15.12.2011
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 30.08.2011 – 13 K 200/03 E
- Die Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist auch dann steuerbar, wenn der Steuerpflichtige bei Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002 mit weniger als 10 %, in den letzten fünf Jahren vor der Veräußerung aber mit 10 % oder mehr beteiligt war.
- Ob eine wesentliche Beteiligung gegeben war, bestimmt sich nach der im Veräußerungszeitpunkt geltenden Gesetzesfassung.
- Ein solcher Veräußerungsvorgang ist verfassungsgemäß zu besteuern, indem der bis zum 31.3.1999 eingetretene Wertzuwachs steuerfrei belassen wird.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Jahr 2000 gem. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 1999, 402) steuerbar ist.
Der Kläger war seit dem 15.12.1995 mit Geschäftsanteilen von 14,5 % an der „L-GmbH” (später umfirmiert in „F- GmbH”, im Folgenden nur noch GmbH) beteiligt. Die Beteiligung wurde durch mehrere Verkäufe, zuletzt am 5.12.1997, auf 9,9 % Anteilsbesitz an der GmbH vermindert. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 19.6.2000, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (UR- Nr. „0001” für 2000 des Notars „C” in „E-Stadt”), veräußerte der Kläger seine verbliebenen Geschäftsanteile „mit wirtschaftlicher Wirkung vom Beginn des 1. Januar 2000” für 3.579.345 DM.
Der Kläger teilte diesen Sachverhalt dem Beklagten im Rahmen der Einkommensteuererklärung des Jahres 2000 mit und errechnete einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 2.984.590 DM. Er vertrat dazu die Auffassung, dass die Veräußerung einer Beteiligung von weniger als 10 % am Stammkapital einer Kapitalgesellschaft nicht gem. § 17 EStG steuerbar sei und eine Besteuerung gem. § 23 EStG ausscheide, weil die Anteile außerhalb der maßgeblichen steuerlichen Fristen veräußert worden seien. Der Beklagte erfasste in dem Einkommensteuerbescheid vom 26.4.2002, mit dem die Kläger gem.
§§ 26, 26 b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, den Gewinn aus der Anteilsveräußerung als gem. § 17 EStG steuerbare Einkünfte in Höhe von 2.984.590 DM.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 18.12.2002) und Klageerhebung am 14.1.2003 wurde der angefochtene Bescheid durch einen weiteren Bescheid vom 28.1.2005 aus hier nicht streitigen Gründen geändert. Die Klage wurde auf den übereinstimmenden Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 11.7.2005 bis zum Ergehen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in den Verfahren 2 BvR 748/05 und 2 BvR 753/05 ruhend gestellt. Nach dem Beschluss des Senats vom 3.9.2010 über die Fortsetzung des Verfahrens tragen die Kläger zur Begründung ihrer Klage vor:
Nach dem Beschluss des BVerfG vom 07. Juli 2010 (2 BvR 748/05 u.a., Bundessteuerblatt - BStBl- II 2011, 86) verstoße § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i. V. m. § 52 Abs. 1 Satz 4 in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und sei daher nichtig, soweit Wertsteigerungen steuerlich erfasst würden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31.03.1999 entstanden seien und die bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können. Dem vorgenannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BStBl II 2011, 86 Rz. 55) sei ausdrücklich zu entnehmen, dass, anders als es der BFH in der vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Entscheidung (VIII R 25/02, BStBl II 2005, 436) vertreten habe, das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre immer bezogen auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu interpretieren sei. Dies bedeute, dass eine im Streitjahr 2000 maßgebende Beteiligungsgrenze von 10 v. H. nicht auf Veranlagungszeiträume vor 1999 ausgedehnt werden könne, in denen noch eine Beteiligungsgrenze von mehr als 25 % im Rahmen des § 17 EStG Gültigkeit gehabt habe. Im vorgenannten Beschluss heiße es ausdrücklich, dass die rückwirkende Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze die Entwertung konkret vorhandener Vermögensbestände zur Folge habe. Diese vertrauensrechtlich geschützte Rechtsposition, die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorgehoben habe, werde ausgehöhlt werden, wenn nun, wie der Beklagte meine, die Beteiligungsgrenze von 10%, die erst ab 1999 gegolten habe, ausgedehnt werde. Der gesamte Veräußerungsgewinn bleibe daher steuerfrei (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG Kommentar, 30. Aufl. § 17 Rz. 35).
