05.01.2012
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 30.09.2011 – 4 K 103/10
1. Nimmt die Zollbehörde Sendungen in Verwahrung, die die Post aus dem Nicht-EU-Ausland übernommen und befördert hat, ist Kostenschuldner der Gebühren der auf der Sendung angegebene Empfänger und nicht die Post.
2. Auch der Schuldner von Verwaltungskosten kann sich darauf berufen, die Behörde habe ihr Auswahlermessen zwischen mehreren Kostenschuldnern nicht ermessensfehlerfrei ausgeübt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Lagerkosten und beansprucht Gebührenfreiheit für sich.
1. a) Die Klägerin befördert in ihrer Eigenschaft als Postunternehmen u. a. im Inland Postsendungen aus Nicht-EU-Ländern. Die Sendungen, die nicht ohnehin gestellungsbefreit sind, werden grundsätzlich durch die Klägerin für den jeweiligen Empfänger zollrechtlich angemeldet. Hingegen muss der Empfänger selbst für die Zollabfertigung seiner Postsendung sorgen (als sog. Selbstverzoller), wenn er gegenüber der Klägerin ausdrücklich erklärt hat, dass er die Zollabfertigung für eingehende Postsendungen selbst vornehmen möchte, der Warensendung Unterlagen oder Angaben zum Inhalt der Sendung fehlen und/oder die Angaben darauf hindeuten, dass sie unvollständig oder fehlerhaft sind, oder die Sendung Waren enthält, die aufgrund bestehender Verbote und Beschränkungen oder Bestimmungen des Außenwirtschaftsrechts weitere Förmlichkeiten erfordern, die von der Klägerin nicht erfüllt werden können. In diesen Fällen werden die Postsendungen durch die Klägerin an das für den Wohnort des Empfängers zuständige Zollamt weitergeleitet und der Empfänger von der Klägerin benachrichtigt.
Falls der Empfänger, den die Klägerin über den Sendungseingang und die erforderliche Zollbehandlung benachrichtigt, die Sendung nicht abholt und dabei etwaige Abgaben entrichtet, nimmt die Klägerin die Sendung aus der Zollverwahrung zurück. Die Beteiligten streiten über Gebühren für diese Verwahrung.
b) Für die Zollverwahrung von Sendungen im Postverkehr sah die bis zum 30. September 2009 gültige Zollkostenverordnung (ZKostV) eine Gebührenerhebung nur für Pakete vor und zwar in Höhe von EUR 0,50 pro Tag, § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZKostV. Nach Abs. 2 Nr. 4 der Vorschrift wurden für die Verwahrung von Postpaketen bis zu sieben Tagen Gebühren nicht erhoben. Allerdings hatten die Zollbehörden darüber hinaus - entsprechend einer (von der Klägerin als Anlage K 14 vorgelegten) Dienstanweisung des Bundesministeriums der Finanzen (- BMF -, SV 2214) - generell von der Erhebung der Verwahrungsgebühr bei der Klägerin abgesehen, auch wenn der Empfänger die Annahme des Postpaketes verweigerte oder wenn dieses nicht zugestellt werden konnte und die Sieben-Tage-Frist bei Rückgabe bereits überschritten war. Verwahrungsgebühren für die Zollverwahrung wurden demnach bei der Klägerin generell nicht erhoben.
c) Die am 01. Oktober 2009 in Kraft getretene Zollkostenverordnung (ZollKostV) hat den Gebührentatbestand - jetzt in § 7 Abs. 1 Nr. 1 ZollKostV geregelt - dahin gehend erweitert, dass für jegliche Post- und Kuriersendungen bis 20 Kilogramm Lagerkosten in Höhe von EUR 0,50 je Tag und Packstück erhoben werden.
