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  • 15.12.2011

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 19.08.2011 – 11 K 4201/10 E

    - Die auf den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften durch den Insolvenzverwalter entfallende Einkommensteuer stellt auch dann in vollem Umfang eine Masseverbindlichkeit dar, wenn durch die Veräußerung stille Reserven realisiert worden sind, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.


    - Entgegen der Rechtsprechung des BFH ist die bei der Verwertung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Grundstücks entstehende Einkommensteuer nicht nur insoweit als Masseverbindlichkeit zu bewerten, als der Erlös in die Insolvenzmasse fließt.


    - Sind in einem Veranlagungszeitraum mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien betroffen (Masseverbindlichkeit und Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen), so ist die einheitlich ermittelte Einkommensteuerschuld nach dem Verhältnis der Teileinkünfte zueinander aufzuteilen.


    Tatbestand

    Streitig ist die Qualifikation der Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 der Insolvenzordnung - InsO -.

    Der Kläger ist Insolvenzverwalter von Frau G, über deren Vermögen am 22. August 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Frau G erzielte im Streitjahr 2007 Renteneinkünfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.

    Frau G war Eigentümerin des am 1. Januar 1998 angeschafften Mehrfamilienhauses A-Str. 1 in A-Stadt. Am 31. Januar 2007 veräußerte der Kläger den Grundbesitz, der mit einem wertausschöpfenden Grundpfandrecht zugunsten der Stadtsparkasse A-Stadt belastet war, so dass dieser ein Absonderungsrecht zustand. Der Kaufpreis wurde vom Käufer des Objekts unmittelbar an die Stadtsparkasse A-Stadt gezahlt. Der Kläger erhielt für seine Mitwirkung an der Veräußerung des Grundbesitzes einen sog. Kostenbeitrag i. H. v. 10.710 EUR von der Stadtsparkasse A-Stadt. Bei der Veräußerung wurde ein steuerlicher Veräußerungsgewinn i. H. v. 29.255 EUR erzielt. Bis zur Veräußerung fiel ein Werbungskostenüberschuss aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 923 EUR an.

    In der Steuererklärung für Frau G für das Jahr 2007 erklärte der Kläger Renteneinnahmen i. H. v. 1.353 EUR (steuerpflichtiger Teil), einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften i. H. v. 29.255 EUR sowie einen Werbungskostenüberschuss aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 923 EUR. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2009, der dem Kläger als Insolvenzverwalter von Frau G bekannt gegeben wurde, setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2007 - erklärungsgemäß - auf 5.024 EUR fest. Dagegen legte der Kläger am 21. Oktober 2009 Einspruch ein und machte geltend, dass die gesamte Steuerschuld unzutreffenderweise gegen ihn in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter von Frau G festgesetzt und damit als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 InsO behandelt worden sei.

    Der Kläger hat am 29. November 2010 (Untätigkeits-)Klage erhoben, mit der er geltend macht, dass der Teil des Veräußerungsgewinns, der den Betrag von 1.810 EUR übersteigt, ebenso wie die Renteneinkünfte nicht in die Steuerfestsetzung einbezogen werden dürften.

    Im Hinblick auf den Veräußerungsgewinn führt der Kläger aus, die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, wonach die Einkommensteuer auf vor Insolvenz gebildete und nach Insolvenzeröffnung durch eine Handlung des Insolvenzverwalters realisierte stille Reserven eine Masseverbindlichkeit darstelle, erfahre in der Literatur - zu Recht - überwiegend Ablehnung (statt vieler Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Aufl. 2007, Rn. 1189). Die Frage der Entstehung einer Steuerschuld richte sich ebenso wie deren Höhe nach steuerrechtlichen Grundsätzen. Das Insolvenzrecht bestimme hingegen die Zuordnungskriterien, die darüber befänden, ob und in welchem Umfang die Insolvenzmasse für einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis hafte, wann also die gesicherte haftungsrechtliche Anwartschaft am Vermögen des Schuldners entstanden sei (Eckardt, in: Kölner Schrift InsO, 743, 747, Rn. 7.) Nach gemeinhin vertretener Auslegung sei dabei unmaßgeblich, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch nach § 38 der Abgabenordnung - AO - entstehe. Vielmehr solle entscheidend sein, wann die zivilrechtlichen Grundlagen für die Entstehung des materiell-rechtlichen Steueranspruchs gelegt worden seien (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1998 VII R 47/98, BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423; ähnlich BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 69/03, BFHE 208, 10, BStBl II 2005, 190; Beermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 251 AO Rn. 29). Hingegen sei der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung insolvenzrechtlich irrelevant. Durch die Umwandlung des Substanzwertes in Barvermögen - nichts anderes stelle die Verwertung dar - werde angesammeltes Vermögen lediglich aufgedeckt. Der Vermögenszuwachs als Unterschiedsbetrag zwischen Buch- und Marktwert sei mithin im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung schon vorhanden (Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Aufl. 2007, Rn. 1189). Wenn der Gesetzgeber auf die Besteuerung der Wertsteigerung bis zur Realisierung verzichte, gewähre er dem Steuerpflichtigen in Ansehung der Besteuerung der mit der Werterhöhung bereits vorhandenen Leistungsfähigkeitssteigerung bei wertender Betrachtung Kredit (Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 23.49). Letztlich habe der Steuergläubiger durch den Verzicht auf eine sofortige Besteuerung von Wertsteigerungen gleich jedem anderen Gläubiger, der auf eine sofortige Geltendmachung seiner Forderung verzichte, das einer jeden Kreditgewährung innewohnende Insolvenzrisiko übernommen. Diese Grundsätze würden ebenso für § 23 EStG gelten. Auch bei der vom Beklagten vorgenommenen Veräußerungsgewinnbesteuerung nach Maßgabe des § 23 EStG sei die mit der vorinsolvenzlichen Wertsteigerung einhergegangene Bildung stiller Reserven und deren Existenz im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung der entscheidende Anknüpfungspunkt für die insolvenzrechtliche Zuordnung. Der infolge der gebildeten stillen Reserven latent über dem Steuerpflichtigen schwebende Steueranspruch sei lediglich noch von der insolvenzrechtlich irrelevanten Veräußerung abhängig gewesen.

    Das Argument des Beklagten gegen die Einordnung der Steuerforderung als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen der Insolvenzschuldnerin, andernfalls werde der Gedanke der Restschuldbefreiung konterkariert, sei zutreffend. Allerdings könne dies für eine Steuerforderung im Rang der Masseverbindlichkeit ebenso gelten. Denn Schuldner der Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn sei nicht der Insolvenzverwalter oder die Insolvenzmasse. Begründe der Insolvenzverwalter im Rahmen seines Pflichtenkreises Masseverbindlichkeiten, so werde daraus vielmehr immer der Schuldner verpflichtet. Könnten daher Masseverbindlichkeiten bis zur Verfahrensaufhebung nicht berichtigt werden, so hafte er nach Verfahrensaufhebung für die Masseverbindlichkeiten persönlich (Hefermehl, in: Münchener Kommentar, InsO, 2. Aufl. 2007, § 53 Rn. 30). Wenn der Insolvenzverwalter Steuerschulden anlässlich der Verwertung von Absonderungsgut und der sich hieran anschließenden Befriedigung der zur Absonderung berechtigten Gläubiger begründe, könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass auch in diesem Fall die Insolvenzschuldnerin für die unbefriedigt gebliebene Steuermasseverbindlichkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens hafte.

    Ordne man den Einkommensteueranspruch, der auf der Aufdeckung der stillen Reserven, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirtschaftet waren, der Kategorie des § 38 InsO zu, bedürfe es einer Aufteilung der letztlich insgesamt aufgedeckten stillen Reserven (Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 141 f.). Ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab dürfte die monatsweise Aufteilung der stillen Reserven sein. Demnach ergebe sich folgende Berechnung:

    Vorinsolvenzlich (Insolvenzforderung)|Nachinsolvenzlich (Masseverbindlichkeit)

    93,81 % (01.01.1998 bis 22.08.2006, d.h. 31.07.2006) x 29.255 EUR|6,91 % (22.08.2006, d.h. 01.08.2006, bis 31.01.2007) x 29.255 EUR

    = 27.445 EUR|= 1.810 EUR

    Hilfsweise macht der Kläger im Hinblick auf den Veräußerungsgewinn geltend, dass eine Steuermasseverbindlichkeit jedenfalls nur insoweit entstehen könne, wie der Insolvenzmasse auch ein Veräußerungserlös zugeflossen sei. Die bei der Veräußerung des Vermietungsobjekts entstandene Einkommensteuer sei nicht als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 InsO zu qualifizieren. Zwar habe die Verwertungshandlung zur Entstehung der Steuerschuld geführt. Eine Einkommensteuerschuld aus der Verwertung von Absonderungsrechten könne allerdings nur insoweit Masseverbindlichkeit sein, als ihr ein Massezufluss zugrunde liege (BFH-Urteile vom 29. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602; vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477). Nur ein etwaiger zur Insolvenzmasse gelangter Mehrerlös würde eine Einkommensteuerschuld im Rang einer Masseverbindlichkeit auslösen. Ein solcher Mehrerlös - verstanden als Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Absonderungsrecht der Stadtsparkasse - liege jedoch noch nicht einmal vor. Mit dem Kostenbeitrag i. H. v. 10.710 EUR habe die Insolvenzmasse nicht an dem für steuerwürdig befundenen Veräußerungsgewinn partizipiert, da dieser Betrag selbst dann angefallen wäre, wenn kein steuerlicher Veräußerungsgewinn entstanden wäre. Vielmehr werde mit dem Kostenbeitrag seine Mitwirkungshandlung an der freihändigen Veräußerung des Grundbesitzes abgegolten. Der Betrag von 10.710 EUR dürfte daher den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG zuzurechnen sein, was sich im Ergebnis allerdings nicht auswirke. Entscheidend sei allein, dass der über 10.710 EUR hinausgehende Betrag von 18.545 EUR nicht in die Bemessungsgrundlage einfließen dürfe.

