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  • 15.12.2011

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 22.09.2010 – 14 K 14203/07

    1. Wurde nach dem Tod des einen Ehegatten (hier: Ehemann) der andere, überlebende Ehegatte (hier: Ehefrau) Alleinerbe und wird nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten das gemeinsame Kind der Ehegatten Alleinerbe, so kann das Kind den Pflichtteil, der ihm beim Tod des zuerst verstorbenen Elternteils zugestanden hat, nur dann als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG des länger lebenden Ehegatten und nunmehrigen Erblassers abziehen, wenn die Pflichtteilsforderung zu Lebzeiten des mit dem Pflichtteilsanspruchs beschwerten nunmehrigen Erblassers diesem gegenüber ernstlich geltend gemacht worden ist und diesen im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet hat. Für die ernsthafte Geltendmachung zu Lebzeiten des Erblassers trägt der Steuerpflichtige, der die Erblasserschuld als Nachlassverbindlichkeit geltend macht, die Feststellungslast.

    2. Es spricht gegen die ernsthafte Geltendmachung des Pflichtteils zu Lebzeiten des länger lebenden Ehegatten und Elternteils, wenn nach dem ersten Todesfall die vordruckmäßige Frage in der Erbschaftsteuererklärung nach Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und geltend gemachten Pflichtteilen, an deren Erstellung das rechtskundige Kind mitgewirkt hat, durch das Setzen eines Minuszeichens verneint worden ist. Die Geltendmachung des Pflichtteils kann nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten nicht mehr steuerwirksam nachgeholt werden.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 14. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. September 2010 durch die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter …

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte zu Recht den Ansatz einer Pflichtteilsverbindlichkeit als Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz – ErbStG – versagt hat.

    Aufgrund gemeinschaftlicher, gegenseitiger Einsetzung zu Alleinerben der Eheleute D und E (sog. Berliner Testament) wurde Frau E Alleinerbin nach ihrem am 23. Mai 2003 verstorbenen Ehemann. Die Klägerin als einziger Abkömmling war damit von der gesetzliche Erbfolge nach ihrem Vater ausgeschlossen und entsprechend Pflichtteilsberechtigte nach § 2303 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –. Am 07. Juli 2003 beantragte Frau E vor dem Notar F in Berlin die Ausstellung eines Erbscheins aufgrund des vor dem zuständigen Amtsgericht eröffneten Testaments. In der von der Klägerin ausgefüllten und von der Mutter unterschriebenen Erbschaftsteuererklärung nach dem Tod des Vaters vom 04. Januar 2004 wurde zu Punkt C. des Vordrucks: „Nachlassverbindlichkeiten, Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen” ein Minuszeichen: ”./.” im Sinne einer Negativangabe gesetzt. Mangels steuerlicher Auswirkung aufgrund der persönlichen Freibeträge der Mutter nach §§ 16 und 17 ErbStG unterblieb eine Erbschaftsteuerfestsetzung gegen diese. Auch erfolgte keine Erbschaftsteuerfestsetzung gegen die Klägerin im Zusammenhang mit deren Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Vaters.

    Am 24. August 2004 verstarb auch Frau E (Erblasserin), die von der Klägerin als Schlusserbin und Alleinerbin beerbt wurde. In dem Vordruck der Erbschaftsteuererklärung für den Erwerb nach der Erblasserin blieb die mit „ja” oder „nein” anzukreuzende Frage nach geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen unbeantwortet. Die Erklärung ging beim Beklagten am 01. Februar 2005 ein.

    Mit Vorbehaltsbescheid vom 25. Februar 2005 setzte der Beklagte eine Erbschaftsteuer von 103.750,00 EUR gegen die Klägerin für den Erwerb nach der Erblasserin fest, gegen den die Klägerin wegen des Ansatzes von Grundbesitzwerten Einspruch einlegte. Mit Schreiben vom 05. April 2005 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, dass sie ihren Pflichtteil nach ihrem vorverstorbenen Vater in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, entsprechend einem Viertel des Nachlasswertes, geltend mache. Entsprechend müsse der Wert der Bereicherung für den Erwerb nach der Erblasserin um ein Viertel aufgrund der von der Mutter auf sie, die Klägerin, übergegangenen Pflichtteilsverbindlichkeit gemindert werden. Der Pflichtteilsanspruch nach dem Vater sei noch nicht verjährt, weil die Dreijahresfrist nach § 2332 BGB nach dem Tod des Vaters noch nicht abgelaufen sei.

