finanzausschuss empfahl die Einberufung des Vermittlungsausschusses, um Änderungen bei der Besteuerung zu erreichen, da die ursprünglich vorgesehene Regelung Existenzgründer und mittelständische Unternehmen unangemessen benachteiligte. Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses setzte dieses sowohl für § 10d EStG (BT-Drucks. 15/2243, S. 2) als auch für § 10a GewStG (BT-Drucks. 15/2248, S. 2) um. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber dabei einen atypischen Fall als Leitbild gewählt hat. Die von der Klägerin vorgetragenen Besonderheiten ihres Falles sind angesichts der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers im vorliegenden Verfahren nicht im Rahmen verfassungskonformer Auslegung zu berücksichtigen. Dass sie eine zeitlich begrenzte Objektgesellschaft ist, für die ggf. infolge der Mindestbesteuerung ein endgültiger Verlustausschluss eintritt (so möglicherweise BFH-Beschluss vom 26.08.2010, I B 49/10, BFHE 230, 445, BFH/NV 2010, 2356), lässt sich den vertraglichen Regelungen nicht entnehmen. Zumindest endet die Klägerin nicht im streitigen Erhebungszeitraum bzw. steht ein endgültiger Verlustausschluss zurzeit nicht fest. Es ist zudem nicht davon auszugehen, dass § 10a Sätze 1 und 2 GewStG teleologisch in der Weise zu reduzieren wäre, dass die Regelung im Fall der in der Filmbranche üblichen Co-Produktionsverträge nicht angewendet werden soll. Eine Ausfüllung einer „verdeckten Lücke” im Wege der teleologischen Reduktion zu Gunsten der Klägerin kommt nicht in Betracht. Nach Auffassung des Senates ist der Entstehungsgeschichte der Regelung bis auf die Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen nicht zu entnehmen, welche konkreten wirtschaftlichen Fallgestaltungen der Gesetzgeber im Blick hatte. Eine Ausnahme für bestimmte Branchen kann danach gerade nicht erfolgen. Ob, wie die Klägerin vorgibt, im Fall der Produktion eines weiteren Films, die Unternehmensidentität entfiele, ist mangels tatsächlichen Vorliegens im Streitzeitraum nicht zu entscheiden. (e) Soweit infolge der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers Besonderheiten des Einzelfalles nicht berücksichtigt werden können, wäre die Klägerin ggf. auf ein Billigkeitsverfahren verwiesen, das hier allerdings nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind Festsetzungsverfahren und Billigkeitsverfahren zwei getrennte Verfahren, die zwar äußerlich verbunden werden können, aber verfahrensrechtlich verschieden sind (vgl. Lose, in Tipke/Kruse, Abgabenordnung - AO -/FGO, § 163 AO Rz. 20 ff. m. w. N.). Ob im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens Verluste tatsächlich in voller Höhe zu berücksichtigen wären, ist im hiesigen Verfahren nicht zu entscheiden.
b) Die Klägerin ist nicht in ihrem Recht aus Art. 14 GG verletzt. Zwar ist der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG betroffen, da die Eigentumsgarantie auch dann den Grundrechtsträger schützt, wenn Steuerpflichten - wie im Einkommen- und Gewerbesteuerrecht - an den Hinzuerwerb von Eigentum anknüpfen (BVerfG-Beschluss vom 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, HFR 2006, 507). Jedoch ist der Eingriff durch § 10a Sätze 1 und 2 GewStG als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nach Auffassung des Senates gerechtfertigt. Die Schrankenbestimmung entspricht nach den obigen Ausführungen im Streitzeitraum dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Anhaltspunkte dafür, dass der Eingriff in das Eigentum der Klägerin „erdrosselnde” Wirkung hat und deshalb verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sein könnte (vgl. hierzu BVerfG-Beschluss vom 08.04.1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267, NJW 1997, 1974), liegen nicht vor. Die lediglich pauschalen Behauptungen der Klägerin zu einer Substanzbesteuerung bzw. zu einer typischerweise fehlenden Liquidität zur Zahlung der Steuer genügen hierfür nicht.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.