    Entgegen der Auffassung des Beklagten handele es sich bei dem BFH-Urteil vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) nicht um einen atypischen Ausnahmefall. Beide vom BFH vorgebrachten Argumente - der Hinweis auf die Erfordernisse des Gesamtvollstreckungsverfahrens einerseits und die Eigenart der Einkommensteuer andererseits - beanspruchten auch für den Streitfall Geltung und seien nicht auf die Konstellation begrenzt, dass die Einkommensteuerschuld höher ist als der Verwertungserlös.

    Hingegen sei das vom Beklagten zitierte BFH-Urteil vom 18. Mai 2010 (X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429) nicht einschlägig. Wenn auf der Ebene einer Personengesellschaft eine Rückstellung aufgelöst werde und sich hierdurch handelsrechtlich die dem insolventen Gesellschafter zugewiesene Beteiligung am Eigenkapital (und damit im Zweifel auch der entnehmbare Gewinn) erhöhe, sei es konsequent, die an diesen Gewinnanteil anknüpfende Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit anzusehen. Der Insolvenzverwalter könne schließlich über das dem insolventen Gesellschafter zurechenbare Eigenkapital verfügen. Gerade so verhalte es sich im Streitfall aber nicht, weil der Insolvenzverwalter über den Teil des Kaufpreises, der den Kostenbeitrag der Insolvenzmasse übersteigt, niemals habe verfügen können.

    Ungeachtet dessen trete seit der Insolvenzrechtsreform als weiterer Begründungsaspekt der Umkehrschluss aus § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO hinzu. Der Gesetzgeber habe die umsatzsteuerrechtliche Parallelproblematik einer Lösung zugeführt, die anknüpfend an den Charakter der durch die Verwertung ausgelösten Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit eine (Weiter-)Belastung des zur Absonderung berechtigten Gläubigers mit dieser Masseverbindlichkeit vorsehe. Der Gesetzgeber habe erkannt, dass Sicherungsabreden regelmäßig „Brutto-Abreden” gewesen seien und dementsprechend nach zivilrechtlicher Maßgabe der Verwertungserlös ungeachtet steuerlicher Belastungen der Masse an den Sicherungsnehmer abzuführen gewesen sei. Diese Bruttoproblematik gelte für Umsatz- und Einkommensteuer gleichermaßen. Gleichwohl existiere für die Einkommensteuer keine § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO vergleichbare Regelung. Hieraus könne geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die mit der Verwertung verbundene Einkommensteuer nicht als Problem des § 55 InsO gewertet habe und somit auch kein Bedürfnis für eine Weiterbelastungsregelung zulasten des absonderungsberechtigten Gläubigers bestanden habe.

    Der Beklagte argumentiere, dass der Kläger, wenn er die Einkommensteuer auf die stillen Reserven als Masseverbindlichkeit gescheut bzw. erkannt hätte, dass die einkommensteuerliche Masseverbindlichkeit die Masse mehr belaste als die Verwertung einbringe, nicht hätte verwerten dürfen und die Freigabe des mit einem Absonderungsrecht belasteten Massegegenstandes hätte erklären müssen. Dies sei zirkelschlüssig. Wenn der Beklagte das Argument ins Feld führe, dass die Einordnung als Verbindlichkeit gegen das insolvenzfreie Vermögen der Schuldnerin mit dem Grundsatz der Restschuldbefreiung kollidiere, könne er nicht ernsthaft argumentieren, dass der Kläger wegen der Gefahr der Masseverbindlichkeit das Grundstück hätte freigeben müssen. Denn angesichts der grundpfandrechtlichen Belastung hätte die Schuldnerin das Grundstück sodann selbst verkaufen müssen. Wäre der Tatbestand des § 23 EStG infolge der Veräußerung des freigegebenen Grundstücks verwirklicht worden, würde es sich bei der Einkommensteuerverbindlichkeit erst recht um eine gegen das insolvenzfreie Vermögen gerichtete Forderung handeln, die an der Restschuldbefreiung nicht teilnehme. Der Verweis auf die Freigabe und damit den Verzicht einer eigenen Verwertung durch den Kläger sei daher ein untaugliches Argument. Ungeachtet dessen könne der Verweis auf die Freigabe auch unter Einbeziehung des die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters tragenden Zwecks nicht überzeugen. Es sei gerade der Sinn eines Insolvenzverfahrens, dass die Verwertungszuständigkeiten in der Hand eines unabhängigen Amtswalters konzentriert würden. Wenngleich gerade für Grundstücke Besonderheiten gelten würden, lasse sich den §§ 166 ff. InsO doch im Allgemeinen die Wertung des Gesetzgebers entnehmen, dass nicht der absonderungsberechtigte Gläubiger für die Verwertung zuständig sein solle, sondern zentral der Insolvenzverwalter. Der Gesetzgeber verbinde hiermit die Erwartung, dass die zentrale Verwertungszuständigkeit die Veräußerung von Sach- und vor allem Unternehmensgesamtheiten fördere. Neben der hiermit verbundenen Hoffnung auf die Realisierung eines Paketwertes gehe es dabei vor allem auch darum, ökonomisch-organisatorische Einheiten zu erhalten. Müsste der Insolvenzverwalter wegen der Sorge um die Besteuerung stiller Reserven einzelne Gegenstände freigeben, würde dieses Ziel konterkariert. Es würde zu der nicht gewollten Einzelverwertung und Zerschlagung solcher Einheiten kommen. Dieser Aspekt sei bereits in der BFH-Entscheidung vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) angeklungen und dies obwohl unter der Konkursordnung der Gedanke einer Erhaltung der ökonomisch-organisatorischen Einheit normativ bei weitem noch nicht so ausgeprägt gewesen sei wie heute unter der Insolvenzordnung.

    Im Hinblick auf die Renteneinkünfte macht der Kläger geltend, diese führten ebenfalls nicht zu Einkommensteuerschulden im Rang von Masseverbindlichkeiten. Das Rentenstammrecht und jede einzelne Rentenzahlung gehörten zum unpfändbaren Vermögen der Insolvenzschuldnerin und somit nicht zur Insolvenzmasse (§ 36 InsO). Er habe folgerichtig auch keine Rentenzahlungen vereinnahmt. Daher könne die auf die Rente entfallende Einkommensteuer auch keine Masseverbindlichkeit sein. Die persönlichen Steuern des Schuldners gehörten nur dann zu den Masseverbindlichkeiten, wenn und soweit die für die Entstehung der Steuerschuld maßgeblichen Tatbestandsmerkmale im Verwaltungsbereich des Insolvenzverwalters erfüllt würden. So sollten nach dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 24. Februar 2010 (2 K 90/08, EFG 2010, 883, nachfolgend BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 21/10, BFH/NV 2011, 1038) z.B. die Einkommensteuern, die auf einer Tatbestandsverwirklichung infolge des persönlichen Arbeitseinsatzes des Schuldners als Arbeitnehmer beruhten, keine Masseverbindlichkeiten sein, weil die Arbeitskraft des Schuldners nicht zur Insolvenzmasse gehöre. Ähnlich habe der BFH mit Urteil vom 7. April 2005 (V R 5/04, BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848) zur Umsatzsteuer entschieden: Nehme der Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine neue Erwerbstätigkeit auf, indem er durch seine Arbeit und mit Hilfe von nach § 811 Nr. 5 der Zivilprozessordnung - ZPO - unpfändbaren Gegenständen steuerpflichtige Leistungen erbringe, zähle die hierfür geschuldete Umsatzsteuer nicht zu den Masseschulden im Sinne des § 55 Abs. 1 InsO. Diese Grundsätze müssten entsprechend gelten, wenn unpfändbare Rentenbezüge an die Insolvenzschuldnerin gezahlt würden. Es fehle einerseits in vermögensrechtlicher Hinsicht jeder Massebezug und andererseits eine irgendwie geartete Verwaltungsmaßnahme des Klägers.