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 28.1.2005 in der Weise zu ändern, dass kein Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG der Besteuerung zugrunde gelegt wird,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage insoweit abzuweisen, als ein Veräußerungsgewinn von weniger als 994.570 DM abzüglich Veräußerungskosten der Besteuerung zugrunde gelegt werden soll,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung trägt er vor:
Aus der Entscheidung des BVerfG lasse sich nicht entnehmen, dass der Rückwirkung für die neue Wesentlichkeitsgrenze insgesamt „eine Absage erteilt” worden sei. Vielmehr habe das BVerfG die Nichtigkeit des § 17 EStG nur insoweit angenommen, als in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 entstanden seien. Darüber hinaus habe das BVerfG nicht festgestellt, dass § 17 EStG auch insoweit nichtig sei, als durch die Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze nunmehr Wertsteigerungen von Kapitalanteilen der Besteuerung unterliegen, welche nach dem 31.03.1999 entstanden seien. Zu einer solchen Feststellung hätte aufgrund der erhobenen Verfassungsbeschwerden durchaus Anlass bestanden. Der dem Verfahren 2 BvR 748/05 zugrunde liegende Sachverhalt habe dem hier zu beurteilenden entsprochen. Das BVerfG habe im Bewusstsein dieser Konstellation die Nichtigkeit lediglich auf die Wertsteigerungen erstreckt, welche bis zum 31.03.1999 entstanden seien. Es sei für die Überschreitung der Beteiligungsgrenze auch nach dem Beschluss des BVerfG weiterhin entscheidend, ob der Steuerpflichtige innerhalb der letzen fünf Jahre vor Veräußerung mit mindestens 10 % beteiligt gewesen sei.
Nach einem Hinweis des Gerichts vom 27.7.2011 (Bl. 198 f GA) sind die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung dahin übereingekommen, dass von einer Wertsteigerung in der Zeit vom 1.4.1999 bis zur Veräußerung in Höhe von 994.570 DM auszugehen ist, von der im Falle der Steuerbarkeit des Verkaufes Veräußerungskosten in Höhe von 8.254 DM abzuziehen sind.
Gründe
Die Klage ist in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang begründet. Zu Recht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die hier zu beurteilende Veräußerung steuerbar ist. In dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 hat er aber unzutreffend auch die Wertsteigerungen der Beteiligung erfasst, die bis zum 31.3.1999 eingetreten waren. Insoweit ist der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO-).
1. Das Gericht konnte in der Sache entscheiden.
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Steinhauff, Juris Praxis Report zum Steuerrecht - jurisPR - SteuerR - 41/2010, Anmerkung 1) war das anhängige Gerichtsverfahren nicht analog § 74 FGO ruhend zu stellen, bis der Gesetzgeber zur Umsetzung der Entscheidung des BVerfG verfassungsmäßige Normen erlassen hat. Einer solchen Regelung bedarf es nämlich nicht (ausdrücklich offen gelassen, ob gesetzliche Neuregelung erforderlich oder nur hilfreich ist: Musil/Lammers, Betriebsberater - BB - 2011, 155).
Das BVerfG hat in den Verfahren 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05 und 2 BvR 1738/05 (Entscheidungssammlung des BVerfG - BVerfGE - 127, 61) über Verfassungsbeschwerden (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4 a des Grundgesetzes - GG -) der Steuerpflichtigen entschieden und § 17 EStG in der Fassung des StSenkG 1999/2000/2002 teilweise als mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Gem. § 78 des Gesetzes über das BVerfG (BVerfGG) erklärt das BVerfG ein Gesetz für nichtig, wenn es zu der Überzeugung gelangt ist, dass es mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Gem. § 31 Abs. 2 BVerfGG erwächst eine solche Entscheidung des BVerfG - unter anderem auch in einem Verfahren nach § 13 Nr. 8 a BVerfGG (Verfassungsbeschwerde nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG) - unmittelbar in Gesetzeskraft. In diesem Fall ist das betroffene Gesetz nicht mehr anzuwenden, ohne dass es eines weiteren Tätigwerdens des Gesetzgebers bedarf.
