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  • 15.12.2011

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 14.09.2011 – 2 K 1832/08

    1. Die Verrechnung der Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften der Vorjahre mit entsprechenden Gewinnen nach § 23 Abs. 3 S. 9 EStG erfolgt entsprechend § 10d EStG durch eine Minderung des Gesamtbetrags der Einkünfte.

    2. Die Spekulationsgewinne sind daher – ohne Minderung durch die abzugsfähigen Verluste – als „positive Summe der Einkünfte” für die Berechnung eines Altersentlastungsbetrags zu berücksichtigen.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 2. Senat – ohne mündliche Verhandlung am 14. September 2011 durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts … als Vorsitzender, die Richterin am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht …, den ehrenamtlichen Richter Herr … und den ehrenamtlichen Richter Herr …

    für Recht erkannt:

    Die Einkommensteuer 2005 wird unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2005 vom 9. Mai 2011 ausgehend von einem Altersentlastungsbetrag in Höhe von 1.496,– EUR festgesetzt.

    Dem Beklagten wird aufgegeben, die Einkommensteuer 2005 zu errechnen und den Klägern unverzüglich das Ergebnis dieser Berechnung mitzuteilen.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist die Frage, ob bei der Ermittlung der „positiven Summe der Einkünfte” in § 24 a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2005 (EStG) die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG Anwendung findet.

    Die im Jahre 1939 geborene Klägerin wurde für das Jahr 2005 mit dem Kläger zusammen veranlagt. Sie erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Leibrenten aus gesetzlichen Rentenversicherungen und aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie positive Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach §§ 22 Nr. 2, 23 EStG in Höhe von 3.741,– EUR.

    Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2005 ausgehend von einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 13.747,– EUR fest. Der Beklagte verrechnete die o.g. positiven Einkünfte von 3.741,– EUR mit Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften aus den Vorjahren, so dass er der Besteuerung Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 0,– EUR zu Grunde legte. Einen Altersentlastungsbetrag berücksichtigte der Beklagte – ausgehend von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften von 0,– EUR – bei Festsetzung der Einkommensteuer 2005 nicht.

    Gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 legten die Kläger am 13. Februar 2007 Einspruch ein und vertraten die Auffassung, dass gem. § 2 Abs. 3 EStG die zur Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzugsfähigen Beträge (u.a. der Altersentlastungsbetrag) im Vergleich zum Verlustabzug nach § 10 d EStG vorrangig zu behandeln seien und somit abzugsfähig blieben. Die Summe der Einkünfte werde durch den Verlustabzug nach § 10 d EStG nicht verändert. In diesem Zusammenhang verwiesen die Kläger auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) jeweils vom 11.1.2005 IX R 13/03, BFH/NV 2005, 1254 und IX R 27/04, BStBl. II 2005, 433.

    Der Beklagte wies mit Bescheid vom 2. Dezember 2008 den Einspruch als unbegründet zurück. Durch die Regelungen des § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG sei der vertikale Verlustausgleich ausgeschlossen. Ein Verlustausgleich sei nur durch Verrechnung mit positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in früheren oder späteren Veranlagungszeiträumen zugelassen (Besonderheit des separat zu betrachtenden Verrechnungskreises). Dies bedeute, dass die speziellen Regelungen zur Beschränkung des Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften bereits auf der Ebene der Einkünfteermittlung anzuwenden seien. Das ergebe sich aus der systematischen Stellung der Vorschrift des § 23 EStG als Vorschrift der Einkünfteermittlung, die eine in sich geschlossene Regelung zur Berücksichtigung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften enthalte, FG Münster, Urteil vom 14.7.2004 7 K 3336/03 Kg, EFG 2004, 1779.

    Mit der hiergegen am 22. Dezember 2008 erhobenen Klage machen die Kläger geltend, die Rechtsprechung des BFH zu der Freigrenze nach § 23 Abs. 3 Satz 5 a.F. zeige, dass auch bei der hier zu entscheidenden Frage auf die im Kalenderjahr erzielten Einkünfte abzustellen sei. Die höchstrichterliche Rechtsprechung stehe der Auffassung der Finanzverwaltung, es handele sich bei den Regelungen des § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG um eine Besonderheit des separat zu betrachtenden Verrechnungskreises, entgegen.

    Die Kläger beantragen,

    in Änderung des Einkommensteuerbescheids 2005 vom 9. Mai 2011 die Einkommensteuer 2005 ausgehend von einem Altersentlastungsbetrag in Höhe von 1.496,– EUR festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte hält an seiner im Einspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest.