    Schließlich habe der BFH mit Urteil vom 24. Februar 2011 (VI R 21/10, BFH/NV 2011, 1038) entschieden, dass pfändbarer Arbeitslohn, der zur Insolvenzmasse gelange, mangels Verwaltungstätigkeit des Insolvenzverwalters keine Masseverbindlichkeit auslöse. Eine Verwaltungstätigkeit des Insolvenzverwalters liege nicht allein deshalb vor, weil das Arbeitseinkommen der Insolvenzschuldnerin als Neuerwerb teilweise zur Masse gelangt und diese damit vermehrt worden sei. Dies gelte auch im Streitfall. Wäre die Rente vom Insolvenzverwalter vereinnahmt worden, läge im vorgenannten Sinne ebenfalls keine Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters vor. Wenn die Rente aber sogar unpfändbar ist, müsse in Ansehung der Einkommensteuer § 55 Abs. 1 InsO erst recht verneint werden.

    Nachdem der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2011 als unbegründet zurückgewiesen hat, beantragt der Kläger sinngemäß,

    den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 22. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2011 dahingehend abzuändern, dass der Teil des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften, der den Betrag von 1.810 EUR übersteigt, sowie die Renteneinkünfte nicht in die Steuerfestsetzung einbezogen werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Zur Begründung führt er aus, die Einkommensteuerschulden 2007 seien zu Recht in vollem Umfang als Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO behandelt worden. Zu den Masseverbindlichkeiten gehörten gemäß § 55 Abs. 1 InsO u.a. auch solche Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet würden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Zu den kraft Gesetzes entstehenden Masseverbindlichkeiten zählten vor allem auch Steuerforderungen bzw. -verbindlichkeiten, die nach Verfahrenseröffnung entstehen (Henkel, in: Jaeger, InsO, § 55 Rn. 33; Braun/Bäuerle, InsO, 4. Aufl. 2010, § 55 Rn. 19 ff., 26; Schumacher, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung - FK-lnsO -, § 55 Rn. 13). Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasse das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehöre und das er während des Verfahrens erlange (lnsolvenzmasse). Anders als ein ausgesonderter Gegenstand (§ 47 InsO) sei auch ein mit einem Absonderungsrecht belasteter Gegenstand Teil der Insolvenzmasse (§§ 49 ff. InsO). Da die Veräußerung des Grundstücks als Teil der Insolvenzmasse im Streitfall durch den Insolvenzverwalter erfolgt sei, sei der Tatbestand des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO hinsichtlich der in Rede stehenden Einkommensteuerschulden 2007 eindeutig erfüllt. Denn die durch die Veräußerung entstandene Einkommensteuerschuld sei durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet worden.

    Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, die Einkommensteuerschuld stelle insoweit eine Insolvenzforderung dar, wie die durch die Veräußerung des Grundstücks aufgedeckten stillen Reserven vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden seien, könne dem im Hinblick auf die ständige BFH-Rechtsprechung nicht gefolgt werden. Denn ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) handele, bestimme sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Steueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und abgeschlossen sei. Dies richte sich allein nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach dem Insolvenzrecht (BFH-Urteil vom 29. August 2007 IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145). Komme es bereits vor der Verfahrenseröffnung zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung, handele es sich um eine Insolvenzforderung, erfolge die vollständige Tatbestandsverwirklichung dagegen erst nach der Verfahrenseröffnung, liege unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor. Ausgehend von diesen allgemeinen Grundsätzen habe der BFH im Urteil vom 11. November 1993 (XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477) bereits ausdrücklich entschieden, dass bei der insolvenzrechtlichen Einordnung von Einkommensteuerschulden im Zusammenhang mit der Verwertung von Vermögen ausschließlich auf den Zeitpunkt der Realisation abzustellen sei. Diese Ansicht trage auch der Tatsache Rechnung, dass sich die vorinsolvenzliche Zuordnungsentscheidung erst an die steuerrechtliche Ermittlung der Einkommensteuer anschließe. Diese Zuordnungsentscheidung könne nicht dazu führen, dass die Steuerforderung in einen Zeitraum verschoben werde, in dem sie steuerrechtlich noch gar nicht entstanden sei. Würde man nämlich dem Gedankengang der teilweise in der Literatur vertretenen Gegenauffassung folgen, dann wäre die hier in Rede stehende Einkommensteuerforderung teilweise bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens im insolvenzrechtlichen Sinne begründet worden mit der Folge, dass es sich zum Teil um Insolvenzforderungen handeln würde. Es wäre für das Finanzamt aber nicht möglich, eine entsprechend erhöhte Steuerforderung für Zeiträume bis zur Insolvenzeröffnung anzumelden, weil eine solche Steuerforderung nach insolvenzrechtlichen Maßstäben (noch) nicht entstanden wäre (vgl. Niedersächsisches FG vom 28. Oktober 2008 13 K 457/07, EFG 2009, 486). Der BFH habe diese Grundsätze zur Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten wiederholt bestätigt (Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682; vom 18. Mai 2010 X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 4289).

    Soweit der Kläger unter Hinweis auf das noch zur Konkursordnung ergangene BFH-Urteil vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2; BStBI II 1984, 602) die Auffassung vertrete, dass die Einkommensteuer nur insoweit eine Masseverbindlichkeit darstelle, wie der Masse tatsächlich Mittel zugeflossen seien, könne dem nicht gefolgt werden. Dies ergebe sich schon aus der Tatsache, dass der hier zu beurteilende Streitfall von dem durch den BFH entschiedenen Sachverhalt abweiche. Dort sei nämlich die durch das Finanzamt festgesetzte Einkommensteuer (335.000 DM) höher gewesen als der zur Insolvenzmasse tatsächlich geflossene Veräußerungsgewinn (280.000 DM). Im Streitfall verhalte es sich jedoch anders. Denn der durch den Kläger im Zusammenhang mit der Grundstücksveräußerung erzielte Betrag habe 10.710 EUR betragen und sei damit höher gewesen als die gesamte Einkommensteuerschuld 2007 (5.902,48 EUR). Der BFH habe in dem vorgenannten Urteil ausdrücklich (nur) vermeiden wollen, dass „die Vorwegbelastung der Masse größer ist als der Zuwachs aus dem Veräußerungsgeschäft”. Eine solche Problematik ergebe sich jedoch im Streitfall - wie die vorangegangene Gegenüberstellung von zugeflossenem Erlös und Steuerschuld zeige - nicht. Vielmehr habe die Insolvenzmasse per Saldo einen Überschuss erzielt. Grundsätzlich sei der Insolvenzverwalter deshalb dazu in der Lage, die durch das Rechtsgeschäft begründeten Steuerforderungen aus den erzielten Erlösen vollständig auszugleichen. Es lägen daher keine „Erfordernisse des Insolvenzverfahrens” im Sinne des BFH-Urteils vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) vor, die eine Begrenzung der Einkommensteuerschulden 2007 auf den zur Insolvenzmasse gelangten Veräußerungserlös bedingen würden. Eine Anwendung des vorgenannten Urteils auf den Streitfall würde vielmehr dazu führen, dass das Finanzamt trotz ausreichendem Zufluss auf die Geltendmachung von Steuerforderungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft des Insolvenzverwalters stehen, gegenüber der Masse verzichten müsste und der Insolvenzmasse zugleich genau aus diesem Rechtsgeschäft weitere Mittel verblieben. Dies würde faktisch nichts anderes als einen Steuererlass darstellen und damit zu einer Subventionierung der Insolvenzmasse und anderer Masse- bzw. Insolvenzgläubiger zu Lasten des Fiskus führen. Ein solches Ergebnis sei jedoch mit dem der Insolvenzordnung innewohnenden Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger unvereinbar.

    Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass das Urteil vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) nach Auffassung des beklagten Finanzamts jedenfalls in solchen Verfahren, auf die die Insolvenzordnung Anwendung findet, ohnehin nicht anzuwenden sei. Denn die durch den BFH in der vorgenannten Entscheidung zur Begründung herangezogene Vorschrift der Konkursordnung - KO - findet in dem hier einschlägigen § 55 InsO keine Entsprechung. Die Konkursordnung habe eine Unterscheidung der Masseverbindlichkeiten zwischen Massekosten und Masseschulden vorgenommen. Zu den Massekosten gehörten gemäß § 58 Nr. 2 KO insbesondere die Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse. Masseschulden hätten u.a. durch Handlungen des Konkursverwalters begründet werden können (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 KO). Der BFH habe die Einkommensteuerschulden in der zitierten Entscheidung jedoch ausdrücklich als Massekosten im Sinne des § 58 Nr. 2 KO und nicht als Masseschulden im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, dessen Wortlaut in etwa mit dem des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO vergleichbar gewesen sei, eingestuft. Daher könne die durch den BFH vorgenommene Auslegung des § 58 Nr. 2 KO auf die im Streitfall einschlägige Vorschrift der Insolvenzordnung nicht übertragen werden. Vielmehr sei § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO vorliegend tatbestandlich unzweifelhaft erfüllt. Denn der Kläger habe als Insolvenzverwalter die in Rede stehenden Grundstücke, die zur Insolvenzmasse gehörten, selber verwertet. Die eindeutige gesetzliche Regelung lasse keinen Raum für eine einschränkende Definition des Begriffs der Masseverbindlichkeit, wie sie der BFH in der o.g. Entscheidung auf Grundlage des § 58 Nr. 2 KO vorgenommen habe.