Das BVerfG braucht nicht die Nichtigkeit der überprüften Norm als ganzer auszusprechen, sondern kann auch eine sog. Teilnichtigkeit aussprechen. Eine teilweise Nichtigkeitserklärung kann erfolgen, indem ein Teil des Wortlautes der einschlägigen Norm für verfassungswidrig erklärt wird. Sie kann aber auch in Gestalt einer sog. qualitativen oder funktionellen Teilnichtigkeitserklärung ausgesprochen werden. In dieser Variante werden bestimmte Anwendungsfälle ohne Reduzierung des Wortlautes für verfassungswidrig erklärt. Diese Tenorierungsart trifft sich dann mit der durch verfassungskonformer Auslegung bewerkstelligten Teilnichtigkeit (Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG Kommentar, § 31 BVerfGG Rz. 176; § 78 BVerfGG Rz. 34 und Rz. 95 ff, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Aussonderung verfassungswidriger Auslegungsvarianten erwächst ebenfalls gem. § 31 Abs. 2 BVerfGG unmittelbar in (negative) Gesetzeskraft, wenn die missbilligten Interpretationsmöglichkeiten im Tenor der Entscheidung selbst verworfen worden sind und die Entscheidung im Bundesgesetzblatt entsprechend § 31 Abs. 2 Satz 3 BVerfGG veröffentlicht worden ist (Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge § 78 BVerfGG Rz. 105 m.w.N).
Die Voraussetzungen einer qualitativen bzw. funktionellen Teilnichtigkeit sind vorliegend erfüllt. Der Tenor der Entscheidung des BVerfG ist im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl. I 2010, 1296). Im Tenor ist nicht ein Teil des Wortlautes der geprüften Norm für nichtig erklärt worden, sondern es sind ausdrücklich bestimmte Anwendungsfälle als mit dem Grundgesetz unvereinbar bezeichnet worden. § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 ist nämlich nur nichtig, „soweit” in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen erfasst werden, die bis zum 31. März 1999 entstanden waren und die entweder - bei einer Veräußerung bis zu diesem Zeitpunkt - nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder - bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes - sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können (Beschluss des BVerfG vom 7. Juli 2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61). Ausgesondert werden nur die Anwendungsvarianten der Vorschrift, die zu einer Besteuerung von bis zum 31.3.1999 entstandenen Vermögenszuwächsen führen, welche nach der alten Rechtslage hätten steuerfrei vereinnahmt werden können. Alle anderen Konstellationen sind verfassungsgemäß (ausdrücklich im Sinne einer funktionalen oder qualitativen Teilnichtigkeitserklärung: Gelsheimer/Meyen, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2011, 193; ebenso stillschweigend die g.h.M. in der Literatur und die Verwaltungsauffassung, denn dort wird nicht diskutiert, ob aus dem Beschluss Konsequenzen für Steuerbescheide gezogen werden können, bevor der Gesetzgeber tätig geworden ist. Es wird lediglich erörtert, wie die Entscheidung materiell - rechtlich bei der Besteuerung der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung umzusetzen ist, z.B. Weber - Grellet in Schmidt, EStG Kommentar 30. Auflage 2011, § 17 EStG Rz. 35; Frotscher in Frotscher, Kommentar zum EStG, § 17 Rz. 104; Ebling in Blümich, Kommentar zu EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, § 17 EStG, Rz. 335; Eilers/R. Schmidt in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 17 EStG Anmerkung 10; Milatz/Herbst, GmbH- Rundschau - GmbHR - 2010, 1018; Desens, Steuer und Wirtschaft - StuW - 2011, 113; Koops/Dräger, Der Betrieb - DB - 2010, 2247; Förster, DB 2011, 259; Birk, Finanzrundschau - FR - 2011, 1; Schmidt/Renger, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2011, 693; Musil/Lammers, Betriebs - Berater - BB - 2011, 155; Söffing, BB 2011, 917; Spindler, Die Steuerberatung - Stbg - 2010, 529; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF- Schreiben - vom 20. Dezember 2010 IV C 6 - S 2244/10/10001, 2010/1006836; BStBl I 2011, 16).