    Am 22. September 2005 erließ der Beklagte – unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung – einen Änderungsbescheid über nunmehr 98.350 EUR aufgrund von mittlerweile erteilten Feststellungsbescheiden zu Grundbesitzwerten. Die Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs als eine mit dem Tod der Mutter auf die Klägerin übergegangene Erblasserschuld lehnte der Beklagte mangels Nachweises der Geltendmachung des Pflichtteilanspruchs noch zu Lebzeiten der Erblasserin ab. Hiergegen legte die Klägerin neuerlich Einspruch ein. Unter Zurückweisung des Einspruchs als unbegründet setzte der Beklagte im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2007 die Steuer – entsprechend vorheriger Ankündigung – auf 98.850 EUR wegen eines Steuerguthabens herauf.

    Mit der fristgerecht erhobenen Klage begehrt die Klägerin die erwerbsmindernde Berücksichtigung ihres auf 70.536 EUR bezifferten Pflichtteilsanspruchs nach dem Tod des Vaters bei der Besteuerung ihres Erwerbs als (Allein-)Erbin nach der Erblasserin, ihrer Mutter. Dieser Anspruch sei beim Nachlass des vorverstorbenen Vaters nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG zu berücksichtigen gewesen und aufgrund der Rechtsnachfolge nach der Erblasserin im Rahmen der Bewertung des Nachlasses der Erblasserin als eine von dieser herrührende Schuld nach § 10 Abs. 5 Nr.1 ErbStG bereicherungsmindernd anzusetzen. Der Pflichtteilsanspruch sei mit dem Erbfall entstanden und mit seiner Geltendmachung entsprechend dem Ansatz bei der Pflichtteilsberechtigten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 b) ErbStG auch bei der Pflichtteilsverpflichteten zu berücksichtigen. Sie, die Klägerin, habe ihren Pflichtteil nach dem Vater gegenüber der Erblasserin noch zu deren Lebzeiten geltend gemacht. Dies sei aufgrund eines notariellen Hinweises im Zusammenhang mit der notariellen Verhandlung zur Beantragung des Erbscheins vom Juli 2003 erfolgt. Dies belege die vorgelegte Erklärung des Notars F vom 15. Dezember 2005, wonach dieser ihr bestätige, sie in Gegenwart ihrer Mutter auf die Möglichkeit hingewiesen zu haben, binnen drei Jahren nach dem Tod des Vaters ihren gesetzlichen Pflichtteil geltend zu machen. Dass sie gegenüber der Mutter den Pflichtteil geltend gemacht habe, könne auch deren Bruder, der als Zeuge benannte Herr G, bestätigen. Nach dessen vorgelegter Erklärung vom 10. September 2005 habe seine Schwester im Frühsommer 2004 mit ihm darüber gesprochen, der Tochter als Ausgleich ihres Pflichtteilsanspruchs sowie für die Hausverwaltung mehrerer Objekte den der Schwester zustehenden hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück H – straße in Berlin übertragen zu wollen. Als hälftiger Miteigentümer dieses Objekts habe er seiner Schwester gegenüber erklärt, dagegen keine Einwände zu erheben. Die notarielle Umsetzung dieses Vorhabens sei lediglich an dem sich verschlechtert habenden Gesundheitszustand der Schwester gescheitert. Dagegen könne der Beklagte nicht überzeugend einwenden, dass die Steuererklärungen nach dem Tod des Vaters wie auch nach dem Tod der Mutter keinen Hinweis auf einen Pflichtteil der Klägerin bzw. dessen Geltendmachung enthielten. Denn es müsse insoweit ihre (der Klägerin) – durch den relativ kurz aufeinander eingetretenen Verlust beider Elternteile – belastende psychische Situation berücksichtigt werden, die sich auch auf die Anfertigung der Steuererklärungen bzw. auf die Mitwirkung daran ausgewirkt habe. Für den Erwerb der Mutter sei ohnehin keine Steuer erwartet worden. Im Übrigen komme es, so die Klägerin weiter, im Ergebnis nicht darauf an, dass der Pflichtteilsanspruch noch zu Lebzeiten der Erblasserin geltend gemacht worden sei. Entscheidend sei nur, dass er noch vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nach dem Tod des Vaters geltend gemacht worden sei. Diese Frist sei hier unstreitig jedenfalls mit dem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 05. April 2005 eingehalten worden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Pflichtteilsanspruch – trotz der zivilrechtlichen Vereinigung von Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsberechtigung in ihrer Person als Schlusserbin nach ihren Eltern – mit allein erbschaftsteuerlicher Wirkung auch noch nach dem Tod der Mutter von ihr habe geltend gemacht werden können. Denn nach § 10 Abs. 3 ErbStG gälten erbschaftsteuerliche Rechtsverhältnisse trotz der mit dem Erbfall eingetretenen Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit als fortbestehend. Sofern gegen diese Rechtsansicht von dem Beklagten die gegenteilige Auffassung des Finanzgerichts München (z.B. Urteil des Finanzgerichts – FG – München vom 24. Juli 2002 4 K 1286/00, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2002, 1625) herangezogen werde, müsse berücksichtigt werden, dass den dort entschiedenen Sachverhalten solche Pflichtteilsansprüche zugrunde gelegen hätten, die im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung nach dem Tode des Pflichtteilsverpflichteten bereits verjährt gewesen seien. Mangels Verjährung sei die Sachlage im Streitfall entscheidungserheblich anders.