    Eine Übertragung der Grundsätze des vom Kläger zitierten Urteils auf § 55 InsO widerspräche auch dem systematischen Zusammenspiel zwischen den Voraussetzungen für die Annahme einer Masseverbindlichkeit und dem Rechtsinstitut der Freigabe. Nach § 35 Abs. 2 InsO könne der Insolvenzverwalter, wenn der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit ausübe oder beabsichtige, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, gegenüber dem Schuldner erklären, ob Vermögen aus dieser selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehören solle und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Gebe der Insolvenzverwalter nicht die Erklärung ab, dass Vermögen aus jener Tätigkeit des Schuldners nicht zur Insolvenzmasse gehören solle (sog. Freigabe), das betreffende Vermögen also vom Insolvenzbeschlag frei sein solle, fielen die vom Schuldner durch die betreffende Tätigkeit neu erworbenen Forderungen in die Insolvenzmasse. Aus dieser Systematik der Insolvenzordnung folgere die wohl herrschende Meinung in der Literatur, dass der Insolvenzverwalter die Möglichkeit der Freigabe unmittelbar nach Verfahrenseröffnung prüfen müsse, um zu verhindern, dass massebelastete Verbindlichkeiten begründet werden. Der Insolvenzverwalter habe insofern nicht nur das Recht, sondern gegenüber den Insolvenzgläubigern sogar die Pflicht zur Freigabe, wenn ein Gegenstand unverwertbar ist oder seine Verwaltung und Verwertung den zu erwarten Verkaufserlös übersteigt (vgl. z.B. Obermüller/Hess, InsO, 4. Aufl. 2003, Rn. 491c; Winter, ZVI 2005, 573). Diese allgemeingültigen Grundsätze könnten auch ohne Einschränkung auf den Fall der Verwertung eines mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstandes übertragen werden. Auf die Ausführungen von Raab (DZWIR 2006, 234) werde Bezug genommen.

    Der BFH versuche in seiner Entscheidung vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) offensichtlich, die Insolvenzmasse von Verbindlichkeiten zu „entlasten”, indem er dem Insolvenzverwalter zwar die Verwertungshandlung zugestehe, dann jedoch die dadurch entstandenen Verbindlichkeiten nur bezogen auf den tatsächlich zugeflossenen Betrag als Massekosten ansehe. Er schränke also den Steueranspruch gegenüber der Masse ein (vgl. Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, 3. Aufl. 2007, Rn. 242 ff.). Aus den zuvor zitierten Fundstellen ergebe sich jedoch, dass die gesetzliche Regelung des § 35·Abs. 2 InsO bzw. das vor deren Inkrafttreten richterrechtlich anerkannte Institut der Freigabe (vgl. hierzu Bundesgerichtshof - BGH - vom 1. Februar 2007 IX ZR 178/05, DB 2007, 1189) eindeutig den Weg vorgebe, wie der Insolvenzverwalter die Entstehung von solchen für die Masse belastenden Verbindlichkeiten vermeiden könne. Hierfür stehe ihm (alleine) die Freigabe des entsprechenden Gegenstandes zur Verfügung.

    Wie bereits ausgeführt, sei der Gesetzeswortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO eindeutig. Es bestehe keine planwidrige Gesetzeslücke, die trotz tatbestandlicher Erfüllung des § 55 InsO zum Schutz der Masse eine Begrenzung der durch die Verwertungshandlung begründeten Masseverbindlichkeiten erfordere. Vielmehr habe der Insolvenzverwalter vor der Verwertung eingehend zu prüfen, ob das Rechtsgeschäft per Saldo für die Insolvenzmasse und damit letztlich auch die anderen Masse- bzw. Insolvenzgläubiger vorteilhaft ist. Soweit dies nicht der Fall sei, habe er die Verwertungshandlung zu unterlassen und - soweit mit dem absonderungsberechtigten Gläubiger keine anderen Regelungen getroffen werden könnten - aus der Insolvenzmasse freizugeben. Unterlasse er dies, habe er durch sein Handeln Masseverbindlichkeiten begründet. Bei diesen Überlegungen dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass bei einer anderen Auslegung der §§ 35 Abs. 2 und 55 Abs. 1 InsO das Rechtsinstitut der Freigabe ins Leere gehen würde. Denn die Auffassung des BFH im Urteil vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) würde bei einer Übertragung auf Verfahren nach der Insolvenzordnung bedeuten, dass der Insolvenzverwalter jede Handlung vornehmen bzw. sämtliche Tätigkeiten des Schuldners dulden und die daraus erzielten Erlöse zur Insolvenzmasse ziehen könne, und zwar unabhängig davon, ob die hierdurch zugleich verursachten Verbindlichkeiten aus den Einnahmen getilgt werden könnten. Denn er könnte sich im Einzelfall immer darauf berufen, dass nicht ausreichend Liquidität zur Masse gelangt sei und insoweit keine Masseverbindlichkeiten vorlägen.

    Dies sei - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht zirkelschlüssig. Es sei nicht zwingend, dass das insolvenzfreie Vermögen der Insolvenzschuldnerin selbst im Falle einer Freigabe des Grundstücks mit Einkommensteuerschulden belastet worden wäre. Hätte die Insolvenzschuldnerin nämlich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis an dem Grundstück durch eine Freigabe zurückerhalten, wäre es für sie möglich gewesen, eigene Verhandlungen mit dem absonderungsberechtigten Gläubiger zu führen, um ggf. eine Zwangsversteigerung zu vermeiden. So wäre z.B. eine Grundstücksübertragung gegen Übernahme der Verbindlichkeiten (inklusive der Steuerforderungen) durch den Erwerber möglich gewesen. In diesem Zusammenhang lasse der Kläger auch unberücksichtigt, dass die Veräußerung des Grundstücks nur deshalb zu einer Einkommensteuerschuld geführt habe, weil ein Spekulationsgeschäft im Sinne des § 23 EStG vorgelegen habe. Zum Zeitpunkt der Veräußerung habe das Grundstück bereits mehr als neun Jahre im Eigentum von Frau G gestanden. Gerade vor diesem Hintergrund wäre es durch entsprechende Verhandlungen mit dem absonderungsberechtigten Gläubiger für sie durchaus möglich gewesen, zumindest eine Veräußerung innerhalb der Zehn-Jahres-Frist zu vermeiden. Letztlich verkenne der Kläger auch die unterschiedliche Interessenlage zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin. Stehe für den Insolvenzverwalter nämlich regelmäßig im Vordergrund, das Grundstück möglichst schnell zu verwerten, um die Masse anzureichern, sei es häufig Ziel des Insolvenzschuldners, das Eigentum an dem Grundstück zu erhalten bzw. eine Veräußerung so zu gestalten, dass im Hinblick auf die angestrebte Restschuldbefreiung keine neuen (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten) Schulden entstehen.

    In diesem Zusammenhang sei auch anzumerken, dass dem Finanzamt keine Entscheidung z.B. eines Zivilgerichtes bekannt sei, in der durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründete Verbindlichkeiten dennoch nicht zu Masseschulden führten, weil sich andernfalls wirtschaftliche Nachteile für die Masse ergeben könnten. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Exemplarisch werde auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 28. April 2006 (I-3 Wx 299/05, ZInsO 2007, 154) verwiesen. Diese Entscheidung habe die Frage zum Gegenstand gehabt, wie Wohngeldschulden zu behandeln seien. Der Insolvenzverwalter habe gegen die Annahme von Masseverbindlichkeiten unter anderem eingewandt, dass er nur in geringem Umfang Gegenleistungen in Form von Mietzinsen in Anspruch genommen hätte. Das OLG Düsseldorf sei dennoch zu folgendem Ergebnis gelangt:

    „Geht man mit dem Bundesgerichtshof davon aus, dass bei dem Begriff der „Inanspruchnahme” auf die Möglichkeit des Insolvenzverwalters zur Verhinderung der Masseverbindlichkeit abzustellen ist, was dem systematischen Zusammenhang des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO mit der Regelung in korrespondierenden Vorschriften entspricht (§ 209 Abs. 2 Nr. 2, § 61 Abs. 1, § 90 InsO), dann erscheint die Einordnung der hier in Frage stehenden Wohngeldschulden als Neumasseverbindlichkeiten gerechtfertigt. Denn zur Verhinderung der Masseverbindlichkeiten hätte sich für den Antragsgegner die Freigabe der Eigentumswohnungen angeboten (§ 32 Abs. 3 InsO). Der Insolvenzverwalter ist im Rahmen der Verwaltung der Insolvenzmasse berechtigt und ggf. auch verpflichtet, Gegenstände, die für die Masse wertlos sind, was der Antragsgegner für die zur Insolvenzmasse gehörenden Wohnungen geltend gemacht hat, freizugeben.”