In der von der Klägerin vorgelegten aktuellen Dienstanweisungen des BMF (als Anl. K 14, 18 vorgelegt) finden sich die Ausführungen zur Nichterhebung nicht mehr. In einem (elektronischen) Schriftwechsel teilte das BMF der Klägerin unter dem 28. Dezember 2009 mit (Anl. K 11), das bisher ohne Rechtsanspruch gewährte Entgegenkommen, der Klägerin gegenüber grundsätzlich auf Lagergebühren zu verzichten, könne aus Gründen der Gleichbehandlung nicht länger beibehalten werden. Das BMF erklärte sich unter Bezugnahme auf § 11 ZollKostV - nach dieser Vorschrift erfolgt eine tatsächliche Erhebung von Gebühren erst ab EUR 5 -, bereit, die Klägerin nach sieben Tagen über nicht abgeholte Sendungen zu informieren, damit diese binnen 10 Tagen zurückgenommen werden können und damit die Erhebung von Lagerkosten vermieden werde. Der Bitte der Klägerin an das BMF, die zuvor bestehende Praxis der Nichterhebung fortzusetzen, wurde nicht entsprochen (Anl. K 10, 11).
2. In dem streitgegenständlichen Kostenbescheid vom 01. März 2010 wurden gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ZollKostV gegenüber der Klägerin für insgesamt 13 Postsendungen, die in der Zeit vom 11. bis 18. Februar 2010 beim Zollamt (ZA) Post des Beklagten in Verwahrung genommen worden waren, Lagerkosten in Höhe von EUR 104,50 festgesetzt. In dem Bescheid heißt es zur Kostenschuldnerschaft, die Klägerin sei Kostenschuldner nach Art. 53 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 2913/92 - Zollkodex (ZK) - i. V. m. Art. 187 VO (EWG) Nr. 2454/93 - Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO). Wegen seines genauen Inhalts wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 05. März 2010 rechtzeitig Einspruch mit der Begründung, als Vertreter des Zollanmelders sei sie nicht Kostenschuldner nach § 13 VwKostG. Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19. April 2010 zurück (Gz. .../.../..., Anl. K 5). Die Kostenschuldnerschaft der Klägerin wurde damit begründet, dass die Klägerin die Amtshandlung veranlasst habe; der Beklagte nahm insoweit Bezug auf § 13 VwKostG, Art. 53 Abs. 2 ZK, Art. 187 ZK-DVO. Dem von der Klägerin zugleich mit der Erhebung der Klage gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollziehung hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 29. September 2010 entsprochen (4 V 104/10, juris, bestätigt mit Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Februar 2011, VII B 210/10, BFH/NV 2011, 1038).
3. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 25. Mai 2010 Klage erhoben. Die Klägerin ist der Meinung, der streitgegenständliche Kostenbescheid sei deswegen rechtswidrig, weil sie nach der anzuwendenden Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 1 VwKostG nicht Kostenschuldner sei, denn sie sei kein Veranlasser im Sinne dieser Norm. Der Begriff der Veranlassung setze eine aus eigener Initiative vorgenommene, freiwillige Handlung voraus, gegebenenfalls aufgrund einer freiwillig übernommenen Verpflichtung. Für eine solche Auslegung spreche auch der Umstand, dass sich etwaige Verzögerungen für die Gebührenerhebung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 ZKostV bzw. § 7 Abs. 2 ZollKostV nur zu Lasten desjenigen auswirkten, der die Verzögerung zu vertreten habe. Die Klägerin sei indes zu dem mit Kosten belegten Inverwahrung geben ohne eigenen Willen verpflichtet worden. Aufgrund des Weltpostvertrags und durch Bundesgesetz sei sie verpflichtet, zu reglementierten Beförderungsentgelten Postsendungen aus dem Ausland im Inland zu transportieren und dabei im Rahmen der für Sendungen aus Nicht-EU-Ländern grundsätzlich erforderlichen zollrechtlichen Abfertigung gleichsam hoheitlich tätig zu werden. Die ZollKostV laufe als untergesetzliche Regelung dieser gesetzlichen Verpflichtung zuwider und sei schon deshalb rechtswidrig. Sie verstoße auch gegen das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Grundgesetz (GG), indem sie die Klägerin in diesen Fällen willkürlich mit anderen Beförderern gleich behandle, obwohl sich die Grundlage ihres Handelns wesentlich unterscheide und zu einer differenzierenden Behandlung zwinge: die Klägerin werde in Fällen wie hier aufgrund gesetzlicher Verpflichtung hoheitlich und zu vorgegebenen Bedingungen tätig, die anderen Beförderer übten eine rein selbst bestimmte Tätigkeit aus. Als Vertreter des Empfängers und Anmelders hafte sie ohnehin nicht für dessen Verbindlichkeiten, zu denen auch etwaige Verwahrkosten gehörten. Die Klägerin macht hilfsweise geltend, durch ständige, vierzigjährige Verwaltungspraxis des BMF habe sie faktisch Gebührenfreiheit nach § 8 VwKostG erworben bzw. habe die Zollverwaltung auf einen Gebührenanspruch ihr gegenüber verzichtet. Die Zollverwaltung habe die Praxis, die Klägerin nicht als Veranlasser der Verwahrung zu behandeln und nicht mit Kosten zu belegen, willkürlich aufgegeben und den der Klägerin zugesprochenen Verzicht auf Gebühren durch das BMF rückwirkend und rechtswidrig widerrufen. Gegen den Widerruf habe sie bei dem Finanzgericht Düsseldorf Klage erhoben.