    Die Klägerin beantragt,

    den Erbschaftsteuerbescheid vom 22. September 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2007 in der Weise zu ändern, dass der steuerpflichtige Erwerb um 70.536,00 EUR wegen eines Pflichtteilsanspruchs als weitere Nachlassverbindlichkeit zu mindern und

    die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Es komme im Streitfall darauf an, ob die Klägerin den – als solchen unstreitigen – Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Vaters noch zu Lebzeiten der Erblasserin geltend gemacht habe. Denn trotz der Fortgeltungsfiktion nach § 10 Abs. 3 ErbStG sei die steuerliche Berücksichtigung eines erst nach dem Ableben der Pflichtteilsverpflichteten geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs mangels wirtschaftlicher Belastung ausgeschlossen, da die Klägerin sich dann als belastete wie verpflichtete Person selbst in Anspruch nehmen müsse. Eine steuerliche Berücksichtung sei in diesem Falle nach dem im Erbschaftsteuerrecht geltenden Bereicherungsprinzip ausgeschlossen. Dagegen sei die von der Klägerin behauptete Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs noch zu Lebzeiten der Erblasserin nicht belegt, sondern offenbar erst nach dem Tod der Erblasserin von der Klägerin „erfunden” worden, der als (in der Nachlassabteilung eines Amtsgerichts tätigen) Rechtspflegerin erbrechtliche Zusammenhänge geläufig seien. Als Indiz hierfür seien nicht nur die Steuererklärungen mit einem fehlenden Hinweis auf einen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch heranzuziehen. Dafür spreche vor allem der Umstand, dass die Klägerin in einem Telefonat mit der Sachbearbeiterin des Beklagten, Frau I, eingeräumt habe, den ihr zustehenden Pflichtteilsanspruch wegen der Krankheit der Mutter nicht geltend gemacht zu haben.

    Der Senat hat im Termin Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn G sowie der Sachbearbeiterin, Frau I, als Zeugen. Auf die Sitzungsniederschrift wird insoweit verwiesen. Die Beteiligten haben im Termin zum Ergebnis der Beweisaufnahme mit gegensätzlicher Wertung Stellung genommen.

    Dem Senat haben bei seiner Entscheidung zwei Bände Erbschaftsteuerakten vorgelegen, die von dem Beklagten zu den Steuernummern … /2004 und … /2003 geführt werden.

    Entscheidungsgründe:

    Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Pflichtteilsverbindlichkeit, die als solche (auch) der Höhe nach gemäß den von den Beteiligten zu Protokoll gegebenen Erklärungen unstreitig ist, die Pflichtteilsverbindlichkeit der Erblasserin gegenüber der Klägerin im Rahmen der Ermittlung ihres steuerpflichtigen Erwerbs nicht als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG bereicherungssmindernd berücksichtigt.