    In eine ähnliche Richtung wiesen die Darstellungen von Onusseit (ZIP 1986, 77) hin, der sich mit der Begründung des BFH-Urteils vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) auseinandersetze. Dabei führe er unter anderem aus:

    „Ausgehend von der richtigen Annahme, dass auch die Kosten für die Verwertung von mit Absonderungsrechten belegten Massegegenständen Massekosten sind, schränkt der BFH diesen Grundsatz für die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn ein. (...) Weil andernfalls die Einkommensteuer in vielen Fällen den in die Masse fallenden Übererlös übersteige und der Konkursverwalter deshalb zu einer für die Masse ungünstigen Freigabe des Gegenstandes gezwungen sei, widerspreche die Versteuerung des Gesamtgewinns als Massekosten den Erfordernissen des Konkursverfahrens. Dies ist ohne Zweifel richtig, rechtfertigt aber nicht, einer ansonsten als Massekosten begründeten Steuerschuld diesen Charakter abzusprechen. Wenn der Konkursverwalter andere Verwaltungshandlungen vornimmt, die mehr Massekosten begründen als Masse einbringen, etwa wenn er ein überlastetes Grundstück nicht aus der Masse freigibt, sondern stattdessen noch Versicherungsprämien für die Gebäudehaftpflichtversicherung oder die Grundsteuer zahlt, so widerspricht dies im Normalfall auch den Erfordernissen des Konkursverfahrens, und doch würde niemand auf die Idee kommen, die Prämie oder die Grundsteuer stellten keine Massekosten oder -schulden dar. Dieses Beispiel zeigt, dass allein die Tatsache, dass die Masse keinen Vorteil oder gar einen Nachteil aus einer Handlung des Verwalters erleidet, kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung von Massekosten darstellt.”

    Es sei also festzustellen, dass es wohl allgemeiner Auffassung entspreche, dass die Vermeidung der Entstehung von Masseverbindlichkeiten letztlich nur durch eine Freigabe des Gegenstandes erreicht werden könne, an der es im Streitfall jedoch fehle. In diesem Zusammenhang werde jedoch nochmals ausdrücklich betont, dass es dieser Überlegungen im Streitfall tatsächlich gar nicht bedürfe, da abweichend von der Entscheidung des BFH vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) durch die Grundstücksveräußerung ausreichend finanzielle Mittel zur Tilgung der Steuerschulden in die Insolvenzmasse gelangt seien. Im Übrigen werde die Argumentation des BFH in der Literatur auch aus anderen Gründen für nicht überzeugend und rechtsdogmatisch nicht vertretbar angesehen. Hess/Mitlehner (Steuerrecht, Rechnungslegung, Insolvenz, Rn. 863 ff.) führten zu den Entscheidungsgründen aus:

    „Diese Entscheidung ist systemwidrig und unvereinbar mit der Rechtsprechung zum umsatzsteuerrechtlichen Doppelumsatz bei der Verwertung von Sicherungsgut nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Verwertung von Absonderungsgut findet nämlich nicht außerhalb des Insolvenzverfahrens statt, wenn die Verwertung durch den Insolvenzverwalter selber ausgeführt wird (§§ 166 ff. InsO). Richtig ist vielmehr, dass der Erlös zunächst in voller Höhe in die Insolvenzmasse fließt und aus der Insolvenzmasse gegenüber dem Absonderungsberechtigten - bis zur Höhe der gesicherten persönlichen Forderungen - abzurechnen ist (§ 170 InsO). Systemgerecht erscheint deshalb nur, die Zuordnung der Einkommensbesteuerung ebenso wie die Zuordnung der Umsatzbesteuerung in diesen Fällen vorzunehmen, also grundsätzlich davon auszugehen, dass die Steuern - systemgerecht - die Insolvenzmasse belasten.”

    Onusseit (ZInsO 2003, 677) ergänze dann:

    „Dass ein Geschäft für die Masse nachteilig ist, ist kein geeignetes Kriterium für die Abgrenzung der Masseverbindlichkeiten. Der Einkommensteuer unterliegt nicht die Einkommensverwendung - hier die Befriedigung der Grundpfandgläubiger -, sondern die Einkommenserzielung, mithin der Veräußerungsgewinn. Die Realisierung der stillen Reserven ist nach der sonstigen Abgrenzung des BFH aber allein bei der Masse angefallen. Im Übrigen ist für das insolvenzfreie Vermögen dieselbe Belastung zu konstatieren, wie für die Masse.”

    Mit seiner letzten Aussage spreche Onusseit eine Problematik an, die in der o.g. BFH-Entscheidung nicht erörtert werde. Dabei sei zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei den in Rede stehenden Einkommensteuerverbindlichkeiten nicht um Insolvenzforderungen handele. Denn mit Urteil vom 11. November 1993 (XI R 73/92, BFH/NV 1997, 477) habe der BFH entschieden, dass für die Einordnung der Einkommensteuerschuld bei der Verwertung von Vermögen (ganz formal) auf den Zeitpunkt der Realisation abzustellen sei. Nicht maßgeblich sei hingegen der Zeitpunkt, in dem die Wertzuwächse (stille Reserven) entstanden seien. Damit könne es sich - soweit es sich nach Auffassung des BFH nicht um Masseverbindlichkeiten handeln solle -, nur um Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen, mithin gegen die Insolvenzschuldnerin persönlich, handeln. Die durch den BFH zugunsten der Insolvenzmasse angeführte Argumentation, nämlich die Begrenzung der Masseverbindlichkeiten auf den zugeflossenen Betrag wegen der Erfordernisse des Insolvenzverfahrens, könnte auch die Insolvenzschuldnerin für sich beanspruchen. Denn ihr sei tatsächlich gar kein Erlös zugeflossen. Man möge zwar vordergründig argumentieren, dass sie von den Forderungen des absonderungsberechtigten Gläubigers frei geworden sei. In gleicher Weise könnte man jedoch auch einen Zufluss bei der Insolvenzmasse annehmen. So führe Frotscher (Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 147 f.), aus, dass sich mit der abgesonderten Befriedigung gleichzeitig die entsprechende Insolvenzforderung vermindere. Die Insolvenzmasse sei durch Wegfall der Insolvenzforderung bereichert. Die Veräußerung des Massegegenstandes auf Grund des Absonderungsrechtes komme also in voller Höhe der Insolvenzmasse durch Verminderung der Schuldnermasse zugute. Es sei deshalb gerechtfertigt, dass sich die entsprechende Einkommensteuer ebenfalls gegen die Masse richte, und zwar in voller Höhe und nicht nur, soweit Erlöse zur Masse gelangt seien.

    Ungeachtet dieser - nach Auffassung des Finanzamts zutreffenden - Überlegungen sei zu berücksichtigen, dass eine solche Tilgung von Insolvenzforderungen bei einer natürlichen Person wirtschaftlich häufig keinen Vorteil darstelle. Denn da sie das Insolvenzverfahren regelmäßig mit dem Ziel durchlaufe, eine Restschuldbefreiung zu erhalten, werde sie von diesen Verbindlichkeiten gemäß den §§ 268 ff. InsO befreit. Deren Tilgung führe in diesem Fall zu keinem finanziellen Nutzen. Deshalb bestünden erhebliche Zweifel, ob eine Festsetzung gegenüber dem Insolvenzschuldner persönlich mit der gesetzgeberischen Intention bei Schaffung der Insolvenzordnung vereinbar sei. Denn die durch den BFH im o.g. Urteil vertretene Auffassung würde dazu führen, dass das Finanzamt die Einkommensteuerforderungen in wesentlichen Teilen gegen das insolvenzfreie Vermögen richten müsste mit der Folge, dass regelmäßig - mangels pfändbarer Einkünfte und damit fehlender Haftungsmasse - praktisch keine Vollstreckungsmöglichkeiten bestünden. Ungeachtet der Tatsache, dass ein solches Ergebnis für das Finanzamt als Gläubiger unbillig wäre, sei es auch aus Sicht des Insolvenzschuldners selber mit den Zielen der Insolvenzordnung nicht vereinbar. Denn dieser durchlaufe als natürliche Person das Insolvenzverfahren mit dem Ziel der Entschuldung. Als Folge der Rechtsauffassung des BFH im o.g. Urteil sähe er sich jedoch nicht unerheblichen (neuen) Steuerforderungen gegenüber, die es u.U. erforderlich machten, dass er erneut einen Insolvenzantrag stellen müsste. Denn die nach Verfahrenseröffnung begründeten Steuerschulden wären nicht von der Restschuldbefreiung auf Grund des anhängigen Insolvenzverfahrens umfasst (vgl. § 301 InsO). Aber auch durch ein mögliches zweites Insolvenzverfahren könnte der Insolvenzschuldner hinsichtlich der Einkommensteuerforderungen wegen § 290 Abs.1 Nr. 3 InsO keine Restschuldbefreiung erlangen. Ein solches Ergebnis widerspräche jedoch dem in § 1 Satz 2 InsO niedergelegten Grundsatz, wonach das Insolvenzverfahren u.a. dem Zwecke diene, dem redlichen Schuldner die Gelegenheit zu geben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Würde man also die in Rede stehenden Einkommensteuerforderungen dennoch (unmittelbar) von ihm persönlich einfordern, würde das in § 1 Satz 2 InsO niedergelegte elementare Ziel der Insolvenzordnung ad absurdum geführt, da der Schuldner faktisch eine Entschuldung nicht erreichen könnte. Diese Problematik zeige auch Benne (BB 2001, 1977) auf. Er gelange nämlich zu dem Ergebnis, dass die Veräußerung eines Grundstücks den Verwertungstatbestand des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfülle. Dadurch entstehende Einkommensteuern seien deshalb grundsätzlich Masseverbindlichkeiten. Soweit die Masse durch die Verwertungshandlung nicht entsprechend vermehrt würde, könne das Problem nicht dadurch gelöst werden, dass man die Insolvenzmasse entgegen der insolvenzrechtlichen Systematik dadurch entlaste, dass man die Einkommensteuerschuld trotz ihrer Eigenschaft als Masseverbindlichkeit schlichtweg dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners zuweise. Dies widerspräche dem Grundsatz, dass Belastungen der Masse mit Masseverbindlichkeiten nicht gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners geltend gemacht werden dürften.