Die Klägerin rügt, dass weder sie noch der Verband der Postdienstleister bei der Novellierung der ZKostV beteiligt worden sei. Auch sei weder sie noch ihr Verband über die Änderungen hinreichend informiert worden - im Gegensatz zu anderen Verbänden.
Die Klägerin meint, der angefochtene Bescheid sei nicht nachvollziehbar und entspreche nicht den Anforderungen aus §§ 157, 119 AO. In ihm würden die Verwahrungen verschiedener Sendungen zusammengefasst, ohne dass ausgewiesen werde, welche Sendungen konkret betroffen seien, ob es sich um Brief, Päckchen oder Paket gehandelt habe und aus welchem Grund der Empfänger die Sendung nicht abgeholt habe. Die Klägerin moniert, dass der Beklagte ihre Kostenfestsetzung widersprüchlich begründe. Unzutreffend nehme er auch Bezug auf die Vorschrift in Art. 53 Abs. 2 ZK, die hier mangels summarischer Anmeldung keine Anwendung finde.
Die Klägerin wendet sich auch gegen die Bestimmung der Gebührenhöhe in der ZollKostV. Es sei willkürlich, wenn für ein Paket mit 20 kg Gewicht dieselbe Gebühr erhoben werde wie für einen Brief von bis zu 20 g Gewicht.
Die Klägerin beantragt,
den Kostenbescheid vom 01. März 2010 (Rz. .../.../...) sowie die
Einspruchsentscheidung vom 19. April 2010 aufzuheben,
hilfsweise
festzustellen, dass sie nicht Veranlasser der in Rede stehenden Amtshandlungen war.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich auf die Begründung seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend meint der Beklagte, weil es außer der Klägerin keine weiteren Kostenschuldner gegeben habe, habe er kein Auswahlermessen gehabt; insbesondere seien die Empfänger keine Kostenschuldner, denn die Sendungen seien nicht gemäß § 13 VwKosG zu ihren Gunsten verwahrt worden, vielmehr hätten die Empfänger durch die Nichtabholung gerade ihr Desinteresse an der Sendung zum Ausdruck gebracht.
4. Dem Gericht lag neben den Schriftsätzen der Beteiligten nebst Anlagen ein Ringordner mit der Akte des Beklagten vor.
Gründe
Die zulässige Klage hat Erfolg.