    Für den hier allein streitgegenständlichen Erwerb der Klägerin von der Erblasserin kann sich schon nach der Systematik des Gesetzes keine diesbezügliche Abzugsfähigkeit aus § 10 Abs. 5 Nr. 2ErbStG ergeben. Danach sind von einem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb als Nachlassverbindlichkeiten zwar die Verbindlichkeiten u.a. aus geltend gemachten Pflichtteilen abzugsfähig. Derartige sog. Erbfallschulden i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB zeichnet in zivilrechtlicher Hinsicht aus, dass sie den Erben als solchen treffen und in dessen Person aus Anlass des jeweiligen Erbfalls kraft Gesetzes oder aufgrund einer letztwilligen Anordnung des Erblassers entstehen (Urteil des FGMünchen vom 22. September 2008 4 K 2749/06, der Erbschaftsteuerberater – ErbStB – 2009, 295-296). In erbschaftsteuer Hinsicht korrespondiert die Belastung des mit der gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzugsfähigen Erbfallschuld beschwerten Erben mit einem Erwerb von Todes wegen eines anderen Erwerbers (Urteil des FG München vom 22. September 2008 4 K 2749/06, a.a.O., m.w.N.). Vor diesem Hintergrund scheidet im Streitfall § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Grundlage für eine Minderung der Bereicherung für den Erwerb der Klägerin als Erbin nach der Mutter (aber) deshalb aus, weil die mit dem Pflichtteilsanspruch der Klägerin korrespondierende Verbindlichkeit nicht erst mit dem streitgegenständlichen Erbfall in der Person der Klägerin als Erbfallschuld entstanden ist. Die entsprechende Verbindlichkeit ist vielmehr bereits in der Person der Erblasserin mit dem Ableben des Ehemannes bzw. des Vaters der Klägerin im Jahre 2003 entstanden.

    Die Pflichtteilsverbindlichkeit ist auch nicht nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden persönlichen Verbindlichkeiten, die gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO – auf den Erben übergegangen sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Der Abzug setzt voraus, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen und den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet haben (Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. Mai 2009 II B 155/08, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2009, 1441). An dieser wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn der Erblasser als Schuldner davon ausgehen konnte, die Verpflichtungen unter normalen Umständen nicht selbst erfüllen zu müssen (Beschluss des BFH vom 15. Mai 2009, II B 155/08 a.a.O.). Beerbt der Inhaber eines Pflichtteilsanspruchs den mit dem Pflichtteil beschwerten Erben, kann die Pflichtteilsforderung nur dann als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden, wenn sie zu Lebzeiten des mit dem Pflichtteilsanspruchs beschwerten nunmehrigen Erblassers diesem gegenüber ernstlich geltend gemacht worden ist und diesen im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet hat (Beschluss des BFH vom 15. Mai 2009 II B 155/08 a.a.O. und Urteil des FG München vom 22. September 2008 4 K 2749/06 a.a.O.). Mit dem zusätzlichen Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung weicht das Erbschaftsteuerrecht vom Zivilrecht ab (Beschluss des BFH vom 15. Mai 2009 II B 155/08, a.a.O.). Das Erfordernis ernsthafter Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs in dem Sinne, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes ernsthaft damit rechnen musste, selbst die Verbindlichkeit zu erfüllen, gilt wegen des das Erbschaftsteuerrecht beherrschenden Bereicherungsprinzips trotz der in § 10 Abs. 3 ErbStG bestimmten Fortgeltung von Recht und Belastung für erbschaftsteuerliche Zwecke (Urteil des FG München vom 22.09.2008 4 K 2749/06 a.a.O. und Beschluss des BFH vom 15. Mai 2009 II B 155/08 a.a.O.). Geltendmachung in diesem Sinne bedeutet die endgültige Entscheidung, den Pflichtteil für sich in Anspruch zu nehmen und auf seine Auszahlung drängen zu wollen (Hauschildt in Tiedtke, ErbStG, 2009, § 9 Rn 17). Dabei kann nicht schon jede Äußerung im innerfamiliären Kreis zur Erbschaftssituation als letztgültige Geltendmachung gewertet werden (Hauschildt in Tiedtke, ErbStG, a.a.O.). Der Erblasser musste im maßgeblichen Todeszeitpunkt nicht damit rechnen, den Pflichtteil zu gewähren – ggf. auch statt durch Zahlung durch eine Sachleistung wie eine Immobilie als Leistung an Erfüllungs statt –, wenn der Pflichtteilsanspruch zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt war – auch keine Anhaltspunkte für einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung vorliegen – und/oder wenn der Erbe von der Verfolgung des Anspruchs aus anderen Gründen abgesehen hat, wie insbesondere wegen des schlechten Gesundheitszustandes des Erblassers (Beschluss des BFH vom 15. Mai 2009 II B 155/08, a.a.O.). Für die ernsthafte Geltendmachung zu Lebzeiten des Erblassers trägt der Steuerpflichtige, der die Erblasserschuld als Nachlassverbindlichkeit geltend macht, die Feststellungslast (Urteil des FG München vom 22.09.2008 4 K 2749/06, a.a.O.).