    Auch die weitere Argumentation des BFH in dem o.g. Urteil vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) vermöge nicht zu überzeugen. Danach spräche für die eingeschränkte Berücksichtigung der Einkommensteuer als Masseanspruch auch die Eigenart dieser Abgabe. Denn für die Einkommensteuer sei das Einkommen des Steuerpflichtigen nicht nur Bemessungsgrundlage, sondern auch das Steuerobjekt, auf das sich der Staatszugriff richte. Daraus ließe sich folgern, dass die Einkommensteuer nur insoweit die Qualität eines Masseanspruchs erlange, als das Steuerobjekt zur Konkursmasse gelange. Hierzu merke Onusseit (ZInsO 2003, 677) - nach Auffassung des Finanzamts zutreffend - an:

    „Dass das Einkommen auch das Zugriffsobjekt des Fiskus ist, ist ebenfalls bedeutungslos. Mit der Aufgabe der Separationsthese ist der Insolvenzschuldner das Steuersubjekt. Entscheidend ist also, was ihm an Einkommen zufließt, nicht was in einen einzelnen Vermögensbestandteil, die Masse, gelangt. Der Buchgewinn fließt ihm in diesem Fall insgesamt und nicht nur in Teilen zu. Dieser ist daher insgesamt Grundlage der Besteuerung und nicht etwa ein Obererlös zugunsten der Masse, der zudem mit der stillen Reserve nicht einmal kausal zusammenhängen muss.”

    Sämisch/Adam (ZInsO 2010, 934) führten hierzu weiter aus:

    „Das ist ebenfalls systemwidrig, da der Insolvenzverwalter im Rahmen seines Auftrags die Verwertung (Anm. des Finanzamts: gemeint ist wohl „bei der Verwertung”) nur unter Vereinbarung eines Massenkostenbeitrages für alle Gläubiger tätig wird. Sollte der geringe Anteil für die Masse zugleich wieder in Form von Masseverbindlichkeiten der Masse entzogen werden, käme nur die Freigabe der Immobilie in Betracht.”

    Im Übrigen sei der jüngeren Rechtsprechung anderer Senate des BFH abweichend von der Entscheidung vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) zu entnehmen, dass es für die Qualifikation der Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit nicht darauf ankomme, ob und ggf. in welchem Umfang der Insolvenzmasse korrespondierend Erträge in Form einer Liquiditätsmehrung zu Gute kommen (vgl. hierzu Schmid, jurisPR-lnsR 20/2010, Anm. 2). So habe der BFH in seinem Urteil vom 18. Mai 2010 (X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429) entschieden, dass die auf dem Gewinnanteil eines insolventen Mitunternehmers beruhenden Einkommensteuerschulden auch dann Masseverbindlichkeiten darstellten, wenn der Insolvenzmasse durch den Gewinnanteil kein Wert zugeflossen sei. In der Entscheidung vom 16. August 2001 (V R 59/99, BFHE 196, 341, BStBl II 2003, 208) sei der BFH zu dem Ergebnis gelangt, dass die Umsatzsteuer für die steuerpflichtige Lieferung eines mit Grundpfandrechten belasteten Grundstücks im Konkurs durch den Gemeinschuldner nach Freigabe durch den Konkursverwalter zu den Massekosten gehört. Dabei sei es für den V. Senat nicht relevant gewesen, dass kein Zufluss aus dem erzielten Veräußerungserlös an die Masse erfolgt sei. Eine Bereicherung der Masse solle bereits darin liegen, dass die durch die Verwertung der Grundpfandrechte getilgten Verbindlichkeiten wegfielen. In seinem Urteil vom 29. August 2007 (IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145) habe der BFH dann entschieden, dass die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer auch dann Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei, wenn sich das Kraftfahrzeug nicht mehr im Besitz des Schuldners befinde, die Steuerpflicht aber noch andauere. Es spiele danach keine Rolle, ob sich das Fahrzeug im Eigentum oder Besitz des (Gemein-)Schuldners befindet, ob der Insolvenzverwalter das Fahrzeug nutzen könne oder ob er überhaupt Kenntnis von seiner Existenz habe. Auch hier erfolge keine Beschränkung der als Masseforderungen geltend zu machenden Steueransprüche wegen der „Erfordernisse des Insolvenzverfahrens”. Nach alledem halte das Finanzamt an seiner Auffassung fest, dass die auf die Veräußerung des Grundstücks entfallenden Einkommensteuerschulden 2007 zutreffend in vollem Umfang als Masseverbindlichkeiten in einem an den Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheid festgesetzt worden seien.

    Zu einem anderen Ergebnis führe auch nicht die Tatsache, dass in die Ermittlung der Summe der Einkünfte auch (steuerpflichtige) Renteneinkünfte i. H. v. 1.251 EUR eingeflossen seien. Zwar gehe der Kläger zu Recht davon aus, dass die Rentenzahlungen dem insolvenzfreien Vermögen zuzuordnen seien. Dennoch sei die Einkommensteuer 2007 in vollem Umfang als Masseverbindlichkeit anzusehen. Nach der Rechtsprechung des BFH sei die Einkommensteuer in Insolvenzfällen weiterhin einheitlich zu ermitteln. Der so ermittelte Betrag werde auf die verschiedenen insolvenzrechtlichen Vermögenssphären verteilt (BFH-Urteil vom 18. Mai 2010 X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429). Dabei sei zunächst im Hinblick auf die insolvenzfreien Einkünfte eine sog. Schattenveranlagung für den betreffenden Veranlagungszeitraum durchzuführen. Die sich daraus ergebenden Steuerbeträge und steuerlichen Nebenleistungen entfielen in vollem Umfang auf das insolvenzfreie Vermögen. Der Differenzbetrag zwischen dem Ergebnis der Schattenveranlagung und der einheitlich ermittelten Einkommensteuerschuld entfalle in vollem Umfang auf die Insolvenzmasse (Masseverbindlichkeit). Danach sei im Streitfall die Einkommensteuer 2007 auf den Massebereich (Spekulationsgewinn) und das insolvenzfreie Vermögen (Renteneinkünfte) zu verteilen. Bei der Schattenveranlagung für das insolvenzfreie Vermögen ergebe sich unter Berücksichtigung der Renteneinkünfte i. H. v. 1.095 EUR eine Steuerschuld von 0 EUR. Daher sei die gesamte Steuerschuld als Masseverbindlichkeit zu behandeln.

    Dieses Ergebnis sei auch sachgerecht, da die von Frau G erzielten Renteneinkünfte deutlich geringer seien als der Grundfreibetrag. Die in Rede stehende Einkommensteuerschuld sei daher in vollem Umfang durch die Veräußerung des Grundstücks und damit durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet worden. Erst durch die Erlöse aus der Grundstücksveräußerung sei die Einkommensteuerbelastung 2007 ausgelöst worden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht deshalb, weil die Renteneinkünfte unter Berücksichtigung der Progression zu einer Auswirkung auf die Steuerhöhe geführt hätten. Denn es sei zu berücksichtigen, dass der Insolvenzschuldnerin im Jahr 2007 nur Renteneinnahmen i. H. v. 2.692 EUR zugeflossen seien. Eine anteilige Festsetzung der aus den Renteneinkünften resultierenden Einkommensteuerschuld gegen die lnsolvenzschuldnerin persönlich auf Grund einer rein mathematischen Verteilung würde somit gegen den verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz der Steuerfreiheit des Existenzminimums verstoßen. Deshalb sei es folgerichtig, die Einkommensteuerschuld alleine gegenüber der insolvenzrechtlichen Vermögenssphäre geltend zu machen, durch die die Entstehung des Steueranspruchs dem Grunde nach ausgelöst worden sei. Dies sei vorliegend die Insolvenzmasse.