    Am 9. Mai 2011 hat der Beklagte auf der Grundlage des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2005 erlassen.

    Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

    Entscheidungsgründe

    Auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Die zulässige Klage ist begründet.

    Der Beklagte hat bei der Einkommensteuerfestsetzung 2005 zu Unrecht einen Altersentlastungsbetrag außer Ansatz gelassen.

    Nach der Regelung des § 24 a Satz 1 EStG ist der Altersentlastungsbetrag bis zu einem Höchstbetrag im Kalenderjahr ein nach einem Vomhundersatz ermittelter Betrag des Arbeitslohns und der positiven Summe der Einkünfte, die nicht solche aus nichtselbständiger Arbeit sind. Einkünfte aus Leibrenten im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a bleiben bei der Bemessung des Betrags außer Betracht, § 24 a Satz 2 EStG.

    Im Streitfall beträgt die positive Summe der Einkünfte im Sinne des § 24 a Satz 1 EStG, die sich im Streitfall ausschließlich aus den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften nach §§ 22 Nr. 2, 23 EStG zusammensetzt, 3.741,– EUR. Denn im Streitfall berührt der durchgeführte Verlustrücktrag nicht die positive Summe der Einkünfte im Sinne des § 24 a Satz 1 EStG.

    Verluste aus Veräußerungsgeschäften dürfen nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach § 10 d EStG abgezogen werden, § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG. Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10 d die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 erzielt hat oder erzielt, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG.

    § 10 d EStG regelt in seinen Absätzen 1 und 2, dass Verluste vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen sind. Mithin berühren Verluste, die auf der Grundlage des § 10 d EStG abgezogen werden, nicht die Ebene der Einkunftsermittlung, sondern sind – zwecks Ermittlung des Einkommens, § 2 Abs. 4 EStG – vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen.

    Im Hinblick auf die Formulierung des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG, dass die Verluste die Einkünfte mindern, wird teilweise die Ansicht vertreten, dass die Verlustverrechnung abweichend vom Verlustrücktrag nach § 10 d Abs. 1 EStG im Zusammenhang mit der Einkunftsermittlung zu erfolgen hat (Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rn. 321; Walter/Stümper, DStR 2002, 204 im Zusammenhang mit der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 6; FG Münster, Urteil vom 14.7.2004 7 K 3336/03 Kg, EFG 2004, 1779 im Zusammenhang mit dem Einkunftsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).

    Dieser Auffassung folgt der Senat nicht; nach Auffassung des Senats berühren Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht die Ebene der Einkunftsermittlung. § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG soll nach Auffassung des Senats lediglich zum Ausdruck bringen, dass eine Verlustverrechnung, die eingeschränkt auf Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften ist, weiterhin zulässig ist. Für diese Auffassung spricht die Formulierung des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG, dass die Verluste „nach Maßgabe des § 10 d” die Einkünfte mindern. Wie bei dem „normalen” Verlustabzug nach § 10 d EStG werden daher Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (einen Verlustabzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte ebenfalls bejahend: Wernsmann in Kirchhof/Söhn, EStG, § 23 EStG Rn. F 9; Herzig/Lutterbach, DStR 1999, 521 sowie Glenk in Blümich, EStG, § 23 EStG Rn. 228; Schultze/Janssen, FR 2002, 568; Wernsmann/Dechant, FR 2004, 1272; BFH-Urteil vom 11.1.2005 IX R 27/04, BStBl. II 2005, 433 u. BFH-Urteil vom 11.1.2005 IX R 13/03 IX R 13/03, BFH/NV 2005,1254 jeweils im Zusammenhang mit der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 6).

    Hiervon ausgehend ist bei der Steuerfestsetzung für das Streitjahr gemäß der in § 24 a EStG enthaltenen Tabelle ein Altersentlastungsbetrag in Höhe von 40 v.H. der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften von 3.741 EUR (= 1496,– EUR) zu berücksichtigen. Denn das Kalenderjahr 2005 „folgt” dem Jahr, in welchem die Klägerin ihr 64. Lebensjahr vollendet hat (s. hierzu Siebenhüter in Herrmann/Heuer/Raupach, § 24 a EStG, Rn. 33).

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten aus § 139 Abs. 3 Satz 3 und die Entscheidung über die Revisionszulassung aus § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

    VorschriftenEStG 2002 § 23 Abs. 3 S. 9, EStG 2002 § 24a S. 1, EStG 2002 § 10d, EStG 2002 § 22 Nr. 3, EStG 2002 § 2 Abs. 4