1. Die Klage ist begründet, denn der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Zwar entspricht der Inhalt des Bescheids dem seinerseits rechtmäßigen Gebührentatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ZollKostV (a). Die Klägerin ist indes nicht Gebührenschuldner (b) und wäre andernfalls ermessensfehlerhaft in Anspruch genommen worden (c).
a) Dass unzweifelhaft der Gebührentatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ZollKostV erfüllt wurde, die Gebühren der Höhe nach zutreffend berechnet worden sind, der Bescheid den formellen Erfordernissen entspricht, insbesondere die Zusammenfassung von mehreren Gebührentatbeständen in dem streitgegenständlichen Bescheid nicht zu beanstanden ist, und dass an der Rechtmäßigkeit der ZollKostV selbst keine Zweifel bestehen, hat der erkennende Senat bereits in seinem Beschluss vom 29. September 2010 (4 V 104/10, juris) mit ausführlicher Begründung ausgeführt und ist vom Bundesfinanzhof ausdrücklich bestätigt worden (Beschluss vom 22. Februar 2011 VII B 210/10, BFH/NV 2011, 1038):
Der streitgegenständliche Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er entspricht den Vorschriften des VwKostG und der ZollKostV. Die Vorschriften des VwKostG finden für die Gebühren der ZollKostV Anwendung, denn das Unionsrecht enthält insoweit keine Regeln, die ansonsten vorrangig anzuwenden wären. Den Anforderungen des § 14 VwKostG wurde genügt. Die von der Klägerin gerügte Vorgehensweise des Beklagten, Gebühren für mehrere Sendungen über einen Monat zusammen zu fassen, ist in § 10 ZollKostV vorgesehen. Es war nicht erforderlich, die einzelnen Sendungen in dem Bescheid konkreter zu benennen; vielmehr kann - auch mangels entsprechendem substantiierten Vortrag der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin - davon ausgegangen werden, dass der Bescheid unter Zugrundelegung eines verobjektivierten Empfängerhorizonts hinreichend verständlich und ausreichend detailliert ist. Der Bescheid ist im Hinblick auf die Entstehung der Steuerschuld auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Gebührentatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ZollKostV ist erfüllt. Im ZA Post des Beklagten ist die im Bescheid genannte Anzahl von Sendungen über die ebenfalls genannten Zeiträume verwahrt worden. Die Gebühren der streitgegenständlichen Sendungen sind zutreffend berechnet worden, insbesondere sind die gemäß § 7 Abs. 2 ZollKostV gebührenfreien Tage berücksichtigt worden.
b) Der Bescheid ist jedoch rechtswidrig, weil die Klägerin nicht Kostenschuldnerin ist.
Nach der im Streitfall allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG (vgl. BFH, Beschluss vom 22. Februar 2011, VII B 210/10, BFH/NV 2011, 1038) ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst oder zu wessen Gunsten sie vorgenommen wird. Die zweite Alternative scheidet ohne weiteres aus, weil die Klägerin nicht als Begünstigter der Verwahrung anzusehen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 22. Februar 2011, VII B 210/10, BFH/NV 2011, 1038). Aber auch die erste Alternative ist nicht erfüllt, weil mit der Weiterleitung der Sendungen an das Zollamt die gebührenpflichtige Verwahrung als Amtshandlung im Sinne der Vorschrift zwar veranlasst worden ist, die Veranlassung jedoch nicht der Klägerin zuzurechnen ist.
aa) Der Begriff der Veranlassung hat eine weite Bedeutung. Er setzt nicht voraus, dass das Verfahren willentlich - etwa durch Antragstellung - in Gang gebracht worden ist, sondern es reicht aus, dass die Amtshandlung in zurechenbarer Weise verursacht worden ist (vgl. nur ThürOVG, Urteil vom 16. Mai 2001 - 1 KO 646/99 - ThürVGRspr. 2002, 139, ThürVBl. 2001, 280, m. w. N.).