    Mit Beschluss vom 30. Juni bzw. 15. Juli 2011 hat das Gericht Frau G nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zum Verfahren beigeladen.

    Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakten des Beklagten Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist nur teilweise begründet.

    Der Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 22. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die festgesetzte Einkommensteuer den Betrag von 4.811 EUR übersteigt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat die Renteneinkünfte der Beigeladenen zu Unrecht in die Festsetzung einbezogen. Hingegen hat der Beklagte den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften i. H. v. 29.255 EUR zu Recht berücksichtigt.

    I. Die Höhe der (einheitlichen) Jahreseinkommensteuer ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Sie richtet sich allein nach dem Steuerrecht (Roth, InsolvenzSteuerecht, Rn. 4.195). Steuerschuldnerin ist die Insolvenzschuldnerin, Frau G. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt in steuerrechtlicher Hinsicht keine Unterscheidung zwischen dem (persönlichen) beschlagfreien Vermögen des Schuldners einerseits und der Insolvenzmasse andererseits (Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl. 2010, Rn. 1341/1342).

    II. Der Beklagte hat die Einkommensteuerforderung 2007 dem Grunde nach zu Recht gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter von Frau G festgesetzt. Sie ist allerdings auf 4.811 EUR herabzusetzen.

    Im Fall der Insolvenz ist die Einkommensteuer verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zuzuordnen. Zu unterscheiden ist zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten als Forderungen gegen die Insolvenzmasse sowie Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen. Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO sind Vermögensansprüche gegen den Schuldner, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet sind. Hingegen sind Masseverbindlichkeiten insbesondere die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Sie werden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet. Die Zuordnung der Steuerforderung bestimmt sich nicht nach dem Steuerrecht, sondern nach dem Insolvenzrecht. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Begründetseins des gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Anspruchs. Die Einkommensteuerschuld wird für die insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung schon dann begründet, wenn im Laufe des Veranlagungszeitraums die einzelnen für die Höhe des Jahreseinkommens maßgeblichen Besteuerungsmerkmale verwirklicht werden. Der schuldrechtliche Tatbestand, der die Grundlage für den Steueranspruch bildet, muss vollständig abgeschlossen sein. Auf die Entstehung des Steueranspruchs im Sinne des § 38 AO kommt es nicht an (vgl. Roth, InsolvenzSteuerecht, Rn. 4.169 ff.; Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Rn. 40, m.w.N.).

    Sind in einem Veranlagungszeitraum mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien betroffen, so ist die einheitlich ermittelte Einkommensteuerschuld aufzuteilen. Der Insolvenzverwalter ist allein Adressat der Steuerbescheide über Ansprüche, die Masseverbindlichkeiten darstellen. Hingegen ist er nicht Adressat der Verwaltungsakte, die das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners betreffen. Diese sind dem Insolvenzschuldner bekannt zu geben (Roth, InsolvenzSteuerecht, Rn. 3.196). Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Steuerforderungen sind beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden (§ 174 Abs. 1 Satz 1 InsO).

    1. Die Einkommensteuer 2007 stellt - soweit sie auf den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften entfällt - eine Masseverbindlichkeit dar.

    a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist die durch Auflösung stiller Reserven entstandene Steuerforderung Masseverbindlichkeit, wenn der in den Einkünften enthaltene Veräußerungserlös aus der Verwertung von Vermögensgegenständen zur Masse gelangt ist, und zwar auch dann, wenn durch die Veräußerung stille Reserven realisiert worden sind, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind (BFH-Urteile vom 29. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602; vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477; vom 18. Mai 2010 X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Frage, ob der Gewinn vor oder nach der Konkurseröffnung erzielt worden ist, davon abhänge, in welchem Zeitpunkt die einzelnen Geschäftsvorfälle erfolgswirksam geworden seien, d.h. zu einer Veränderung des Betriebsvermögens geführt hätten. Dies sei bei gewinnbringenden Geschäften erst der Fall, wenn der Bilanzierende seine eigene Leistung erbracht habe. Erst zu diesem Zeitpunkt würden auch stille Reserven mit steuerlicher Wirkung realisiert. Das Halten von stillen Reserven erfülle noch kein Besteuerungsmerkmal.

    Demgegenüber sind Steuerschulden aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern nach der in der Literatur überwiegend vertretenen Gegenmeinung als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden, soweit die aufgedeckten stillen Reserven vor Insolvenzeröffnung angesammelt worden sind. Zu den Masseverbindlichkeiten sollen sie insolvenzrechtlich nur insoweit gehören, als sie auf den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung entfallen (vgl. Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl. 2010, Rn. 1466 ff.; Roth, InsolvenzSteuerrecht, Rn. 4.13 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 139 ff; Sämisch/Adam, ZInsO 2010, 934, 937; Onusseit, ZIP 1986, 77, 80; ders., ZinsO 2003, 677, 681). Zur Begründung wird ausgeführt, dass der BFH mit dem Merkmal der Gewinnrealisierung allein auf das Steuerrecht abstelle und systemwidrig den Umstand ausblende, dass das Insolvenzverfahren der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger aus der Insolvenzmasse diene und insoweit dem Verkehrswert der Vermögenswerte das entscheidende Gewicht beizumessen sei (Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl. 2010, Rn. 1469). Die stillen Reserven seien Folge ursprünglich niedriger Bewertungsansätze bzw. steuerrechtlicher Abschreibungsmöglichkeiten. Der Rechtsgrund für den Steueranspruch liege also in angesammelten thesaurierten Erträgen. Die zurückliegend geminderte Steuerlast sei als Stundung der Steuerschuld zu betrachten. Aufgrund dieser Kreditgewährung schon vor der Insolvenzeröffnung müsse es sich bei dem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung handeln (Sämisch/Adam, ZInsO 2010, 934, 937). Entscheidend sei, dass vor der Verfahrenseröffnung alle Merkmale erfüllt seien, die über Grund und Höhe der Forderung bestimmten. Die Forderung stehe lediglich unter der aufschiebenden Bedingung der Realisierung der stillen Reserven (Onusseit, ZIP 1986, 77, 81).

    Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des BFH an. Dabei hält er für ausschlaggebend, dass der Steuertatbestand erst durch die Veräußerung des Grundbesitzes - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens - verwirklicht worden ist. Das Halten stiller Reserven ist einkommensteuerlich irrelevant. Nur durch die Verwertungshandlung des Klägers als Insolvenzverwalter ist die Steuerforderung ausgelöst worden. Erst dann ist der schuldrechtliche Tatbestand, der die Grundlage für den Steueranspruch bildet, komplett abgeschlossen. Gegen die Annahme einer bedingt entstandenen Einkommensteuer spricht, dass es zumindest im Fall des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht zwingend zu einer steuerrelevanten Aufdeckung von stillen Reserven kommt. Wird der Grundbesitz länger als zehn Jahre gehalten, ist er nicht mehr steuerverstrickt. Vor diesem Hintergrund führt die Bildung stiller Reserven nicht zwangsläufig zu einer Stundung der Einkommensteuer, vielmehr kann es auch zu einem kompletten Verzicht auf die Besteuerung kommen. Des weiteren hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die hier in Rede stehende Einkommensteuerforderung unter Zugrundelegung der Auffassung des Klägers zwar teilweise bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens im insolvenzrechtlichen Sinne begründet worden sei mit der Folge, dass es sich zum Teil um Insolvenzforderungen handelte, dass es für das Finanzamt aber nicht möglich gewesen sei, eine entsprechend erhöhte Steuerforderung für Zeiträume bis zur Insolvenzeröffnung als Insolvenzforderung anzumelden, weil eine solche Steuerforderung auch nach insolvenzrechtlichen Maßstäben (noch) nicht entstanden wäre. Dies spricht dagegen, den einheitlichen Veräußerungsgewinn in vor der Verfahrenseröffnung und danach entstandene stille Reserven aufzuteilen.

    b) Darüber hinaus steht der Einordnung der auf den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften entfallenden Einkommensteuer 2007 als Masseverbindlichkeit nicht entgegen, dass der veräußerte Grundbesitz einem Absonderungsrecht unterlag und nur ein Kostenbeitrag i. H. v. 10.710 EUR zur Insolvenzmasse gelangt ist.

    Nach der Rechtsprechung des BFH zum Konkursverfahren ist die bei der Verwertung durch die Aufdeckung stiller Reserven entstehende Einkommensteuer nur insoweit als Masseverbindlichkeit zu bewerten, als der Erlös in die Insolvenzmasse fließt (vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 1978 VIII R 28/73, BFHE 124, 411, BStBl II 1978, 356; vom 29. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602; vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477; vom 9. November 1994 I R 5/94, BStBl II 1995, 255). Zur Begründung hat der BFH auf die Erfordernisse des Konkursverfahrens verwiesen. Ansonsten müsste auf eine sachgerechte Verwertung der belasteten Vermögensgegenstände wegen der drohenden Steuerbelastung verzichtet werden, obwohl diese sowohl im Interesse der Absonderungsberechtigten als auch der Konkursgläubiger liege. Zudem spreche die Eigenart der Einkommensteuer für ihre beschränkte Berücksichtigung als Masseanspruch. Für die Einkommensteuer sei das Einkommen des Steuerpflichtigen nicht nur Bemessungsgrundlage, sondern auch Steuerobjekt, auf das sich der Staatszugriff richte. Daraus lasse sich folgern, dass die Einkommensteuer nur insoweit die Qualität eines Masseanspruchs erlangt, als das Steuerobjekt zur Konkursmasse gelangt ist.