2. Der Senat geht davon aus, dass die Veräußerung einer Beteiligung auch dann steuerbar war, wenn der Steuerpflichtige bei Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002 mit weniger als 10 %, in den letzten fünf Jahren vor der Veräußerung aber mit 10 % oder mehr beteiligt war. Ein solcher Veräußerungsvorgang ist verfassungsgemäß zu besteuern, indem der bis zum 31.3.1999 eingetretene Wertzuwachs steuerfrei belassen wird (Desens, StuW 2011, 113; Förster, DB 2011, 259; Söffing, BB 2011, 917; Spindler, Stbg 2010, 529; BMF- Schreiben vom 20. Dezember 2010 IV C 6 - S 2244/10/10001, 2010/1006836; BStBl I 2011, 16; offen gelassen Frotscher in Frotscher, EStG Kommentar, § 17 Rz 104; Ebling in Blümich, Kommentar zu EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, § 17 EStG, Rz. 335; Eilers/R. Schmidt in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 17 EStG Anmerkung 10; Koops/Dräger, DB 2010, 2247; Birk, FR 2011, 1; Schmidt/Renger, DStR 2011, 693; Gelsheimer/Meyen, DStR 2011, 193; Musil/Lammers, BB 2011, 155).
a) Fachgerichte sind an die gesetzeskräftige Aussonderung verfassungswidriger Auslegungsvarianten gebunden. Welche der verbleibenden, nicht verfassungswidrigen Auslegungsmöglichkeiten einfach gesetzlich richtig ist, hat das Gericht aber selbst nach allgemeinen teleologischen Interpretationsgrundsätzen zu entscheiden (Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 78 BVerfGG Rz. 108 m.w.N).
b) Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass der Wortlaut von § 17 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 eine Besteuerung auch für den Fall zulässt, dass zwar nicht mehr im Jahr des Inkrafttretens der gesetzlichen Neuregelung, wohl aber in den letzten fünf Jahren vor der Veräußerung eine Beteiligung von mindestens zehn Prozent am Stammkapital der Gesellschaft vorgelegen hat (Rapp in Littman/Bitz/Pust, EStG Kommentar, § 17 Rz. 94; Schneider in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG Kommentar § 17, A 256; Jäschke in Lademann, EStG Kommentar, § 17 EStG Anm. 81; Zimmermann/Zimmermann - Schwier in Bordewin- Brandt, EStG Kommentar, § 17 EStG Rz. 113 ff; Frotscher in Frotscher, EStG Kommentar, § 17 Rz 102 und 104; Paus, FR 2005, 627; Weber - Grellet, FR 2005, 646; Förster, DB 2011, 259; Söffing, BB 2011, 917; Spindler, Stbg 2010, 529; BMF- Schreiben vom 20. Dezember 2010 IV C 6 - S 2244/10/10001, 2010/1006836; BStBl I 2011, 16; Urteil des Bundesfinanzhofes - BFH- vom 1. März 2005 VIII R 25/02, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436).
c) Es entsprach - schon vor der Entscheidung des BVerfG - der ganz h.M., dass der Wortlaut insoweit zu weit gefasst und deswegen einengend zu interpretieren sei, wobei im Wesentlichen zwei Lösungen vorgeschlagen wurden:
Nach ganz überwiegender Meinung war die Vorschrift verfassungsgemäß auszulegen, indem nur die seit Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002 eingetretenen Wertzuwächse steuerbar sein sollten (vgl. z.B. Zimmermann/Zimmermann - Schwier in Bordewin/Brandt, EStG Kommentar, § 17 EStG Rz. 113 ff mit weiteren Nachweisen; Paus, FR 2005, 627; ebenso die überwiegende Auffassung in der Literatur und die Verwaltungsauffassung nach der Entscheidung des BVerfG: Frotscher in Frotscher, EStG Kommentar, § 17 Rz 104; Ebling in Blümich, Kommentar zu EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, § 17 EStG, Rz. 335; Eilers/R. Schmidt in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 17 EStG Anmerkung 10; Desens, StuW 2011, 113; Koops/Dräger, DB 2010, 2247; Förster, DB 2011, 259; Birk, FR 2011, 1; Schmidt/Renger, DStR 2011, 693; Gelsheimer/Meyen, DStR 2011, 193; Musil/Lammers, BB 2011, 155; Söffing, BB 2011, 917; Spindler, Stbg 2010, 529; BMF- Schreiben vom 20. Dezember 2010 IV C 6 - S 2244/10/10001, 2010/1006836; BStBl I 2011, 16).