Gebührenrechtlicher Veranlasser ist, wer die Amtshandlung willentlich herbeigeführt hat oder derjenige, in dessen Pflichtenkreis sie erfolgt (BFH, Beschluss vom 22. Februar 2011, VII B 210/10, BFH/NV 2011, 1038; BVerwG-Urteile vom 22. Oktober 1992, 3 C 2.90, BVerwGE 91, 109, und vom 14. Juni 2005, 1 C 15.04, BVerwGE 124, 1; OVG NRW, Urteil vom 16. September 2009, 17 A 2493/03, 17 A 2508/03, juris), d. h. Veranlasser ist, wer in seiner Person objektiv in rechtlich zurechenbarer Weise einen Tatbestand setzt, an den das Gesetz eine Ermächtigung für die Behörde zum Tätigwerden und eine Kostenpflicht knüpft, also wer die als Amtshandlung zu qualifizierende Tätigkeit der Behörde in Gang setzt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15. April 2009 1 L 92/08, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Mai 2009 2 L 78/08, Landes- und Kommunalverwaltung - LKV - 2009, 329, juris m. w. N.; ThürOVG, Urteil vom 26. November 2009 3 KO 749/07, ThürVBl 2010, 130, m. w. N., zitiert nach juris). Ein die Kostenfolge auslösender Antrag kann nicht nur in eigener Person, sondern auch in Stellvertretung für einen anderen gestellt werden mit der Konsequenz, dass die Folgen dieser Willenserklärung in der Person des Vertretenen eintreten und dieser als Veranlasser angesehen werden muss (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15. April 2009, 1 L 92/08, juris); der bloße Vertreter kann indes nicht als Veranlasser auf Zahlung der Gebühr in Anspruch genommen werden (Hmb. OVG, Urteil vom 16. Dezember 1980, Bf III 9/80, HmbJVBl 1981, 129, juris, m. w. N.).
bb) Die Verwahrung wurde dadurch verursacht, dass die Klägerin bzw. ihre Mitarbeiter die Sendungen dem Zollamt gestellt haben, also Mitteilung machten, dass die Waren sich bei der Zollstelle befinden, Art. 4 Nr. 19 ZK.
Eine Veranlassung der Verwahrung kann der Klägerin indes nicht allein deswegen zugerechnet werden, weil sie die Sendungen - unstreitig - gestellt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob sie die Gestellung im Zusammenhang mit ihrer Beförderung vorgenommen hat oder im Hinblick auf die anschließende weitere zollrechtliche Behandlung.
Soweit die Klägerin im Hinblick auf die Postsendungen als Inhaberin eines externen Versandverfahrens gemäß Art. 91 Abs. 2 Buchst. f ZK angesehen wird (so BFH, Beschluss vom 22. Februar 2011, VII B 210/10, BFH/NV 2011, 1038), ist es zwar ihre Sache, das Versandverfahren durch Gestellung der Postsendungen bei der Bestimmungszollstelle zu beenden (Art. 92 ZK). Zwischen der Inverwahrungnahme und dem Versandverfahren besteht indes kein rechtlicher Zusammenhang, weil dieses bereits - mit der Gestellung - ordnungsgemäß beendet ist und die Verwahrung erst anschließend erfolgt. Soweit die Klägerin die Sendungen deswegen gestellt hat, weil sie von ihr in das Unionsgebiet befördert worden sind, kann sie gleichfalls nicht als Veranlasser der Verwahrung angesehen werden. Grund dafür, die Sendungen in Verwahrung zu nehmen, war nicht ihre Gestellung im Zusammenhang mit der Beförderung, sondern der Umstand, dass sie noch nicht die gemäß 48 ZK (ggf. i. V. m. Art. 55) erforderliche zulässige zollrechtliche Bestimmung erhalten hatten. Denn bis zum Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung haben gestellte Waren die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung, Art. 50 Satz 1 ZK. Da es jedoch - zumindest in den Fällen, in denen sich die Empfänger die Zollanmeldung vorbehalten haben oder der Klägerin eine Zollanmeldung wegen Unvollständigkeit der Dokumente oder wegen gesetzlicher Restriktionen nicht möglich ist - nicht in den Pflichtenkreis der Klägerin fällt, in eigener Person dafür zu sorgen, dass die von ihr beförderten Sendungen im Anschluss an die Beförderung eine zollrechtliche Bestimmung erhalten, kann sie auch insoweit nicht als kostenrechtlicher Veranlasser der Inverwahrungnahme in Anspruch genommen werden.