    Nach diesen Grundsätzen konnte die nach dem Tod der Erblasserin erfolgte Erklärung der Klägerin gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 05. April 2005, den Pflichtteil geltend zu machen, schon in zeitlicher Hinsicht keinen Ansatz als Nachlassverbindlichkeit begründen. Sie konnte nicht zu einer wirtschaftlichen Belastung des Erblassers im Todeszeitpunkt führen. Nach dem Eintritt des Erbfalls konnte das Bestimmungsrecht wegen der eingetretenen Konfusion nicht mehr wirksam gegenüber sich selber ausgeübt werden, weil die Klägerin insoweit wirtschaftlich dadurch nicht mehr belastbar war (Urteil des FG München vom 22. September 2008 4 K 2749/06 a.a.O.). Insofern spielt es auch keine Rolle, dass zu diesem Zeitpunkt der Anspruch noch nicht verjährt war.

    Für den Zeitraum vor Eintritt des Erbfalls wiederum lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit eine Erblasserschuld feststellen, weil nach den maßgeblichen Gesamtumständen unter Würdigung der Beweisaufnahme zumindest erhebliche Zweifel des Senats an einer wirtschaftlichen Belastung der Erblasserin durch den Pflichtteil bestehen, die aufgrund der Feststellungslast von der Klägerin zu tragen sind.

    Es bestehen schon Zweifel an der Darstellung der Klägerin, sie habe aufgrund eines notariellen Hinweises ihren Pflichtteilsanspruch gegen die Erblasserin zu deren Lebzeiten ernsthaft geltend gemacht. Diese ergeben sich zunächst aus dem Umstand, dass die vordruckmäßige Frage in der Erbschaftsteuererklärung der Mutter nach Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und geltend gemachten Pflichtteilen, an deren Erstellung die rechtskundige Klägerin mitgewirkt hat, durch das Setzen eines Minuszeichens verneint worden ist. Da andererseits alle aktiven Vermögenswerte detailliert angegeben worden sind, ist die (sinngemäße) Erläuterung der Klägerin hierfür, im Hinblick auf die Freibeträge der Mutter der Steuererklärung ohnehin im Detail keine besondere Bedeutung beigemessen zu haben, nicht plausibel. Insofern überzeugt auch die Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie habe die Folge der Verneinung der Geltendmachung eines Pflichtteils nicht absehen können, den Senat nicht. Diesbezüglich ist nämlich beachtenswert, dass die Erbschaftsteuererklärungandererseits die Erbfallkostenpauschale von 10.300 EUR nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG enthält. Die Klägerin vermochte auch keine überzeugende Begründung dafür zu geben, dass sie in ihrer eigenen Steuererklärung keine Erblasserschuld aus dem Pflichtteil als Nachlassverbindlichkeit angegeben hat. Immerhin hatte dies hier steuerliche Auswirkung und wäre für sie zumindest aufklärbar gewesen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch die vorgetragene psychische Belastungssituation daran gehindert gewesen wäre. Die vorliegenden Zweifel an der Darstellung der Klägerin werden somit durch den Umstand genährt, dass entsprechend erstmalig im Rechtsbehelfsverfahren der Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Beklagten vorgetragen wird. Dabei spricht die Wortwahl in dem diesbezüglichen Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom 05. April 2005, sie mache den Pflichtteil geltend (Präsens) und könne dies innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ab Kenntnis vom Erbfall auch tun, für die Vorstellung der Klägerin, erst zu diesem Zeitpunkt den Anspruch geltend zu machen. Einen schon lebzeitig geltend gemachten Pflichtteilsanspruch hätte sie, die sich auch ansonsten in ihren Schreiben sprachlich differenziert ausdrückt, wohl auch als solchen in der Darstellung wiedergegeben.