Nach anderer Auffassung war eine verfassungskonforme Besteuerung herbeizuführen, indem das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung nicht aus der Sicht des Jahres 1999, sondern bezogen auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum interpretiert wird (sog. veranlagungszeitraumbezogener Beteiligungsbegriff, Weber - Grellet, FR 2005, 646; Schneider in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG Kommentar, § 17 EStG Rz. A 256 und B 155; Rapp in Littmann/Bitz/Pust, EStG Kommentar, § 17 EStG Rz. 94; ebenso auch nach der Entscheidung des BVerfFG Weber- Grellet in Schmidt, EStG Kommentar, 30. Auflage 2011, § 17 EStG Rz. 35; Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Auflage 2011, § 17 Rz. 34). Eine wesentliche Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre vor Veräußerung konnte danach nur dann vorgelegen haben, wenn der Steuerpflichtige in den Jahren vor Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002 nach der in diesen Jahren geltenden Grenze von mehr als 25 % Anteilsbesitz wesentlich beteiligt gewesen war. Die Veräußerung der Beteiligung des Klägers wäre nach dieser Auffassung nicht steuerbar.
d) Beide Auslegungen sind mit der Entscheidung des BVerfG in Einklang zu bringen, denn in beiden Varianten werden die nach dem 31.3.1999 eingetretenen Wertsteigerungen nicht erfasst. Der Senat folgt nicht der Auffassung von Milatz/Herbst (GmbHR 2010, 1018), wonach das BVerfG die Besteuerung insgesamt in den Fällen als verfassungswidrig erklärt habe, in denen der Steuerpflichtige nie mit mehr als 25 % an der Gesellschaft beteiligt war und seine Beteiligung vor dem 1.1.1999 auf unter 10 % abgesenkt hat. Das BVerfG hat nämlich für alle den Verfassungsbeschwerden (2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05) zugrunde liegenden Sachverhalte entschieden, dass (nur) die bis zum 31.3.1999 eingetretenen „Wertsteigerungen” nicht besteuert werden dürfen. Da der Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 748/05 ein gleicher Sachverhalt wie dem Streitfall zugrunde gelegen hat, ist nach dem Tenor der Entscheidung des BVerfG auch in einem solchen Fall nicht „die Besteuerung” verfassungswidrig, sondern nur die Besteuerung der im Veräußerungsgewinn enthaltenen, bis zum 31.3.1999 eingetretenen „Wertsteigerungen”. Nichts anderes folgt aus der Formulierung im Tenor, dass Wertsteigerungen betroffen sind, die bei einer Veräußerung bis zum 31.3.1999 steuerfrei realisiert worden sind oder - bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes - sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können. Es handelt sich nicht um eine Erweiterung der wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz nicht steuerbaren Konstellationen auf alle Sachverhalte, die bei einer Veräußerung nach altem Recht nicht steuerbar gewesen wären, sondern um eine Eingrenzung der nicht steuerbaren „Wertsteigerungen”. Ausgenommen werden nämlich die Fälle, in denen ein Hineinwachsen in die Wesentlichkeit (nach Maßgabe des alten Rechts) erfolgt ist. Da in diesem Fall eine Besteuerung auch nach altem Recht vorzunehmen gewesen wäre, wäre nicht die Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle, sondern dass Hineinwachsen in die Steuerverstrickung für die Steuerbarkeit ursächlich. Derartige Fälle sollten durch den in der Entscheidungsformel formulierten Vorbehalt als nicht schutzwürdig von der Nichtigkeitsfolge ausgenommen werden (BVerfG - Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61, unter B I. 2 b) aa) der Entscheidungsgründe).
e) Der Auslegungsvariante, wonach eine Anteilsveräußerung auch dann steuerpflichtig ist, wenn der Steuerpflichtige im zeitlichen Anwendungsbereich des StEntlG 1999/2000/2002 eine Beteiligung von weniger als 10 % veräußert hat, er aber zu irgendeinem Zeitpunkt in den fünf Vorjahren zu mindestens 10 % beteiligt war, ist der Vorzug zu geben. Ob eine wesentliche Beteiligung gegeben war, bestimmt sich nach der im Veräußerungszeitpunkt geltenden Gesetzesfassung. Die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung wird dadurch sicher gestellt, dass die bis zum 31.3.1999 entstandenen Wertsteigerungen unter den im Beschluss des BVerfG vom 7. Juli 2010 genannten Voraussetzungen steuerfrei gelassen werden (ebenso die überwiegende Meinung und die Verwaltungsauffassung: (Desens, StuW 2011, 113; Förster, DB 2011, 259; Söffing, BB 2011, 917; Spindler, Stbg 2010, 529; BMF- Schreiben vom 20. Dezember 2010 IV C 6 - S 2244/10/10001, 2010/1006836; BStBl I 2011, 16; offen gelassen Frotscher in Frotscher, EStG Kommentar, § 17 Rz 104; Ebling in Blümich, Kommentar zu EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, § 17 EStG, Rz. 335; Eilers/R. Schmidt in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 17 EStG Anmerkung 10; Koops/Dräger, DB 2010, 2247; Birk, FR 2011, 1; Schmidt/Renger, DStR 2011, 693; Gelsheimer/Meyen, DStR 2011, 193; Musil/Lammers, BB 2011, 155).