Auch soweit die Gestellung im Hinblick auf die weitere zollrechtliche Behandlung der Sendungen gesehen wird, ist die Klägerin nicht Veranlasserin der Verwahrung. Dies ergibt sich im Hinblick auf Sendungen mit unvollständigen Unterlagen aus der Vorschrift in § 5 Abs. 2 des im vorliegenden Fall anwendbaren Zollverfahrensgesetzes (ZollVG), die die Klägerin befugt, für von ihr beförderte Waren, die nach Maßgabe des Zollkodex zu gestellen sind, Zollanmeldungen in Vertretung des Empfängers abzugeben, wobei Empfänger im Sinne dieser Vorschrift offensichtlich derjenige ist, für den die Sendung bestimmt ist, unabhängig davon, ob er die Sendung später auch tatsächlich in Empfang nimmt. Da in diesen Fällen der Abgabe der Zollanmeldung zunächst die Gestellung der Ware vorauszugehen hat, beinhaltet die gesetzliche Befugnis der Klägerin, eine Zollanmeldung als Vertreterin des Empfängers abzugeben, notwendigerweise auch die Befugnis, die Waren für ihn zu gestellen. Der Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass die Befugnis der Klägerin zur Abgabe der Zollanmeldung und damit auch zur Gestellung der Ware unter der Bedingung steht, dass die für die Zollanmeldung erforderlichen Unterlagen vollständig vorliegen, zumal sich die Unvollständigkeit auch erst bei der Prüfung durch die zuständige Zollbehörde ergeben kann. Demnach besteht die Befugnis der Klägerin, die Ware in Vertretung des Empfängers zu gestellen, auch in den Fällen, in denen die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorliegen und eine Zollanmeldung durch die Klägerin deswegen scheitert oder scheitern müsste und deswegen - wie in den vorliegenden Fällen - von vornherein unterbleibt. Dieses Ergebnis folgt auch aus der oben dargelegten Rechtsprechung, nach der im Fall einer Stellvertretung der Vertretene, nicht jedoch der Vertreter gebührenrechtlicher Veranlasser ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die zitierte Rechtsprechung nur Fälle betraf, in denen eine Amtshandlung auf Antrag erfolgt ist, im vorliegenden Fall die Klägerin jedoch keinen Antrag auf Verwahrung gestellt hat, sondern die Verwahrung dadurch ausgelöst worden ist, dass sie die Sendungen anlässlich der Gestellung dem Zollamt überlassen hat. Die Gestellung und die Überlassung sind nicht wie der Antrag Willenserklärungen, sondern Realakte. Der erkennende Senat hält jedoch die dargestellten Rechtsgrundsätze bezüglich des Vertreterhandelns auf solche Konstellationen übertragbar, in denen die Amtstätigkeit nicht durch Auftrag oder Antrag, sondern auf andere Weise, aber in Vollmacht für einen anderen veranlasst wird. Demnach wird nicht derjenige Kostenschuldner, der im Rahmen seiner Amtstätigkeit - gleich einem Stellvertreter in Rechtsgeschäften - berechtigt für einen Dritten handelt und im Rahmen dieser Berechtigung Kosten auslöst, sondern der Dritte. Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Die Klägerin hat die Sendungen mit dem Willen, im fremden Namen zu handeln, nämlich für die jeweiligen Empfänger, gestellt und übergeben; dieser Wille ist jedenfalls unter Berücksichtigung eines verobjektivierten Empfängerhorizonts auch hinreichend klar zum Ausdruck gekommen. Die Richtigkeit dieser Ergebnisse zeigt sich auch bei folgender Kontrollüberlegung: Hätte die Klägerin die Ware tatsächlich angemeldet und damit die Ware im Rahmen der Anmeldung gestellt, wäre mit den infolge der Anmeldung zu erhebenden Einfuhrabgaben aufgrund des gesetzlichen Vertretungsverhältnisses nur der Empfänger zu belasten gewesen. Der erkennende Senat hält dafür, dass Gleiches für im Zusammenhang mit der Zollanmeldung entstehende Verwaltungskosten, wie die Verwahrungsgebühren, gilt, weil für eine unterschiedliche Behandlung von Einfuhrabgaben einerseits und Nebenkosten der Zollanmeldung andererseits keine Gründe erkennbar sind. Unerheblich ist ein etwa entgegenstehendes Interesse des Adressaten, das dieser gerade durch die Nichtabholung der Sendung zum Ausdruck gebracht haben könnte. Denn für den Tatbestand des § 5 Abs. 2 ZollVG ist das Interesse des Empfängers offensichtlich kein erhebliches Moment. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass diese Vorschrift bezweckt, den Verantwortungsbereich der Klägerin, der davon gekennzeichnet ist, dass sie nur im Rahmen ihrer Beförderungsaufgaben und -pflichten im Zollverfahren tätig wird, von dem Verantwortungsbereich des Empfängers abzugrenzen, der für die zollrechtliche Bestimmung zu sorgen hat. Die Konsequenz, dass die damit verbundenen Abgaben in seiner Person entstehen, entspricht dieser Zweckbestimmung.