    Die solchermaßen bestehenden Zweifel sind auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausgeräumt worden, was aber für den Erfolg der Klage notwendig gewesen wäre. Der Senat ist danach nicht überzeugt davon, dass die Erblasserin im Todeszeitpunkt damit rechnen musste, die Pflichtteilsverbindlichkeit zu erfüllen, weil die Klägerin auf deren Erfüllung ernsthaft gedrängt hätte. Zwar hat der Zeuge G, der als Adoptivvater der Klägerin mit dieser verwandtschaftlich eng verbunden ist, ausgesagt, dass seine Schwester (Erblasserin) ihm gegenüber geäußert habe, dass die Klägerin ihren Pflichtteil geltend mache, und zur Erfüllung die Übertragung eines Grundstücksanteils an der H-straße beabsichtigt sei. In der dem Beklagten vorgelegten schriftlichen Erklärung vom 10. September 2005 hat er ferner erklärt, dass die notarielle Beurkundung bis zum Abschluss der Chemotherapie aufgeschoben und dann wegen des Gesundheitszustands der Erblasserin nicht mehr durchgeführt worden sei. Das deckt sich im Wesentlichen mit dem Vortrag der Klägerin. Aber auch wenn man diesen Ablauf als wahr unterstellt, folgt daraus noch nicht zur Überzeugung des Gerichts, dass bis zum Todestag die Erblasserin davon ausgehen musste, die Pflichtteilsverpflichtung zu erfüllen. Ein nachhaltiges Drängen auf Erfüllung ist daraus nicht ersichtlich. Der sich verschlechternde Zustand war vielmehr nach dem Vortrag der Klägerin die Ursache, dass der Pflichtteilsanspruch nicht durchgesetzt wurde. Dann aber liegt es nach der Lebenserfahrung nahe, dass spätestens in dem nach dem erbschaftsteuerlichen Stichtagsprinzip maßgeblichen Todeszeitpunkt bzw. schon davor die Klägerin davon abgesehen hatte, ihren Pflichtteilsanspruch mit dem erforderlichen Nachdruck zu verfolgen, was nach den oben dargestellten Grundsätzen steuerschädlich ist. Dafür spricht auch insofern die Zeugenaussage des Zeugen G, dass er nur einmalig von seiner Schwester auf den Pflichtteil angesprochen worden sei, er für eine Nachfrage seinerseits auch keine Veranlassung gesehen habe, da der Pflichtteilsanspruch ihn eigentlich ohnehin nichts angegangen sei. Dafür spricht ferner der Umstand, dass es keinerlei nachvollziehbare Schritte zum Umsetzung der Anteilsübertragung gegeben hat. D.h. es besteht nach der Auffassung des Senats zumindest die ernsthafte Möglichkeit, dass auch über die Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs noch nicht endgültig entschieden war und die Geltendmachung nicht über das steuerlich irrelevante Stadium innerfamiliärer Diskussion hinausgelangt war. Deshalb fehlt es an der erforderlichen wirtschaftlichen Belastung der Erblasserin.

    Das solchermaßen gefundene Ergebnis ändert sich auch nicht unter Berücksichtigung der Zeugenaussage der Sachbearbeiterin I. Deren Aussage ist für den Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteils zwar nicht hinreichend ergiebig, lässt aber gleichwohl die oben aufgezeigten Zweifel an einer ernsthaften Geltendmachung bestehen, die für sich schon unter dem Gesichtspunkt der Feststellungslast zur Klageabweisung führen. Insofern wirkt es sich auf das Ergebnis nicht aus, dass die Zeugin zwar in einem handschriftlichen Zusatz eines ansonsten maschinenschriftlichen Vermerks über ein mit der Klägerin am 31. März 2005 geführtes Telefonat aufgenommen hat, dass die Klägerin ihr gegenüber eingeräumt habe, den Pflichtteilsanspruch wegen des Gesundheitszustandes der Mutter dieser gegenüber nicht geltend gemacht zu haben, der genaue Inhalt des Telefonats sich dem Senat aber deshalb nicht erschließt, weil der handschriftliche Zusatz zum Vermerk – wie von der Zeugin in ihrer Aussage eingeräumt – erst Monate später von ihr erstellt worden ist und die Zeugin sich im Termin an den genauen Inhalt des Telefonats nicht erinnern konnte.

    Da bereits die oben dargelegten Umstände zumindest erhebliche Zweifel an einer wirtschaftlichen Belastung der Erblasserin begründen, wirkt es sich ferner auf das Ergebnis nicht aus, dass mangels Verjährungseintritts nach § 2332 BGB bis zum maßgeblichen Erbfall nach der Pflichtteilsverpflichteten nicht schon aus Verjährungsgründen eine wirtschaftliche Belastung zu verneinen wäre.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 – FGO –. Da danach die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, erübrigt sich eine Entscheidung des Senats zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

    VorschriftenErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1, ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 2, ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 1b, ErbStG § 10 Abs. 3, BGB § 2332