Der Senat ist nämlich der Auffassung, dass von mehreren möglichen (verfassungsgemäßen) Auslegungsvarianten derjenigen der Vorzug gebührt, durch die der Wille des historischen Gesetzgebers am besten umgesetzt wird. In der Bundestagsdrucksache 14/265, S. 179 zum StEntlG 1999/2000/2002 heißt es zu der Neufassung von § 17 EStG:
„Eine wesentliche Beteiligung ist künftig bereits gegeben, wenn der Gesellschafter mindestens 10 Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft im Privatvermögen hält. Die Herabsetzung dient der Verbreiterung der Besteuerungsgrundlage. Im Interesse einer einheitlichen Beteiligungsgrenze wird zusammen mit § 9 Nr. 2a GewStG und § 26 Abs. 2 KStG auf genau und nicht mehr als einem Zehntel abgestellt. Die Regelung dient ferner der Missbrauchsbegrenzung. Der Anwendungsbereich des zum Zwecke der Eindämmung des Missbrauchs geschaffenen § 50c Abs. 11 EStG, der vielfach deshalb Kritik erfährt, weil er die steuerlichen Folgen bei dem Erwerber und nicht bei dem Veräußerer einer Beteiligung ansetzt, wird dabei zurückgedrängt.
Die neue Beteiligungsgrenze gilt für alle Veräußerungen ab dem Veranlagungszeitraum 1999. Es bestehen dabei keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass dabei auch solche Wertzuwächse der Besteuerung im Veräußerungsfalle unterliegen, die bis zur Änderung des Gesetzes nicht steuerverhaftet gewesen sind. Von einer gesonderten Feststellung des als Anschaffungskosten geltenden gemeinen Werts der Beteiligungen, die infolge der Gesetzesänderung in die Steuerverhaftung gelangen, zum 01. Januar 1999, wird abgesehen. Ein derartiges Bewertungsverfahren für diese Anteile würde zu einem unzumutbaren Aufwand sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung führen. Ein derartiges Feststellungsverfahren wäre sehr streitanfällig und würde zu langwierigen Rechtsbehelfsverfahren führen. Des Weiteren wäre die Schlechterstellung einer solchen Beteiligung, die von ursprünglich unter 10 Prozent auf mindestens 10 Prozent ansteigt mit der Folge, dass damit auch - wie auch schon bei der geltenden Rechtslage - die zuvor angesammelten Wertzuwächse steuerverstrickt sind, nicht zu rechtfertigen sein.”
Diesen Motiven ist der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, auch Sachverhalte wie den vorliegenden durch § 17 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 zu erfassen (ebenso: BFH-Urteil vom 1. März 2005, VIII R 25/02, BFHE 209, 275, BStBl II 2005).
Im übrigen wird hinsichtlich der für diese Lösung und gegen den veranlagungszeitraumbezogenen Beteiligungsbegriff sprechenden Argumente auf die Entscheidung des BFH vom 1. März 2005 (VIII R 25/02, BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436) Bezug genommen, deren Argumente sich der Senat zu eigen macht.
3. Bei der zu ändernden Festsetzung vom 28.1.2005 ist statt des bisher versteuerten Veräußerungsgewinns in Höhe von 2.984.590 DM nur noch ein Gewinn in Höhe von 986.316 DM zu erfassen. Dieser Betrag ergibt sich, wenn von der nach dem 31.3.1999 bis zum Zeitpunkt der Veräußerung eingetretenen Wertsteigerung in Höhe von 994.570 DM die Veräußerungskosten in Höhe von 8.254 DM in Abzug gebracht werden, vgl. § 17 Abs. 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002. Unter Berücksichtigung der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG ergibt sich eine Einkommensteuer für das Jahr 2000 in Höhe von 1.449.128 DM (740.927,38 Euro). Wegen der Steuerberechnung im Einzelnen wird auf die Anlage zum Urteil verwiesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 FGO. Die Kosten waren den Beteiligten im Verhältnis von Unterliegen zu Obsiegen aufzuerlegen.
5. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 FGO.