Gleiches gilt im Ergebnis auch in den Fällen, in denen die Unterlagen nicht unvollständig sind, aber der Empfänger der Klägerin vorab mitgeteilt hat, dass er die Zollanmeldung selbst vornehmen wolle. In diesen Fällen bedarf es für die Feststellung einer Bevollmächtigung der Klägerin nicht des Rückgriffs auf § 5 Abs. 2 ZollVG, denn für diesen Selbstverzoller ergibt sich ihre Bevollmächtigung konkludent aus seiner Erklärung, dass nicht die Klägerin den gesetzlichen Regelungen entsprechend die Zollanmeldung vornehmen soll, sondern dass diese von ihm selbst vorgenommen werden soll. Da die Zollanmeldung der von der Klägerin für einen Selbstverzoller beförderten Sendung durch den Empfänger ihre Gestellung voraussetzt (s. Art 38, 40 ff. ZK), es der Klägerin zollrechtlich aber nicht erlaubt ist, die Ware nach Beendigung der Beförderung ungestellt selbst zu verwahren, bis dieser zur Zollanmeldung bereit ist, muss in seiner Anweisung an die Klägerin, keine Zollanmeldung für ihn abzugeben, zugleich die Ermächtigung gesehen werden, die Sendung für ihn entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu gestellen. Ein gegenteiliger Wille des Empfängers wäre unter dem Grundsatz von Treu und Glauben (hier unter dem Gesichtspunkt des sog. venire contra factum proprium) unbeachtlich.
c) Selbst wenn die Klägerin Kostenschuldnerin geworden sein sollte, könnte der angefochtene Kostenbescheid keinen Bestand haben, denn jedenfalls gab es neben ihr noch weitere Kostenschuldner mit der Folge, dass der Beklagte in diesem Fall von seinem Auswahlermessen keinen Gebrauch gemacht hätte (vgl. BFH, Beschluss vom 22. Februar 2011, VII B 210/10, BFH/NV 2011, 1038).
aa) Gibt es mehrere Kostenschuldner, so haften diese als Gesamtschuldner, § 13 Abs. 2 VwKostG. Im Fall einer Gesamtschuldnerschaft hat die Behörde grundsätzlich ein Auswahlermessen, welchen Kostenschuldner sie in welcher Höhe heranziehen will. Sie kann die Kosten ganz oder teilweise von jedem der Gesamtschuldner fordern, aber insgesamt nur einmal einziehen. Wäre die Klägerin als Veranlasser nach § 13 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. VwKostG Kostenschuldner gewesen, so hätte der Beklagte es versäumt, sein Auswahlermessen auszuüben, und der angefochtene Bescheid wäre schon deshalb rechtswidrig, denn mit dem Adressaten der Sendung gab es jeweils einen weiteren Kostenschuldner. Kostenschuldner für eine gestellte und mangels zollrechtlicher Bestimmung in Verwahrung genommene Postsendung ist nämlich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. VwKostG jedenfalls auch der auf der Sendung angegebene Empfänger, weil die Verwahrung - anders als der Beklagte meint - zu seinen Gunsten erfolgt (BFH, Beschluss vom 22. Februar 2011 VII B 210/10, BFH/NV 2011, 1038). Denn die Verwahrung eröffnet und erhält ihm die Möglichkeit, die für ihn bestimmte Sendung in Empfang zu nehmen. Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. VwKostG enthält, anders als die Ansicht des Beklagten voraussetzen würde, kein subjektives Element.