    Demgegenüber kommt es nach der Gegenmeinung nicht darauf an, inwieweit ein Zufluss zur Insolvenzmasse zu verzeichnen ist (vgl. Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl. 2010, Rn. 1493; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 147 ff.; Onusseit, ZIP 1986, 77, 84; ders., ZInsO 2003, 677, 681). Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Masse bei der Verwertung eines Vermögensgegenstands keineswegs nur in Höhe des zugeflossenen Mehrerlöses bereichert werde, sondern auch um die dem Absonderungsrecht zugrunde liegende schuldrechtliche persönliche Forderung gegen den Schuldner (Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 147 f.). Zudem führe die Sichtweise des BFH zu ungerechtfertigten steuerlichen Verschiebungen zwischen den insolvenzrechtlichen Vermögensmassen. Wegen der Einschränkung „soweit der Erlös zur Masse gelangt” werde der den absonderungsberechtigten Gläubigern zufließende Verwertungserlös nicht um die darauf entfallende Einkommensteuer gemindert, während sich die übrigen Insolvenzgläubiger erst aus der um die Steuerschuld geminderten Masse schadlos halten könnten. Dies sei schon konkursrechtlich nicht nachvollziehbar gewesen. Insolvenzrechtlich verstoße dieser Ansatz gegen § 35 InsO, wonach auch das während des Verfahrens Erlangte zur Insolvenzmasse zähle (Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl. 2010, Rn. 1491 f.).

    Der erkennende Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Er hält den vom BFH angeführten Bereicherungsgedanken zumindest im Geltungsbereich der InsO für verfehlt. Dafür lässt sich insbesondere anführen, dass die (fehlende) Vorteilhaftigkeit eines Geschäfts für die Insolvenzmasse nach allgemeinen Grundsätzen kein geeignetes Kriterium für die Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten ist. Zudem stellt sich die Tatsache, dass das Einkommen auch das Zugriffsobjekt des Fiskus ist, nach der Aufgabe der sog. Separationsthese als bedeutungslos dar. Steuersubjekt ist der Insolvenzschuldner, so dass entscheidend ist, was ihm an Einkommen zufließt, und nicht, was in die Masse gelangt (vgl. Onusseit, ZIP 1986, 77, 84; ders., ZInsO 2003, 677, 681).

    2. Soweit die Einkommensteuer 2007 auf die Renteneinkünfte der Beigeladenen entfällt, ist sie nicht der Forderungskategorie der Masseverbindlichkeiten zuzuordnen. Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass das Rentenstammrecht und jede einzelne Rentenzahlung zum unpfändbaren Vermögen der Insolvenzschuldnerin gehören. Die Unpfändbarkeit der Rente ergibt sich aus § 850 ZPO in Verbindung mit § 54 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs - SGB - Erstes Buch - I -. Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Die auf die Renteneinkünfte entfallende Einkommensteuer stellt sich somit als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen dar (vgl. auch Urteil des Niedersächsischen FG vom 28. Oktober 2008 13 K 457/07, EFG 2009, 486 mit Anm. Loose, nachfolgend BFH-Urteil vom 18. Mai 2010 X R 60/08, BFH/NV 2010, 1685). Dies ist zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig.

    3. Sind in einem Veranlagungszeitraum mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien betroffen, so ist die einheitlich ermittelte Einkommensteuerschuld aufzuteilen. Nach der Rechtsprechung des BFH erfolgt die Aufteilung der Jahressteuerschuld nach dem Verhältnis der Teileinkünfte zueinander. Zur Begründung wird ausgeführt, diese Aufteilungsmethode sei auch in Ansehung der progressiven Steuerbelastung sachgerecht, weil zur Jahressteuerschuld ununterscheidbar alle Einkommensteile beigetragen hätten (BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602; vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477). Sie hat zur Konsequenz, dass eine Zuordnung der Pausch- und Freibeträge nicht erfolgen muss.

    Diese Rechtsprechung wird im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Progression kritisiert. Daher befürwortet eine weit verbreitete Literaturmeinung - jedenfalls für die Aufteilung der einheitlichen Steuerschuld im Veranlagungszeitraum der Insolvenzeröffnung - die Durchführung von Teil- bzw. Schattenveranlagungen entsprechend §§ 268 ff. AO. Dabei sollen die Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen nach Anlass zugerechnet und die Pauschbeträge zeitanteilig berücksichtigt werden. Die einheitliche Steuerschuld wird nach dem Verhältnis der sich auf der Grundlage der Schattenveranlagungen ergebenden Steuerbeträge aufgeteilt (vgl. Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl. 2010, Rn. 1461; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rn. 295 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 128 ff.; Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Rn. 72).

    Nach anderer Auffassung ist die Jahreseinkommensteuerschuld im Veranlagungszeitraum der Insolvenzeröffnung aufzuteilen, indem der Gesamtbetrag der nach Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse geflossenen Einkünfte zu ermitteln und um zuzuordnende Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, anteilige Pauschbeträge u.Ä. zu bereinigen ist (Roth, InsolvenzSteuerecht, Rn. 4.177 ff.). Dieser bereinigte Gesamtbetrag der Einkünfte der Insolvenzmasse sei auf ein volles Kalenderjahr hochzurechnen; auf der Basis dieser fiktiven Einkünfte sei eine fiktive Veranlagung durchzuführen und der Durchschnittssteuersatz festzustellen. Dieser sei mit dem von der Insolvenzmasse erzielten bereinigten Gesamtbetrag der Einkünfte zu multiplizieren. Das Ergebnis sei die Höhe der Masseverbindlichkeiten, wobei die Aufteilung des Jahressteuerbetrages in Verhältnis der angefallenen Teileinkünfte eine Kappungsgrenze bilde. Dagegen könne die Aufteilung der Jahressteuerschuld während des Insolvenzverfahrens nach dem Verhältnis der Teileinkünfte erfolgen (Roth, InsolvenzSteuerecht, Rn. 4.194 ff.). Da die Aufteilung der Vermögensmassen in zur Befriedigung der Gläubiger heranzuziehendes Vermögen und dem Schuldner haftungsfrei zur Verfügung stehendes Vermögen allein durch das Insolvenzrecht determiniert werde, sei es nicht geboten, in beiden Bereichen Progressionselemente unterzubringen. Es könne schlicht dabei bleiben, dass alle Einkünfte mit dem nach dem Steuerrecht bemessenen gleichen Steuersatz belastet sind und der sich daraus ergebende Steuerbetrag jeweils aus der Vermögensmasse gezahlt wird, der die Einkünfte insolvenzrechtlich zugeordnet sind. Insoweit sei dem BFH zu folgen.

    Der Senat hält die Rechtsprechung des BFH für vorzugswürdig und schließt sich ihr an. Sie stimmt mit der zuletzt genannten Literaturauffassung überein. Die Aufteilung der Jahressteuerschuld nach dem Verhältnis der Teileinkünfte dürfte dem Prinzip der einheitlichen Steuerschuld am ehesten entsprechen. Zudem sprechen Praktikabilitätsgründe für diese Aufteilungsmethode. Im Übrigen ist zu beachten, dass es sich bei der Aufteilung um eine Schätzung handelt und jeder Aufteilungsschlüssel zu Ungenauigkeiten führt (vgl. Kahlert, in: Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 9.762). Demnach ist die Einkommensteuer des Jahres 2007 wie folgt aufzuteilen:

    Einkommensteuer 2007 5.024,00 EUR
    davon auf die Renteneinkünfte entfallend (1.251 EUR/29.583 EUR) = Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen 212,45 EUR
    davon auf die übrigen Einkünfte entfallend (28.332 EUR/29.583 EUR) = Masseverbindlichkeit 4.811,55 EUR
    Gegen die Berechnung des Beklagten, der eine Schattenveranlagung für die Renteneinkünfte durchführen und die sich daraus ergebende Steuerschuld (0 EUR) von der einheitlichen Jahressteuerschuld (5.024 EUR) abziehen möchte, spricht, dass dabei insbesondere der Grundfreibetrag vorrangig von den Renteneinkünften in Abzug gebracht wird. Dies erscheint weder sachgerecht noch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes der Steuerfreiheit des Existenzminimums geboten.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

    Die Revision war zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) zuzulassen. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob das BFH-Urteil vom 29. März 1984 (IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602) auch im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung Geltung beansprucht.

    VorschriftenInsO § 35, InsO § 36 Abs. 1 Satz 1, InsO § 38, InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, ZPO § 850, SGB I § 54 Abs. 4