bb) Sofern in der Rechtsprechung in Frage gestellt wird, ob der Schuldner von Verwaltungskosten sich überhaupt darauf berufen kann, das Auswahlermessen zwischen mehreren Kostenschuldnern sei nicht ermessensfehlerfrei ausgeübt worden, folgt der erkennende Senat dieser Meinung nicht. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat diese Frage - unter ausdrücklicher Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Braunschweig (Urteil vom 15. Juli 2003, 5 A 304/02, juris) - in seinem Urteil vom 27. Februar 2009 (7 A 5297/06, juris) verneint. Die gesetzliche Anordnung der Gesamtschuldnerschaft im Verwaltungskostenrecht bezwecke Verwaltungsvereinfachung und Effizienz, nicht aber Schuldnerschutz. Daraus ergebe sich, dass ein subjektives Recht des einzelnen Gesamtschuldners auf Heranziehung anderer Gesamtschuldner nicht bestehe und daher selbst eine ermessensfehlerhafte Nichtheranziehung von einzelnen Gesamtschuldnern die herangezogenen Gesamtschuldner nicht in ihren Rechten verletze.
Der erkennende Senat teilt diese Auffassung nicht. Im Rahmen der Eingriffsverwaltung erfordert der jederzeit zu beachtende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Ausübung von Auswahlermessen, ohne dass für den Bereich des Verwaltungskostenrechts Besonderheiten erkennbar wären, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten. Mögen Gesichtspunkte der Verwaltungseffizienz im Rahmen der Ermessensausübung von Bedeutung sein können, machen sie die Ausübung des Ermessens aber jedenfalls nicht verzichtbar. Dieser Ansicht neigt offenbar auch der BFH zu, wenn er in dem Eilverfahren der Klägerin ausführt (BFH, Beschluss vom 22. Februar 2011 VII B 210/10, BFH/NV 2011, 1038), der angefochtene Kostenbescheid könne auch dann keinen Bestand haben, wenn neben anderen Personen jedenfalls auch die Klägerin als gebührenrechtlicher Veranlasser anzusehen wäre, da in einem solchen Fall das Hauptzollamt von seinem Auswahlermessen keinen Gebrauch gemacht hätte.
2. Da der Hauptantrag zum Erfolg führte, ist auf den Hilfsantrag nicht mehr einzugehen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruht auf § 151 Abs. 3, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 FGO. Die Sache ist im Hinblick auf die Frage, ob die Klägerin bei der Gestellung von Postsendungen Kostenschuldner der Verwahrgebühren wird, ungeklärt. Der erkennende Senat hat dabei berücksichtigt, dass die Klägerin die einzige Person ist, die von dieser Frage betroffen ist. Er hält aber wegen der besonderen Rechtsstellung der Klägerin - die z. B. auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass sich gesetzliche Vorschriften allein auf sie beziehen, wie die hier angewendete Sondernorm des § 5 Abs. 2 ZollVG - und des Umstandes, dass der Rechtsstreit nur einen aus einer Vielzahl von Kostenbescheiden im Massengeschäft der Klägerin betrifft, eine grundsätzliche Bedeutung der Sache für gegeben.
Die Revisionszulassung ist auch nicht im Hinblick darauf entbehrlich, dass der angefochtene Bescheid nach Ansicht des erkennenden Senats selbst im Falle einer Kostenschuldnerschaft der Klägerin wegen Ausfalls des Auswahlermessens aufzuheben wäre, weil es in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen wird, ob dem Schuldner von Verwaltungskosten ein subjektives Recht auf Ausübung des Auswahlermessens zusteht. Diese Frage kann auch nicht durch den Beschluss des BFH vom 22. Februar 2011 (VII B 210/10, BFH/NV 2011, 1038) als geklärt betrachtet werden, weil sich der BFH hier im Eilverfahren der Klägerin nur am Rande und ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Problem geäußert hat.